BT-Drucksache 14/8041

Bündnis für Arbeit gescheitert - Reformen endlich umsetzen

Vom 23. Januar 2002


Deutscher Bundestag Drucksache 14/8041
14. Wahlperiode 23. 01. 2002

Antrag
der Abgeordneten Horst Seehofer, Peter Rauen, Karl-Josef Laumann, Matthias
Wissmann, Johannes Singhammer, Dagmar Wöhrl, Brigitte Baumeister, Wolfgang
Börnsen (Bönstrup), Dr. Hansjürgen Doss, Rainer Eppelmann, Klaus Francke,
Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof), Erich G. Fritz, Siegfried Hornung, Ulrich Klinkert,
Julius Louven, Wolfgang Meckelburg, Elmar Müller (Kirchheim), Claudia Nolte,
Friedhelm Ost, Dr. Bernd Protzner, Hans-Peter Repnik, Dr. Heinz Riesenhuber,
Franz-Xaver Romer, Anita Schäfer, Hartmut Schauerte, Heinz Schemken,
Karl-Heinz Scherhag, Dorothea Störr-Ritter, Andreas Storm, Max Straubinger,
Matthäus Strebl, Peter Weiß (Emmendingen), Gerald Weiß (Groß-Gerau) und der
Fraktion der CDU/CSU

Bündnis für Arbeit gescheitert – Reformen endlich umsetzen

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Bundeskanzler Gerhard Schröder hat das Bündnis für Arbeit als das wichtigste
Projekt der Bundesregierung bezeichnet. Darin sollten alle Maßnahmen verein-
bart werden, die für den Abbau der Arbeitslosigkeit notwendig sind. Nach drei
Jahren und mehreren Gesprächsrunden muss festgestellt werden, dass dabei für
die Arbeitslosen nichts herausgekommen ist. Im Gegenteil: Die Lage auf dem
Arbeitsmarkt hat sich zuletzt deutlich verschlechtert. Die Zahl der Arbeitslosen
ist im letzten Jahr saisonbereinigt um rd. 170 000 gestiegen, obwohl der
Arbeitsmarkt alleine aus demographischen Gründen jedes Jahr um mehr als
200 000 Personen entlastet wird. In diesem Jahr wird die Zahl der Arbeitslosen
nach den Prognosen der Bundesregierung in der Spitze voraussichtlich auf bis
zu 4,3 Millionen steigen. Berücksichtigt man darüber hinaus die Personen, die
sich zurzeit in arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen befinden, dann sind aktuell
rd. 6 Millionen Menschen ohne Job. Damit wird die Bundesregierung das Ziel,
die Zahl der Arbeitslosen im Jahresdurchschnitt auf unter 3,5 Millionen zu
drücken, weit verfehlen.
Gleichzeitig ist das Wirtschaftswachstum im vergangenen Jahr mit 0,6 Prozent
so gering ausfallen wie fast zehn Jahre nicht mehr. Und auch für das laufende
Jahr gehen die Wirtschaftsexperten von einem Wachstum von deutlich unter
einem Prozent aus.
Auch die Beschäftigungsbilanz der Bundesregierung ist miserabel. Die Zahl der
Erwerbstätigen ist im letzten Jahr saisonbereinigt um rd. 100 000 gesunken und
der ausgewiesene Beschäftigungsanstieg im Wesentlichen auf die statistische
Erfassung der 630-DM-Jobs zurückzuführen. Wirtschaftsexperten gehen davon
aus, dass sich auch in diesem Jahr der Abbau des Beschäftigungsvolumens wei-
ter fortsetzen wird.
Die Ursache für die Misere auf dem Arbeitsmarkt ist struktureller Art, die auch
durch kurzfristig wirkende Konjunkturprogramme und statistische Tricks allen-

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falls überdeckt werden kann. Die Probleme sind vor allem hausgemacht. Statt
auf den Reformen der alten Bundesregierung aufzubauen, wurden diese zu-
rückgenommen. Andere Reformen weisen in eine völlig falsche Richtung, tra-
gen zur Verkrustung auf dem Arbeitsmarkt bei oder sind hilfloser Aktionismus.
Echte Strukturreformen wurden nicht angegangen. Trotz milliardenschwerer
Förderprogramme ist die Zahl der arbeitslosen Jugendlichen in 2001 gegenüber
dem Vorjahr gestiegen.
Und auch die Vereinbarungen zur beschäftigungsorientierten Tarifpolitik sind
angesichts steigender Belastungen für Arbeitnehmer und miserabler wirtschaft-
licher Rahmenbedingungen bereits heute Makulatur. Es ist verständlich, dass
Unternehmer keine Arbeitsplätze schaffen und schon gar keine verbindlichen
Zusagen zur Schaffung von Arbeitsplätzen geben können, wenn die grundle-
genden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht stimmen. Auf der anderen
Seite fordern die Gewerkschaften angesichts steigender Belastungen durch die
Benzin- und Stromsteuer sowie vor dem Hintergrund steigender Krankenver-
sicherungsbeiträge und der Preissteigerung höhere Lohnzahlungen, als dies
wirtschafts- und beschäftigungspolitisch vertretbar wäre und im Gegensatz zu
den Beschlüssen im Bündnis selbst.
Das so genannte Bündnis für Arbeit der Bundesregierung ist damit auf der gan-
zen Linie gescheitert.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
die „Politik der ruhigen Hand“ zu beenden und überfällige Reformen gegen die
unzumutbar hohe Arbeitslosigkeit umzusetzen. Beim Bündnis für Arbeit muss
endlich alles auf den Tisch, was zu mehr Beschäftigung führt:
l Die Bundesregierung muss vor allem durch eine Wirtschaftspolitik, die auf

