BT-Drucksache 14/6911

Speicherung von persönlichen Daten in "Gewalttäterdateien" beim Bundeskriminalamt und dessen Umgang mit diesen Daten

Vom 13. September 2001


Deutscher Bundestag Drucksache 14/6911
14. Wahlperiode 13. 09. 2001

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke und der Fraktion der PDS

Speicherung von persönlichen Daten in „Gewalttäterdateien“ beim Bundes-
kriminalamt und dessen Umgang mit diesen Daten

Im Zusammenhang mit dem G8-Gipfel in Genua ist erhebliche Kritik an der
Errichtung der Dateien beim Bundeskriminalamt (BKA) und am Umgang des
BKA mit diesen Daten geäußert worden. So wurde die Ende letzten Jahres in
der Innenministerkonferenz vereinbarte Datei „Gewalttäter links“ wegen nicht
näher begründeter „Eilbedürftigkeit“ (Antwort der Bundesregierung auf die
Kleine Anfrage der Fraktion der PDS „Presseberichte über den geplanten Auf-
bau einer Zentral-Datei für linke Gewalttäter beim Bundeskriminalamt“ – Bun-
destagsdrucksache 14/5376) durch das BKA „im Wege der Sofortanordnung
gemäß § 34 Abs. 3 BKAG“ (Bundeskriminalamtgesetz) errichtet. Die damals
mitgeteilte Absicht, nicht nur rechtskräftig Verurteilte, sondern auch bloß Be-
schuldigte oder Verdächtige in die Datei aufzunehmen, wird zunehmend kriti-
siert, weil damit und mit den auf Grund dieser Datei erlassenen Ausreisesper-
ren in Grundrechte eingegriffen wird. In der Presse (DIE ZEIT, 6. September
2001) wird von einem Vorgehen nach dem „Prinzip Schrotflinte“ gegen Kriti-
kerinnen und Kritiker der Globalisierungspolitik gesprochen.
In der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion der
PDS hieß es weiter: „Die Anhörung des Bundesbeauftragten für den Daten-
schutz und die Beteiligung der Innenministerien und Senatsinnenverwaltungen
der Länder werden deshalb nachgeholt.“ Tatsächlich wurde die Anhörung nach
Presseberichten (u. a. DER TAGESSPIEGEL, 31. August 2001) erst im Juni,
d. h. vier Monate später, eingeleitet. Ein Ergebnis ist nicht bekannt. Trotzdem
wurden im Zusammenhang mit dem EU-Gipfel in Göteborg und dem Gipfel in
Genua, eventuell auch bei anderen Gelegenheiten, zahlreiche Daten an andere
Länder weitergeleitet.
In zeitlicher Verbindung mit der Datei „Gewalttäter links“ wurde auch die Da-
tei „Gewalttäter rechts“ eingerichtet. Ob dabei auch Eilbedürftigkeit angenom-
men wurde, ist unklar. In der Presse (u. a. DIE ZEIT, 6. September 2001) wird
noch eine Datei „politische Ausländerkriminalität“ genannt. Art und Ausmaß
dieser Datei ist ebenfalls nicht bekannt.
Der Umgang des BKA bzw. des Bundesministeriums des Innern (BMI) mit auf
so eilige und umstrittene Weise erhobenen persönlichen Daten gefährdet Bür-
gerrechte wie das Recht auf informationelle Selbstbestimmmung, auf Ver-
sammlungs- und Meinungsfreiheit sowie grundlegende Rechtsgrundsätze wie
die Unschuldsvermutung für nicht rechtskräftig Verurteilte und den Grundsatz
der Verhältnismäßigkeit.

