BT-Drucksache 14/691

Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland an Großstaudammprojekten, insbesondere durch Finanzielle Zusammenarbeit (FZ), Technische Zusammenarbeit (TZ) oder durch Exportkreditversicherungen

Vom 25. März 1999


Deutscher Bundestag: Drucksache 14/691 vom 25.03.1999

Kleine Anfrage der Fraktion der PDS Beteiligung der Bundesrepublik
Deutschland an Großstaudammprojekten, insbesondere durch Finanzielle
Zusammenarbeit (FZ), Technische Zusammenarbeit (TZ) oder durch
Exportkreditversicherungen =

25.03.1999 - 691

14/691

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Winfried Wolf, Eva-Maria Bulling-Schröter, Fred
Gebhardt,
Carsten Hübner und der Fraktion der PDS
Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland an Großstaudammprojekten,
insbesondere durch Finanzielle Zusammenarbeit (FZ), Technische
Zusammenarbeit (TZ) oder durch Exportkreditversicherungen

Seit den 50er Jahren gelten große Staudammprojekte als Symbol des
Fortschritts und der wirtschaftlichen Unabhängigkeit. 40 000 Dämme mit
einer Höhe von mehr als 15 Metern stauen mittlerweile die Flüsse dieser
Welt. Über 100 Dämme sind Mega-Beton-Bauten mit einer Höhe von mehr als
150 Metern. Dreiviertel dieser Dämme wurden in den letzten 35 Jahren
gebaut, etwa die Hälfte seit 1980.
Seit vielen Jahren stoßen die Großstaudammprojekte weltweit auf
Widerstand. Zahlreiche Studien belegen ökonomische Ineffizienz,
ökologisches Desaster und zahlreiche Verstöße gegen die Menschenrechte.
Vor allem in Asien und Lateinamerika kämpfen Hunderttausende gegen die
Errichtung solcher Dämme, weil sie Umweltzerstörung und Vertreibung
fürchten. In den meisten Industrieländern besteht schon seit vielen
Jahren faktisch ein Moratorium für den Bau von Staudämmen, da derartige
Projekte gesellschaftlich nicht mehr durchsetzbar sind.
Daniel Beard, ehemaliger Leiter des Bureau of Reclamation, einer US-
Behörde, die mehr Staudämme auf der Welt gebaut hat als jede andere
Organisation auf der Welt, weist seit einigen Jahren auf die fatale
Logik hin, daß die wachsenden Baukosten für Staudämme es lohnenswert
machen, den Wasserverbrauch anzukurbeln. Er vergleicht große Staudamm-
Projekte mit Atomkraftwerken: "Vordergründig liefern sie billig saubere
Energie und Wasser im Überfluß. In der Praxis verursachen sie Schäden,
die künftigen Generationen riesige Kosten aufbürden. In den USA wenden
wir mittlerweile Milliarden Dollar auf, um die negativen Auswirkungen
der Dämme zu korrigieren" (GEO Nr. 9/97).
In den letzten Jahren stieg die Weltbank aus einigen
Großstaudammprojekten aufgrund nachgewiesener
Menschenrechtsverletzungen insbesondere auf Druck der
Widerstandsbewegung aus. Das Blatt "Bankwide Resettlement Review",
veröffentlicht im Jahr 1994, konnte bereits zu diesem Zeitpunkt kein
einziges Weltbankprojekt dokumentieren, bei dessen Realisierung die
Umgesiedelten vollständig rehabilitiert wurden. Dieses Versagen in der
Umsetzung von bankinternen Richtlinien wurde in einem Bericht des
Operation Evaluation Department (OED) u. a. darauf zurückgeführt, daß
es in den meisten Empfängerländern keinen rechtlichen Rahmen gibt, der
die Rechte der von Zwangsumsiedlung betroffenen Bevölkerung adäquat
sichert.
Im April 1997 wurde auf einem Treffen der Weltbank und des
Internationalen Naturschutzbundes (IUCN) beschlossen, eine
Weltkommission für Staudämme einzurichten.
Wir fragen die Bundesregierung:
1. Für welche Staudammprojekte wurden in den letzten fünf Jahren
Mittel im Rahmen der FZ bereitgestellt und abgerufen und in jeweils
welcher Höhe (bitte genau auflisten)?
2. Für welche Staudammprojekte wurden in den letzen fünf Jahren
