BT-Drucksache 14/7828

zu der Verordnung der Bundesregierung -14/7328, 14/7514 Nr. 2.2- Verordnung über die Entsorgung von gewerblichen Siedlungsabfällen und von bestimmten Bau- und Abbruchabfällen

Vom 12. Dezember 2001


Deutscher Bundestag Drucksache 14/7828
14. Wahlperiode 12. 12. 2001

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
(16. Ausschuss)

zu der Verordnung der Bundesregierung
– Drucksachen 14/7328, 14/7514 Nr. 2.2 –

Verordnung über die Entsorgung von gewerblichen Siedlungsabfällen und
von bestimmten Bau- und Abbruchabfällen

A. Problem

Mit der vorliegenden Verordnung auf Drucksache 14/7328 sollen die schadlose
und möglichst hochwertige Verwertung von gewerblichen Siedlungsabfällen
und von bestimmten Bau- und Abbruchabfällen sichergestellt und insbesondere
die sog. Scheinverwertung durch Anforderungen an die Umweltverträglichkeit
der Verwertung verhindert werden.

Nach § 59 Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz (KrW-/AbfG) bedarf die Ver-
ordnung der Zustimmung des Deutschen Bundestages.

B. Lösung

Zustimmung zur Verordnung.

Mehrheitsentscheidung mit den Stimmen der Fraktionen SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU und FDP bei Abwesenheit der Fraktion der PDS

C. Alternativen

Keine

D. Kosten

Die durch die Verordnung entstehenden Kosten bei Kommunen, Unternehmen
der freien Wirtschaft und privaten Haushalten sind Gegenstand der politischen
Diskussion (siehe Bericht).

Drucksache 14/7828 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

der Verordnung der Bundesregierung auf Drucksache 14/7328 zuzustimmen.

Berlin, den 12. Dezember 2001

Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

Christoph Matschie
Vorsitzender

Rainer Brinkmann (Detmold)
Berichterstatter

Georg Girisch
Berichterstatter

Michaele Hustedt
Berichterstatterin

Birgit Homburger
Berichterstatterin

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/7828

Bericht der Abgeordneten Rainer Brinkmann (Detmold), Georg Girisch,
Michaele Hustedt und Birgit Homburger

I.

Die Verordnung der Bundesregierung auf Drucksache 14/
7328 wurde mit Drucksache 14/7514 Nr. 2.2 vom 16. No-
vember 2001 zur alleinigen Beratung an den Ausschuss für
Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit überwiesen.

II.

Mit der Verordnung auf Drucksache 14/7328 sollen die
schadlose und möglichst hochwertige Verwertung von ge-
werblichen Siedlungsabfällen und von bestimmten Bau-
und Abbruchabfällen sichergestellt und insbesondere die
sog. Scheinverwertung durch Anforderungen an die Um-
weltverträglichkeit der Verwertung verhindert werden. Zu
diesem Zweck bestimmt die Verordnung im Wesentlichen
Anforderungen an die Getrennthaltung von Abfällen, ihre
Vorbehandlung – wobei insbesondere eine Verwertungs-
quote von mindestens 85 % zu erreichen ist – sowie Anfor-
derungen an die notwendige Kontrolle.

Nach § 59 Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz (KrW-/
AbfG) bedarf die Verordnung der Zustimmung des Deut-
schen Bundestages.

III.

Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher-
heit hat die Verordnung der Bundesregierung auf Drucksa-
che 14/7328 in seiner Sitzung am 12. Dezember 2001 bera-
ten.

Von Seiten der Fraktion der SPD wurde kritisiert, dass das
Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz vom 27. September
1994 (BGBl. I S. 2705) eine Reihe abfallwirtschaftlicher
Probleme nicht gelöst habe. Erfreulicherweise sei es zwar
gelungen, die Abfallverwertungsquote wesentlich zu erhö-
hen, doch sei die Abfallmenge, von marginalen Verringe-
rungen im Verpackungsbereich abgesehen, insgesamt kaum
zurückgegangen. Probleme bereiteten insbesondere auch
der Mülltourismus, das Ökodumping, die Scheinverwertung
sowie Unzulänglichkeiten bei der Hausmüllabgrenzung.
Die Folge seien sowohl negative Auswirkungen auf die
Umwelt als auch der Tatbestand, dass die Planungs- und da-
mit auch die Rechtssicherheit für die gesetzlich entsor-
gungspflichtigen Gebietskörperschaften nicht mehr gewähr-
leistet seien. Vor diesem Hintergrund werde die von der
Bundesregierung vorgelegte Gewerbeabfallverordnung be-
grüßt. Sie trage dazu bei, im Bereich der Abfallwirtschaft
mehr Klarheit und Rechtssicherheit zu schaffen. Kritisch zu
beurteilen seien dagegen Vorschläge zu einer vollständigen
Liberalisierung der Abfallwirtschaft. Übersehen werde hier-
bei die gesellschaftliche und politische Verpflichtung, die
Frage der Nachsorge zu lösen. So sei es beispielsweise eine
offene Frage, wer die finanziellen Risiken der Nachsorge
der zum 31. Mai 2005 zu schließenden Deponien überneh-
men werde. Es bestehe die Gefahr, dass private Firmen le-
diglich zur Übernahme profitabler Aufgaben bereit seien,

die risikoreichen Aufgaben aber der Allgemeinheit überlas-
sen blieben.

