BT-Drucksache 14/7506

Offensive für die Bauwirtschaft - Ursachen wirksam bekämpfen

Vom 13. November 2001


Deutscher Bundestag Drucksache 14/7506
14. Wahlperiode 13. 11. 2001

Antrag
der Abgeordneten Hartmut Schauerte, Dr. Hansjürgen Doss, Wolfgang Börnsen
(Bönstrup), Klaus Brähmig, Ingrid Fischbach, Klaus Francke, Erich G. Fritz,
Ulrich Klinkert, Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach), Dr. Michael Luther, Günter
Nooke, Friedhelm Ost, Eduard Oswald, Dr. Bernd Protzner, Peter Rauen, Hans-
Peter Repnik, Dr. Heinz Riesenhuber, Karl-Heinz Scherhag, Horst Seehofer,
Johannes Singhammer, Max Straubinger, Matthias Wissmann, Dagmar Wöhrl,
Peter Kurt Würzbach und der Fraktion der CDU/CSU

Offensive für die Bauwirtschaft – Ursachen wirksam bekämpfen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Die Lage am Bau ist dramatisch. Heute gibt es in der deutschen Bauwirtschaft
500 000 Beschäftigte weniger als 1995 – Tendenz weiter fallend. Die Bauge-
nehmigungen sind eingebrochen. Umsätze und Investitionen sind rückläufig.
Die Auftragsbestände sind so niedrig wie seit der Wiedervereinigung nicht
mehr. Schlimmer noch: Die Bundesregierung hat die krisenhafte Situation am
Bau mit einer falschen Politik mit herbeigeführt (falsche Steuerreform, Öko-
steuer, Neuregelung Mietrecht, Verschlechterung bei steuerlicher Wohnungs-
bauförderung, Kürzung bei investiven Ausgaben).

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung daher auf,
in folgenden Bereichen aktiv zu werden:

1. Wir brauchen eine Infrastrukturoffensive und eine Stärkung der investiven
Haushaltsansätze in Bund, Ländern und Gemeinden im gesamten Baube-
reich, insbesondere für einen beschleunigten Ausbau der Schienenwege, der
Autobahnen, der Bundes- und Landstraßen und – insbesondere in den neuen
Bundesländern – der kommunalen Infrastruktur. Die Investitionsfähigkeit
von Ländern und Kommunen muss gestärkt werden. Soweit ausreichende
Finanzmittel nicht verfügbar sind, muss die Bundesregierung endlich den
Mut zu Umschichtungen im Haushalt zugunsten von Investitionen und zum
verstärkten Einsatz von Privatfinanzierungsmodellen aufbringen.

2. Legale Arbeit muss wieder bezahlbar werden. Die Arbeitnehmer verdienen
„netto“ zu wenig und kosten „brutto“ zu viel. Nur durch eine konsequente
Senkung der Steuern und Sozialabgaben kann Schwarzarbeit wirksam ein-
gedämmt werden.

3. Der betriebsverfassungsrechtliche und tarifvertragliche Regelungsrahmen
muss so gestaltet werden, dass die Wettbewerbsfähigkeit mittelständischer
Unternehmen durch betriebsnahe Regelungen verbessert werden kann.

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4. Die Vergabepraxis der öffentlichen Hand muss geändert werden. Obwohl
nach geltendem Vergaberecht nicht allein der niedrigste Preis, sondern die
Wirtschaftlichkeit des Angebots entscheiden soll, erteilen die öffentlichen
Bauauftraggeber nach wie vor in rund 95 % der Fälle dem billigsten Anbie-
ter den Zuschlag. Damit werden häufig mittelständische Betriebe aus der je-
weiligen Region behindert, die z. B. in puncto Mängelbeseitigung und Ge-
währleistung wirtschaftlicher sind als ortsferne Unternehmen. Mängel in der
Vergabepraxis dürfen deshalb insgesamt nicht weiter vernachlässigt werden,
soll die ruinöse Billigpreisvergabe gestoppt und mittelstandsfreundliche
Losgrößen vergeben werden. Auch gemeindliche Eigen- bzw. Zweck-
betriebe müssen ihrer Auftragsvergabe die Verdingungsordnung für Bau-
leistungen (VOB) zugrunde legen.

