BT-Drucksache 14/7610

Gegen die sexuelle Ausbeutung und den Missbrauch von Kindern

Vom 26. November 2001


Deutscher Bundestag Drucksache 14/7610
14. Wahlperiode 26. 11. 2001

Antrag
der Abgeordneten Ingrid Fischbach, Peter Weiß (Emmendingen), Erika Reinhardt,
Maria Eichhorn, Norbert Geis, Ilse Falk, Wolfgang Dehnel, Renate Diemers,
Thomas Dörflinger, Anke Eymer (Lübeck), Siegfried Helias, Klaus Holetschek,
Walter Link (Diepholz), Anita Schäfer, Heinz Schemken, Dorothea Störr-Ritter,
Gerald Weiß (Groß-Gerau) und der Fraktion der CDU/CSU

Gegen die sexuelle Ausbeutung und den Missbrauch von Kindern

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Sexuelle Ausbeutung von Kindern ist ein grauenhaftes Verbrechen, dem welt-
weit über zwei Millionen Kinder zum Opfer fallen. Betroffen sind auch Kinder
in den armen Ländern des Südens, an denen gerade durch Sextouristen aus den
reichen Länder schwerste Verbrechen mit bleibenden psychischen wie phy-
sischen Schäden begangen werden. Deshalb muss es dringliches Ziel sein, die
sexuelle Ausbeutung von Kindern weltweit zu bekämpfen und sie durch inter-
nationale Zusammenarbeit zu ächten und zu verfolgen.
Auf dem 1. Weltkongress gegen die gewerbsmäßige sexuelle Ausbeutung von
Kindern 1996 in Stockholm wurde durch 122 Staaten eine Erklärung unter-
zeichnet, mit der ein Durchbruch im gemeinsamen internationalen Vorgehen
gegen die kommerzielle sexuelle Ausbeutung von Kindern geschaffen wurde.
Mit der Erklärung wurde nicht nur der Passus der UN-Kinderrechtskonvention
bestätigt, dass jedes Kind ein Recht auf umfassenden Schutz vor allen Formen
sexueller Ausbeutung oder sexuellen Missbrauchs hat. Darüber hinaus ver-
pflichteten sich nämlich die unterzeichnenden Staaten auch, bestimmte Maß-
nahmen zum Schutz der betroffenen Kinder zu ergreifen.
Dem Weltkongress folgte im März 2001 die Nationale Nachfolgekonferenz
„Kommerzielle sexuelle Ausbeutung von Kindern“ in Berlin, mit der im Zu-
sammenwirken der Bundesregierung mit Vertretern von Nichtregierungsorgani-
sationen, Initiativen, Polizei, Justiz und Sachverständigen aus der Wissenschaft
und der Wirtschaft Herangehensweisen und Konzepte für eine effektive Be-
kämpfung der kommerziellen sexuellen Ausbeutung von Kindern erörtert wur-
den. Dabei wurden Eckpunkte für einen Nationalen Aktionsplan erarbeitet.
Allerdings blieb es nur bei dieser Nationalen Nachfolgekonferenz. Auf den
entscheidenden Schritt, die dort entwickelten Strategien auch zu realisieren und
damit den von grausamen Verbrechen betroffenen Kindern zu helfen, muss
man bis heute warten. Außer einer medienwirksam aufgezogenen Kampagne
zum Schutz von Kindern lässt die Bundesregierung kein wirkliches Interesse
an einer zügigen Beendigung dieses äußerst bedenklichen Zustandes erkennen.
Vielmehr betont die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und
Jugend, Dr. Christine Bergmann, immer wieder die Verschärfung der gesetz-

Drucksache 14/7610 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

lichen Bestimmungen gegen den sexuellen Missbrauch von Kindern durch das
6. Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches von 1997, das also noch unter
der Vorgängerregierung verabschiedet worden ist.
Aktionen von Nichtregierungsorganisationen in Zusammenwirken mit der Wirt-
schaft, etwa der Verhaltenskodex zum Schutz der Kinder vor sexueller Ausbeu-
tung, den ECPAT-Deutschland zusammen mit dem Deutschen Reisebüro- und
Reiseveranstalter-Verband geschaffen hat, haben hingegen Fortschritte in der
Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung von Kindern bewirkt. Gerade solche
Maßnahmen wie den Verhaltenskodex gilt es weiterhin gezielt zu unterstützen
und durch Initiative der Bundesregierung europa- und weltweit voranzubringen.
Hier gäbe es gerade auf der Ebene der Europäischen Union beispielsweise durch
verstärkte polizeiliche Zusammenarbeit und bi- bzw. multilaterale Projekte zur
Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung von Kindern ein großes Erfolgspoten-
zial. Der 2. Weltkongress gegen die kommerzielle sexuelle Ausbeutung von Kin-
dern wird schon bald, nämlich vom 17. bis 20. Dezember 2001, in Yokohama/
Japan stattfinden.
Die Bundesregierung hat bislang keinerlei Informationen darüber geben kön-
nen, mit welchen inhaltlichen Zielsetzung und welchen Mitgliedern in der De-
legation der Bundesrepublik Deutschland sie an der Konferenz in Yokohama
teilnehmen wird.