Seitens der Fraktion der CDU/CSU wurde ausgeführt, die
vorliegende Verordnung ziele darauf ab, aufgetretene oder
vermutete Missbräuche des Kreislaufwirtschafts- und Ab-
fallgesetzes zur billigen Abfallbeseitigung unter Umgehung
des Gesetzes in der Zukunft zu verhindern. Auch die Frak-
tion der CDU/CSU sei der Auffassung, dass der Vollzug
dieses aus dem Jahre 1994 stammenden Gesetzes gewähr-
leistet werden müsse, allerdings weise die vorgelegte Fas-
sung der Gewerbeabfallverordnung eine Reihe schwerwie-
gender Mängel auf:

Die Begriffsbestimmungen seien nicht eindeutig und voll-
ständig beschrieben. Der Stoffstromansatz sei nicht hin-
reichend konsequent umgesetzt und beinhalte eine Vielzahl
von Umgehungsmöglichkeiten. Seuchenhygienische Vor-
schriften seien nicht ausreichend berücksichtigt. Das Krite-
rium der „wirtschaftlichen Unzumutbarkeit“ werde in der
Praxis für große Unsicherheit sorgen und in Zukunft die
Gerichte beschäftigen. Ebenfalls praxisuntauglich sei das
Kriterium der „geringen Menge“ zur Befreiung von der
Getrennthaltung. Die vorgesehene generelle Ausgrenzung
von Gemischen mit organischem Anteil schieße über das
Ziel weit hinaus. Die Schlüssigkeit der vorgegebenen „Sor-
tenreinheit“ der Verordnung halte einer näheren Betrach-
tung nicht wirklich stand. Die Überwachung der Getrennt-
haltungspflicht durch die Behörden der Länder und
Kommunen sei nicht hinreichend klar formuliert; daher
werde es in Zukunft hier zu Missbräuchen kommen. Als
sehr problematisch angesehen würden vor dem Hintergrund
steigender Umweltdelikte auch die vorgesehenen Erleichte-
rungen zugunsten der Entsorgungsfachbetriebe. Die Ver-
wertung von Abfall als Sekundärrohstoff durch die Entsor-
gungswirtschaft statt wie bisher als Hausmüll werde
faktisch zu mehr Schadstoffausstoß führen; damit drohe bei
dem auf diesem Markt bereits herrschenden harten Wett-
bewerb ein Ökodumping. Die Verpflichtung für die Abfall-
erzeuger, in angemessenem Umfang Restabfallbehälter des
öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers vorzuhalten, sei
nicht ausreichend rechtssicher formuliert.

Der Schwerpunkt der Abfallpolitik müsse in der Abfallver-
meidung bestehen. Die vorliegende Verordnung trage hierzu
nicht nur wenig bei, sie enthalte vielmehr auch Anreize, in
der Praxis die Verursachung und Verwertung von Abfällen
gegenüber der Vermeidung von Abfällen vorzuziehen.
Nicht in der Verordnung enthalten sei das wichtige Ziel der
Schadstoffentfrachtung. Auch zeige die Festschreibung ei-
ner Verwertungsquote von mindestens 85 Masseprozent,
dass die vorliegende Fassung der Verordnung nicht dem ak-
tuellen Erkenntnisstand entspreche. Sie sei praxisfremd und
nicht vollzugstauglich und werde bei den kommunalen Um-
weltämtern höhere Verwaltungskosten verursachen. Das in-
folge der Verordnung erwartete geringere Gewerbemüllauf-
kommen werde bei den kommunalen Entsorgern zu
Gebührenerhöhungen in einer Bandbreite zwischen 30 und
70 % führen. Einen ländereinheitlichen Vollzug werde es

Drucksache 14/7828 – 4 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

infolge der vielen Ungenauigkeiten und handwerklichen
Fehler bei Erlass der vorliegenden Verordnung nicht geben
können. Auch werde durch diese Verordnung beim Gewer-
bemüll eine Zwei-Klassen-Gesellschaft geschaffen – höhere
Standards im Inland und keine neuen Standards bei den Ex-
porten.

