BT-Drucksache 14/7145

zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung -14/5990, 14/6628- Lebenslagen in Deutschland Erster Armuts- und Reichtumsbericht

Vom 16. Oktober 2001


Deutscher Bundestag Drucksache 14/7145
14. Wahlperiode 16. 10. 2001

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Karl-Josef Laumann, Brigitte Baumeister, Klaus Brähmig,
Rainer Eppelmann, Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof), Julius Louven, Wolfgang
Meckelburg, Claudia Nolte, Hans-Peter Repnik, Franz-Xaver Romer, Heinz
Schemken, Birgit Schnieber-Jastram, Johannes Singhammer, Dorothea Störr-
Ritter, Andreas Storm, Matthäus Strebl, Peter Weiß (Emmendingen), Gerald Weiß
(Groß-Gerau) und der Fraktion der CDU/CSU

zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
– Drucksachen 14/5990, 14/6628 –

Lebenslagen in Deutschland
Erster Armuts- und Reichtumsbericht

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
1. Der Armutsbericht der Bundesregierung nimmt keine ausreichende Diffe-

renzierung des Armutsbegriffs vor. In Deutschland muss es keine Armut ge-
ben, da der Anspruch auf Sozialhilfe dafür sorgt, dass jeder auch ohne eige-
nes Erwerbseinkommen genug Mittel erhält, um ein menschenwürdiges
Dasein zu führen.

2. Die Ermittlung von Armut anhand eines so genannten Äquivalenzeinkom-
mens, wie es als ein Modell im Bericht vorgeschlagen wird, führt zu absur-
den Ergebnissen: Eine Familie mit zwei Kindern gilt danach schon als arm,
wenn sie weniger als rund 4 000 DM netto im Monat zur Verfügung hat.
Dies ergibt sich aus den Daten und Äquivalenzskalen der OECD, Paris.

3. Der Bericht berücksichtigt bei seinen Berechnungen nicht die geänderten
Lebensverhältnisse in Deutschland. Aufgrund der sozialen Absicherung le-
ben heute viel mehr Menschen als früher in eigenen Haushalten. Hierzu zäh-
len nicht zuletzt die Studenten, die aufgrund des Bafög schon früh einen
eigenen Hausstand gründen, sich selber aber wohl kaum zu den „Armen“
zählen würden.

4. Der Bericht zeichnet an manchen Stellen wissentlich ein schiefes Bild. So
wird zwar das für das Alter angesparte Vermögen eines Selbstständigen als
Vermögen bewertet und in den Bericht einbezogen, nicht aber die ebenfalls
als Vermögen anzusehenden, eigentumsgeschützten Anwartschaften der
Arbeitnehmer in den sozialen Sicherungssystemen, namentlich der gesetz-

Drucksache 14/7145 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

lichen Rentenversicherung sowie die Ansprüche in der betrieblichen Alters-
sicherung und der Beamtenversorgung.

5. Es gab in Deutschland im Jahr 1998 rund 13 Millionen Haushalte mit Kin-
dern, in denen insgesamt 46 Millionen Menschen lebten. Die meisten Fami-
lien leben in sicheren materiellen Verhältnissen. Arbeitslosigkeit, Probleme
des Konsum- und Marktverhaltens sowie besondere Lebensereignisse wie
Scheidung oder Gewalt in der Familie bzw. Partnerschaft können aber dazu
führen, dass die Familien in Not geraten. Besonders tragisch ist es für Kin-
der, wenn sie aufgrund solcher Umstände sozialhilfeabhängig werden. Da-
mit werden letzten Endes Kinder, insbesondere für allein erziehende Mütter,
zum Armutsrisiko. Die von der Bundesregierung vorgenommenen Verbesse-
rungen für Familien werden aufgezehrt durch die Belastungen mit der Öko-
steuer oder durch die Streichung des steuerlichen Haushaltsfreibetrages, der
vor allem für Alleinerziehende wichtig war.

