BT-Drucksache 14/7844

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Bundesregierung -14/6893, 14/7421, 14/7461, 14/7824- Entwurf eines Gesetzes zur Einführung des diagnose-orientierten Fallpauschalensystems für Krankenhäuser (Fallpauschalengesetz-FPG)

Vom 12. Dezember 2001


Deutscher Bundestag Drucksache 14/7844
14. Wahlperiode 12. 12. 2001

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Dr. Dieter Thomae, Detlef Parr, Dr. Irmgard Schwaetzer,
Hildebrecht Braun (Augsburg), Ulrike Flach, Horst Friedrich (Bayreuth),
Joachim Günther (Plauen), Klaus Haupt, Ulrich Heinrich, Walter Hirche,
Birgit Homburger, Ulrich Irmer, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Sabine
Leutheusser-Schnarrenberger, Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Gerhard Schüßler,
Marita Sehn, Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Wolfgang Gerhardt und der
Fraktion der FDP

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN sowie der Bundesregierung
– Drucksachen 14/6893, 14/7421, 14/7461,14/7824 –

Entwurf eines Gesetzes zur Einführung des diagnose-orientierten Fallpauscha-
lensystems für Krankenhäuser (Fallpauschalengesetz-FPG)

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Grundsätzlich ist die Einführung von diagnosebezogenen Fallpauschalen der
richtige Weg, mehr Effizienz im Krankenhausbereich zu erreichen. Damit wird
der 1995 begonnene Weg weiter fortgesetzt. Aber die Rahmenbedingungen
müssen stimmen. Die Zukunft wird zeigen, ob das ehrgeizige Ziel, den aller-
größten Teil von Krankenhausleistungen auf diese Weise vergüten zu können,
erreichbar ist. Insbesondere im Bereich der geriatrischen Versorgung sowie bei
speziellen Behandlungsmethoden im Rahmen der Hochschulmedizin wird man
tragfähige Lösungen finden müssen.
Ein umfassendes Fallpauschalenvergütungssystem ist ohne Zweifel geeignet,
die Behandlungseffzienz der Krankenhäuser zu steigern, das interne Kostenma-
nagement zu verbessern, die externe Leistungstransparenz für Krankenkassen,
Versicherte und Patienten zu erhöhen. In einer volkswirtschaftlichen Betrach-
tungsweise müssten allerdings die Wirtschaftlichkeitsreserven, die auf diese
Art und Weise freigesetzt werden können, den Kostenerhöhungen in anderen
Bereich gegenübergestellt werden. So gehen Schätzungen davon aus, dass vor
allem die häusliche Krankenpflege, die ambulante Arzneimittelversorgung und
die Anschlussheilbehandlung mit Kostenverlagerungen zu rechnen haben.
Hierauf hat der Gesetzentwurf keinen stimmigen sektorübergreifenden Ansatz.
Hauptkritikpunkt aber ist und bleibt, dass die Chance vertan wird, mit dem
Übergang auf das neue System von Anfang an ein klares, eindeutiges Preissys-
tem einzuführen und dieses durch mehr Freiheiten bei den Vertragsverhandlun-
gen der einzelnen Krankenkassen zu ergänzen.

