BT-Drucksache 14/6888

Arbeitsplätze schaffen statt Arbeitslosigkeit verwalten - Reformen für einen besseren Arbeitsmarkt

Vom 10. September 2001


Deutscher Bundestag Drucksache 14/6888
14. Wahlperiode 10. 09. 2001

Antrag
der Abgeordneten Horst Seehofer, Karl-Josef Laumann, Birgit Schnieber-Jastram,
Cajus Caesar, Brigitte Baumeister, Rainer Eppelmann, Ulf Fink,
Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof), Julius Louven, Wolfgang Meckelburg, Claudia
Nolte, Hans-Peter Repnik, Franz-Xaver Romer, Heinz Schemken, Johannes
Singhammer, Dorothea Störr-Ritter, Andreas Storm, Matthäus Strebl, Peter Weiß
(Emmendingen), Gerald Weiß (Groß-Gerau) und der Fraktion der CDU/CSU

Arbeitsplätze schaffen statt Arbeitslosigkeit verwalten –
Reformen für einen besseren Arbeitsmarkt

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Die wirtschaftliche Lage in Deutschland hat sich in den letzten Monaten in be-
sorgniserregendem Tempo verschlechtert. Die schlechte Wirtschaftslage wirkt
sich auch negativ auf den Arbeitsmarkt aus. Seit Beginn des Jahres 2001 ist die
Zahl der Arbeitslosen saisonbereinigt um ca. 85 000 angestiegen. Im August
2001 lag die Zahl der Arbeitslosen erstmals seit drei Jahren über dem Vorjah-
resniveau. Trotz der demografischen Entlastung des Arbeitsmarktes von
235 000 Personen im Jahr 2000 und von 209 000 Personen im Jahr 2001 bleibt
die Arbeitslosigkeit auf einem erschreckend hohen Niveau.
Die Prognose für die Entwicklung des Arbeitsmarktes für die nächsten Monate
ist schlecht. Ohne zügige Reformen wird es nicht gelingen, die Arbeitslosigkeit
abzubauen. Vielmehr besteht die Gefahr, dass durch die Untätigkeit der Regie-
rung die Arbeitslosigkeit weiter steigt. Gleichzeitig drohen die Sozialversiche-
rungsbeiträge zu steigen. Denn trotz der nächsten Stufe der Ökosteuer wird der
Rentenversicherungsbeitrag voraussichtlicht nicht gesenkt werden und in der
gesetzlichen Krankenversicherung sind weitere Beitragssatzerhöhungen bereits
angekündigt worden. Damit wird sie ihr Ziel, die Sozialversicherungsbeiträge
zu senken, voraussichtlich nicht erreichen.
Notwendig zur Beendigung der Beschäftigungskrise sind zum einem kurzfris-
tig wirkende Maßnahmen, um den arbeitssuchenden Menschen möglichst
schnell wieder eine Perspektive für die Integration in den ersten Arbeitmarkt zu
geben. Notwendig sind aber auch grundlegende und längerfristig wirkende
Maßnahmen, die mittel- und langfristig die Vollbeschäftigung in Deutschland
realisieren helfen. Die Fraktion der CDU/CSU hat zur Erreichung dieses Ziels,
ihr wirtschafts-, sozial- und steuerpolitisches Grundkonzept in dem „10-
Punkte-Programm zur Wiederbelebung der deutschen Wirtschaft und des
Arbeitsmarktmarkts“ (Drucksache 14/6436) bereits entwickelt.

Drucksache 14/6888 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
zur Belebung der Wirtschaft und für mehr Wachstum und Beschäftigung fol-
gende Maßnahmen zu ergreifen:
1. Bundesweite und flächendeckende Einführung von Kombilöhnen
Die im Niedriglohnsektor brachliegenden Beschäftigungspotentiale müssen ak-
tiviert werden. Damit kann es gelingen, gerade Menschen mit geringer Qualifi-
kation eine Perspektive auf dem Arbeitsmarkt zu geben. Nur halbherzig durch-
geführte Modellprojekte versprechen keinen Erfolg und führen in die
Sackgasse. Notwendig ist die bundesweite und flächendeckende Einführung
befristeter finanzieller Anreize zur Arbeitsaufnahme im Niedriglohnbereich.
Hierzu gehören:
l das von der Union entwickelte Konzept des Kombilohns, nach dem für

Arbeitslose, die eine niedrig entlohnte Beschäftigung aufnehmen, das Ein-
kommen aufgestockt wird,

l eine verringerte Einkommensanrechnung auf die Sozialhilfe bei Aufnahme
einer Erwerbstätigkeit und

l die degressive Bezuschussung von Sozialversicherungsbeiträgen an Bezie-
her von Niedriglöhnen.

