BT-Drucksache 14/7020

zu dem Antrag der Abgeordneten Birgit Homburger, Marita Sehn, Ulrike Flach, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP -14/5644- Umsetzung der EU-Altfahrzeugrichtlinie ökolgisch sinnvoll und ökonomisch verantwortlich gestalten

Vom 4. Oktober 2001


Deutscher Bundestag Drucksache 14/7020
14. Wahlperiode 04. 10. 2001

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (16. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Birgit Homburger, Marita Sehn, Ulrike Flach,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
– Drucksache 14/5466 –

Umsetzung der EU-Altfahrzeugrichtlinie ökologisch sinnvoll und ökonomisch
verantwortlich gestalten

A. Problem
Die Richtlinie 2000/53/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom
18. September 2000 über Altfahrzeuge (EU-Altfahrzeugrichtlinie) schreibt u. a.
vor, dass bis zum 1. Januar 2015 mindestens 85 % des durchschnittlichen Fahr-
zeuggewichts eines Altfahrzeugs wiederzuverwerten sind. Sie verpflichtet die
Mitgliedstaaten, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um sicherzustellen,
dass sämtliche Altfahrzeuge den zugelassenen Verwertungsanlagen zugeleitet
werden, die Ablieferung eines Altfahrzeugs bei einer zugelassenen Verwer-
tungsanlage für den Letzthalter und/oder Letzteigentümer unentgeltlich erfolgt
und die Hersteller der Fahrzeuge „alle Kosten oder einen wesentlichen Teil der
Kosten“ der Rücknahme tragen. Die Kostenregelung gilt ab dem 1. Juli 2002
für ab diesem Zeitpunkt in Verkehr gebrachte Fahrzeuge und ab dem 1. Januar
2007 für vor dem 1. Juli 2002 in Verkehr gebrachte Fahrzeuge.
Durch den Antrag soll die Bundesregierung u. a. aufgefordert werden, auf eine
Korrektur der Quotenvorgabe in einem den Leichtbau nicht behindernden
Sinne hinzuwirken, bei den Fahrzeugherstellern die Bildung von Rückstellun-
gen bereits für das Geschäftsjahr 2000 generell zuzulassen und mit Blick auf
die Höhe der Rückstellungen entweder die Berechtigung der Annahme anzuer-
kennen, dass die Hersteller für die Verwertung im Zweifel allein aufkommen
müssen, oder den Begriff „wesentlicher Teil der Kosten“ unverzüglich verbind-
lich auszulegen.

B. Lösung
Ablehnung des Antrags.
Mehrheitsentscheidung mit den Stimmen der Fraktionen SPD,
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und PDS gegen die Stimmen der Fraktionen
der CDU/CSU und FDP

Drucksache 14/7020 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

C. Alternativen
Annahme des Antrags.

D. Kosten
Wurden nicht erörtert.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/7020

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,
den Antrag auf Drucksache 14/5466 abzulehnen.

Berlin, den 4. Juli 2001

Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Christoph Matschie
Vorsitzender

Ulrich Kelber
Berichterstatter

Georg Girisch
Berichterstatter

Michaele Hustedt
Berichterstatterin

Birgit Homburger
Berichterstatterin

Eva-Maria Bulling-Schröter
Berichterstatterin

Drucksache 14/7020 – 4 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Ulrich Kelber, Georg Girisch, Michaele Hustedt,
Birgit Homburger und Eva-Maria Bulling-Schröter

