BT-Drucksache 14/7124

Die Talfahrt der Wohneigentumsbildung und politische Konzepte

Vom 9. Oktober 2001


Deutscher Bundestag Drucksache 14/7124
14. Wahlperiode 09. 10. 2001

Große Anfrage
der Abgeordneten Dr.-Ing. Dietmar Kansy, Dirk Fischer (Hamburg), Eduard
Oswald, Renate Blank, Georg Brunnhuber, Hubert Deittert, Dr. Hansjürgen Doss,
Ingrid Fischbach, Peter Götz, Manfred Heise, Siegfried Hornung, Norbert
Königshofen, Dr. Hermann Kues, Peter Letzgus, Eduard Lintner, Dr. Klaus W.
Lippold (Offenbach), Dr. Michael Meister, Norbert Otto (Erfurt), Hans-Peter Repnik,
Heinz Schemken, Dagmar Wöhrl und der Fraktion der CDU/CSU

Die Talfahrt der Wohneigentumsbildung und politische Konzepte

Von der rasanten Abschwächung der Wohnungsbaukonjunktur in Deutschland ist
seit eineinhalb Jahren auch der Eigenheimbau erfasst, im 1. Halbjahr 2001 mit
einem Rückgang der Fertigstellungen um 12 %. In den neuen Ländern wurde mit
24 % ein trauriger Rekord registriert. Ein Ende der Talfahrt ist nicht in Sicht, so-
lange der Rückgang der Baugenehmigungen den der Fertigstellungen übersteigt.
Zum Jahresanfang hin geäußerte Erwartungen der Bundesregierung an eine „wei-
che Landung“ der Wohnungsbaukonjunktur, sogar an Erholungstendenzen beim
Eigenheimbau aufgrund vermeintlich nachfragestärkender Elemente durch Steu-
erreform und Lohnabschlüsse, scheinen sich somit zerschlagen zu haben.
Diese Entwicklung, die ihre Auswirkungen auch auf die Auftragslage und Be-
schäftigung in der Bauwirtschaft hat, widerspricht in eklatanter Weise Thesen des
Bundesministers für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen von einem hohen Stel-
lenwert des Wohneigentums und der Verstetigung der Wohnungsbaukonjunktur.
Während die Bundesregierung die Ursachen für die Talfahrt der Wohneigentums-
bildung vornehmlich in einer Nachfragesättigung sieht, sind sich Fachwissen-
schaft, Wohnungs- und Bauwirtschaft weitgehend einig, dass die seit 1999
beschlossenen, zusammengenommen beachtlichen Eingriffe in die Rahmenbe-
dingungen (Streichung des Vorkostenabzugs, Absenkung der Einkommensgren-
zen bei der Eigenheimzulage), die unzureichende Einbeziehung des Wohneigen-
tums in die private Altersvorsorge sowie potenzielle Bauherren verunsichernde
Diskussionen über geplante Handlungsfelder (höhere Erbschaftsteuer auf Immo-
bilien, Grundsteuerreform) die Hauptgründe darstellen. Ankündigungen aus den
Koalitionsfraktionen, in der nächsten Wahlperiode den „Paradigmenwechsel“ bei
der Eigenheimzulagen-Förderung durch vorrangige Ausrichtung an umwelt- und
raumordnungspolitischen Gesichtspunkten herbeiführen zu wollen, wobei vor der
Bundestagswahl die Konsequenzen einer neuen Fördersystematik für die Bürger
noch offen gehalten werden, lassen eine Fortsetzung der Politik gegen das selbst-
genutzte Wohneigentum befürchten.

Wir fragen die Bundesregierung:
I. Entwicklung und Perspektiven
1. a) Wie haben sich die Fertigstellungen und Genehmigungen von Ein- und

Zweifamilienhäusern jeweils im 1. Halbjahr der Jahre 1998 bis 2001 im
früheren Bundesgebiet entwickelt?

