BT-Drucksache 14/709

Gleichbehandlung nichtehelicher (hetero- und homosexueller) mit ehelichen Lebensgemeinschaften beim Umzug von Parlament und Regierung nach Berlin

Vom 31. März 1999


Deutscher Bundestag: Drucksache 14/709 vom 31.03.1999

Kleine Anfrage der Fraktion der PDS Gleichbehandlung nichtehelicher
(hetero- und homosexueller) mit ehelichen Lebensgemeinschaften beim
Umzug von Parlament und Regierung nach Berlin =

31.03.1999 - 709

14/709

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Christina Schenk und der Fraktion der PDS
Gleichbehandlung nichtehelicher (hetero- und homosexueller) mit
ehelichen Lebensgemeinschaften beim Umzug von Parlament und Regierung
nach Berlin

In Umsetzung des Bundestagsbeschlusses vom 20. Juni 1991 zur Vollendung
der deutschen Einheit verlegen Parlament und Regierung 1999 ihren Sitz
nach Berlin. Das Dienstrechtliche Begleitgesetz und der
Umzugstarifvertrag sehen eine Reihe von Unterstützungsleistungen vor,
um den Umzug für die betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des
Bundes sozialverträglich zu gestalten.
Bei der Gewährung der Leistungen werden Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter, die in einer nichtehelichen hetero- oder homosexuellen
Lebensgemeinschaft leben, gegenüber ihren verheirateten Kolleginnen und
Kollegen gravierend benachteiligt. Sie werden generell wie
Alleinstehende behandelt und sind von zahlreichen
Unterstützungsleistungen, die bisher nur Verheiratete erhalten können,
ausgeschlossen.
So richtet sich z. B. die Höhe des Trennungstagegeldes nach dem
Familienstatus, bei dem ausschließlich zwischen "Alleinstehenden" und
"Personen, die mit dem Ehegatten in häuslicher Gemeinschaft leben"
unterschieden wird. Eine nicht in Anspruch genommene Reisebeihilfe für
die wöchentliche Heimfahrt kann zwar auf den Ehegatten oder die Kinder
übertragen werden, für Lebensgefährten wird die Wahrnahme dieser
Möglichkeit explizit verwehrt. Gerade diese Regelung kann bei der
notwendigen Arbeitsuche des Lebenspartners in Berlin insbesondere für
die unteren und mittleren Einkommensgruppen zu erheblichen finanziellen
Problemen führen.
Lesbische und schwule Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind in
besonderer Weise von der allgemeinen Benachteiligung nichtehelicher
Lebensgemeinschaften gegenüber verheirateten Kolleginnen und Kollegen
beim Umzug von Bonn nach Berlin betroffen. Lesben und Schwule können
bislang weder heiraten noch eine der Ehe rechtlich gleichgestellte
Partnerschaft eingehen, um die ihren verheirateten Kolleginnen und
Kollegen vorbehaltenen Unterstützungsleistungen in Anspruch nehmen zu
können.
In ihrem Koalitionsvertrag verpflichten sich SPD und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN zu einer Politik der Aufhebung der Diskriminierung von Lesben
und Schwulen. Angekündigt ist die Einführung eines "Rechtsinstituts der
eingetragenen Partnerschaft". Allerdings ist nicht zu erwarten, daß ein
entsprechendes Gesetz bis zur "heißen" Umzugsphase in Kraft treten
wird.
Wir fragen die Bundesregierung:
1. Hält die Bundesregierung es für gerechtfertigt, daß
a) Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in einer nichtehelichen
Partnerschaft bei der Berechnung des Trennungsgeldes als Alleinstehende
eingestuft werden,
b) die Reisebeihilfe für die wöchentliche Familienheimfahrt zwar auf
den Ehegatten oder die Kinder übertragen werden kann, Lebensgefährten
die Wahrnahme dieser Möglichkeit jedoch explizit verwehrt wird,
c) die Lebensgefährtin bzw. der Lebensgefährte (und deren/dessen
Kinder) bei der Höhe der Förderung für die Errichtung und den Erwerb
von Familienheimen und Eigentumswohnungen (Familienheimförderung) nicht
berücksichtigt werden,
d) die Regelungen zur Vergütung der Umzugskosten als häusliche
Gemeinschaft zwar das Zusammenleben mit einem Verwandten vierten Grades
anerkennen, nicht jedoch das Zusammenleben mit der Lebensgefährtin oder
dem Lebensgefährten,
e) bei der Berechnung der Höhe der Pauschvergütung für sogenannte
sonstige Umzugsauslagen Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeiter in
nichtehelicher Lebensgemeinschaft wie Ledige behandelt werden und damit
nur die Hälfte des Betrages Verheirateter erhalten?
2. Stimmt die Bundesregierung der Auffassung zu, daß die
Nichtgewährung der Unterstützungsleistungen eine gravierende
Benachteiligung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in nichtehelicher
Lebensgemeinschaft gegenüber ihren verheirateten Kolleginnen und
Kollegen darstellt?
3. Anerkennt die Bundesregierung, daß der Ausschluß nichtehelicher
Lebensgemeinschaften aus einer Reihe von Unterstützungsleistungen nicht
vereinbar ist mit der Absicht, den Umzug von Bonn nach Berlin für alle
Beschäftigten sozialverträglich zu gestalten?
4. Stimmt die Bundesregierung der Auffassung zu, daß die bestehenden
Regelungen insbesondere für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in
nichtehelicher Lebensgemeinschaft, die sich in den unteren und
mittleren Einkommensgruppen befinden, zu empfindlichen finanziellen
Härten führen kann?
5. Sieht die Bundesregierung dringenden Handlungsbedarf zur Korrektur
der dargestellten Regelungen?
Wenn nein, warum nicht?
Wenn ja, welche konkreten Schritte zur Gleichbehandlung von
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in nichtehelicher Lebensgemeinschaft
mit ihren verheirateten Kolleginnen und Kollegen sind zu erwarten?
6. Stimmt die Bundesregierung der Einschätzung zu, daß die Bindung
von Unterstützungsleistungen an die Ehe eine besondere Diskriminierung
von Menschen auf Grund ihrer sexuellen Orientierung darstellt?
7. Sieht die Bundesregierung ausgehend von der Tatsache, daß es
bislang Lesben und Schwulen verwehrt ist, ihrer Beziehung einen
rechtlich anerkannten Status zu verleihen, einen besonderen
Handlungsbedarf für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in lesbischer oder
schwuler Lebensgemeinschaft?
Wenn nein, warum nicht?
Wenn ja, auf welche Weise könnte diesem besonderen Handlungsbedarf
Rechnung getragen werden?
Bonn, den 30. März 1999
Christina Schenk
Dr. Gregor Gysi und Fraktion

31.03.1999 nnnn

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