BT-Drucksache 14/7690

Internationales Treffen von Rechtsextremisten auf dem Ulrichsberg in Österreich

Vom 27. November 2001


Deutscher Bundestag Drucksache 14/7690
14. Wahlperiode 27. 11. 2001

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Carsten Hübner und der Fraktion der PDS

Internationales Treffen von Rechtsextremisten auf dem Ulrichsberg in Österreich

Seit 1958 treffen sich alljährlich Anfang Oktober auf dem Kärntner Ulrichsberg
in Österreich ehemalige Wehrmachtssoldaten und Angehörige der SS, deren
Angehörige und Verwandte im Geiste aus dem In- und Ausland. Organisiert
wird das Treffen von der „Ulrichsberggemeinschaft“, die von Funktionären der
rechtsextremen SS-Veteranenorganisation Kameradschaft IV (K IV) – benannt
nach dem angeblichen vierten Wehrmachtsteil, der Waffen-SS – dominiert
wird. Die Kameradschaft IV arbeitete bis zu deren Auflösung eng mit der 1951
gegründeten bundesdeutschen Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit der ehe-
maligen Soldaten der Waffen-SS (HIAG) zusammen (vgl. Jens Mecklenburg
(Hg.): Handbuch deutscher Rechtsextremismus, Berlin 1996, S. 652).
Im Rahmen des Ulrichsbergtreffens werden von ehemaligen SS-Angehörigen
des In- und Auslands Kameradschaftsabende abgehalten. In Reden und Refera-
ten wird immer wieder die Rolle der deutschen Soldaten im Zweiten Weltkrieg
unter Einschluss der SS-Angehörigen positiv dargestellt und der verbrecherische
Charakter des deutschen Angriffskriegs ausgeblendet (vgl. Jens Mecklenburg,
S. 652).
Seit Jahren trifft sich am Rande des Ulrichsbergtreffens die Elite des öster-
reichisch-bundesdeutschen Rechtsextremismus und Neonazismus. Für viele
bundesdeutschen Neonazi-Kader ist dieses Treffen in Österreich eine Gelegen-
heit zum Gedankenaustausch mit ausländischen Kameraden. Beim „Mulden-
treffen“ kamen 1995 Burschenschafter, junge Rechtsextremisten und Neonazis
zusammen (vgl. Jens Mecklenburg, S. 653).
Am 27. Februar 2001 berichtete „SPIEGEL ONLINE“ über die „Ulrichsberg-
Gedenkfeier“ im Jahr 2000, bei der Jörg Haider als Festredner auftrat: „Der
Aufmarsch der Ewiggestrigen gilt als eines der größten Treffen früherer SS-
Mitglieder. Vor Ort waren neben rund 2000 alten Kameraden auch Kamerad-
schaftsbündler, Burschenschafter und Skins aus Österreich sowie Vertreter der
separatistischen italienischen Lega Nord und Neonazis aus Frankreich. Aus
Deutschland angereist waren Delegationen der ,Hilfsgemeinschaft auf Gegen-
seitigkeit ehemaliger Angehöriger der Waffen-SS‘ (HIAG), der ,Ordensge-
meinschaft der Ritterkreuzträger‘ (OdR) und die Nazi-Ikone und Tochter des
einstigen Reichsführers SS, Heinrich Himmler.
In seiner viel beklatschten Festansprache erteilte Haider den Alt-Nazis die Ab-
solution: ,Es kann nicht sein, dass die Geschichte unserer Väter und Großväter
auf Grund des absonderlichen Zeitgeistes zu einem einzigen Verbrecheralbum
gemacht wird und ihre Leistungen vor der Geschichte mit Füßen getreten
werden‘.“ (http://www.spiegel.de/politik/europa/0.1518.119969.00.html).

