BT-Drucksache 14/6864

Verlagerung von Luftverkehr auf die Bahn

Vom 4. September 2001


Deutscher Bundestag

Drucksache

14/

6864

14. Wahlperiode

04. 09. 2001

Kleine Anfrage

der Abgeordneten Dr. Winfried Wolf, Eva-Maria Bulling-Schröter und
der Fraktion der PDS

Verlagerung von Luftverkehr auf die Bahn

Der Luftverkehr weist unter allen Verkehrsarten das größte Wachstum auf.
Grob gerechnet hat sich der Luftverkehr in den vergangenen zehn Jahren inter-
national verdoppelt. Er soll sich in den kommenden 15 Jahren hinsichtlich der
zurückgelegten Flugkilometer ein weiteres Mal verdoppeln (Verkehr in Zahlen
1999). Der Regionalluftverkehr stellt im Binnenluftverkehr den dynamischsten
Wachstumsbereich dar. Dieses Segment soll sich in den nächsten zehn Jahren
verdoppeln. Bis 2010 ist eine (weitere) Verdopplung der Luftfrachtmenge und
bis 2020 eine Vervierfachung (bezogen auf das Jahr 1995) geplant (DIW-
Wochenbericht 37/2000).
Der Luftverkehr weist eine besondere hohe ökologisch zerstörerische Qualität
auf. Die besondere zerstörerische Qualität liegt

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in den Schadstoff-Emissionen, vor allem durch Kohlendioxid-(CO

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)-Emissi-
onen. Diese haben sich – bezogen auf von der Bundesrepublik Deutschland
ausgehende Flüge – in den letzten zwei Jahrzehnten bereits verdoppelt. 1980
wurden von Flugzeugen, die von der Bundesrepublik Deutschland ausgin-
gen, 9,5 Mio. Tonnen CO

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emittiert, im Jahr 2000 betrugen diese Emissio-
nen bereits 20 Mio. Tonnen (DIW-Wochenbericht 37/2000).

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in der besonderen Klimaschädlichkeit, die diesen Schadstoffemissionen
dann zugesprochen wird, wenn sie – wie grundsätzlich beim Flugverkehr der
Fall – in großer Höhe stattfinden.

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in der Lärmentwicklung: Die Zahl der Personen, die sich vom Fluglärm
belästigt fühlen, hat sich im Zeitraum 1980 bis 2000 verdoppelt (Umwelt-
bundesamt: Was Sie schon immer über Lärm wissen wollten).

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im Flächenverbrauch: Flughafenbau und der Bau neuer Landebahnen finden
zu einem Zeitpunkt statt, wo – siehe als Beispiel die neuen Landebahnen in
Frankfurt/Main-Airport – die entsprechenden Regionen bereits dicht besie-
delt und meist bereits mit einem erheblichen „Lärmteppich“ belastet sind.
Zusätzliche Emissionen von Lärm und Abgasen und der zusätzliche
Flächenverbrauch treffen damit meist sensiblere oder stärker belastete Men-
schen als zu früheren Zeiten.

Im Inlandsluftverkehr gab es 1980 eine Leistung von rund 4 Mrd. Personen-
kilometern (Pkm), 1990 lag diese bei 6 Mrd. Pkm und 1999 bei 9 Mrd. Pkm
(Verkehr in Zahlen 2000). Das heißt: ausgerechnet in dem Bereich, in dem die
Bahn eine echte Alternative darstellen könnte, liegt das Wachstum des Luftver-
kehrs in den zwei vergangenen Jahrzehnten jeweils bei 50 %.
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Gemessen an der Verkehrsleistung der geflogenen „Personenkilometer“,
machte der Binnenluftverkehr 1995 rund 5 % der gesamten von der Bundes-
republik Deutschland ausgehenden Luftverkehrsleistung aus (5,8 Mrd. Pkm
von 112 Mrd. Pkm). Hinsichtlich der Belastungen von Umwelt und Menschen
ist jedoch das Luftverkehrsaufkommen – die Zahl der in der Bundesrepublik
Deutschland zu- oder aussteigenden Fluggäste – der wichtigere Indikator, weil
jeder Flug mit einem Start und Landevorgang in der Bundesrepublik Deutsch-
land verbunden ist. Hier nimmt das innerdeutsche Luftverkehrsaufkommen
einen Anteil von gut 30 % am gesamten Luftverkehrsaufkommen ein (20,2 Mil-
lionen Fluggäste im Jahr 1999 waren „innerdeutsche“; die Gesamtzahl aller
Luftverkehrs-Passagiere lag im selben Jahr bei 66,2 Millionen Einsteigern). Bei
den Flugbewegungen entfallen rund 40 % auf Flüge mit innerdeutschem Ziel
(Statistisches Bundesamt: Luftverkehr Reihe 6, Fachserie 8, 1999). Ganz offen-
sichtlich könnte ein erheblicher Teil des bisherigen Luftverkehrs und vor allem
der Binnenluftverkehr und dessen weiteres Wachstum auf die Schiene verlagert
werden.
Wir fragen die Bundesregierung:
1. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung des Deutschen Instituts für

