BT-Drucksache 14/8132

zu der Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung -14/6979- Jahresbericht 2001 der Bundesregierung zum Stand der deutschen Einheit

Vom 30. Januar 2002


Deutscher Bundestag Drucksache 14/8132
14. Wahlperiode 30. 01. 2002

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Cornelia Pieper, Jürgen Türk, Ina Albowitz, Hildebrecht Braun
(Augsburg), Horst Friedrich (Bayreuth), Ulrich Irmer, Dr. Heinrich L. Kolb, Jürgen
Koppelin, Günther Friedrich Nolting, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Dr. Edzard
Schmidt-Jortzig, Dr. Irmgard Schwaetzer, Dr. Hermann Otto Solms, Carl-Ludwig
Thiele, Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP

zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
– Drucksache 14/6979 –

Jahresbericht 2001 der Bundesregierung zum Stand der deutschen Einheit

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Der Jahresbericht zum Stand der deutschen Einheit spiegelt nur unvollkommen
die gesamtwirtschaftliche und soziale Situation in den neuen Ländern wider.
Viele Probleme und negative Entwicklungen bleiben darin ausgespart.
Seit einem Jahr befindet sich Ostdeutschland nicht mehr auf Wachstums- son-
dern auf Schrumpfkurs. Das zeigt sich u. a. daran, dass
– die Wirtschaftskraft des Ostens auf 60 Prozent des Westens abgesunken ist.

Unter der Kohl-Regierung betrug sie noch 61,7 Prozent;
– die Arbeitslosenquote auf 17,6 Prozent hochgeschnellt ist. Das ist die

höchste Rate seit dem Amtsantritt von Bundeskanzler Gerhard Schröder.
Insbesondere die Jugendarbeitslosigkeit ist trotz Jump-Programm (Sofort-
programm der Bundesregierung zum Abbau der Jugendarbeitslosigkeit) mit
rund 11 Prozent unvertretbar hoch;

– die Zahl der Abwanderer aus dem Osten wieder steigt. Im Vorjahr waren es
über 200 000 Menschen, die den neuen Ländern den Rücken kehrten.

Es ist dringend notwendig, eine Trendumkehr zu erreichen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung daher auf,
1. die Verkehrsinfrastruktur verstärkt auszubauen:

Die Verkehrswege sind die Lebensadern der Wirtschaft. Ohne eine tragfä-
hige Infrastruktur laufen alle Bemühungen um die Ansiedlung von Investo-
ren ins Leere. Insbesondere vor dem Hintergrund der Erweiterung der Euro-
päischen Union kommen auf die neuen Bundesländer neue Anforderungen
zu. Zur Bewältigung der schon jetzt deutlich absehbaren zusätzlichen Belas-

Drucksache 14/8132 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

tungen der Verkehrswege durch die EU-Osterweiterung muss die Bundesre-
gierung ein Sonderprogramm „EU-Osterweiterung“ auflegen, das über drei
Jahre mit 1,5 Mrd. Euro ausgestattet werden soll.
Die Vorrangfinanzierung der Verkehrsprojekte Deutsche Einheit muss bei-
behalten werden; der Einsatz von Mitteln aus dem Europäischen Fonds für
regionale Entwicklung (EFRE) der EU für die Verkehrswege in den neuen
Ländern im Rahmen der Ziel-1-Förderung ist zu forcieren.

2. den Mittelstand verstärkt zu fördern:
Der Mittelstand in den neuen Ländern muss stärker als bisher gefördert wer-
den. Denn Mittelstandspolitik ist Arbeitnehmerpolitik. Die Bundesregierung
ist aufgefordert, dahingehend geeignete Maßnahmen zu ergreifen. Sinnvolle
Konzepte zur Stärkung des Mittelstandes sind:
– die Stärkung der Investitionskraft von Städten und Kommunen;
– das Tariftreuegesetz zurückzuziehen, da es die Zahl der Firmenzusam-

menbrüche im ostdeutschen Baugewerbe in die Höhe treibt und die Ar-
beitslosigkeit im ostdeutschen Bausektor dramatisch erhöhen wird;

– die Wirtschafts- und Exportkraft der ostdeutschen mittelständischen Un-
ternehmen durch die Förderung ihrer regionalen Vernetzung zu erhöhen;

– dafür Sorge zu tragen, dass Existenzgründer intensiver und zielgerichte-
ter als bisher durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) und die
Deutsche Ausgleichsbank (DtA) beraten und begleitet werden.

3. den Wissenschaftsstandort Ostdeutschland verstärkt zu fördern:
– Die Bundesregierung wird aufgefordert, die Voraussetzungen dafür zu

schaffen, die bestehenden Regelungen zur Kofinanzierung der neuen
Bundesländer in Umsetzung des 30. Rahmenplanes für den Hochschul-
bau bis 2004 zu verändern. Die betroffenen Länder sind angesichts der
vielschichtigen Aufgabenstellungen derzeit nicht in der Lage, die erfor-
derlichen Mittel aufzubringen.

