BT-Drucksache 14/76

Forderung nach Auslieferung von General Pinochet nach Deutschland

Vom 20. November 1998


Deutscher Bundestag: Drucksache 14/76 vom 20.11.1998

Kleine Anfrage der Fraktion der PDS Forderung nach Auslieferung von General Pinochet nach Deutschland =

20.11.1998 – 76



14/76

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Winfried Wolf, Dr. Dietmar Bartsch, Fred Gebhardt, Wolfgang Gehrcke-Reymann, Carsten Hübner, Ulla Jelpke, Heidi Lippmann-Kasten, Manfred Müller (Berlin), Dr. Gregor
Gysi und der Fraktion der PDS
Forderung nach Auslieferung von General Pinochet nach Deutschland

Auf die schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Winfried Wolf, ob "in Chile
auch deutsche Staatsbürger in den Jahren 1973 bis 1989 Opfer von
Verbrechen der Militärdiktatur unter Pinochet wurden", antwortete die
Bundesregierung am 9. November 1998, daß dieser "amtlich keine
Informationen über deutsche Opfer (vorliegen)". Weiter heißt es in der
Antwort: "Sie ist informiert, daß mindestens drei Deutsche Opfer des
Pinochet-Regimes sein sollen. Über die in den Medien angesprochenen
Strafanzeigen haben die zuständigen Landesjustizbehörden zu entscheiden.
Der Bundesregierung liegt ein Ergebnis ihrer Ermittlungen noch nicht
vor." (Antwort zu Frage 10 in Drucksache 14/35).
Am 3. November 1998 hat eine Freiburger Anwaltskanzlei zwei Strafanzeigen
beim Bundesgerichtshof "gegen General Augusto Pinochet Ugarte, z. Z.
London/England wegen gefährlicher Körperverletzung, schwerer
Körperverletzung, Freiheitsberaubung und Nötigung" eingereicht. Die
Anwälte vertreten dabei zwei deutsche Staatsbürger, die 1973 Opfer der
PinochetDiktatur wurden. In den ausführlichen Schriftsätzen wird u. a.
die Folter von einem der beiden Deutschen, die Inhaftierung beider in
Spezialgefängnissen des Regimes und ihr Zwischenaufenthalt in der
Deutschen Botschaft in Santiago, bevor sie nach Deutschland ausgeflogen
wurden, dokumentiert.
Den Schriftsätzen beigefügt ist ein Gutachten zur Frage "Strafrechtliche
Grundlagen einer Strafverfolgung General Pinochets in der Bundesrepublik
Deutschland wegen an deutschen Staatsangehörigen begangenen Taten",
erstellt vom Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales
Strafrecht in Freiburg, datiert auf den 2. November 1998.
Nach dem Ende der Pinochet-Diktatur ließ die erste demokratische
Regierung einen Bericht über "Wahrheit und Versöhnung" ("Informe de la
Comision Verdad Y Reconcilacion") -- auch nach dem Vorsitzenden der
Kommission Raúl Rettig Guissen als "Rettig-Bericht" bekannt --
veröffentlichen. In diesem wurden die Verbrechen der Pinochet-Diktatur
dokumentiert. Der Bericht enthält auch eine lange Liste von "personas
muertas y desaparecidas", von Personen, die im Zeitraum "September 1973
bis März 1990" von der Diktatur getötet wurden oder als "verschwunden"
gelten. Die Namensaufführung erfolgt in drei Kategorien, einer ersten
Liste mit "Personen, die von Agenten des Staates getötet wurden oder zum
Verschwinden gebracht wurden"; eine zweite mit "Personen, die von
Einzelpersonen aus politischen Motiven getötet wurden" und schließlich
eine dritte mit "getöteten und verschwundenen Personen (Unklare Fälle)".
Wir fragen die Bundesregierung:
1. Ab wann hatte die Bundesregierung Kenntnis von den zwei in den erwähnten Strafanzeigen dokumentierten Fällen deutscher Staatsbürger, die Opfer der Pinochet-
Diktatur wurden?
2. Bleibt die Bundesregierung bei ihrer Feststellung, es hätten ihr amtlich keine Informationen vorgelegen, vor dem Hintergrund der Tatsache, daß sich viele
deutsche Staatsangehörige in der Deutschen Botschaft aufhielten, von wo sie später in die Bundesrepublik Deutschland ausgeflogen wurden?
3. Welche Folgerungen zieht die Bundesregierung aus dem erwähnten
Gutachten des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales
Strafrecht und dessen Feststellungen über die Rechtmäßigkeit einer
Strafverfolgung General A. Pinochets für die deutsche Justiz im Falle der
Existenz deutscher Opfer der chilenischen Diktatur im Hinblick auf ein
mögliches Auslieferungsersuchen?
4. Hat die Bundesregierung den "Rettig-Bericht" dahin gehend
untersucht, inwieweit dort Verbrechen an deutschen Staatsbürgern oder an
"Deutschstämmigen" dokumentiert sind?
5. Hat die Bundesregierung etwas unternommen, um das Schicksal
möglicher im "Rettig-Bericht" aufgeführter deutscher Staatsbürger oder
Deutschstämmiger aufzuklären?
Wenn ja, in welchen Fällen, und mit welchem Erfolg?
6. Hat die Bundesregierung Kenntnis davon, inwieweit einer der
nachfolgend genannten Personen, die im "Rettig-Bericht" als Opfer der
Pinochet-Diktatur aufgeführt sind, deutsche Staatsbürger waren oder als
"Deutschstämmige" von der Deutschen Botschaft in Chile registriert sind
(Schreibweise und Reihenfolge der Namen bzw. Vornamen wie im "Rettig-
Report")?
Liste 1:
-- Aranda Schmied Pablo Ramon, Student, Santiago
-- Biedma Schadewalt Patricio, Soziologe, Buenos Aires
-- Clement Hechenleitner Vicente Patricio, Büroangestellter,
Santiago
-- Dockendorff Navarrette Muriel, Ex-Student, Maipu
-- Gajardo Wolff Carlos Alfredo, Architekt, Santiago
-- Joui Petersen Maria Isabel, Studentin, Penalolen
-- Klein Pipper George Max Patrick, Psychiater, Peldehue
-- Krauss Iturra Victor Fernando, Student, Valdivia
-- Mancilla Hess Edwin Ricardo, Student, Copiapo
-- Manriquez Wilden Luis Anibal, Händler, Pisagua
-- Pelegrin Friedmann Raul Alejandro, Ingenieur, San Fernando
-- Quinones Lembach Marcos Esteban, Büroangestellter, Santiago
-- Salazar Jahnsen Ocar, Professor, Renca
-- Wegner Millar Absalon del Carmen, Arzt, San Felipe
-- Weibel Navarrete Jose Arturo, Künstler, Santiago
-- Weibel Navarrete Ricardo Manuel, Chauffeur, Peldehue
Liste 2:
-- Wetling Wetling José Humberto, Beamter, Santiago
Liste 3:
-- Klener Klener Juan Carlos
-- Seiffert Dosson Nolberto
-- Weisfeiler Boris
Bonn, den 13. November 1998 Dr. Winfried Wolf Dr. Dietmar Bartsch
Fred Gebhardt
Wolfgang Gehrcke-Reymann Carsten Hübner
Ulla Jelpke
Heidi Lippmann-Kasten Manfred Müller (Berlin) Dr. Gregor Gysi und
Fraktion

20.11.1998 nnnn

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.