BT-Drucksache 14/7592

zu der dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 2002 -14/6800 Anlage, 14/7317, 14/7321, 14/7322, 14/7323, 14/7537- hier; Einzelplan 23 Geschäftsbereich des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Vom 26. November 2001


Deutscher Bundestag Drucksache 14/7592
14. Wahlperiode 26. 11. 2001

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Klaus-Jürgen Hedrich, Dr. Christian Ruck, Dr. Norbert Blüm,
Siegfried Helias, Joachim Hörster, Rudolf Kraus, Dr. Manfred Lischewski,
Marlies Pretzlaff, Erika Reinhardt, Peter Weiß (Emmendingen) und der Fraktion
der CDU/CSU

zu der dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 2002
– Drucksachen 14/6800 Anlage, 14/7317, 14/7321, 14/7322, 14/7323, 14/7537 –

hier: Einzelplan 23
Geschäftsbereich des Bundesministeriums für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag stellt fest:
SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben in den Koalitionsvereinbarungen
1998 eine deutliche Erhöhung des Entwicklungshaushalts versprochen. Bun-
deskanzler Gerhard Schröder hat auf dem Kölner Weltwirtschaftsgipfel 1999
zugesagt, eine Anhebung des Volumens der staatlichen Entwicklungshilfe an-
zustreben. All dies hat hohe Erwartungen bei unseren entwicklungspolitisch
interessierten und engagierten Bürgern, unseren internationalen Partnern sowie
insbesondere den Not leidenden Bevölkerungen in den Entwicklungsländern an
die Politik der Bundesregierung geweckt. Nachdem sich angesichts der Ent-
wicklung des Haushalts des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusam-
menarbeit und Entwicklung (BMZ) in den Haushaltsjahren 2000 und 2001 be-
reits tiefe Enttäuschung breit gemacht hatte, entstand erneut Hoffnung auf eine
wenn auch sehr verspätete Umsetzung der oben genannten Versprechen, als das
Bundeskabinett im April dieses Jahres das „Aktionsprogramm 2015 – Der Bei-
trag der Bundesregierung zur weltweiten Halbierung extremer Armut“ be-
schlossen hatte. Nicht nur Nichtregierungsorganisationen und Kirchen, sondern
auch die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hatten von Beginn an darauf hingewie-
sen, dass eine ernsthafte Realisierung dieses Programms eine erhebliche Aus-
weitung des finanziellen Spielraums des BMZ erfordern würde.
Trotzdem hatte die Bundesregierung völlig unbeirrt von ihren gegenteiligen
Zusagen den BMZ-Haushalt im Rahmen ihres Bundeshaushaltsplans 2002 zu-
nächst erneut um rund 200 Mio. Euro bzw. 5,3 Prozent auf 3,6 Milliarden Euro
heruntergekürzt. Dies hätte die Rückführung des Entwicklungshaushalts auf
einen Zehnjahres-Tiefpunkt bzw. einen Anteil am Bruttosozialprodukt von nur
noch nahe an 0,2 Prozent (ODA-Quote) bedeutet.

Drucksache 14/7592 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Nach den Terroranschlägen des 11. September 2001 hatte die Bundesregierung
erklärt, die Entwicklungspolitik zu einem wesentlichen Bestandteil ihrer Politik
zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus zu machen. Der Deutsche
Bundestag unterstützt dies, da die Entwicklungspolitik das einzige Politikfeld
ist, das langfristig und nachhaltig unsere Partnerländer beim Aufbau demokrati-
scher, rechtsstaatlicher und marktwirtschaftlicher Strukturen sowie tragfähiger
Bildungs-, Gesundheits- und Infrastruktursysteme unterstützt und damit die
Grundlage für die Beseitigung der strukturellen Mängel schafft, die das Entste-
hen von Extremismus und Terrorismus begünstigen oder gar bedingen. Die
hieraus für die Entwicklungspolitik resultierenden Herausforderungen erfor-
dern allerdings die Bereitstellung erheblicher zusätzlicher Finanzmittel und die
sofortige Umkehrung des Abwärtstrends des deutschen Entwicklungshaushalts.
Der zur 3. Lesung des Bundeshaushaltsgesetzes 2002 vorgelegte Haushaltsent-
wurf ist hierfür keinesfalls ausreichend.
Die nun im Haushaltsausschuss gebilligte Heraufsetzung des Tiefststand-Pla-
fonds von 3,6 Mrd. Euro um lediglich 104 Mio. Euro würde den Abwärtstrend
des Entwicklungshaushalts fortschreiben. Hieran ändert auch der Umstand
nichts, dass dem BMZ ca. 180 Mio. Euro aus dem im Einzelplan 60 angesiedel-
ten Anti-Terrorismus-Sicherheitspaket zur Bewirtschaftung zur Verfügung ge-
stellt werden sollen. Denn für diese Mittel ist eine derart geringe Verpflich-
tungsermächtigung ausgewiesen, dass ihre Nutzung für längerfristig
konzipierte entwicklungspolitische Maßnahmen kaum in Betracht kommt.
Dabei darf nicht vergessen werden, dass bereits die vor dem 11. September
2001 für das BMZ definierten Aufgabenfelder finanziell und personell nur un-
genügend ausgestattet waren:
In Osteuropa, der Balkanregion und dem Kaukasus wollte das BMZ den de-
mokratischen Wechsel und den Aufbau einer marktwirtschaftlichen Ordnung
fördern. Bundesministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul legte hierfür beispiels-
weise erst kürzlich eine Kaukasus-Initiative vor. Die Bundesregierung ein-
schließlich Bundesministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul betonte wiederholt
die Bedeutung des Stabilitätspaktes Südosteuropa für die Schaffung von Frie-
den und Wohlstand in den Ländern des ehemaligen Jugoslawiens. Doch der
Haushaltsentwurf 2002 senkt auch die Mittel für diese Regionen massiv ab. Ab
dem Jahr 2003 ist geplant, die entsprechenden Haushaltstitel völlig aufzulösen,
ohne für eine Aufstockung der dann ersatzweise in Anspruch zu nehmenden
Titel zu sorgen. Das bedeutet, dass ab 2003 jegliche Fördermaßnahme zugunsten
dieser Regionen automatisch eine Kürzung der für die Zusammenarbeit mit den
anderen afrikanischen, asiatischen und lateinamerikanischen Entwicklungslän-
dern benötigten Finanzmittel nach sich ziehen wird.
Umso unverständlicher ist, dass sich die Bundesregierung zu immer neuen
Förderzusagen hinreißen lässt, ohne wenigstens bereits eingegangene Ver-
pflichtungen auch nur annähernd abdecken zu können. So kündigte Bundes-
kanzler Gerhard Schröder an, dass die Bundesregierung die Initiative von
UN-Generalsekretär Kofi Annan für die Einrichtung eines UN-Fonds zur
AIDS-Bekämpfung mit 300 Mio. DM unterstützen werde. Woher diese Summe
genommen werden soll, ist völlig unklar.
Schließlich streicht die Bundesregierung unermüdlich ihren Einsatz für Demo-
kratisierung, Krisenprävention und Konfliktminderung heraus, kürzt aber er-
neut den in diesem Sektor wertvolle Arbeit leistenden politischen Stiftungen
vehement die finanzielle Unterstützung.
Die Bundesregierung muss sich angesichts dieser haushaltspolitischen Knebe-
lung der deutschen Entwicklungszusammenarbeit dem Vorwurf stellen, ihre
Solidarität mit den Armen dieser Welt aufzukündigen und sich Schritt für
Schritt aus der Mitarbeit bei der Lösung globaler Zukunftsfragen wie z. B. der