Drucksache 14/7690 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Im Bericht des Bundesamts für Verfassungsschutz für das Jahr 2000 wird die
„Ulrichsberg-Gedenkfeier“ im Kapitel über internationale Verbindungen von
deutschen Rechtsextremisten mit folgenden Worten aufgeführt: „Die traditio-
nelle ,Ulrichsberg-Gedenkfeier‘ zu Ehren der gefallenen Soldaten beider Welt-
kriege fand in diesem Jahr [2000] am 1. Oktober in der Nähe von Klagenfurt
(Österreich) statt. Nur wenige deutsche Rechtsextremisten nutzten die Gelegen-
heit, sich am Rande dieser Veranstaltung mit ausländischen Gesinnungsgenos-
sen zu treffen.“ (Verfassungsschutzbericht 2000, S. 105).
Unter dem Titel „Ulrichsbergtreffen – Der Direktor spricht zu rechten Kamera-
den“ meldet der „stern“ kürzlich in seiner Online-Ausgabe: „Georg-Berndt
Oschatz, Direktor des deutschen Bundesrats, Ex-Kultusminister in Nieder-
sachsen (CDU) und Honorarprofessor an der Verwaltungshochschule Speyer,
hält am 7. Oktober [2001] die Festansprache beim Ulrichsbergtreffen nahe
der österreichischen Stadt Klagenfurt.“ Georg-Berndt Oschatz sagte dazu:
„Es kommt darauf an, was man sagt, nur so kann man das einfangen.“
(www.stern.de/politik/news/tagesthema/artikel_35697.html, vgl. auch: Blick
nach rechts, Nr. 19 vom 20. September 2001).
Laut „Informationsdienst gegen Rechtsextremismus“ waren in diesem Jahr
ca. 1 800 Ewiggestrige aus Österreich, der Bundesrepublik Deutschland,
Frankreich, Belgien, Niederlande, Italien, Norwegen, Schweden und Dänemark
gekommen. „Vor Ort auf dem Ulrichsberg waren u. a. auch der skandinavische
Neonazi E. N. und der dänische Rechtsextremist C. I. C. I. (Jg. 1949!), Sohn ei-
nes dänischen SS-Kameraden, ist Sprecher des ,Veteranenvereins ehemaliger
dänischer Freiwilliger‘ und Inhaber des goldenen Ulrichsberg-Kreuzes, der
goldenen HIAG-Nadel und des dänischen Ehrenabzeichens des Veteranen-
Kreises ehemaliger Ostfront-Kämpfer. E. N. gründete gemeinsam mit dem
spanischen Holocaustleugner P. V. die ,Leon Degrelle Gedenkvereinigung‘, die
den belgischen SS-General verehrt. Im Netz der spanischen Neonazi-Truppe
,Cedade‘ war E. N. eine der Schlüsselfiguren in Europa. Wie auch in den Jahren
zuvor trafen sich anlässlich der ,Ulrichsberg-Gedenkfeier‘ bundesdeutsche Alt-
nazis und Waffen-SS’ler im Hotel Rosenheim in Krumpendorf bei Klagenfurt.
Auch mehrere Neonazis aus der Bundesrepublik waren bei der ,Feier‘ auf dem
Ulrichsberg zugegen.“ (www.idgr.de/news/2001/n011106.html).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche rechtsextremen Parteien, Organisationen oder bekannte rechts-

extreme Persönlichkeiten aus welchen Ländern nahmen nach Kenntnis der
Bundesregierung in den letzten fünf Jahren an der jährlich stattfindenden
„Ulrichsberg-Gedenkfeier“ teil (bitte für jedes Jahr einzeln aufführen)?

2. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Teilnahme von SS-
Veteranenorganisationen an der „Ulrichsberg-Gedenkfeier“ in den letzten
fünf Jahren?

3. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Teilnahme von Mit-
gliedern deutscher Burschenschaften an der „Ulrichsberg-Gedenkfeier“ in
den letzten fünf Jahren?

4. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Teilnahme von Ver-
triebenenverbänden bei der jährlichen „Ulrichsberg-Gedenkfeier“ in den
letzten fünf Jahren?

5. Welche Bedeutung hat nach Einschätzung der Bundesregierung die jährliche
„Ulrichsberg-Gedenkfeier“ für den internationalen Rechtsextremismus?

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/7690

6. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über den Veranstalter der
„Ulrichsberg-Gedenkfeier“, die „Ulrichsberggemeinschaft“?
Mitglieder welcher rechtsextremistischen Parteien oder Organisationen ge-
hören der „Ulrichsberggemeinschaft“ an?

7. Ist es in den letzten fünf Jahren auf der „Ulrichsberg-Gedenkfeier“ zu den
Holocaust oder die deutsche Schuld am Zweiten Weltkrieg leugnenden oder
relativierenden Äußerungen oder anderen revisionistischen Äußerungen
seitens einzelner Redner gekommen?
a) Wenn ja, von wem und welche waren dies?
b) Wurden wegen solcher Äußerungen Ermittlungen wegen Volksverhet-

zung oder anderer Straftatbestände eingeleitet?
Wenn ja, gegen wen und mit welchen Ergebnissen?

8. Welche Festredner traten in den letzten zehn Jahren auf der „Ulrichsberg-
Gedenkfeier“ auf?

9. Wie bewertet die Bundesregierung Auftritte von hochrangigen Beamten des
Bundes – etwa des Direktors des deutschen Bundesrats auf dem „Ulrichs-
bergtreffen“ – im Hinblick auf die gebotene Distanz von Beamten zu rechts-
extremistischen Bestrebungen?

Berlin, den 21. November 2001
Ulla Jelpke
Carsten Hübner
Roland Claus und Fraktion

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