I.
Der Antrag auf Drucksache 14/5466 wurde in der
167. Sitzung des Deutschen Bundestages am 10. Mai 2001
zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Umwelt,
Naturschutz und Reaktorsicherheit und zur Mitberatung an
den Rechtsausschuss, den Finanzausschuss, den Ausschuss
für Wirtschaft und Technologie, den Ausschuss für Verkehr,
Bau- und Wohnungswesen sowie den Ausschuss für die An-
gelegenheiten der Europäischen Union überwiesen.
Der Rechtsausschuss hat mit den Stimmen der Fraktionen
SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und PDS gegen die
Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen den
Antrag verfassungsrechtliche bzw. rechtsförmliche Beden-
ken erhoben.
Der Finanzausschuss, der Ausschuss für Wirtschaft und
Technologie sowie der Ausschuss für Verkehr, Bau- und
Wohnungswesen haben mit den Stimmen der Fraktionen
SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und PDS gegen die
Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP empfoh-
len, den Antrag abzulehnen. Der Ausschuss für die Ange-
legenheiten der Europäischen Union hat mit den Stimmen
der Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und
PDS gegen die Stimmen der Fraktion der FDP bei Enthal-
tung der Fraktion der CDU/CSU empfohlen, den Antrag ab-
zulehnen.

II.
Ausgehend von der Maßgabe der EU-Altfahrzeugrichtlinie,
bis zum Jahr 2015 mindestens 85 Prozent des durchschnitt-
lichen Fahrzeuggewichts eines Altfahrzeugs der stofflichen
Wiederverwertung (Wiederverwendung und Recycling) zu-
zuführen, kritisieren die Antragsteller, dass die einseitig auf
die Endphase der Fahrzeugnutzung fixierte Vorgabe von Re-
cycling- und Verwertungsquoten die Leichtbauweise von
Fahrzeugen behindere. Wegen der maßgeblichen Abhängig-
keit des Energie- bzw. Kraftstoffverbrauchs eines fahrenden
Fahrzeugs vom Fahrzeuggewicht würden hierdurch andere
umweltpolitische Ziele, insbesondere der Klimaschutz, au-
ßer Acht gelassen.
Darüber hinaus führten unbestimmte Rechtsbegriffe, insbe-
sondere die Formulierung „wesentlicher Teil der Kosten“ in
Artikel 5 Abs. 4 der Richtlinie, bei den betroffenen Unter-
nehmen zu Planungsunsicherheiten. Großunternehmen der
deutschen Automobilindustrie hätten z.T. bereits in der Ver-
gangenheit entsprechend gewinnmindernde Rückstellun-
gen gebildet bzw. angekündigt, solche Rückstellungen im
Abschluss für das Geschäftsjahr 2000 bilden zu wollen. Die
Bundesregierung wolle derartige Rückstellungen jedoch
nicht vor Inkrafttreten einer nationalen gesetzlichen Rege-
lung zulassen. Als Begründung werde angeführt, die Bil-
dung von Rückstellungen für künftige ungewisse Verpflich-
tungen setze voraus, dass diese hinreichend konkretisiert
seien, was noch nicht der Fall sei, weil die Richtlinie den
Mitgliedstaaten hinsichtlich der Kostentragung Spielräume

belasse. Zur Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe
und zu einer ökonomisch verantwortlichen Klarstellung der
Angelegenheit habe die Bundesregierung jedoch bisher
nicht beigetragen. Das Institut der Wirtschaftsprüfer in
Deutschland (IDW) habe demgegenüber dargelegt, dass die
in der Richtlinie enthaltene Formulierung maßgeblich sei,
wonach die Kosten der Rücknahme ganz oder zu einem we-
sentlichen Teil von den Herstellern zu tragen seien. In je-
dem Fall werde demnach das Vermögen der Unternehmen
mit der auferlegten Verpflichtung in Zukunft belastet, wes-
halb die Richtlinie bereits vor einer Umsetzung in nationa-
les Recht zur Bildung von Verbindlichkeitsrückstellungen
verpflichte.
Auf der Grundlage dieser Feststellungen soll die Bundes-
regierung durch den Antrag aufgefordert werden, auf eine
Korrektur der Quotenvorgabe in einem den Leichtbau nicht
behindernden Sinne hinzuwirken, bei den Fahrzeugherstel-
lern die Bildung von Rückstellungen bereits für das Ge-
schäftsjahr 2000 generell zuzulassen und mit Blick auf die
Höhe der Rückstellungen entweder die Berechtigung der
Annahme anzuerkennen, dass die Hersteller für die Verwer-
tung im Zweifel allein aufkommen müssen, oder den Be-
griff „wesentlicher Teil der Kosten“ unverzüglich verbind-
lich auszulegen.
Die Bundesregierung soll darüber hinaus aufgefordert wer-
den, dem Deutschen Bundestag über die voraussichtliche
Höhe des insoweit absehbaren Rückstellungsvolumens der
inländischen Fahrzeughersteller für die Kosten der Rück-
nahme bzw. Verwertung in den Jahren bis 2006 sowie über
den Umfang der Steuerausfälle zu berichten, mit denen im
Zuge einer Umsetzung der Richtlinie zu rechnen sei.