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/7592

Bekämpfung der Ursachen des internationalen Terrorismus, der Begrenzung
des Weltbevölkerungswachstums oder der Bewältigung weltumspannender
Umweltprobleme zu verabschieden. Sie setzt ihre internationale Glaubwürdig-
keit aufs Spiel, wenn sie einerseits der US-amerikanischen Regierung die Ver-
letzung internationaler Vereinbarungen zum Klimaschutz vorwirft oder die un-
verminderte Zerstörung der Tropenwälder mit ihrer Biodiversität beklagt und
andererseits gleichzeitig selbst Deutschlands Beitrag zur Lösung globaler Ent-
wicklungs- und Umweltfragen stetig ausdünnt.
Aber noch viel gravierender könnte sich der Mangel an Einsicht darin auswir-
ken, dass aus Armut und mangelnder Bildung entstehende Perspektivlosigkeit
und Frustration in Entwicklungsregionen dieser Erde vor allem unter Jugend-
lichen in Hass und Extremismus umschlagen und den gefährlichen Nährboden
für auch uns in den Industrieländern treffenden Terrorismus schaffen.
Wir müssen eine ausreichende Haushaltsgrundlage für eine solide, verlässliche
und mittel- wie langfristig strategisch angelegte Entwicklungspolitik schaffen,
die die nachhaltige Entwicklung und Demokratisierung in unseren Partnerlän-
dern fördert und damit ein essentielles Instrument einer aktiven Konfliktprä-
vention und einer Eindämmung von internationalem Terrorismus und grenz-
überschreitender Kriminalität darstellt.

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
1. den Einzelplan 23 des BMZ für das Haushaltsjahr 2002 deutlich, mindestens

auf das Niveau des Haushaltsjahres 1999, anzuheben und beim Einsatz dieser
Finanzmittel den Schwerpunkt auf eine erhebliche Ausweitung unserer Ent-
wicklungszusammenarbeit mit Entwicklungsregionen zu legen, die in beson-
derem Maße von extremistischen Tendenzen jeglicher Art betroffen sind,

2. dem Bundestag den Entwurf für ein Gesetz vorzulegen, das die Bundes-
regierung darauf verpflichtet, mit einem Zeitziel von 10 Jahren stufenweise
das 1992 bei der UN-Umwelt- und Entwicklungskonferenz in Rio fest-
gelegte und bei der nächstjährigen Nachfolgekonferenz „Rio plus zehn“ zu
bekräftigende Ziel einer Ausstattung der Entwicklungszusammenarbeit mit
0,7 Prozent des deutschen Bruttoinlandsprodukts zu erreichen sowie die mit-
telfristige Finanzplanung des BMF entsprechend zu korrigieren.

Berlin, den 26. November 2001
Klaus-Jürgen Hedrich
Dr. Christian Ruck
Dr. Norbert Blüm
Siegfried Helias
Joachim Hörster
Rudolf Kraus
Dr. Manfred Lischewski
Marlies Pretzlaff
Erika Reinhardt
Peter Weiß (Emmendingen)
Friedrich Merz, Michael Glos und Fraktion

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