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1. Nur ein echtes Preissystem bringt die Vorteile von Fallpauschalen richtig
zum Tragen.
Wer die Anreize richtig nutzen will, der muss den Mut haben zu einem funk-
tionierenden Preissystem. Wenn ein Fallpauschalsystem lediglich genutzt
werden soll, um eine bestimmte, im Vorfeld fixierte Summe Geld auf die
einzelnen Leistungen aufzuteilen, ist das Verfahren zu aufwendig und nicht
geeignet, eine Entwicklung mit zunehmendem medizinischen Fortschritt
und einer steigenden Zahl älterer Menschen gerecht zu werden. Wenn nur
Geld umverteilet und keine ökonomischen Anreize gesetzt werden, kann
man auch beim alten Pflegesatz bleiben und sollte das dann auch ehrlicher-
weise tun. Dafür muss nicht der gewaltige Aufwand für die Erstellung eines
Fallpauschalsystems, in Selbstverwaltung, Instituten und in den einzelnen
Krankenhäusern betrieben werden.
Die FDP spricht sich für ein echtes Preissystem aus. Dem gegenüber ver-
harrt das von Rot-Grün vorgesehene Konzept noch bis mindestens Ende
2006 in der Budgetierung. Die Fallpauschalen sollen weiterhin gegen ver-
einbarte Budgets verrechnet werden. Sämtliche strukturkonservierenden Be-
gleitregelungen der derzeitigen Budgetierung bleiben bestehen. Kranken-
häuser, die mehr Leistungen erbringen, werden abgedeckelt bzw.
degressiert. Krankenhäuser, die weniger leisten, genießen Bestandschutz
durch das Festhalten an Ausgleichszahlungen (Mindererlösausgleichen). So
kann der erforderliche Strukturwandel nicht vorangebracht werden. Erfor-
derlich sind vielmehr konsequente Schritte zur Überführung in ein leistungs-
orientiertes Entgeltsystem. Auch bleibt es in dem Gesetzentwurf bei der Do-
minanz der fiskalischen Orientierung. Die Grundlohnrate und eben nicht
medizinischer Bedarf bestimmen weiterhin die Rahmenbedingungen für die
stationäre Versorgung. Das System ist so angelegt, dass es Parallelen zu dem
verfehlten, floatenden Punktwertsystem der niedergelassenen Ärzte auf-
weist.
In die Krankenhäuser darf mit Einführung der DRG (Diagnosis Retard
Groups) nicht weiter hineinregiert werden. Vielmehr müssen die Preise An-
reize für effizientes wirtschaftliches Handeln setzen. Eine Spezialisierung ist
dabei auch unter Qualitätsgesichtspunkten gewollt. Ein Krankenhaus, das
einmal am Tag oder vielleicht einmal in der Woche eine Hüftgelenksopera-
tion durchführt, ist nicht nur unwirtschaftlicher als eines dass diese Opera-
tion 10mal am Tag macht, sondern es mangelt ihm auch an der entsprechen-
den Erfahrung und damit an der medizinischen Qualität. Dies zeigt, wie eng
Qualitätssicherung und Fallpauschalen bei richtiger Handhabung nebenein-
ander stehen können. Den Krankenhäusern kann aus Qualitätsgründen eine
Mindestmenge vorgegeben werden, aber es passt nicht zu einem Preissys-
tem, wenn den Kassen erlaubt wird Vorgaben für die Höchstmengen zu ma-
chen.

2. Wichtige Erprobungsphase
Die Erprobungsphase, die optional ab dem Jahr 2003 einsetzen soll, gibt
gute Möglichkeiten, für das eigene Haus zu sehen, wo man steht. Es gibt
Zweifel, ob es so ohne weiteres möglich sein wird, dass einige Krankenhäu-
ser bereits im Jahre 2003 das neue System erproben und andere nicht. Den-
noch muss man es versuchen. Anderenfalls würde man innovativen Häusern
die Möglichkeit nehmen, frühzeitig die notwendige Feinsteuerung in ihren
Häusern vorzunehmen. Für die Krankenhäuser, die noch umfangreichere
Vorarbeiten zu leisten haben und deshalb im Jahre 2003 noch nicht umstei-
gen können, bleibt ein Anreiz bestehen, das so schnell wie möglich hinzu
bekommen.
Die Einführung eines solchen Fallpauschalsystems ist ein sehr ehrgeiziger
Schritt, der viele Vorarbeiten notwendig macht. Sollte sich tatsächlich he-

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rausstellen, dass trotz allen Bemühens diese Vorarbeiten nicht zeitgerecht
abgeschlossen werden können, müsste man über den weiteren Zeitplan neu
beraten.