Mittel im Rahmen der TZ bereitgestellt und abgerufen und in jeweils
welcher Höhe (bitte genau auflisten)?
3. Im Rahmen welcher Staudammprojekte wurden Ausfuhren von
bundesdeutschen Firmen über Exportversicherung des Bundes abgesichert,
in welcher Höhe und für welche konkreten Investitionen oder Vorhaben?
4. Welche Umwelteinflüsse sind der Bundesregierung bekannt, die durch
die Errichtung der unter den Fragen 1 bis 3 abgefragten Staudämme und
der Aufstauung der betreffenden Gewässer verursacht wurden, und wie
bewertet sie diese?
5. Für welche projektierten oder im Bau befindlichen Staudämme sind
Mittel im Rahmen der FZ geplant und in jeweils welcher Höhe?
6. Für welche projektierten oder im Bau befindlichen Staudämme sind
Mittel im Rahmen der TZ geplant und in jeweils welcher Höhe?
7. An dem Bau welcher in den letzten fünf Jahren errichteten
Staudämme ist die Bundesrepublik Deutschland als Mitglied der Weltbank
indirekt beteiligt, und welchen finanziellen Umfang hatte bzw. hat die
Beteiligung der Weltbank an dem jeweiligen Projekt?
8. An welchem im Stadium von Bau oder Planung befindlichem Staudamm
ist die Bundesrepublik Deutschland als Mitglied der Weltbank indirekt
beteiligt, und welchen finanziellen Umfang hat die Beteiligung der
Weltbank an dem jeweiligen Projekt?
9. Welche der unter den Fragen 7 und 8 abgefragten Staudämme wurden
mit Krediten der International Development Association (IDA)
finanziert, und zu welchen Bedingungen erfolgte eine solche
Finanzierung oder Teilfinanzierung?
10. Welche der unter den in den Fragen 7 und 9 abgefragten Staudämme
wurden mit Krediten der International Bank for Reconstruction and
Development (IBRD) finanziert, zu welchen Bedingungen erfolgte eine
solche Finanzierung oder Teilfinanzierung?
11. Welche Umwelteinflüsse sind der Bundesregierung bekannt, die durch
die unter Frage 8 abgefragten Staudämme bzw. durch die Aufstauung der
betreffenden Gewässer verursacht wurden, und wie bewertet sie diese?
12. Aus welchen Staudammprojekten hat sich in den letzen fünf Jahren
die Weltbank zurückgezogen, und wie wurde dies begründet?
13. Ist der Bundesregierung bekannt, ob deutsche Banken bei den unter
Frage 12 genannten Projekten als Kreditgeber einsprangen (in welcher
Höhe)?
14. Aus welchen Mitgliedern setzt sich die Weltkommission für
Staudämme zusammen, wie wird die Arbeit dieser Kommission finanziert,
und wie hoch ist der Anteil der Bundesregierung?
15. Welche Projekte werden im Rahmen der Studien der Kommission
untersucht, und welche Erfahrungen gibt es mit den Projektbetreibern?
16. Liegen erste Zwischenberichte der Weltstaudammkommission vor, bzw.
wann wird mit der Beendigung der Arbeit gerechnet?
17. Wurden Entscheidungen für die EZ und FZ für geplante Projekte bis
zur Beendigung der Kommission zurückgestellt?
18. Beabsichtigt die Bundesregierung, die Richtlinien und Standards,
die von der Weltstaudammkommisssion erwartet werden, bei der Vergabe
von EZ und FZ sowie bei der Vergabe von Hermes-Bürgschaften zu
berücksichtigen?
19. Plant die Bundesregierung, wegen der negativen Erfahrungen mit
Großstaudammprojekten Sozial- und Umweltverträglichkeitsprüfungen zum
integralen Bestandteil des Vergabeverfahrens von Hermes-Bürgschaften zu
machen?
20. Führt die Bundesregierung Verhandlungen auf OECD-Ebene, um ein
formalisiertes Verfahren der Umwelt- und Sozialverträglichkeit bei der
Vergabe von staatlichen Ausfuhrbürgschaften zu erreichen?
Bonn, den 18. März 1999
Dr. Winfried Wolf
Eva-Maria Bulling-Schröter
Fred Gebhardt
Carsten Hübner
Dr. Gregor Gysi und Fraktion


14/14/691

25.03.1999 nnnn

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.