6. Je niedriger der berufliche Ausbildungsabschluss, desto höher die Gefahr
der Arbeitslosigkeit. Fehlende schulische und berufliche Qualifikationen
insbesondere junger Menschen tragen zu einem erhöhten Armutsrisiko bei.
Insofern ist es positiv, dass sich der Anteil der Arbeiterkinder beim Erwerb
einer Hochschulzugangsberechtigung zwischen 1987 und 1996 (CDU/CSU-
regiert) um ca. 50 % erhöht hat. Auch der Anteil von Kindern ausländischer
Herkunft an den höheren Bildungsabschlüssen hat sich zwar verbessert, ver-
deckt aber nicht, dass diese in der Regel nur niedrigere Abschlüsse er-
reichen. Die Bundesregierung hat auch hier kein schlüssiges Konzept, wie
sie dieser Fehlentwicklung bei jungen Menschen vorbeugen will.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
1. das Zehn-Punkte-Programm zur Wiederbelebung der deutschen Wirtschaft,

das die Fraktion der CDU/CSU eingebracht hat (Drucksache 14/6436), um-
zusetzen, denn eine gesunde Wirtschaft schafft Arbeitsplätze und Arbeit ist
der beste Schutz gegen Armut;

2. Familien so zu entlasten, dass Kinder aus der Sozialhilfe herausgeholt wer-
den und gleichzeitig den Eltern die Möglichkeit gegeben wird, sich eben-
falls aus dem Sozialhilfebezug zu lösen;

3. ein Leistungsgesetz für Behinderte vorzulegen, wie dies die Fraktion der
CDU/CSU im Rahmen der Beratungen zum SGB IX gefordert hat (Druck-
sache 14/5804), um so die Behinderten aus der Sozialhilfe herauszuholen;

4. brachliegende Beschäftigungspotentiale, vor allem im privaten und haus-
haltsbezogenen Dienstleistungsbereich, zu erschließen und den Niedrig-
lohnsektor durch Zuschüsse zu den Sozialversicherungsbeiträgen attraktiv
zu machen, wie dies die Fraktion der CDU/CSU im Rahmen ihrer Über-
legungen zur Reform von Arbeitslosen- und Sozialhilfe beschlossen hat;

5. einen Gesetzentwurf zur besseren Förderung der Vermögensbildung in
Arbeitnehmerhand vorzulegen entsprechend dem von der Fraktion der
CDU/CSU gefassten Beschluss, um so die Vermögensbildung in breiten Be-
völkerungsschichten weiter zu fördern;

6. zur Förderung des Wohneigentums die bestehenden Bausparleistungen aus-
zuweiten, wie dies die Fraktion der CDU/CSU im Rahmen der Beratungen
zur Rentenreform gefordert hat, also: Anhebung des Prämiensatzes auf 20 %
(derzeit: 10 %), Einführung einer Kinderkomponente in Höhe von je 5 % für
die ersten beiden Kinder, Verdoppelung der Förderhöchstbeträge (derzeit:
1 000 DM/2 000 DM bei Alleinstehenden/Verheirateten), Prüfung einer Ab-
schaffung der Einkommensgrenzen (derzeit: 50 000 DM/100 000 DM zu
versteuerndes Einkommen bei Alleinstehenden/Verheirateten);

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/7145

7. den Bericht im nächsten Jahr objektiver zu gestalten und beispielsweise
das Vermögen der Arbeitnehmer, das in den sozialen Sicherungssystemen
gebunden ist, mit einzubeziehen;

8. im nächsten Bericht genauer zu untersuchen, welche Zusammenhänge zwi-
schen Zuwanderung und Armut bestehen, insbesondere welche Gruppen
der Zuwanderer besonders stark oder lang von Sozialhilfeabhängigkeit be-
troffen sind;

9. im nächsten Bericht den Aspekt der verdeckten Armut näher zu unter-
suchen und hierzu Daten vorzulegen;

10. einen Vorschlag zur zukünftigen Regelung der Regelsatz-Anpassung vor-
zulegen, da die Übergangsregelung in § 22 Abs. 6 BSHG zum 30. Juni
2002 ausläuft.

Berlin, den 16. Oktober 2001
Karl-Josef Laumann
Brigitte Baumeister
Klaus Brähmig
Rainer Eppelmann
Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof)
Julius Louven
Wolfgang Meckelburg
Claudia Nolte
Hans-Peter Repnik
Franz-Xaver Romer
Heinz Schemken
Birgit Schnieber-Jastram
Johannes Singhammer
Dorothea Störr-Ritter
Andreas Storm
Matthäus Strebl
Peter Weiß (Emmendingen)
Gerald Weiß (Groß-Gerau)
Friedrich Merz, Michael Glos und Fraktion

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