– Die Bundesregierung legt dem Deutschen Bundestag ein Hochschul-
sonderprogramm für die neuen Bundesländer für den Zeitraum 2003 bis
2007 mit dem Ziel vor, Lehre und Forschung an den Hochschulen zu stär-
ken und Universitätsausgründungen an den Standorten zu unterstützen.

– Die Bundesregierung wird aufgefordert, die institutionelle Förderung der
Forschung an den Standorten in den neuen Bundesländern zu verstärken.

– Die vorhandenen Biotechnologiestandorte in den neuen Bundesländern
sind als innovative Wachstumskerne weiterhin zu fördern.

– Der InnoRegio-Wettbewerb ist als eine echte Chance zum Aufbau inno-
vativer Regionen zu werten. Die geplanten Mittel sind den Siegerregio-
nen kontinuierlich und bedarfsgerecht zur Verfügung zu stellen. Die Ver-
längerung des Wettbewerbs ist Ausdruck von Anlaufschwierigkeiten, die
weitgehend behoben sind. Jetzt sind die Impulse für einen wirtschaft-
lichen Aufschwung zu nutzen.

4. den Wohnungsbau und die Eigentumsentwicklung stärker zu fördern und
den Strukturwandel zu ermöglichen:
Die Bundesregierung muss verstärkt tragfähige Konzepte umsetzen, die ge-
eignet sind, die gravierende Strukturkrise am Wohnungsmarkt Ost zu besei-
tigen. Einige Kernpunkte eines solchen Programms sollten sein:

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/8132

– die Streichung der Altschulden der Wohnungswirtschaft Ost bei dauer-
haftem Leerstand von mehr als 5 Prozent des Bestandes;

– ein für den Zeitraum von drei Jahren angelegtes Sonderprogramm im Vo-
lumen von 500 Mio. Euro für die dringlichsten Aufgaben der Stadtsanie-
rung, der Wohnumfeldverbesserung und sinnvoller Abrisse;

– die Öffnung der vorhandenen KfW- und Städtebauförderungsprogramme
für strukturverbessernde Maßnahmen;

– die Beseitigung fiskalpolitischer Hindernisse zur Erleichterung des
Strukturwandels wie z. B. die befristete Befreiung von der Grunder-
werbssteuer bei Strukturbereinigungsverkäufen und die befristete Aufhe-
bung der 3-Objekte-Grenze für kleine Privatvermieter.

5. die Abwanderung der Leistungsträger zu stoppen:
Die zahlreichen Mobilitätshilfen des Arbeitsförderungsrechts (§§ 53, 10
SGB III) müssen vor dem Hintergrund der Arbeitsmarktsituation und der
wirtschaftlichen Entwicklung in den neuen Bundesländern überprüft wer-
den. Unter den gegenwärtigen Voraussetzungen sind die Mobilitätshilfen in
den neuen Ländern nichts anderes als „Abwanderungsprämien“. Wichtig
sind ausreichende Mittel für die Rückkehr von Arbeitnehmern in den ersten
Arbeitsmarkt, vor allem im regionalen Mittelstand. Die Bundesregierung
muss Konzepte entwickeln, die zusätzliche Anreize für westdeutsche Unter-
nehmen bieten, Niederlassungen und damit Arbeitsplätze in Ostdeutschland
zu errichten, anstatt die Menschen aus den neuen Bundesländern zur Ab-
wanderung in den Westen zu bewegen.
Darüber hinaus ist die Lehrstellensituation weiterhin unbefriedigend. Nach
wie vor sind hier Ausbildungsprogramme des Bundes und der Länder drin-
gend erforderlich. Diese müssen sicherstellen, dass die Ausbildung sich an
den Erfordernissen des Marktes ausrichtet. Schnellere Anpassungen des
Ausbildungssystems und die finanzielle und rechtliche Unterstützung von
Unternehmen, die neue Berufsbilder schaffen, stärken die Wettbewerbsfä-
higkeit der Regionen der neuen Länder.

Berlin, den 29. Januar 2002
Cornelia Pieper
Jürgen Türk
Ina Albowitz
Hildebrecht Braun (Augsburg)
Horst Friedrich (Bayreuth)
Ulrich Irmer
Dr. Heinrich L. Kolb
Jürgen Koppelin
Günther Friedrich Nolting
Hans-Joachim Otto (Frankfurt)
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
Dr. Irmgard Schwaetzer
Dr. Hermann Otto Solms
Carl-Ludwig Thiele
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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