Die Fraktion der CDU/CSU bejahe die generelle Notwen-
digkeit einer Gewerbeabfallverordnung, gerade auch zur
Vermeidung der Scheinverwertung. Der vorliegenden Fas-
sung der Verordnung könne jedoch aufgrund der aufgezeig-
ten und weiterer Schwächen nicht zugestimmt werden.

Von Seiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
wurde die vorliegende Verordnung nachdrücklich begrüßt;
sie sei nicht praxisfern, sondern auch in Zusammenarbeit
mit den Bundesländern entwickelt worden. Die Verordnung
schreibe u. a. vor, dass gewerbliche Siedlungsabfälle in
ökologisch sinnvollen Fraktionen getrennt zu halten seien.
Gemischte gewerbliche Siedlungsabfälle dürften nur dann
einer Vorbehandlungsanlage zugeführt werden, wenn eine
Verwertungsquote von 85 % erreicht werde. Hierdurch sei
es möglich, die unökologische Scheinverwertung von Ab-
fällen zu verhindern und damit eine bestehende Lücke im
Abfallrecht zu schließen. Der in der Verordnung zugrunde
gelegte Ansatz sei mit dem EU-Recht kompatibel und öko-
logisch begründet. Er bedeute für die Kommunen mehr Pla-
nungssicherheit. Diese hätten bisher mit der Schwierigkeit
zu kämpfen, dass von ihnen kostspielige Abfallbehand-
lungsanlagen vorgehalten werden müssten, ohne dass die
Auslastung der Anlagen sichergestellt sei. In der letzten Zeit
habe die mangelnde Auslastung zu erhöhten Müllgebühren
geführt. Man sei zuversichtlich, dass die Verordnung nach
ihrer Inkraftsetzung ein wesentlicher Fortschritt für die Ab-
fallentsorgung sein werde.

Seitens der Fraktion der FDP wurde darauf hingewiesen,
dass Nachweise für eine Scheinverwertung und ein Öko-
dumping bisher dem Parlament nicht vorgelegt wurden. Im
Abfallrecht stelle sich die Frage, ob die bestehenden Be-

griffsdefinitionen beibehalten werden könnten. Sicher sei
jedoch, dass die Wirtschaft ihrer Aufgabe, ihre Abfälle in
eigener Verantwortung ordnungsgemäß zu verwerten, größ-
tenteils nachkomme. Das Problem bestehe – wie von den
Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einge-
räumt – vielmehr darin, dass aufgrund einer durch das
Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz eingeleiteten, erfolg-
reichen Abfallpolitik weniger Abfallmengen zur Ablage-
rung gelangten, als dies von der einen oder anderen Kom-
mune ursprünglich kalkuliert worden sei und sich dies auch
auf die Gebühren auswirke. Dies sei der tatsächliche Grund
für die Vorlage der Verordnung. Zur Lösung der von den
Koalitionsfraktionen in der Begründung zur Verordnung ge-
nannten Probleme trage die Verordnung in der vorliegenden
Fassung nicht bei. Sie beinhalte Vorgaben zur Getrennthal-
tung von Abfällen, schreibe für die Betreiber von Vorbe-
handlungsanlagen bestimmte Verwertungsquoten und ent-
sprechende Dokumentationsverpflichtungen vor und führe
im Ergebnis zu deutlich höheren Kosten. Die Vorgaben zur
Getrennthaltung würden zudem unter den Vorbehalt gestellt,
dass diese technisch möglich und wirtschaftlich zumutbar
seien. Man rechne daher offensichtlich damit, dass die Vor-
gaben häufig nicht zu erfüllen sein würden und die Abfälle
deshalb deponiert oder Verbrennungsanlagen zugeführt
werden würden. Dies bedeute im Ergebnis nicht mehr, son-
dern weniger Umweltschutz. Es führe dazu, dass die von der
Wirtschaft auf der Grundlage des Kreislaufwirtschafts- und
Abfallgesetzes aufgebauten Anlagen zur Abfallverwertung
nicht mehr ausgelastet würden und daher nicht mehr wirt-
schaftlich und rentabel betrieben werden könnten. Diesen
Weg könne die Fraktion der FDP nicht mittragen. Die vor-
liegende Verordnung werde daher abgelehnt.

Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktor-
sicherheit beschloss mit den Stimmen der Fraktionen SPD
und BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU und FDP bei Abwesenheit der
Fraktion der PDS, dem Deutschen Bundestag zu empfehlen,
der Verordnung auf Drucksache 14/7328 zuzustimmen.

Berlin, den 12. Dezember 2001

Rainer Brinkmann (Detmold)
Berichterstatter

Georg Girisch
Berichterstatter

Michaele Hustedt
Berichterstatterin

Birgit Homburger
Berichterstatterin

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