III.
Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktor-
sicherheit hat den Antrag auf Drucksache 14/5466 in seiner
Sitzung am 4. Juli 2001 beraten.
Seitens der Fraktion der SPD wurde darauf hingewiesen,
dass die Fahrzeughersteller und einschlägigen Industriever-
bände mit den Regelungen zur Übernahme der Rücknahme-
kosten für Altfahrzeuge nicht in allen Punkten einverstan-
den seien; so habe man sich teilweise eine Kostenbeteili-
gung der Fahrzeughalter gewünscht. Einvernehmen mit der
Industrie gebe es in der Frage, ab welchem Zeitpunkt die
Bildung von Rückstellungen zugelassen werden solle. Es
sei möglich, dass die EU-Altfahrzeugrichtlinie bestimmte
Leichtbauweisen beeinträchtige. Die Gespräche mit der In-
dustrie hätten jedoch deutlich gemacht, dass es gerade im
Bereich des Leichtbaus alternative Wege geben werde. Im
Übrigen müssten alle Ansätze in Betracht gezogen werden,
den Energieverbrauch von Kraftfahrzeugen zu senken. Die
europäischen Verbände der Automobilhersteller hätten klar
zum Ausdruck gebracht, dass sie auch künftig in der Lage
seien, die eingegangenen Selbstverpflichtungen zur Sen-
kung des Flottenverbrauchs einzuhalten. Insofern erwarte
man von der EU-Altfahrzeugrichtlinie keine negativen öko-

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 5 – Drucksache 14/7020

logischen Auswirkungen. Dem Antrag könne nicht zuge-
stimmt werden.
Von Seiten der Fraktion der CDU/CSU wurde der Antrag
unterstützt; er spreche Probleme an, die man seit Jahresbe-
ginn thematisiert und in Stellungnahmen aufgegriffen habe.
Die Fraktion der CDU/CSU trete dafür ein, die Bildung von
Rückstellungen ab dem Geschäftsjahr 2002 zuzulassen. Die
im Antrag geforderte Zulassung der Bildung von Rückstel-
lungen ab dem Geschäftsjahr 2000 setze voraus, dass durch
eine Umsetzung der EU-Altfahrzeugrichtlinie in nationales
Recht rasch verbindlich geklärt werde, in welchem Umfang
die Fahrzeughersteller die Rücknahmekosten für Altfahr-
zeuge tragen müssten. Eine Annahme des Antrags werde
den Druck auf die Bundesregierung erhöhen, die Richtlinie
rasch in nationales Recht umzusetzen.
Seitens der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wurde
betont, von den Bestimmungen der EU-Altfahrzeugricht-
linie seien nach derzeitigem Kenntnisstand keine Gefahren
für die Leichtbauweise zu erwarten, die Entwicklung müsse
jedoch weiter beobachtet werden. Die Diskussion werde
teilweise interessenorientiert geführt. Nach Aussagen neu-
traler Kreise werde die Leichtbauweise durch die jetzige
Regelung auf absehbare Zeit nicht behindert; in diesem
Sinne habe sich auch der Fachausschuss Kraftfahrzeug-
technik (FKT) geäußert. In der Rückstellungsfrage habe die
Industrie signalisiert, sie sei mit der Zulassung von Rück-
stellungen ab dem Zeitpunkt der Umsetzung der EU-Alt-
fahrzeugrichtlinie in nationales Recht einverstanden. Der
Antrag werde abgelehnt.
Von Seiten der Fraktion der FDP wurden die Feststellungen
des Antrags zu den ökologischen Auswirkungen der Ge-
wichtsquotenvorgabe und zu offenen Fragen in der Rück-
stellungsproblematik sowie die hieraus jeweils abgeleiteten
Aufforderungen an die Bundesregierung erläutert (Teil II).
Auslöser für den Antrag seien u. a. die Antworten der Bun-
desregierung auf je eine Kleine Anfrage der Fraktion der
FDP zum ökologischen Nutzen und zu den Anreizwirkun-
gen der EU-Altfahrzeugrichtlinie (Drucksache 14/4587) so-
wie zur Rückstellungsbildung infolge der EU-Altfahrzeug-