3. Die Krankenhausplanung und Investitionsfinanzierung muss mit der Einfüh-
rung der Fallpauschalen umgestaltet werden.
Je stärker der Krankenhausmarkt wettbewerblich ausgerichtet wird, um so
weniger Platz gibt es für die althergebrachte Krankenhausplanung durch die
Länder. Wer A sagt zu einem Preissystem, der muss auch B sagen zu der
Abschaffung einer feinziselierten Krankenhausplanung. Benötigt wird eine
Rahmenplanung, aber keine Ausfüllung bis in Abteilungen oder Betten hi-
nein.
Wichtig ist, dass die Verantwortlichkeit für die Sicherstellung einer qualita-
tiv und quantitativ angemessenen Versorgung klar und deutlich ist. So lange
diese Verantwortung bei den Ländern liegt, müssten sie bzw. die Kommunen
durch Zuschüsse sicherstellen, dass der Krankenhausbetrieb auch in solchen
Häusern aufrecht erhalten werden kann, die wegen mangelnder Größe, un-
vorteilhafter Struktur oder zeitweise unzureichender Auslastung nicht wirt-
schaftlich genug arbeiten können, die aber aus Versorgungsnotwendigkeiten
heraus dennoch in der Region gebraucht werden.
Was die Investitionskosten anbelangt, so gibt es eine langjährige Auseinan-
dersetzung über die Vor- und Nachteile einer dualen Finanzierung. Aus be-
triebswirtschaftlicher Sicht führt eine monistische Finanzierung zu effizien-
teren Ergebnissen. Diese Einschätzung verstärkt sich durch den Übergang
zu einem Fallpauschalsystem. Nur wenn alle Kosten einer bestimmten
Krankenhausleistung sich in einem Preis widerspiegeln, kann sichergestellt
werden, dass die Preise vergleichbar sind. Das wiederum ist eine Grundvor-
aussetzung dafür, dass mehr Transparenz ins System kommt.

4. Ohne flankierende Qualitätssicherungsmaßnahmen und Regelungen zur Fi-
nanzierung von Einrichtungen zur Betreuung früh Entlassener wird sich die
Versorgung verschlechtern.
Jedes pauschale Vergütungssystem birgt die Gefahr in sich, dass zu dem vor-
gegebenen Preis eine möglichst geringe Menge an Leistungen erbracht wird.
Egal ob die behandelnden Ärzte das wollen oder nicht, der Druck auch von
Seiten der Verwaltungsleitung wird groß werden, die Verweildauer so deut-
lich wie möglich abzusenken. Anderenfalls werden Krankenhäuser in dem
neuen System nicht überlebensfähig sein. Damit aber steigt die Gefahr, dass
Patienten manchmal auch früher als das eigentlich medizinisch wünschens-
wert wäre aus dem Krankenhaus entlassen werden. Gemeinsam mit den
Krankenhäusern muss überlegt werden, wie Qualitätssicherungsmaßnahmen
aussehen könnten, die so etwas verhindern und dennoch nicht dazu zwingen,
einen gigantischen Kontrollapparat aufzubauen. Nicht zu unrecht beklagen
viele Krankenhäuser die im Gesetzentwurf vorgesehenen weitreichenden
Kompetenzen für den medizinischen Dienst. Das ist auch keine optimale
Lösung, sondern hier bedarf es selbst kontrollierender Systeme in den Kran-
kenhäusern.
Unabhängig davon, wie man die Qualitätssicherungsmaßnahmen ausgestal-
tet, wird das Fallpauschalsystem dazu führen, dass Patienten so früh wie
möglich in die ambulante Versorgung entlassen werden. Für Patienten, die
zu Hause niemanden haben, der sich um sie kümmern kann, wird es Über-
gangslösungen in Einrichtungen mit einer vollen pflegerischen Betreuung
geben müssen. Andernfalls stehen die Krankenhäuser vor dem Problem, Pa-
tienten eigentlich in die Hilflosigkeit entlassen zu müssen. Das muss mit al-
ler Macht, auch über eine bessere Koordination zum ambulanten ärztlichen
Rehabilitations- und zum Pflegebereich, verhindert werden.