Drucksache 14/7124 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

b) Wie haben sich die Fertigstellungen und Genehmigungen von Ein- und
Zweifamilienhäusern jeweils im 1. Halbjahr der Jahre 1998 bis 2001 in
den neuen Ländern entwickelt?

2. Wie haben sich die Neubaugenehmigungen von Ein- und Zweifamilien-
häusern in Deutschland seit 1998 entwickelt, welches Ergebnis prognosti-
ziert die Bundesregierung für 2001 und wie bewertet sie ihre Prognose vor
dem Hintergrund der in der Wohnungsprognose 2015 des Bundesamtes für
Bauwesen und Raumordnung für notwendig erachteten Fertigstellungen
von 195 000 Ein- und Zweifamilienhäusern?

3. Wie haben sich insbesondere im Fertigbaubereich die Baugenehmigungen
seit 1999 entwickelt (Angaben getrennt nach früherem Bundesgebiet und
den neuen Ländern) und sind vor diesem Hintergrund der Bundesregierung
Aussagen des Bundesverbandes Deutscher Fertigbau bekannt, wonach
diese Branche von Massenentlassungen und einer Vielzahl von Insolven-
zen betroffen sei?

4. Wie beurteilt die Bundesregierung vor dem Hintergrund der Gebäudestatis-
tik für das 1. Halbjahr 2001 die Gefahr, dass bei den Fertigstellungen, vor
allem aber bei den Genehmigungen der in der Fortschreibung der Raum-
ordnungsprognose vorgegebene Korridor von 380 000 Wohnungen in
Deutschland in den Jahren 2001 bis 2005 erheblich verfehlt wird und
welcher Beitrag zu dieser Einschätzung wird von der Entwicklung im
Wohneigentumsbereich ausgehen?

5. Welche Erkenntnisse liegen der Einschätzung der Bundesregierung zu
Grunde, bei dem seit dem Frühjahr 2000 eingetretenen Einbruch im Eigen-
heimbereich handele es sich um das natürliche „Auslaufen von Nachhol-
effekten“ (18. Subventionsbericht) auf Grund der Eigenheimzulage,
während wissenschaftliche Institutionen (Sachverständigenrat, Kon-
junkturforschungsinstitute, DIW) gezielt auf die Verschlechterung der
steuerlichen Rahmenbedingungen und politische Unwägbarkeiten für po-
tenzielle Bauherren hinweisen?

6. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass sich die 1999 vorgenom-
mene Streichung des Vorkostenabzugs für vor dem Bezug entstandene Mo-
dernisierungskosten vor allem kontraproduktiv auf die Privatisierung in den
neuen Ländern und den Wohneigentumserwerb in Städten ausgewirkt hat?

7. Welche Auswirkungen hat der erhebliche Rückgang der Baugenehmigun-
gen für Ein- und Zweifamilienhäuser seit dem Frühjahr 2000 und seit dem
1. Halbjahr 2001 auch der Fertigstellungen, auf die Baukonjunktur und die
Anzahl der Beschäftigten im Bausektor?

8. Geht die Bundesregierung davon aus, dass die innerhalb der Regierungs-
koalition seit einiger Zeit geführte Diskussion über Verschlechterung der
Rahmenbedingungen zu Lasten des Eigenheimbaus in der nächsten Wahl-
periode, zum Beispiel durch Abbau der Eigenheimzulage für Neubau, Re-
form der Grundsteuer, höhere Erbschaftsteuer bei Immobilien, zu Vorzieh-
effekten bei den Genehmigungen für Ein- und Zweifamilienhäusern im
Wahljahr 2002 führen wird?

9. Mit welchen Anteilen (absolut und prozentual) haben die Länder in den
Jahren 1998 bis 2000 (Angaben nach Ländern und Jahren getrennt) im
Rahmen der sozialen Wohnungsbauprogramme Wohneigentumsmaßnah-
men gefördert (Bundes- und Landesmittel)?

