BT-Drucksache 14/7772

Berichte über Rechtsextremismus im Umfeld der "Schill-Partei"

Vom 5. Dezember 2001


Deutscher Bundestag Drucksache 14/7772
14. Wahlperiode 05. 12. 2001

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke und der Fraktion der PDS

Berichte über Rechtsextremismus im Umfeld der „Schill-Partei“

Die Presse berichtete in den letzten Wochen wiederholt von Bezügen und Ver-
bindungen der Partei Rechtsstaatliche Offensive („Schill-Partei“) von Ronald
Barnabas Schill oder einzelner Mitglieder zu rechtsextremen Parteien und Or-
ganisationen.
l Vor wenigen Tagen habe der bisherige designierte Fraktionschef in der Be-

zirksversammlung Altona, T. U., die Konsequenzen aus seinen verschwie-
genen und zunächst dementierten früheren Verbindungen zur DVU und zu
den Republikanern gezogen, sein Mandat niedergelegt und sei aus der Par-
tei ausgetreten (DIE WELT, 26. November 2001).

l Erst einen Monat zuvor sorgte die Mitgliedschaft des Vorsitzenden der Frak-
tion der „Schill-Partei“ in der Eimsbüttler Bezirksversammlung, C. B., bei
der Burschenschaft Germania für Aufregung.
Die Germania werde immer wieder in Verbindung mit Rechtsextremen ge-
bracht. Über die wenigen rechten Burschenschaften in Hamburg urteile der
Verfassungsschutz, „dass ,rechtsextremistisches Gedankengut mit studenti-
scher Brauchtumspflege und burschenschaftlichen Idealen zu einer insge-
samt nationalistisch orientierten Gemeinschaft verschmilzt“. Die Germania
gelte als Speerspitze der rechten Burschenschaften. Auf der Homepage der
Germania werde dies klar: „Da wird ein Panzergeneral, Mitglied der Bur-
schenschaft, aus dem Zweiten Weltkrieg ob seiner Tapferkeit an der Ostfront
gelobt. Im Gästebuch redet man sich gern mit ,Heil‘ an – ,Heil Germania‘
oder ,ein Heil aus Österreich‘ rufen die Besucher sich entgegen. Zu fortge-
schrittener Stunde hören Anwohner des Germania-Hauses an der Sierich-
straße (Winterhude) auch mal ,Sieg Heil‘-Rufe. Und noch im Frühjahr emp-
fahl die NPD Studenten, in die Germania einzutreten. Sogar viele andere
studentische Verbindungen in der Hansestadt meiden die Germania.“ (Ham-
burger Abendblatt, 29. Oktober 2001).

l Gegen den als Fraktionschef in der Hamburger Bürgerschaft vorgesehenen
Rechtsanwalt Norbert Frühauf (42) ermittele die Staatsanwaltschaft wegen
des Verdachts auf Abgabe einer falschen eidesstattlichen Erklärung. Dabei
geht es um die Frage, ob er in der Vergangenheit bestimmte Sätze gesagt hat
(Hamburger Abendblatt, 25. Oktober 2001).
Norbert Frühauf habe daraufhin in einer eidesstattlichen Versicherung er-
klärt, er habe diese Sätze niemals gesagt und erwirkte eine einstweilige
Verfügung gegen seine frühere Studienkollegin C. Y., die ihre Behauptun-
gen nun nicht mehr wiederholen darf. Darauf habe sich der Juraprofessor
K.-H. Z. eingeschaltet und Anzeige gegen Norbert Frühauf erstattet. Die

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Staatsanwaltschaft habe nun Ermittlungen gegen den Abgeordneten Norbert
Frühauf aufgenommen (Hamburger Abendblatt, 25. Oktober 2001).

l Am 1. November 2001 berichtet die „Hamburger Morgenpost“ von Vorwür-
fen, das Mitglied des Arbeitskreises Marketing der „Schill-Partei“, G. W.,
pflege den Kontakt zu der als rechtsextrem eingestuften Bewegung „Pro
Köln“.
„Diese Bürgerbewegung wird von der Deutschen Liga für Volk und Heimat
getragen. [G. W.] stellte während des Wahlkampfes das Schill-Programm
bei ,Pro Köln‘ vor. Dabei sei eine ,weitgehende Übereinstimmung‘ festge-
stellt worden, heißt es auf der Web-Seite der Bewegung.“ (Hamburger Mor-
genpost Online, 1. November 2001). Der nordrhein-westfälische Verfas-
sungsschutz bestätigt mit seinem Bericht für das Jahr 2000, dass Aktivitäten
der rechtsextremistischen Deutschen Liga für Volk und Heimat (DLVH) vor
allem „von dem in Köln zwecks Teilnahme an Kommunalwahlen gegrün-
deten Verein Bürgerbewegung pro Köln e.V. (pro Köln)“ ausgingen. Es sei
davon auszugehen, dass der Verein von Mitgliedern der DLVH getragen
werde (Verfassungsschutzbericht NRW, S. 79).

l Gegenüber der „tageszeitung“ (taz) habe G. W., Mitglied des Arbeitskreises
Marketing der „Schill-Partei“, erklärt: „Ich bin Abonnentin der ,Jungen Frei-
heit‘ (JF), und wenn ich keine Frau wäre, wäre ich in einer schlagenden Ver-
bindung.“ (taz, 31. Oktober 2001).

l In der „Jungen Freiheit“ habe laut „taz“ auch der Vize-Chef der „Schill-Par-
tei“, Mario Mettbach, im Oktober 2000 zum Thema Strafmündigkeit ge-
schrieben. Nach der Wahl habe der Abgeordnete der „Schill-Partei“, Man-
fred Silberbach, dem Blatt ein Interview gegeben (vgl. taz, 31. Oktober
2001).

