BT-Drucksache 14/7933

Neues Rückübernahmeabkommen mit der Türkei

Vom 21. Dezember 2001


Deutscher Bundestag Drucksache 14/7933
14. Wahlperiode 21. 12. 2001

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Carsten Hübner, Ulla Jelpke, Heidi Lippmann und
der Fraktion der PDS

Neues Rückübernahmeabkommen mit der Türkei

Der türkische Innenminister Rüstü Kazim Yücelen kam am 19. Dezember 2001
auf Einladung des Bundesministers des Innern, Otto Schily, zu Gesprächen nach
Berlin. An dem Austausch soll der „Nachrichtenleiter beim türkischen Außen-
ministerium“, CemDuatepe, ebenso teilgenommen haben wie der deutsche Bot-
schafter in Ankara, Rudolf Schmidt. Unmittelbarer Auslöser für das Treffen war
nach Medienberichten die geplante Ausweisung von Metin Kaplan, dem „Kali-
fen von Köln“. In den Gesprächen soll es jedoch nach Angaben von Pro Asyl
und dem Niedersächsischen Flüchtlingsrat darüber hinaus auch um Flüchtlinge
aus der Türkei gegangen sein, die zurzeit aufgrund drohender menschenrechts-
widriger Behandlung Abschiebungsschutz genießen und deswegen nicht in die
Türkei abgeschoben werden können. Konkret erklärte der türkische Innenminis-
ter im Vorfeld des Treffens in der türkischen Zeitung „Milliyet“, er wünsche
sich, dass zukünftig alle Angehörigen der PKK sowie der DHKP-C in Europa
strafrechtlich verfolgt und in die Türkei abgeschoben würden.
Pro Asyl und der Niedersächsische Flüchtlingsrat kritisierten in einer gemein-
samen Presseerklärung vom 18. Dezember 2001, dass in einer Zeit, in der türki-
sche Menschenrechtsorganisationen mehr denn je unter Druck stünden und kei-
nerlei Verbesserung der Menschenrechtssituation zu verzeichnen sei, die Kritik
der Bundesregierung an Folterungen, Incommunicadohaft und Todesstrafe in
der Türkei praktisch verstummt sei.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Was waren die Inhalte des Treffens der beiden Innenminister im Einzelnen?

Sind Vereinbarungen getroffen worden, ggf. welche?
2. Gedenkt die Bundesregierung ein neues Rückübernahmeabkommen mit der

Türkei auszuhandeln?
Wenn ja, welche genauen Regelungen strebt die Bundesregierung an?

3. Plant die Bundesregierung eine Ausweitung der Zusammenarbeit mit den
türkischen Behörden bei kommenden Abschiebungen, die über den bereits
praktizierten „Strafnachrichtenaustausch“ sowie über das „Konsultations-
verfahren“ bei Straftaten mit PKK-Bezug und die geheimdienstliche Zusam-
menarbeit hinausgeht?
Wenn ja, in welcher Form (bitte aufschlüsseln)?

4. Sind der Bundesregierung die Rechercheergebnisse von Pro Asyl und des
Niedersächsischen Flüchtlingsrates zum Schicksal von aus Deutschland ab-

Drucksache 14/7933 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode
geschobenen Flüchtlingen bekannt, nach denen es in mindestens 40 Fällen
zu Misshandlungen und Folter nach der Abschiebung in die Türkei gekom-
men ist?
a) Wenn ja, was hat sie diesbezüglich unternommen?
b) Wie bewertet die Bundesregierung vor diesem Hintergrund die Zusiche-

rung der türkischen Regierung, die Menschenrechte gegenüber abgescho-
benen Flüchtlingen einzuhalten und weder Folter noch Todesstrafe anzu-
wenden?

5. Inwieweit hält die Bundesregierung angesichts der Rechtsprechung des Bun-
desverfassungsgerichts (vgl. Beschlüsse vom 23. Februar 1983, InfAuslR
1983, 148 und 154), wonach die allgemeine Zusicherung der Spezialität
nach Artikel 14 des Europäischen Auslieferungsabkommens nach den jüngs-
ten Erfahrungen allein nicht ausreicht, um derzeit im Auslieferungsverkehr
mit der Türkei die Gefahr politischer Verfolgung hinreichend auszuschlie-
ßen, und es daher zusätzlich einer umfassenden Prüfung der Umstände des
Einzelfalles bedarf, die durch das entscheidende Oberlandesgericht vorzu-
nehmen ist, das die Beurteilung hierfür wesentlicher Umstände nicht der
Regierung überlassen darf, Zusicherungen der türkischen Regierung bei der
Entscheidung in Auslieferungs- sowie in Abschiebungsfällen überhaupt für
entscheidungserheblich?

6. Wie bewertet die Bundesregierung die Kritik von Menschenrechtsorganisati-
onen, dass im Kontext der politischen Gespräche über eine Mitgliedschaft
der Türkei in der Europäischen Union ein Verlust strafrechtlicher Maßstäbe
zu verzeichnen ist, da beispielsweise noch vor Jahresfrist die Einhaltung der
Europäischen Menschenrechtskonvention als Bedingung für eine Mitglied-
schaft in der EU verlangt wurde und heute davon keine Rede mehr sei?

7. Hat die Bundesregierung eine Verbesserung der Menschenrechtssituation in
der Türkei im letzten Jahr feststellen können?
Wenn ja, in welchen Bereichen (bitte aufschlüsseln)?

8. Wie verhält sich die Bundesregierung zu der von Menschenrechtsgruppen
an ihr geäußerten Kritik wegen fehlender Einflussnahme gegenüber der tür-
kischen Regierung in Bezug auf Folterungen, Haft ohne Kontakt zur Außen-
welt und Todesstrafe im vergangenen Jahr?

Berlin, den 20. Dezember 2001
Carsten Hübner
Ulla Jelpke
Heidi Lippmann
Roland Claus und Fraktion

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