10. Wie beurteilt die Bundesregierung Aufgabenstellung und künftige Förder-
chancen von Eigentumsmaßnahmen im Rahmen der Direktförderung ange-
sichts des Abbaus der Bundesfinanzhilfen (Verpflichtungsrahmen) um
75 % gegenüber 1998?

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/7124

II. Förderkonzepte
11. Trifft es zu, dass die Zusatzförderung im Eigenheimzulagengesetz für den

Einbau bestimmter energiesparender Anlagen und die Zusatzförderung von
Niedrigenergiehäusern mit dem Inkrafttreten der Energiesparverordnung
auslaufen und wann tritt diese Verordnung in Kraft?

12. Zu welchen Erkenntnissen hat das vom Bundesministerium für Verkehr,
Bau- und Wohnungswesen zur Ermittlung der Ursachen für ein Zurückblei-
ben der Inanspruchnahme der Öko-Komponenten im Eigenheimzulagenge-
setz hinter den Erwartungen (Feststellung der Bundesregierung im
18. Subventionsbericht) vergebene Gutachten „Evaluierung der Ökozu-
lage“ geführt?

13. Legt die in Frage 12 erwähnte Gutachten-Vergabe die Folgerung nahe, dass
die Bundesregierung eine verbesserte Fortführung der befristeten Öko-
Komponenten erwägt?

14. Sind der Bundesregierung Einwendungen seitens der EU-Kommission be-
kannt, das Eigenheimzulagengesetz verstoße wegen der Förderbeschrän-
kung in § 2 auf im Inland belegene Eigenheime gegen das EU-Freizügig-
keitsrecht, und wie beurteilt sie diese?

15. Zu welchen Ergebnissen hat die von der Bundesregierung in der Antwort
auf die Frage 4 der Kleinen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU zur
Wohneigentumsförderung (Bundestagsdrs. 14/1835) 1999 mitgeteilte Prü-
fung geführt, ob die geplante Privatisierung der dem Bund gehörenden
Frankfurter Siedlungsgesellschaft vorrangig über einen Verkauf an die
Mieter erfolgen kann?

16. Hält die Bundesregierung eine strukturelle Verschiebung der Förderschwer-
punkte im Rahmen des Eigenheimzulagengesetzes zu Gunsten des Be-
standserwerbs und zu Lasten des Neubaus für notwendig, angesichts eines
Anteils des Bestandserwerbs an der erstmaligen Förderung von 47 bis 49 %
in den Jahren 1997 bis 1999, bei einemAnteil des Neubaus von 44 bis 46 %,
und imHinblick darauf, dass die Kinderzulage bereits nach geltendemRecht
nicht zwischen Neubau und Bestandserwerb differenziert und die Kauf-
preise bei Bestandserwerb im Schnitt etwa 20 bis 25 % niedriger liegen?

17. Welchen Aussagewert misst die Bundesregierung der Zusage im erstmals
Mitte Januar 2001 vom Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungs-
wesen vorgelegten „Fünf-Punkte-Programm für einen zukunftsfähigen
Wohnungsbau“: „Wohneigentumsbildung weiter stützen: Schwellenhaus-
halte müssen Wohneigentumsbildung und private Altersvorsorge miteinan-
der vereinbaren können“ bei – angesichts nachhaltiger Einbrüche im
Eigenheimbau und angesichts eines „Zwischenentnahme-Modells“ in der
privaten Altersvorsorge, das gerade einkommensschwächere Haushalte
weitgehend ausgrenzen dürfte?

18. Welche Gründe waren für die Bundesregierung maßgebend, von dem Vor-
schlag der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zum Leerstand Ost, in den neuen
Ländern eine höhere Bestandsförderung durch Änderung des Eigenheim-
zulagengesetzes befristet einzuführen, abzurücken und stattdessen über
eine Verwaltungsvereinbarung mit den Ländern einen Investitionszuschuss
unter bestimmten Voraussetzungen anzustreben?