den Grundlagen der sozialen Marktwirtschaft ruht, geeignete Rahmenbedin-
gungen für mehr Wachstum und Beschäftigung schaffen, damit auch die
Tarifpartner ihre Verantwortung für mehr Beschäftigung richtig wahrneh-
men können. Dazu gehört eine Senkung des Spitzensteuersatzes auf unter
40 Prozent und mittelfristig eine Senkung der Staatsquote auf unter 40 Pro-
zent sowie eine Begrenzung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages auf
unter 40 Prozent.

l Das Arbeitsrecht muss flexibilisiert und entbürokratisiert werden. Nur wenn
Beschäftigungshemmnisse abgebaut und Eigenverantwortung, Selbständig-
keit und Unternehmergeist gewürdigt und gefördert werden, kann es gelin-
gen, den Arbeitsmarkt zu beleben und mehr Arbeitsplätze zu schaffen. Not-
wendig ist vor allem die Rücknahme des allgemeinen Rechtsanspruchs auf
Teilzeitarbeit, der Neuregelung von befristeten Arbeitsverhältnissen sowie
der kostentreibenden Elemente der Reform des Betriebsverfassungsgesetzes.
Darüber hinaus muss das Tarifvertragsgesetz weiterentwickelt werden, um
Bündnisse für Arbeit auf Betriebsebene zu ermöglichen. Leiharbeit muss
wieder attraktiv gemacht und der Abschluss befristeter Beschäftigungsver-
hältnisse erleichtert werden.

l Notwendig ist auch eine umfassende Reform der Arbeitsmarktpolitik. Bun-
desweit müssen die Anreize zur Aufnahme von Arbeit durchgreifend verbes-
sert und die Wirksamkeit der einzelnen Maßnahmen erhöht werden. Die
vorhandenenMittelmüssen auf die arbeitsmarktpolitischenMaßnahmen kon-
zentriert werden, die die größte Wirkung entfalten und konsequent auf den
ersten Arbeitsmarkt ausgerichtet sind. Dazu gehören nicht nur Kombilohn-
modelle, sondern vor allem auch das Einstiegsgeld für arbeitslose Sozialhilfe-
empfänger, die Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe, die
Einhaltung des Lohnabstandsgebotes sowie verbesserte Anrechnungsregeln
in der Arbeitslosen- und Sozialhilfe bei Zusatzverdiensten. Die Ablehnung

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/8041

eines Arbeitsangebotes oder einer Qualifizierungsmaßnahme muss zudem
konsequent zumVerlust des Anspruchs auf soziale Leistungen führen. Hierzu
ist die Beweislast umzukehren und auf die Transferempfänger zu übertragen.
Die 325-Euro-Jobs müssen drastisch entbürokratisiert werden.

l Die Bundesregierung hat im Juli 1999 im Rahmen des Bündnisses für Arbeit
eine Arbeitsgruppe „Benchmarking“ etabliert, die unter Auswertung der
Erfahrungen anderer Länder den für Deutschland besten Weg zu mehr
Arbeitsplätzen aufzeigen sollte. Der Bericht der Benchmarking-Arbeits-
gruppe liegt inzwischen seit Monaten mit konkreten Vorschlägen vor. Die
Fraktion der CDU/CSU fordert die Bundesregierung auf, diesen Bericht
endlich zur Kenntnis und die darin vorgeschlagenen Maßnahmen unverzüg-
lich in Angriff zu nehmen. Dazu gehören vor allem flexiblere Kündigungs-
schutzregelungen und Beschäftigungsverhältnisse für Geringqualifizierte,
ein ausreichender Abstand zwischen Sozialhilfe und Nettolohn, bessere
Kombinationsmöglichkeiten zwischen Transferleistungen und Arbeitsein-
kommen, eine enge Verknüpfung von Lohnersatzleistungen an die aktive
Mitwirkung des Leistungsempfängers bei der Stellensuche, der Ausbau von
Sanktionierungsmöglichkeiten sowie eine bedarfsgerechte Qualifizierung.

Berlin, den 23. Januar 2002
Horst Seehofer
Peter Rauen
Karl-Josef Laumann
Matthias Wissmann
Johannes Singhammer
Dagmar Wöhrl
Brigitte Baumeister
Wolfgang Börnsen (Bönstrup)
Dr. Hansjürgen Doss
Rainer Eppelmann
Klaus Francke
Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof)
Erich G. Fritz
Siegfried Hornung
Ulrich Klinkert
Julius Louven
Wolfgang Meckelburg
Elmar Müller (Kirchheim)
Claudia Nolte
Friedhelm Ost
Dr. Bernd Protzner
Hans-Peter Repnik
Dr. Heinz Riesenhuber
Franz-Xaver Romer
Anita Schäfer
Hartmut Schauerte
Heinz Schemken
Karl-Heinz Scherhag
Dorothea Störr-Ritter
Andreas Storm
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Peter Weiß (Emmendingen)
Gerald Weiß (Groß-Gerau)
Friedrich Merz, Michael Glos und Fraktion

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