BT-Drucksache 14/6937

Einrichtung einer Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in der Bundesrepublik Deutschland

Vom 19. September 2001


Deutscher Bundestag Drucksache 14/6937
14. Wahlperiode 19. 09. 2001

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke und der Fraktion der PDS

Einrichtung einer Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremden-
feindlichkeit in der Bundesrepublik Deutschland

Seit Längerem wird von antirassistischen Initiativen und Einrichtungen, von
Wissenschaftlern und Kriminologen im Rahmen der Aufklärungsarbeit über
aktuelle Rechtsentwicklungen in der Gesellschaft, über rechtsextreme, rassisti-
sche und antisemitische Gewalt und deren Hintergründe und Ursachen die Ein-
richtung einer unabhängigen Stelle zur Beobachtung von Rassismus und
Fremdenfeindlichkeit in der Bundesrepublik Deutschland gefordert – analog
zur „Europäischen Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeind-
lichkeit (EUMC)“, die im Januar 1998 ihre Arbeit in Wien aufgenommen hat.
Am 11. Dezember 2000 hatte auch der Beirat des „Bündnisses für Demokratie
und Toleranz“ beschlossen, dass „eine zivilgesellschaftliche Einrichtung (unab-
hängige Dokumentationsstelle) geschaffen wird, welche die Beobachtung,
Sammlung und Dokumentation im Bereich der Fremdenfeindlichkeit und des
Rassismus aktiv betreibt“ (Mark Holzberger: Offenbarungseid der Polizei-
statistiker. In: Bürgerrechte & Polizei/CILIP 68, 1/2001, S. 33).
Im März diesen Jahres hat sich dann auch der Deutsche Bundestag dieser
Forderung angeschlossen, als er den Antrag der Fraktionen SPD,
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und PDS „Gegen Rechtsextremismus,
Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Gewalt“ (Bundestagsdrucksache
14/5456) mehrheitlich angenommen hat.
In diesem Antrag fordert der Deutsche Bundestag die Bundesregierung auf
„zu prüfen, ob und gegebenenfalls wie analog zur Europäischen Beobachtungs-
stelle für Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zur frühzeitigen Erkennung von
Problemlagen und der Sensibilisierung der Öffentlichkeit die Einrichtung einer
entsprechenden Beobachtungsstelle in der Bundesrepublik Deutschland unter-
stützt werden könnte. Deren mögliche Aufgaben wären unter anderem die
Dokumentation und Analyse rechtsextremer Tendenzen, die Information der
Öffentlichkeit, die Durchführung einer Dunkelfeldanalyse, um das tatsächliche
Ausmaß rechtsextremer Gewalt zu erfassen, eine Zusammenarbeit mit der
Europäischen Beobachtungsstelle und die regelmäßige Berichterstattung im
Deutschen Bundestag über ihre Arbeit, Ergebnisse und Erfahrungen sowie
Erkenntnisse in Hinblick auf Ursachen und Gegenstrategien“.
Ergebnisse dieser vom Deutschen Bundestag geforderten Prüfung sind bislang
nicht bekannt geworden.
Derzeit wird anscheinend lediglich die zukünftige Rolle des „Forums gegen
Rassismus“ – das sich im März 1998 als Folgegremium des 1997 aufgenomme-
nen Dialogs zwischen Regierung und Nichtregierungsorganisationen konsti-

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tuierte – als „Nationaler runder Tisch“ im Sinne der Grundsätze der „Euro-
päischen Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit“
erörtert (www.bmi.bund.de/dokumente/Artikel/ix_20441.htm).
Dieses „Forum gegen Rassismus“ ist jedoch nicht – wie im o. g. Antrag gefor-
dert – unabhängig, sondern mit Geschäftsstelle beim Bundesministerium des
Innern (BMI) (Referat IS 3) angesiedelt.
Zudem wurde bereits nach der Tagung des „Forums gegen Rassismus“ am
17. März 2000 von mehreren Seiten die Gründung dieses „Runden Tisches“ für
gescheitert angesehen, nachdem Vertreterinnen und Vertreter des BMI und
Vertreter anderer Ministerien die Tagung verlassen hatten, noch bevor der
Tagesordnungspunkt „Runder Tisch“ aufgerufen war.
Zugleich kritisierten anwesende Wissenschaftler die Dominanz des BMI. Es
habe sich der Eindruck aufgedrängt, „das alles ist fest in der Hand des Innen-
ministers, der einen Runden Tisch per Umtaufe aus dem Forum gegen Rassis-
mus schaffen möchte, von Wissenschaftlern und sonstigen Basisaktivisten der
NGOs, der Kirchen etc. unbehelligt. Von Rosstäuscherei war die Rede, von
Alibifunktion der Wissenschaftler“ (DISS-Journal 6/2000).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Hat die Bundesregierung inzwischen geprüft, „ob und gegebenenfalls wie

analog zur Europäischen Beobachtungsstelle für Rassismus und Fremden-
feindlichkeit zur frühzeitigen Erkennung von Problemlagen und der Sensi-
bilisierung der Öffentlichkeit die Einrichtung einer entsprechenden Be-
obachtungsstelle in der Bundesrepublik Deutschland unterstützt werden
könnte“?
a) Wenn ja, zu welchem Ergebnis ist die Bundesregierung gekommen?
b) Wenn der Prüfungsvorgang noch läuft und noch zu keinem abschließen-

den Ergebnis gekommen ist, welche Zwischenergebnisse liegen zum
jetzigen Zeitpunkt vor und wann ist mit dem Abschluss der Prüfungen
und einem endgültigen Ergebnis zu rechnen?

c) Wenn die Prüfung noch nicht begonnen wurde, warum wurde der Be-
schluss des Deutschen Bundestages nach inzwischen fast sechs Monaten
noch immer nicht umgesetzt?

d) Wenn die Prüfung noch nicht begonnen wurde, wann will die Bundes-
regierung den Beschluss des Deutschen Bundestages umsetzen und mit
der Prüfung beginnen?

2. Ist der Bundesregierung der o. g. Beschluss des Beirates des „Bündnisses für
Demokratie und Toleranz“ bekannt?
a) Wenn nein, warum nicht?
b) Wenn ja, wann ist mit der Umsetzung dieses Beschlusses zu rechnen bzw.

wurde mit Umsetzung inzwischen begonnen und wenn ja, mit welchem
bisherigen Ergebnis?

3. Wann ist mit der Errichtung einer unabhängigen Stelle zur Beobachtung von
Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in der Bundesrepublik Deutschland zu
rechnen?

4. In welcher Höhe werden finanzielle Mittel aus dem Bundeshaushalt für eine
solche Beobachtungsstelle nach Erkenntnis der Bundesregierung nötig und
auch bereitgestellt?

5. Welche Aufgaben sieht die Bundesregierung für eine solche Beobachtungs-
stelle vor?

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/6937

6. Ist die Arbeit der Europäischen Stelle zur Beobachtung von Rassismus und
Fremdenfeindlichkeit (EUMC) aus Sicht der Bundesregierung als vorbild-
lich auch für die Einrichtung einer analogen deutschen Stelle anzusehen und
in dieser Hinsicht ausbauwürdig?

Berlin, den 12. September 2001
Ulla Jelpke
Roland Claus und Fraktion

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