19. Welche Gründe sprechen nach Auffassung der Bundesregierung dagegen,
wegen des immer noch hohen Rückstands an Instandhaltung und Moderni-
sierung von Wohngebäuden in den neuen Ländern die Investitionszulage
für Modernisierungsaufwendungen an eigengenutzten Wohnungen ange-
messen weiterzuführen?

20. Sind der Bundesregierung Absprachen der Bauminister der neuen Länder
bekannt, auf die Städte einzuwirken, für Eigenheimneubaumaßnahmen im
Umland der Städte kein Bauland mehr auszuweisen und falls ja, wie beur-
teilt sie diese?

Drucksache 14/7124 – 4 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

III. Reformen
21. Wie will die Bundesregierung sicherstellen, dass die in der Koalitions-

vereinbarung von 1998 vorgesehene Weiterentwicklung der Eigenheim-
förderung beim genossenschaftlichen Wohnen und die noch im Jahre 2000
in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion der CDU/CSU zu den
Perspektiven der Förderung des genossenschaftlichen Wohnungsbaus ge-
gebene Bestätigung einer „geplanten Gesamtlösung“ (Bundestagsdrs. 14/
4394) noch in dieser Legislaturperiode umgesetzt werden können?

22. Zu welchen Ergebnissen hat die in der Antwort der Bundesregierung auf
diese Kleine Anfrage der Fraktion der CDU/CSU (Bundestagsdrucksache
14/4394) mitgeteilte Prüfung geführt, die Förderung des genossenschaftli-
chen Anteilserwerbs nach § 17 Eigenheimzulagengesetz zu präzisieren und
dabei auch nicht selbstnutzende Genossenschaftsmitglieder zu fördern?

23. Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, durch integrative Strate-
gien der Innenstadt-Aufwertung und -Weiterentwicklung die Städte als
Lebensraum auch für Familien mit Kindern attraktiv und lebenswert zu
machen, und welche Maßnahmen hat sie hierzu ergriffen bzw. angestoßen?

24. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung hinsichtlich der personel-
len Belegung und ihrer Altersstruktur von Einfamilienhäusern vor und wel-
che Handlungsfelder ließen sich daraus nach ihrer Auffassung ableiten?

25. Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung in den letzten zweieinhalb Jah-
ren konkret zur Senkung der Bau- und Bodenkosten sowie zur Baulandmobi-
lisierung initiiert und welche sind in dieser Legislaturperiode noch geplant?

26. Hat die Bundesregierung bereits Forschungsaufträge vergeben zur Vorbe-
reitung auf den von den wohnungspolitischen Sprechern der Koalitions-
fraktionen für die nächste Wahlperiode angekündigten „Paradigmenwech-
sel“ bei der Eigenheimförderung in Richtung regionaler Differenzierung
der Eigenheimzulage und falls ja, welche?

27. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass das Problem der Stadt-Um-
land-Abwanderung viele Ursachen hat (zum Beispiel Umweltbelastungen,
verkehrliche Ermöglichungsfaktoren, Verlagerung des Einzelhandels auf
die grüne Wiese etc.) und welche Bedeutung misst sie in diesem Zusam-
menhang der geltenden Förderung durch das Eigenheimzulagengesetz bei?

Berlin, den 9. Oktober 2001
Dr.-Ing. Dietmar Kansy
Dirk Fischer (Hamburg)
Eduard Oswald
Renate Blank
Georg Brunnhuber
Hubert Deittert
Dr. Hansjürgen Doss
Ingrid Fischbach
Peter Götz
Dr.-Ing. Dietmar Kansy
Dirk Fischer (Hamburg)
Eduard Oswald
Renate Blank
Georg Brunnhuber
Hubert Deittert
Dr. Hansjürgen Doss

Ingrid Fischbach
Peter Götz
Manfred Heise
Siegfried Hornung
Norbert Königshofen
Dr. Hermann Kues
Peter Letzgus
Eduard Lintner
Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach)
Dr. Michael Meister
Norbert Otto (Erfurt)
Hans-Peter Repnik
Heinz Schemken
Dagmar Wöhrl
Friedrich Merz,
Michael Glos und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.