BT-Drucksache 14/7508

Handhabung der B-Waffen-Thematik in der Bundesrepublik Deutschland

Vom 13. November 2001


Deutscher Bundestag Drucksache 14/7508
14. Wahlperiode 13. 11. 2001

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ursula Lietz, Hans Raidel, Paul Breuer, Ulrich Adam,
Georg Janovsky, Irmgard Karwatzki, Thomas Kossendey, Dr. Karl A. Lamers
(Heidelberg), Helmut Rauber, Hans-Peter Repnik, Kurt J. Rossmanith, Anita
Schäfer, Bernd Siebert, Werner Siemann, Benno Zierer und der Fraktion
der CDU/CSU

Handhabung der B-Waffen-Thematik in der Bundesrepublik Deutschland

Die Terroranschläge vom 11. September 2001 in den Vereinigten Staaten von
Amerika haben die sicherheitspolitische Weltlage fundamental verändert.
Diese durch islamistische Fanatiker ausgeführten Gräueltaten richten sich aber
nicht nur gegen die USA als Führungsmacht der freien Welt, sondern gegen die
gesamte zivilisierte Welt, die auf Freiheit, Demokratie und Menschenrechte
aufgebaut ist. Die Dramatik der Situation zeigt sich nicht zuletzt in der Fest-
stellung des NATO-Bündnisfalles, der zum ersten Mal seit Bestehen der Nord-
atlantischen Verteidigungsorganisation seit über 50 Jahren ausgerufen wurde.
Es ist eindeutig, dass die freie Welt diese barbarischen Akte gegen das Leben
tausender Zivilisten nicht unwidersprochen hinnehmen, sondern im Rahmen
des Selbstverteidigungsrechtes angemessen reagieren kann und muss. Staaten
und Organisationen, die Terrorismus finanziell, logistisch und ideell unterstüt-
zen oder Terroristen beherbergen, beheimaten und sie ausbilden, haben mit
Sanktionsmaßnahmen zu rechnen. Die Bundesrepublik Deutschland steht dabei
voll und uneingeschränkt an der Seite der Vereinigten Staaten von Amerika und
muss sich daher alle Optionen einer möglichen Hilfeleistung offenhalten. Diese
neuen Anforderungen wiederum bedingen die Neuausrichtung einer jahrzehn-
telang betriebenen Sicherheitspolitik hin zu einer völlig neuen Definition von
innerer und äußerer Sicherheit, was auch den unbeschränkten Einsatz der Bun-
deswehr im Ausland beinhaltet.
Anschläge mit Milzbranderregern (Anthrax) in den USA, denen bis zum jetzi-
gen Zeitpunkt schon etliche Menschen zum Opfer gefallen sind, besitzen wie-
derum eine völlig neue und bisher nie dagewesene Qualität terroristischer und
krimineller Energie. Die Menschen in den USA, aber auch in Europa und in
der Bundesrepublik Deutschland sind zunehmend verunsichert über mögliche
Gefahren auch für ihr eigenes Leben. Die Tatsache, dass Terroristen neben
verbalen Vergeltungsmaßnahmen nun auch gezielte Anschläge mit biologi-
schen Waffen auf die freien Gesellschaften des Westens vorbereiten und durch-
führen, zeigt, dass man auch in diesem Bereich zu einer völligen Neubewer-
tung und -ausrichtung der bisherigen Politik kommen muss. Hier ist gerade die
Bundesrepublik Deutschland als ein Hauptverbündeter der USA mit einer geo-
strategisch wichtigen Position in der Mitte des europäischen Kontinents zuvor-
derst gefragt.

Drucksache 14/7508 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Diese Neubewertung muss nunmehr rasch vorgenommen und umgesetzt wer-
den. Präventive Maßnahmen und reaktive Handlungsanweisungen und Maß-
nahmen in Bezug auf bakteriologische Kampfstoffe sind jetzt gefragt; seien es
das Treffen von Schutzvorkehrungen gegen die Verbreitung von Erregern oder
die Entwicklung von Seren und Impfstoffen gegen die Wirkung dieser bakte-
riologischen Kampfstoffe. Hier muss die Bundesregierung ihrer Schutzfunk-
tion für die Bevölkerung in der Bundesrepublik Deutschland gerecht werden.
Wir fragen die Bundesregierung:
1. Werden ungeachtet der Unterzeichnung der B-Waffenkonvention durch die

Bundesrepublik Deutschland gegenwärtig biologische Agenzien, die auch
zu biologischen Kampfstoffen entwickelt werden können, in Deutschland
vorgehalten?
Wenn ja, wo und zu welchen Zwecken?