richtlinie (Drucksache 14/5038) gewesen. Die Antwort der
Bundesregierung auf die Kleine Anfrage zum ökologischen
Nutzen und zu den Anreizwirkungen dieser Richtlinie habe
bestehende Befürchtungen einer Beeinträchtigung der
Leichtbauweise bestätigt.
Seitens der Fraktion der PDS wurde auf die Notwendigkeit
einer Verringerung der Flottenverbräuche hingewiesen. Die
Fahrzeughersteller bemühten sich in diesem Sinne darum,
die Leichtbauanteile an der Fahrzeugkonstruktion zu erhö-
hen. Eine Behinderung der Leichtbauweise könne in der Tat
nicht ausgeschlossen werden, müsse aber durch alle Betei-
ligten verhindert werden. Die Forderung des Antrags, den
Fahrzeugherstellern bereits für das Geschäftsjahr 2000 die
Bildung steuerfreier Rückstellungen zu ermöglichen, werde
abgelehnt.
Von Seiten der Bundesregierung wurde die Auffassung ver-
treten, die EU-Altfahrzeugrichtlinie werde die Leichtbau-
weise nicht beeinträchtigen. Diese Einschätzung werde
durch Aussagen der zuständigen Fachgremien und der In-
dustrie zur Anpassung der EG-Typengenehmigungsricht-
linie bestätigt; in einer gemeinsamen Stellungnahme gegen-
über der EU-Kommission werde zum Ausdruck gebracht,
dass die in diese Richtlinie aufzunehmenden Regelungen
die Leichtbauweise nicht behindern werden. Die Bundesre-
gierung trete für eine Belastung der Fahrzeughersteller mit
den Kosten der Rücknahme von Altfahrzeugen ein. Nach
derzeitigem Planungsstand sei folgender Zeitplan zur Um-
setzung der EU-Altfahrzeugrichtlinie vorgesehen: Befas-
sung des Bundeskabinetts mit dem Gesetzentwurf im Okto-
ber 2001, parlamentarische Beratung im November oder
Dezember 2001, Verkündung des Gesetzes im ersten Quar-
tal 2002. Die Frist zur Umsetzung der EU-Altfahrzeugricht-
linie laufe am 21. April 2002 ab.
Der Ausschuss hat mit den Stimmen der Fraktionen SPD,
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und PDS gegen die Stimmen
der Fraktionen der CDU/CSU und FDP beschlossen, dem
Deutschen Bundestag zu empfehlen, den Antrag auf Druck-
sache 14/5466 abzulehnen.

Berlin, den 4. Juli 2001
Ulrich Kelber
Berichterstatter

Georg Girisch
Berichterstatter

Michaele Hustedt
Berichterstatterin

Birgit Homburger
Berichterstatterin

Eva-Maria Bulling-Schröter
Berichterstatterin

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