5. Um Mittelständler bei der Auftragsvergabe stärker zum Zuge kommen zu
lassen, müssen Bund, Länder und Gemeinden künftig ihre Bauaufträge stär-
ker in Form von Einzellosen vergeben. Wenn dennoch die Vergabe an Gene-
ralunternehmer erfolgt, dann muss sichergestellt sein, dass diese die Unter-
aufträge zu den gleichen Bedingungen vergeben, wie sie beauftragt wurden,
also den Verträgen mit ihren Subunternehmern ebenfalls die VOB zugrunde
legen.

6. Die öffentliche Hand muss wirkungsvoll zu zeitgerechter Bezahlung der ge-
leisteten Arbeiten verpflichtet werden. Das „Gesetz zur Beschleunigung fäl-
liger Zahlungen“ hat sich als nicht ausreichend erwiesen, um dem Problem
der mangelnden Zahlungsmoral wirksam und auf Dauer beizukommen. Es
ist deshalb erforderlich, auf Basis der Vorschläge der Freistaaten Sachsen
und Thüringen unverzüglich die Arbeiten an der Weiterentwicklung der Re-
gelungen zur Verbesserung der Zahlungsmoral wieder aufzunehmen.

7. Die Wohneigentumspolitik der Bundesregierung darf nicht länger Spiel-
wiese für fiskalisch begründete und ideologisch motivierte Belastungstests
sein, sondern muss wieder stärker dem hohen Stellenwert der selbstgenutz-
ten Immobilie beim Bürger Rechnung tragen. Unter anderem ist deshalb
die Einkunftsgrenze für die Gewährung der Eigenheimzulage wieder auf
das früher gültige Niveau von 120 000/240 000 DM heraufzusetzen (zu
den weiteren Vorschlägen s. Antrag der Fraktion der CDU/CSU auf Bun-
destagsdrucksache 14/6637 „Bessere steuerliche Rahmenbedingungen für
den Wohnungsbau“).
Aus städtebaulichen wie aus baukonjunkturellen Gründen ist eine Erhöhung
der Bundesfinanzhilfen für die Städtebauförderung dringend geboten. Die
mit einem hohen Multiplikator angestoßenen privaten Folgeinvestitionen
kommen vor allem kleinen und mittleren Unternehmen der Bauwirtschaft
zugute.

8. Gewährleistungsbürgschaften binden in nicht unerheblichem Maße Liquidi-
tät und Eigenkapital mittelständischer Bauunternehmen und belasten deren
Ertragssituation und Kreditwürdigkeit. Deshalb sollte entsprechend § 14 der
VOB/A auf Sicherheitsleistungen u. a. dann ganz oder teilweise verzichtet
werden, wenn Mängel der Leistung voraussichtlich nicht eintreten oder
wenn der Auftragnehmer hinreichend bekannt ist und genügend Gewähr die
vertragsgemäße Leistung und die Beseitigung etwa auftretender Mängel bie-
tet. Dies ist in der Praxis auch der öffentlichen Auftragsvergabe durch die
Bundesregierung zu selten der Fall.