l Als im März 2001 der alte Landesvorstand der „Republikaner“ abgesetzt
und ein neuer gewählt wurde, seien J. P., K. R. und M. S. zu stellvertreten-
den Vorsitzenden gewählt geworden. K. R. und M. S. hätten zuvor dem
Arbeitskreis Innere Sicherheit der „Schill-Partei“ angehört (Jungle World,
4. Juli 2001).

l Auch Ronald Schill selbst hatte vor zwei Jahren einmal für Schlagzeilen ge-
sorgt, als er bei der Staats- und wirtschaftspolitischen Gesellschaft (SWG)
mit einem Vortrag angekündigt war.
Dem Hamburger Verfassungsschutz ist die Staats- und wirtschaftspolitische
Gesellschaft trotz ihres bürgerlichen Anstriches ein Begriff. Die „taz“ zi-
tierte am 3. Februar 2001 den Vize-Chef des Hamburger Verfassungsschut-
zes mit den Worten: „Uns sind personelle Überschneidungen zu rechtsextre-
men Organisationen bekannt.“ Die „Hamburger Morgenpost“ schrieb 1999
im Zusammenhang mit Ronald Schills geplanten Auftritt bei der SWG: „Die
Verflechtungen der SWG sind allerdings nicht zu verachten: So führte die
SWG gelegentlich gemeinsame Veranstaltungen mit der rechtsextremen
,Gesellschaft für freie Publizistik‘ durch – einem Altherrenclub, der beim
Verfassungsschutz als mitgliederstärkste rechtsextremistische Kulturvereini-
gung gilt. Bei der SWG selbst traten laut ,taz‘ der Ex-Pressereferent von
Goebbels, Wilfried van Oven, und Kriegsschuld-Leugner A. S. auf.“ (Ham-
burger Morgenpost Online, 21. September 1999). Nachdem die Presse
mehrmals über Ronald Schills bei der SWG geplanten Vortragsveranstaltung
berichtet hatte, hatte Ronald Schill seinen Vortrag bei der SWG abgesagt.

Professor Frank Decker, Politikwissenschaftler an der Universität Bonn,
schrieb am 14. November 2001 in der „Frankfurter Rundschau“: „Von wohl
kalkulierter Angstmache (Beschwörung Hamburgs als ,Hauptstadt des Verbre-
chens‘) über gezielte Provokationen (Forderung nach einer Kastration von

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/7772

Sexualstraftätern) bis hin zur Aufstellung von Verschwörungstheorien (Vorwurf
des Wahlbetrugs) verstand und versteht es Schill, auf der rechtspopulistischen
Klaviatur zu spielen und die Nähe zum umworbenen Volk herzustellen.“
Frank Decker warnt: „Trittbrettfahrer aus dem rechtsextremen Lager können
auf den Zug aufspringen und sich den noch unbeschädigten Ruf der Schill-Par-
tei zu Nutze machen. Der Gefahr der Unterwanderung ist bisher noch keine
rechtspopulistische Neugründung entgangen. Sie ist gerade in der Bundesrepu-
blik immens, weil es für die rechtsextremen Kräfte eine willkommene Möglich-
keit darstellt, der Stigmatisierung zu entgehen.“ Und weiter: „Das rechts-
extreme Stimmenpotenzial, das bei den Bürgerschaftswahlen 1993 und 1997
jeweils mehr als zehn Prozent betrug, wurde von Schill in der Hansestadt
nahezu vollständig absorbiert. […].“

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Sind nach Erkenntnis der Bundesregierung Mitglieder der „Schill-Partei“

ebenfalls Mitglied in rechtsextremen Organisationen oder Vereinigungen?
Wenn ja, in welchen?

2. Waren nach Erkenntnis der Bundesregierung Mitglieder der „Schill-Partei“
früher Mitglieder in rechtsextremen Parteien, Organisationen oder Vereini-
gungen?
Wenn ja, in welchen und bis wann?

3. Haben nach Erkenntnis der Bundesregierung Mitglieder der „Schill-Partei“
im letzten Jahr an rechtsextremen Demonstrationen oder Veranstaltungen
teilgenommen oder sind dort – beispielsweise als Redner – öffentlich aufge-
treten?
Wenn ja, an welchen (bitte einzeln auflisten)?

4. Haben nach Erkenntnis der Bundesregierung an (Wahlkampf-)Veranstaltun-
gen der „Schill-Partei“ auch Rechtsextremisten teilgenommen?
Wenn ja, an welchen und von welchen rechtsextremen Parteien, Organi-
sationen oder Vereinigungen waren ggf. diese Teilnehmer (bitte einzeln auf-
listen)?

5. Gibt es nach Erkenntnis der Bundesregierung in den Aussagen der „Schill-
Partei“ inhaltliche Überschneidungen oder Anknüpfungspunkte zu rechts-
extremen Positionen, beispielsweise beim Thema Asyl- und Einwande-
rungspolitik oder Kriminalitätsbekämpfung?
Wenn ja, bei welchen Themen und worin genau bestehen diese Überschnei-
dungen bzw. Anknüpfungspunkte?

6. Wie bewerten nach Erkenntnis der Bundesregierung rechtsextreme Parteien
und Organisationen insgesamt das Programm und den Wahlerfolg der Partei
Rechtsstaatliche Offensive von Ronald Barnabas Schill und welche Konse-
quenzen ziehen diese Parteien und Organisationen nach Erkenntnis der Bun-
desregierung daraus (bitte nach Parteien und Organisationen einzeln auf-
listen)?

Berlin, den 28. November 2001
Ulla Jelpke
Roland Claus und Fraktion

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