Drucksache 14/6911 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Seit wann bestehen die Dateien „Gewaltäter links“, „Gewalttäter rechts“

und „politische Ausländerkriminalität“?
2. Welche genauen Richtlinien bestehen für die Aufnahme von Personen in

diese Dateien (bitte für jede Datei ggfs. einzeln auflisten),
a) hinsichtlich der Aufnahme von gerichtlich verurteilten Personen (z. B.

ab welcher Strafhöhe, bis zu welchem Zeitpunkt nach Verhängung und
ggfs. auch Verbüßung der Straftat),

b) hinsichtlich der Aufnahme von Betroffenen polizeilicher Ermittlungen
(z. B. welche Verdachtsgründe müssen mindestens erfüllt sein),

c) hinsichtlich der Aufnahme anderer Personen in diese Datei?
3. Womit begründet die Bundesregierung die „Eilbedürftigkeit“ der Datei

„Gewalttäter links“?
4. Wurde bei Errichtung der Datei „Gewalttäter rechts“ ebenfalls Eilbedürf-

tigkeit angenommen?
Womit wurde diese begründet?

5. Wurde bei Errichtung der Datei „politische Ausländerkriminalität“ eben-
falls eine Eilbedürftigkeit angenommen?
Womit wurde diese begründet?

6. Wann hat das BKA bzw. das BMI die Anhörung des Bundesbeauftragten
für den Datenschutz eingeleitet und warum geschah das erst mehrere
Monate nach Errichtung der Datei?

7. Wann hat das BKA bzw. das BMI den Ländern den Entwurf der Errich-
tungsanordnung zugeleitet und warum erfolgte dies erst Monate nach Ein-
richtung der Datei?

8. Welche Stellungnahmen der Länder bzw. des Bundesbeauftragten für den
Datenschutz liegen der Bundesregierung inzwischen vor und welche Be-
denken werden darin erhoben?

9. In welcher Weise will die Bundesregierung die Öffentlichkeit und das Par-
lament über den genauen Wortlaut der Errichtungsanordnung unterrichten?

10. Wie viele Personen sind inzwischen
a) in der Datei „Gewalttäter links“,
b) in der Datei „Gewalttäter rechts“,
c) in der Datei „politische Ausländerkriminalität“
gespeichert (bitte nach Bundesländern, in denen diese Personen ihren
Wohnsitz haben, aufschlüsseln)?

11. Wie viele dieser Personen sind
a) rechtskräftig verurteilt (bitte nach Deliktgruppen aufschlüsseln),
b) Personen, gegen die lediglich ein polizeilicher Ermittlungsverfahren

läuft, das noch nicht abgeschlossen ist (bitte nach den vorgeworfenen
Deliktgruppen aufschlüsseln),

c) Personen, gegen die in der Vergangenheit ein polizeiliches Ermittlungs-
verfahren lief, das aber ohne Anklageerhebung eingestellt wurde,

d) sonstige Personen, d. h. weder verurteilt noch beschuldigt in einem Er-
mittlungsverfahren?

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/6911

12. Wie viele der in diesen Dateien und in der Datei „Landfriedensbruch“ er-
fassten Daten wurden an Polizei oder andere Stellen (z. B. Grenzschutz)
anderer Länder in und außerhalb der EU weitergegegen (bitte nach Zeit-
punkt, Zahl der weitergegebenen Daten und Grund der Weitergabe auf-
schlüsseln)?

13. Wann und auf welche Weise erfahren Betroffene davon, dass sie in einer
der oben genannten Dateien des BKA gespeichert werden?

14. Wie viele Betroffene wurden vom BKA oder von einer anderen Stelle un-
terrichtet, dass das BKA Daten über sie speichert und ggfs. auch an andere
Behörden weiterleitet?

15. Welche Rechtsmittel haben Personen, die in diesen Dateien erfasst sind,
um
a) beim BKA Auskunft über die von über sie gespeicherten Daten zu

erhalten,
b) eine Korrektur bzw. Löschung der über sie gespeicherten Daten zu

erreichen?
16. Wie beurteilt die Bundesregierung das Ausmaß dieser beim BKA gespei-

cherten personenbezogenen Daten und den Umgang des BKA mit diesen
Daten und welche Korrekturen hält sie für erforderlich?

Berlin, den 11. September 2001
Ulla Jelpke
Roland Claus und Fraktion

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