2. Besitzen verbündete Streitkräfte in Deutschland biologische Kampfstoffe?
3. Welche konkreten Forschungsvorhaben im Bereich der Entwicklung und

der Herstellung von biologischen Kampfstoffen betreibt das Bundesminis-
terium der Verteidigung (BMVg) zurzeit?

4. Mit welchen befreundeten Staaten betreibt die Bundesrepublik Deutsch-
land kollegiale Forschung und welche Projekte betrifft dies?

5. Existieren im Rahmen der NATO Forschungsprogramme, an denen die
Bundesrepublik Deutschland beteiligt ist?

6. Wo werden diese Forschungsprogramme betrieben, aufgelistet nach in-
und ausländischen militärischen und zivilen Forschungsinstituten?

7. Existiert in Bezug auf biologische Kampfstoffe ein Informationsaustausch
innerhalb der NATO, und wenn ja, wie ist er geregelt?

8. Betreiben das BMVg oder andere durch das BMVg beauftragte Institute
Programme zur B-Waffen-Schutzforschung?

9. Beabsichtigt die Bundesregierung die Herstellung und/oder Beschaffung
von Impfstoffen gegen B-Waffen-Erreger, soweit vorhanden, um sie dann
an Soldaten und Zivilisten auszuteilen?

10. Wie verteilen sich die Forschungsvorhaben in Bezug auf biologische
Angriffs- und Abwehrforschung?
Inwieweit ist offensive und defensive B-Waffen-Forschung überhaupt zu
trennen?

11. Gibt es biologische Stoffe, die als biologische Kampfstoffe, aber auch zu
zivilen Zwecken angewendet werden können, z. B. Entlaubungs- oder
Insektenvernichtungsmittel, und wenn ja, welche sind dies bzw. bei wel-
chen Stellen der Bundeswehr sind diese vorhanden?

12. Hat die Bundesrepublik Deutschland bzw. die Bundeswehr von der ehe-
maligen Nationalen Volksarmee der DDR biologische Kampfstoffe über-
nommen, und falls ja, was ist damit geschehen?

13. Sind nach dem Abzug der Westgruppe der sowjetischen Streitkräfte bio-
logische Kampfstoffe gefunden worden, und falls ja, was ist damit gesche-
hen?

14. Wie entwickelte sich der Etat des BMVg für Biologiewaffenforschung seit
dem Jahre 1990?

15. Wie teilen sich diese Mittel auf zwischen militärischer Forschung und zivi-
ler Auftragsforschung?

16. Betreibt das BMVg B-Waffen-Forschung unter Einsatz von gentechni-
schen Mitteln?

17. Falls ja, welche gentechnischen Methoden werden dabei verwendet?

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/7508

18. Welche gentechnischen Projekte werden bei der Bundeswehr oder im Auf-
trag außerhalb der Bundeswehr im Zusammenhang mit der B-Waffen-For-
schung zurzeit betrieben?

19. Welche Maßnahmen wurden bei den Sicherheitslabors getroffen bzw. wel-
che Mechanismen gewährleisten, dass gerade an den Schnittstellen zwi-
schen militärischer und Auftragsforschung der Zugang zu biologischen
Kampfstoffen durch Unbefugte oder durch Terroristen angeworbene und
bezahlte Wissenschaftler vermieden werden kann?

20. Nach welchen Vorschriften werden die in sicherheitsrelevanten Bereichen
tätigen Wissenschaftler überprüft, seit wann gelten diese Vorschriften,
wann sind diese zum letzten Mal verändert worden und welche Pläne hat
die Bundesregierung zu einer Verschärfung der Sicherheitsvorschriften in
Bezug auf die Vorkommnisse des 11. September 2001?

21. Welche personellen und materiellen Fähigkeiten besitzt die Bundeswehr
zurzeit auf dem Gebiet der Abwehr von biologischen Kampfstoffen?
Wie verhält es sich mit der Logistik, insbesondere mit der Bevorratung von
Impfstoffen und Antibiotika usw.?

22. Welche personellen und materiellen Fähigkeiten besitzen die Streitkräfte
der Vereinigten Staaten, Großbritanniens und Frankreichs zurzeit auf dem
Gebiet der Abwehr von biologischen Kampfstoffen sowie auf den Gebieten
Impfstoffe, Früherkennungssysteme und Schnellnachweismethoden?

23. Welche personellen und materiellen Fähigkeiten besitzen die Streitkräfte
der Russischen Föderation oder anderer Nachfolgestaaten der ehemaligen
Sowjetunion zurzeit auf dem Gebiet der Abwehr von biologischen Kampf-
stoffen sowie auf den Gebieten Impfstoffe, Früherkennungssysteme und
Schnellnachweismethoden?

24. Besitzt die Bundesregierung Erkenntnisse über Abwanderungen von mit
biologischer Forschung befassten Wissenschaftlern aus dem Bereich der
ehemaligen Sowjetunion in Drittländer, die B-Waffen-Programme auf-
bauen bzw. unterhalten?