Mit diesen finanziellen Anreizen lohnt sich die Arbeit auch bei niedrigem
Arbeitsentgelt. Diese Chance zur Schaffung von Arbeitsplätzen und zum Ab-
bau der Arbeitslosigkeit muss unverzüglich wahrgenommen werden.
2. Bessere Verzahnung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe
Arbeitslosigkeit kann abgebaut und Beschäftigung aufgebaut werden, wenn
l Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe effektiver gestaltet und
l das Leben mit Arbeit und mit selbstverdientem Geld attraktiver gemacht

wird.
Zur Erreichung dieses Ziels werden die Behörden verpflichtet, jeden Hilfe-
suchenden von Beginn an zu beraten und betreuen und jeden arbeitsfähigen Hil-
feempfänger Arbeits- oder Ausbildungsangebote zu unterbreiten. Der volle An-
spruch auf staatliche Unterstützung ist daran geknüpft, dass der Hilfesuchende
das Arbeits- oder Ausbildungsangebot annimmt. Lehnt der Hilfesuchende eine
angebotene Hilfe oder ein Arbeitsplatzangebot ohne triftigen Grund (z. B.
Krankheit oder Kinderbetreuung) ab, verliert er den Anspruch auf die Unterstüt-
zungsleistung, es tritt also eine Umkehrung der geltenden Beweislast ein.
Weiteres Ziel ist die schrittweise Angleichung der Anspruchsvoraussetzungen
und Leistungen von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe sowie die organisato-
rische Zusammenführung der Aufgaben von Arbeitsämtern und Sozialämtern.
Dadurch wird unnötiger Bürokratismus und das für die Hilfesuchenden belas-
tende Hin und Her zwischen Arbeitsverwaltung und Sozialamt vermieden und
die Hilfe effektiver.
3. Arbeitsmarktpolitik wirksamer gestalten
Deutschland braucht eine grundlegende Reform der Arbeitsmarktpolitik, damit
die zur Verfügung stehenden Finanzmittel effektiv und zielgerichtet im Sinne
der Betroffenen eingesetzt werden. Die von der Bundesregierung vorgenom-
mene Abwälzung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben auf die Solidargemein-
schaft der Beitragszahler war und ist der falsche Weg. Das Defizit bei der Bun-
desanstalt für Arbeit in Höhe von 3,7 Mrd. DM im ersten Halbjahr 2001 ist
Beleg hierfür. Die Belastung der Beitragszahler mit den Kosten für

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/6888

l das Sofortprogramm zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit und
l das Langzeitarbeitslosenprogramm und
l die Strukturanpassungsmaßnahmen
sind wieder rückgängig zu machen und wo sie effizient sind, über den Bundes-
haushalt zu finanzieren.
Der vornehmliche Zweck arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen liegt in der Ein-
gliederung der Arbeitslosen in den allgemeinen Arbeitsmarkt. Alle arbeits-
marktpolitischen Instrumente müssen auf ihre Wirksamkeit überprüft und ge-
strafft und entsprechend ihrer Wirksamkeit angepasst oder abgeschafft werden.
Als erster Schritt ist
l eine Mittelumschichtung von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) und

Strukturanpassungsmaßnahmen (SAM) in Eingliederungszuschüsse bzw.
Kombilohnmodelle, Einstiegsgelder oder die Bezuschussung von Sozialver-
sicherungsbeiträgen vorzunehmen (s. Ziffer 1) und

l eine Beteiligung des Bundes an den Kosten für Arbeitsbeschaffungsmaß-
nahmen festzuschreiben.

4. Vermittlung intensivieren – Sanktionen konsequent anwenden
Neben einer effizient organisierten Arbeitsvermittlung unter Beteilung Dritter
ist die zügige Wiedereingliederung der Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt davon
abhängig, dass verstärkte Anreize zur Arbeitsaufnahme bestehen. Zur Errei-
chung dieses Zieles müssen die individuellen Beschäftigungschancen des ein-
zelnen Arbeitslosen durch einen auf seine Person und seine Fähigkeiten abge-
stellten Eingliederungsplan gestärkt werden.
Neben den Arbeitsangeboten der Arbeitsverwaltung sind verstärkte Eigenbe-
mühungen des Arbeitssuchenden Voraussetzung für dessen schnelle Vermitt-
lung in Arbeit. Daher wird die Annahme einer angebotenen Beschäftigung oder
Qualifizierungsmaßnahme zur Anspruchsvoraussetzung für soziale Leistungen;
es tritt also auch hier eine Umkehrung der bisherigen Beweislast ein. Darüber
hinaus sind
l die dreimonatige Meldepflicht wieder einzuführen und
l Sanktionen bei Nichterfüllung des Eingliederungsplanes festzuschreiben.
5. Beitragssatz senken
Der Bundesregegierung ist es nicht gelungen, den Gesamtsozialversicherungs-
beitrag unter die angekündigte Grenze von 40 % zu senken. Mit den genannten
Maßnahmen ist die längst überfällige Senkung des Beitrages zur Arbeitslosen-
versicherung um einen Prozentpunkt möglich. Sie muss in zwei Stufen zu je
einem halben Prozentpunkt zum 1. Januar 2002 und zum 1. Januar 2003 erfol-
gen. Dadurch werden die finanzielle Handlungsfreiheit der Beschäftigten und
der Unternehmen gestärkt, Nachfrageimpulse angeregt und die Rahmenbedin-
gungen für mehr Wachstum und Beschäftigung nachhaltig verbessert.

Berlin, den 10. September 2001
Horst Seehofer
Karl-Josef Laumann
Birgit Schnieber-Jastram
Cajus Caesar
Brigitte Baumeister
Rainer Eppelmann
Ulf Fink

Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof)
Julius Louven
WolfgangMeckelburg
Claudia Nolte
Hans-Peter Repnik
Franz-Xaver Romer
Heinz Schemken

Johannes Singhammer
Dorothea Störr-Ritter
Andreas Storm
Matthäus Strebl
PeterWeiß (Emmendingen)
GeraldWeiß (Groß-Gerau)
FriedrichMerz,Michael Glos und Fraktion

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