Drucksache 14/7844 – 4 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode
5. Die Schnelligkeit mit der der medizinische Fortschritt Einzug in den Praxis-
betrieb hält, wird ohne flankierende Maßnahmen abnehmen.
Der Gesetzentwurf sieht vor, dass für die Vergütung neuer Untersuchungs-
und Behandlungsmethoden, die mit Fallpauschalen und Sonderentgelten
noch nicht zeitgerecht vergütet werden können und die nicht gemäß dem Ur-
teil des Ausschusses für neue Behandlungs- und Untersuchungsmethoden
von der Finanzierung ausgeschlossen sind, erstmals für das Jahr 2005 Ent-
gelte vereinbart werden können.
Eine solche Vereinbarung kann zwischen den Vertragsparteien vor Ort ge-
schlossen werden. Sie muss es aber nicht. Sie ist mithin an den guten Willen
der Vertragsparteien vor Ort und hier insbesondere an den guten Willen der
Krankenkassen, die diese Leistung zu bezahlen hätten, gebunden. Kommt
eine Vereinbarung nicht zustande, erstirbt die innovative Idee noch vor der
routinemäßigen Anwendung vor Ort, da diese Vorschrift nicht Schiedsstel-
len fähig ist.
Der Gesetzentwurf sieht auch keine echte Öffnungsklausel vor. Innovative
Behandlungsverfahren und Problembereiche in der Patientenversorgung
müssen aber solange individuell vergütet werden, bis diese im Fallpauschal-
system sachgerecht abgebildet werden können. Ansonsten droht den Kran-
kenhäusern ein Innovationsdefizit, das das deutsche Gesundheitswesen auch
im internationalen Vergleich weit zurückwerfen wird.

6. Mehr als alles andere brauchen die Krankenhäuser Planungssicherheit
Die Krankenhäuser haben in den letzten Jahren viele Reformen und Reförm-
chen mitmachen müssen. Das hat immer wieder bis über das Machbare hi-
naus Kräfte gebunden, die damit an anderer Stelle gefehlt haben. Die Budge-
tierung hat dazu geführt, dass gerade die Krankenhäuser, die vor dieser
Phase um ein hohes Maß an Effizienz bemüht waren und die bereits Wirt-
schaftlichkeitsreserven ausgeschöpft hatten, ganz besonders gebeutelt wur-
den. Was die Krankenhäuser jetzt in aller erster Hinsicht brauchen ist ein
Planungshorizont von mehreren Jahren. Sie müssen wissen, was im Jahr
2007 auf sie zukommt, und zwar jetzt. Diese elementare Forderung bleibt
der Gesetzentwurf leider schuldig. Den Krankenhäusern und ihren Beschäf-
tigten werden zurzeit gewaltige Anpassungsarbeiten abverlangt, ohne dass
ihnen aufgezeigt wird, wohin die Reise letztlich geht. Das ist in unseren Au-
gen nicht zumutbar.

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung deshalb auf,
das Fallpauschalengesetz dahingehend zu ändern, dass
– ein echtes Preissystem entsteht,
– Planungssicherheit für die Krankenhäuser auf längere Sicht gegeben ist,
– die Krankenhausplanung auf eine Rahmenplanung reduziert wird,
– die monistische Finanzierung eingeführt wird,
– Qualitätssicherungsmaßnahmen ohne einen ausufernden Kontrollapparat

verankert werden,
– der medizinische Fortschritt den Krankenhauspatienten zeitnah zugute

kommt.

Berlin, den 11. Dezember 2001
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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