BT-Drucksache 14/8033

Auslieferungswünsche der türkischen Regierung an die Bundesregierung

Vom 22. Januar 2002


Deutscher Bundestag Drucksache 14/8033
14. Wahlperiode 22. 01. 2002

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Carsten Hübner und der Fraktion der PDS

Auslieferungswünsche der türkischen Regierung an die Bundesregierung

Im Zusammenhang mit dem Besuch des türkischen Innenministers Rüstü
Kazim Yücelen Mitte Dezember 2001 in Berlin und seinen Gesprächen mit
dem Bundesminister des Innern, Otto Schily, wird in der Presse berichtet, der
türkische Innenminister habe bei dieser Gelegenheit zahlreiche Auslieferungs-
forderungen übergeben. So berichtete die „Frankfurter Rundschau“ am
20. Dezember 2001, der in deutscher Haft befindliche so genannte Kalif von
Köln, Metin Kaplan, sei „einer von über 150 Beschuldigten, deren Ausliefe-
rung aus Deutschland der türkische Innenminister … bei dem Treffen mit sei-
nem deutschen Kollegen Otto Schily (SPD) forderte“.
Die „Süddeutsche Zeitung“ vom gleichen Tag berichtete: „Der türkische Innen-
minister überreichte Schily außerdem ein Ersuchen über die Auslieferung von
155 Personen sowie die dazugehörigen Unterlagen. Schily sagte dazu, das dafür
zuständige Justizministerium werde sich damit befassen. Er lobte weiter das
,vertrauensvolle und freimütige Gespräch‘ über die Zusammenarbeit bei der
Bekämpfung des Terrorismus.“
Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ vom 20. Dezember 2001 schließlich be-
richtet, Rüstü Kazim Yücelen habe die Auslieferung „weiterer 155 Personen“
gefordert, „die sich in Deutschland aufhalten und gegen die in der Türkei offen-
bar vorwiegend wegen Tätigkeiten bei der verbotenen Arbeiterpartei Kurdis-
tans (PKK) Strafverfahren geführt werden“.
Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International und der Flüchtlings-
rat Niedersachsen haben in der Vergangenheit im Zusammenhang mit solchen
Abschiebungen immer wieder berichtet, dass abgeschobene Personen insbeson-
dere bei politischen Vorwürfen in der Türkei in vielen Fällen gefoltert werden
und selbst ausdrückliche vorherige Zusagen einer rechtsstaatlichen Behandlung
der Abgeschobenen nicht eingehalten werden.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Hat der türkische Innenminister bei seinem Treffen mit dem Bundesminister

des Innern, Otto Schily, eine solche Liste von ca. 150 Personen übergeben,
verbunden mit der Forderung, diese Personen an die Türkei auszuliefern?

2. Wenn ja, wie viele Personen umfasste diese Liste?

Drucksache 14/8033 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

3. Wie viele der auf der Liste genannten Personen werden von der Türkei
a) wegen des Vorwurfs des „islamischem Extremismus“ und damit verbun-

dener Straftaten,
b) wegen des Vorwurfs des (kurdischen) „Separatismus“ und damit verbun-

dener Straftaten,
c) wegen des Vorwurfs anderer politisch motivierter Straftaten oder
d) wegen nicht politisch motivierter Straftaten gesucht
(bitte auch die Paragrafen des türkischen Strafgesetzbuches nennen, gegen
die die jeweiligen Personen verstoßen haben sollen)?

4. Wertet die Bundesregierung die Übergabe dieser Liste als förmliches Auslie-
ferungsersuchen?
Wenn ja, wie soll damit weiterverfahren werden?

5. Wie viele der von der Türkei gesuchten hier lebenden Personen sind
a) deutsche Staatsangehörige oder
b) anerkannte politische Flüchtlinge
und welche Auslieferungshindernisse sieht die Bundesregierung in diesen
Fällen?

6. Welche Auslieferungshindernisse sieht die Bundesregierung durch die zahl-
reichen Berichte und Dokumente zuMenschenrechtsverletzungen in der Tür-
kei durch international anerkannte Institutionen (EU-Kommission, Amnesty
International, Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte
u. a.) allgemein und insbesondere im Zusammenhang mit Vorwürfen von
politischen Straftaten?

7. Welche Auslieferungshindernisse sieht die Bundesregierung insbesondere
bei dem Vorwurf des (kurdischen oder prokurdischen) „Separatismus“ und
damit verbundener vorgeworfener Straftaten?

8. Welche Bedeutung misst die Bundesregierung in der Vergangenheit erhobe-
nen Vorwürfen bei (etwa im Verfahren des in die Türkei entführten, vor sei-
ner Entführung hier als anerkannter Flüchtling lebenden kurdischen Politi-
kers Cevat Soysal), wonach türkische Stellen immer wieder Strafvorwürfe
fälschen bzw. konstruieren, um auf diese Weise in Wirklichkeit in anderen
Ländern erlaubte, aber in der Türkei verbotene politische Opposition, zu
verfolgen?

9. Hat die türkische Regierung vergleichbare Listen von in der Bundesrepublik
Deutschland lebenden Personen, deren Auslieferung sie wünscht, seit Amts-
antritt dieser Bundesregierung schon einmal oder mehrfach übergeben?
a) Wenn ja, wann und bei welcher Gelegenheit?
b) Wie viele Personen umfasste diese Listen?
c) Wie viele der auf diesen Listen gesuchten Personen wurden davon

gesucht
– wegen „islamischem Extremismus“ und damit im Zusammenhang

vorgeworfenen Straftaten,
– wegen „Separatismus“ und damit im Zusammenhang vorgeworfenen

Straftaten,
– wegen anderer politisch motivierter Straftaten,
– wegen nicht politisch motivierter Straftaten?

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/8033

10. Wie ist bei den in der Antwort zu Frage 9 genannten Auslieferungsersuchen
verfahren worden?

11. Wie viele Personen sind in den vergangenen zehn Jahren von der Bundesre-
publik Deutschland an die Türkei zur weiteren Strafverfolgung ausgeliefert
worden (bitte nach den in den Fragen 3 und 9 genannten Deliktgruppen
aufschlüsseln)?

12. In wie vielen Fällen ist in den vergangenen zehn Jahren von der Bundes-
republik Deutschland solchen türkischen Auslieferungsersuchen mit Ver-
weis auf Auslieferungshindernisse nicht entsprochen worden (bitte nach
Jahren und nach Art der dabei jeweils genannten Auslieferungshindernisse
aufschlüsseln)?

Berlin, den 14. Januar 2002
Ulla Jelpke
Carsten Hübner
Roland Claus und Fraktion

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