Berlin, den 13. November 2001
Friedrich Merz, Michael Glos und Fraktion

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/7506

Begründung
Da sich die Bundesregierung nach wie vor weigert, die wirklich richtigen und
zielführenden wirtschaftspolitischen Weichenstellungen zur Lösung der Pro-
bleme der deutschen Bauwirtschaft vorzunehmen, ist es nicht verwunderlich,
dass die Gewerkschaften sowie Teile der Bauwirtschaft und des deutschen
Handwerks Forderungen nach kurzfristig wirkenden Maßnahmen zur Bekämp-
fung des exzessiven Lohn- und Preisdumpings erheben, unter dem die tarifge-
bundenen Bauunternehmen bei uns leiden. Nicht tarifgebundene Unternehmer
und Subunternehmer aus EU- und MOE-Staaten gefährden mit ihren teilweise
ruinösen Angeboten die Existenz vieler deutscher mittelständischer Bauunter-
nehmen und damit die einheimischen Arbeits- und Ausbildungsplätze.
Vor diesem Hintergrund erklärt sich die Forderung, ein bundeseinheitliches
Vergabegesetz zu schaffen, damit Bund, Länder und Gemeinden derartigen
Fehlentwicklungen Einhalt gebieten können und öffentliche Aufträge nur an
diejenigen Unternehmen vergeben, die ihren Arbeitnehmern deutsche Tarif-
löhne zahlen. In einem Vergabegesetz soll deshalb eine Tarifbindungsverpflich-
tung auf die am Ort der Leistungserstellung einschlägigen Lohn- und Gehalts-
tarifverträge vorgeschrieben werden.
Der Vorschlag einer Tariftreueverpflichtung ist mit einer Reihe massiver Pro-
bleme verbunden:
– Die Pflicht zur Einhaltung örtlicher Tarifverträge würde nicht tarifgebun-

dene Unternehmen praktisch in die Tarifverträge zwingen. Damit würden
flexible Ansätze unmöglich.

– Eine Tariftreueverpflichtung führt dazu, dass tariftreue Bauunternehmen in
den neuen Bundesländern mit Ost-Tarif in den alten Bundesländern nicht
anbieten können, wogegen dies im umgekehrten Fall möglich wäre. Das ist
eine Diskriminierung im Wettbewerb.

– Eine Tariftreueverpflichtung würde die europarechtlich garantierte Dienst-
leistungsfreiheit einschränken. Sie würde auch gegen die zu erwartende
europäische Richtlinie verstoßen. Klagen vor dem EuGH wären vorpro-
grammiert.

– Gegen die Verfassungsmäßigkeit einer dadurch bedingten Ausweitung der
Tarifvertragsverpflichtungen bestehen im Hinblick auf Artikel 9 Abs. 3 GG
(negative Koalitionsfreiheit) sehr ernsthafte Bedenken.

– Die Wirtschaftspolitik in Deutschland leidet zurzeit nicht an zu viel, sondern
an zu wenig Flexibilität. Mit einer gesetzlichen Tariftreueverpflichtung
würde die Forderung nach mehr betrieblichen Bündnissen für Arbeit konter-
kariert.

– Die praktische Handhabung dieser Tariftreuepflicht würde auf unlösbare
Schwierigkeiten stoßen. Da in unterschiedlichen Tarifgebieten in Deutsch-
land unterschiedliche Tarife gelten, wäre die Angebotserstellung und die an-
schließende Lohnabrechnung praktisch kaum handhabbar.

– Da die Tarifentlohnung nur an der öffentlichen Baustelle nachgewiesen wer-
den müsste, wären gespaltene Entlohnungen im öffentlichen und privaten
Bau vorprogrammiert.

– Da die Tariftreuepflicht nur für Projekte, die nicht europaweit ausgeschrie-
ben werden müssen, möglich wäre, ist zu erwarten, dass aus Kostengesichts-
punkten vor allem große Lose und Generalunternehmerschaft angeboten
werden. Die mittelständischen Bauunternehmen und ihre Arbeitnehmer hät-
ten das Nachsehen.

Aus den vorgenannten Gründen ist eine bundeseinheitliche Tariftreueverpflich-
tung kein geeigneter Ausweg aus der Krise. Eine Regelung im Bundesgesetz ist

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weder verfassungsgerecht herzustellen, noch in der Sache zielführend. Statt-
dessen wäre eine strengere Kontrolle der ohnehin geltenden Mindestlohn-
bestimmungen in Verbindung mit einer besseren Ausstattung der für die Kon-
trolle zuständigen Behörden sehr viel effektiver. Vor allem aber kommt es
darauf an, nicht nur an Symptomen zu kurieren, sondern vielmehr die eigent-
lichen Ursachen der Probleme der deutschen Bauwirtschaft anzugehen.
Da es in der Beurteilung dieses Sachverhaltes aber sehr unterschiedliche, ernst
zu nehmende regionale Interessen gibt, sollte den Bundesländern die Möglich-
keit gegeben werden, in eigener Verantwortung entsprechende Regelungen zu
erlassen.

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