25. Inwieweit sind die Bundeswehrkrankenhäuser dazu eingerichtet, Patienten,
die mit biologischen Kampfstoffen in Berührung gekommen sind, zu be-
handeln?

26. Welche spezielle Ausbildung haben die Ärzte und das sonstige Personal
der Bundeswehrkrankenhäuser dazu?

27. Plant das BMVg Neubeschaffungen im Bereich der B-Waffen-Abwehr
bzw. sind schon welche beschlossen?

28. Führt die Bundeswehr Übungen im Rahmen der B-Waffen-Abwehr durch?
29. Falls ja, in welchem Rahmen, in welchem Abstand und mit welcher Dauer

werden solche Übungen durchgeführt?
30. Finden solche Übungen auch zusammen mit befreundeten Staaten statt

oder auch im institutionalisierten Rahmen der NATO oder anderer Organi-
sationen und Programme?

31. Wie gestaltet sich die zivil-militärische Zusammenarbeit bezüglich der
B-Waffen-Abwehr zwischen der Bundeswehr und Institutionen wie z. B.
dem Katastrophenschutz oder dem Technischen Hilfswerk?

32. Gibt es in diesem Zusammenhang auch eine Zusammenarbeit auf der
Ebene der Verteidigungsbezirkskommandos, bis zu ihrer Auflösung auch
der Verteidigungskreiskommandos?

33. Inwiefern findet ein Datenaustausch zwischen dem BMVg und zivilen
Stellen des Katastrophenschutzes über die Problematik biologischer
Kampfstoffe statt?

Drucksache 14/7508 – 4 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode
34. Wie entwickelte sich der Etat des BMVg für die biologische Abwehr seit
dem Jahr 1990?

35. Wie bewertetet die Bundesregierung die zukünftigen finanziellen Erforder-
nisse in Bezug auf die B-Waffen-Abwehr?

36. Gibt es bei der Bundeswehr oder bei Instituten, die mit der Bundeswehr zu-
sammenarbeiten, Forschung im Zusammenhang mit Milzbrand?

37. Besitzt die Bundeswehr Medikamente für die Vorbeugung oder Behand-
lung von Milzbranderkrankungen, und falls ja, in welchem Umfang und für
wen sollen diese verwendet werden?

38. Welche Schutzmaßnahmen sind bei Soldaten im Einsatz bzw. bei Zivilisten
gegen einen Angriff mit Milzbranderregern vorgesehen?

39. Hat die Bundeswehr gegenüber anderen biologischen Kampfstoffen als
Milzbranderregern Schutzmaßnahmen vorgesehen, und falls ja, welche?

40. Welche Erkenntnisse besitzt die Bundesregierung im Zusammenhang mit
biologischen Kampfstoffen in Drittstaaten?

41. Welche speziellen Erkenntnisse liegen der Bundesregierung vor bezüglich
biologischer Kampfstoffe der Staaten Iran, Irak, Libyen, Sudan, Algerien
und Nord-Korea?

42. Welche Maßnahmen sind seitens der Bundesregierung geplant, um die
B-Waffen-Arsenale in Drittstaaten zu vermindern bzw. zu beseitigen?

43. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Proliferation im Be-
reich biologischer Waffen?
Welche Länder sind daran beteiligt?

44. Plant die Bundesregierung parlamentarische Initiativen, die im Zusammen-
hang mit der gegenwärtigen globalen Allianz gegen den Terrorismus und
mit multilateralen Abrüstungsverhandlungen, wie z. B. die Überprüfungs-
konferenz zur Biowaffen-Konvention stehen?

45. Welche internationalen Tagungen und Konferenzen sind im Zusammen-
hang mit der Eindämmung von Entwicklung und Verbreitung von biologi-
schen Waffen geplant?

46. Aus welchen Gründen hat die Bundesregierung ausweislich des Rüstungs-
exportberichts 1999 vom 25. September 2000 (Bundestagsdrucksache
14/4179) den Export von biologischen Agenzien genehmigt, und in welche
Staaten wurden diese Agenzien exportiert?

47. Welche Planung hat die Bundesregierung in Bezug auf die Einrichtung, die
personelle und materielle Ausstattung sowie die Finanzausstattung von
ABC-Kompetenzzentren?

Berlin, den 8. November 2001
Ursula Lietz
Hans Raidel
Paul Breuer
Ulrich Adam
Georg Janovsky
Irmgard Karwatzki
Thomas Kossendey
Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg)

Helmut Rauber
Hans-Peter Repnik
Kurt J. Rossmanith
Anita Schäfer
Bernd Siebert
Werner Siemann
Benno Zierer
Friedrich Merz, Michael Glos und Fraktion

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