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
1. den Sachstand bezüglich der Umsetzung der bei der Nationalen Nachfol-

gekonferenz entwickelten Strategien mitzuteilen,
2. ihre eigene Planung bezüglich eines weiteren Vorgehens gegen kommer-

zielle sexuelle Ausbeutung von Kindern darzulegen,
3. eine schnellstmögliche Verabschiedung des Nationalen Aktionsplanes

voranzutreiben,
4. die Sachverständigen aus den Nichtregierungsorganisationen, der Wis-

senschaft und der Wirtschaft an der deutschen Delegation zu beteiligen,
5. die wertvolle, international vernetzte Arbeit von sachverständigen Orga-

nisationen wie ECPAT-International besonders bei Maßnahmen wie der
internationalen Verbreitung des Verhaltenskodexes zum Schutz der Kin-
der vor sexueller Ausbeutung im Tourismus zu unterstützen,

6. im Rahmen des gemeinschaftlichen Vorgehens der EU-Mitgliedstaaten
eine klare Position für ein schnelles und effektives gemeinsames Engage-
ment zu beziehen,

7. aufzuzeigen, in welcher Weise sie sich besonders für Fortschritte im euro-
päischen und weiteren internationalen Rahmen zur Bekämpfung der sexu-
ellen Ausbeutung von Kindern einsetzen will,

8. sich besonders für eine verstärkte polizeiliche Zusammenarbeit in Europa
auf dem Feld des sexuellen Missbrauchs von Kindern einzusetzen,

9. die über die Konferenz von Yokohama hinausgehende Strategie für die
Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung von Kindern in der Bundesrepub-
lik Deutschland darzulegen,

10. Projekte zur beruflichen Förderung und sozialen Integration von Kindern,
die Opfer sexuellen Missbrauchs geworden sind, zu unterstützen, wie z. B.
die Arbeit des irischen Paters Shay Cullen in dem Rehabilitationszentrum
PREDA in Olangapo/Philippinen,

11. die Förderkriterien für durch die Bundesregierung unterstützte Träger in
der Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern offenzulegen

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/7610

und einen Katalog für einen transparenten Dialog mit den Trägern zu er-
stellen,

12. darzulegen, welche Position sie zu dem kürzlich von der japanischen Re-
gierung vorgelegten Draft Outcome Document im Vorfeld des Weltkin-
dergipfels in Yokohama einnimmt,

13. offenzulegen, mit welchen Ländern des Südens oder bestimmten Vertre-
tern der Länder Bundesministerin Dr. Christine Bergmann im Rahmen
des Weltkindergipfels bereits Gespräche vereinbart hat,

14. angesichts der jüngsten Fälle sexuellen Missbrauchs von Kindern durch
jugendliche Täter, aufzuzeigen, ob hinsichtlich der Prävention und Thera-
pie von jugendlichen Tätern neue Maßnahmen geplant sind,

15. die so genannte nachträgliche Sicherungsverwahrung zu ermöglichen und
hierdurch eine Handhabe gegen solche Sexualstraftäter zu schaffen, bei
denen die Gefahr weiterer schwerer Straftaten erst während des Strafvoll-
zuges festgestellt wird,

16. die Vorschrift des § 176 des Strafgesetzbuchs (StGB) zu verschärfen und
insbesondere die Grundformen des sexuellen Missbrauchs von Kindern
(§ 176 Abs. 1 und 2 StGB) wieder als Verbrechen zu kennzeichnen,

17. bereits die Anbahnung von Kontakten, die dem sexuellen Missbrauch von
Kindern dienen, strafrechtlich wirksamer zu erfassen, z. B. durch eine
geeignete Ergänzung des § 176 StGB,

18. unverzüglich die zum Schutz von Kindern vor sexuellem Missbrauch not-
wendigen Änderungen der Strafprozessordnung (StPO) vorzunehmen und
insbesondere eine Überwachung der Telekommunikation gemäß § 100a
StPO bei Verdacht des Kindesmissbrauchs und der Verbreitung von Kin-
derpornographie zu ermöglichen,

19. die rechtlichen Voraussetzungen für eine konsequentere Nutzung der
DNA-Analyse zu schaffen.

Berlin, den 26. November 2001
Ingrid Fischbach
Peter Weiß (Emmendingen)
Erika Reinhardt
Maria Eichhorn
Norbert Geis
Ilse Falk
Wolfgang Dehnel
Renate Diemers
Thomas Dörflinger
Anke Eymer (Lübeck)
Siegfried Helias
Klaus Holetschek
Walter Link (Diepholz)
Anita Schäfer
Heinz Schemken
Dorothea Störr-Ritter
Gerald Weiß (Groß-Gerau)
Friedrich Merz, Michael Glos und Fraktion

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