BT-Drucksache 14/7048

Unterstützung der Bundesrepublik Deutschland für Gedenkstätten an Orten ehemaliger Vernichtungslager in Polen

Vom 5. Oktober 2001


Deutscher Bundestag Drucksache 14/7048
14. Wahlperiode 05. 10. 2001

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Heinrich Fink und der Fraktion der PDS

Unterstützung der Bundesrepublik Deutschland für Gedenkstätten an Orten
ehemaliger Vernichtungslager in Polen

Zeitgleich zu der Diskussion in Deutschland um das geplante Holocaust-Mahn-
mal, so „Monitor“ in seiner 445. Sendung vom 21. Januar 1999 mit dem Titel
„Kein Geld für Gedenkstätten in Polen“, drohen „die Erinnerungsstätten in
einem anderen Land zu zerfallen, dem Land, dem von Deutschen in diesem
Jahrhundert mehr Leid zugefügt wurde als irgendeinem anderen Land in
Europa, dem Land, in dem die Nazis nicht nur die ersten, sondern auch die
meisten und größten Vernichtungslager errichteten: Polen“.
Millionen von Menschen litten in den auf polnischem Gebiet von Deutschen
errichteten Vernichtungslagern von Auschwitz, Treblinka, Sobibor, Belzec,
Lublin-Majdanek, Stutthof und Chelmno unendliches Leid, Millionen wurden
an diesen Orten qualvoll ermordet, starben in den Gaskammern, an Hunger,
Krankheiten und Schwäche und dem Terror der SS.
Heute erinnern Gedenkstätten, die an diesen Orten errichtet wurden, an das
Leid dieser Menschen.
Die erste Gedenkstätte in Polen wurde 1946 in Lublin-Majdanek errichtet.
Bereits unmittelbar nach der Befreiung des Lagers, in dem 250 000 Menschen
ermordet wurden, begann man mit der Errichtung des Museums. Noch heute
steht ein großer Teil der Baracken, und auch die Gaskammer wurde erhalten.
Doch über 50 Jahre nach der Befreiung des Lagers droht der Gedenkstätte nun
der Zerfall. Jahrelang waren die 80 Holzbaracken der Witterung ausgesetzt. Für
den Erhalt der Gebäude kam der polnische Staat bisher praktisch alleine auf.
Nun jedoch fehlt selbst für die dringendsten Sanierungsarbeiten das Geld.
Die Holzbalken der Baracken sind morsch, bei einigen hat sich bereits das Fun-
dament abgesenkt.
Die 250 000 Schuhe, die man nach der Befreiung hier gefunden hatte, wurden
mehr als 50 Jahre aufbewahrt. Doch nun drohen auch sie zu zerfallen. An die
dringend notwendige Konservierung ist angesichts der finanziellen Situation
nicht zu denken. Am schlimmsten jedoch sei laut „Monitor“ die Situation im
Archiv des Museums: „Tausende von Dokumenten lagern hier: Beweise für die
deutschen Verbrechen von Majdanek. Vor zwei Jahren hat das Land Branden-
burg 20 000 Mark überwiesen – das war praktisch alles an deutscher Hilfe. Fast
zehntausend Dokumente müssten dringend konserviert werden. Doch auch
dafür ist in diesem Jahr kein Geld vorhanden.“
Wie der Gedenkstätte in Lublin-Majdanek ergeht es fast allen polnischen
Gedenkstätten an Orten ehemaliger Vernichtungslager: „Die meisten dieser Ge-
denkstätten haben bislang keinerlei Unterstützung aus Deutschland erhalten, sie
leiden unter akuter Finanznot, viele unschätzbare Dokumente und Zeugnisse
des Holocaust drohen, für immer verlorenzugehen.“ (Monitor, 21. Januar 1999)

Drucksache 14/7048 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode
Doch nicht nur der Erhalt der Gedenkstätten ist bedroht. In Chelmno, wo 1941
die Massenvernichtung der europäischen Juden begann, sieht man noch einige
Überreste des Krematoriums und die Massengräber von über 200 000 Ermorde-
ten. Doch vieles von dem, was hier geschah, ist noch immer ungeklärt. Die
begonnenen Ausgrabungen müssen infolge fehlender finanzieller Mittel wahr-
scheinlich wieder eingestellt werden. Jahrelange Arbeit wäre dann umsonst
gewesen.
In der Unterrichtung der Bundesregierung vom 27. Juli 1999 „Konzeption der
künftigen Gedenkstättenförderung des Bundes und Bericht der Bundesregie-
rung über die Beteiligung des Bundes an Gedenkstätten in der Bundesrepublik
Deutschland“ (Bundestagsdrucksache 14/1569) heißt es:
„Die Förderung der Erinnerung, des Gedenkens und von Gedenkstätten ist zu-
nächst eine Aufgabe der Gesellschaft, der Kommunen und der Länder. Der
Bund kann jedoch Gedenkstätten und Projekte fördern, wenn sie von nationaler
bzw. internationaler Bedeutung sind, ein wissenschaftlich fundiertes Konzept
vorliegt und das jeweilige Sitzland sich angemessen beteiligt.“
Für die Gedenkstätten in Auschwitz, Treblinka, Sobibor, Belzec, Lublin-
Majdanek, Stutthof und Chelmno kam in den mehr als 50 Jahren nach Be-
freiung der Lager in erster Linie der polnische Staat auf.
Ihre Bedeutung als Gedenkstätten an authentischen Orten der Massenvernich-
tung ist kaum zu überschätzen.
Die Bundesrepublik Deutschland hat nicht nur gegenüber den Opfern die
Verpflichtung, würdevolles Gedenken an dem Ort ihrer Ermordung und ihres
Leidens zu ermöglichen, die Erinnerung an deutsche Verbrechen wach zu
halten und vor allem der jüngeren Generation eine Auseinandersetzung mit der
Geschichte zu ermöglichen. Dafür sind Gedenkstätten an authentischen Orten
unverzichtbar.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Gedenkstätten an Orten ehemaliger Vernichtungslager in Polen wur-

den und werden von der Bundesrepublik Deutschland seit ihrer Errichtung
finanziell unterstützt?
a) In welche Höhe (bitte für jede Gedenkstätte und jedes Jahr darlegen)?
b) Aus welchen Haushaltsmitteln?
c) Für welchen Zweck (Errichtung, Erhalt, Restauration, archäologische

Arbeiten, pädagogische Arbeit, Bildungsangebote, Öffentlichkeitsarbeit,
Forschung, Erhalt und Erschließen von Archivbeständen, Bibliotheken,
Ausstellungen, etc.)?

2. Will die Bundesregierung die finanzielle Unterstützung von Gedenkstätten
an Orten ehemaliger Vernichtungslager in Polen angesichts ihres drohenden
Zerfalls aufnehmen bzw. vergrößern?
a) Wenn ja, wann, in welcher Höhe und für welche Gedenkstätten?
b) Wenn nein, warum nicht?

Berlin, den 27. September 2001
Ulla Jelpke
Heinrich Fink
Roland Claus und Fraktion

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