Wirtschaftsforschung (DIW), dass der innerdeutsche Luftverkehr bis 2020
um weitere 80 % steigen wird?

2. Welchen Anteil am modal split nimmt dann der Luftverkehr voraussicht-
lich ein?

3. Welches Ziel hat die Bundesregierung bei der Verlagerung von innerdeut-
schem Luftverkehr auf die Schiene bis 2020 (in von Hundert an einem künf-
tigen modal split oder absolut in verlagerungsfähigen Personenkilometern)?

4. Welchen Anteil bei den Flugbewegungen, die von internationalen Ver-
kehrsflughäfen der neuen Bundesländer ausgehen, hat der innerdeutsche
Luftverkehr (Entwicklung ab 1995)?

5. Ist die Bundesregierung der Meinung, dass aufgrund dieser Entwicklung
besondere Maßnahmen erforderlich sind, um eine Verlagerung des Ver-
kehrs auf die Schiene zu erreichen?
Wenn ja, welche spezifischen Maßnahmen sind hier realisiert oder geplant,
um innerdeutschen Luftverkehr durch die Bahn zu ersetzen (bitte konkreti-
sieren für die genannten Flughäfen)?

6. Sind Groß- und Hochgeschwindigkeitsprojekte der Deutsche Bahn AG
(DB AG) geeignet, Luftverkehr auf die Bahn zu verlagern?

7. Teilt die Bundesregierung die Erkenntnis der Luftverkehrsanalyse 1998
„Umstieg vom Flug zum Zug“, dass bei weniger als drei Stunden Bahnrei-
sezeit auf Bahn-Konkurrenz-Strecken im Inland die Passagiere des Linien-
luftverkehrs massiv zur Bahn abwandern?

8. Welche Ergebnisse und Erfahrungen gibt es für das Kooperationsprojekt
von DB AG und Lufthansa AiRail Service auf der Verbindung Frankfurt –
Stuttgart, welches seit dem 1. März 2001 betrieben wird, und liegen Er-
kenntnisse darüber vor, inwieweit die DB AG den entsprechenden Service
kostendeckend oder gewinnbringend betreibt?

9. Welche Regionalflugplätze gibt es zurzeit in den neuen Bundesländern und
welche sind in Planung?

10. Wie hat sich der Regionalflugverkehr in den neuen Bundesländern in den
Jahren 1992 bis 2000 entwickelt?

11. Wie lässt sich der innerdeutsche Luftverkehr von und zu den Regionalflug-
häfen insbesondere in den neuen Ländern durch den Schienenverkehr
ersetzen?
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12. Trifft es zu, dass der Luftverkehr von und zur Insel Sylt weit über dem
Durchschnitt des Luftverkehrs der Regionalflughäfen in den letzten 10 Jah-
ren gewachsen ist?

13. Trifft es zu, dass der Bahndamm zur Insel Sylt nicht ausreichend instand
gehalten wurde, so dass sich schon das Eisenbahn-Bundesamt einschalten
musste?
Wenn ja, hatte diese mangelhafte Instandhaltung negative Auswirkungen
auf das Angebot der Bahn auf dieser Strecke?

14. Wie schätzt die Bundesregierung die Auswirkung der Einstellung von
vielen InterRegio-Verbindungen auf den innerdeutschen Luftverkehr insbe-
sondere von und zu den Flughäfen in den neuen Ländern ein?

15. Gibt es im Güterverkehr der Bahn Angebote zur Verlagerung von Luft-
fracht auf die Schiene oder sind diese geplant?

16. Wie hoch ist der Anteil des innerdeutschen Luftverkehrs von und zu den
drei Berliner Flughäfen und welcher Anteil müsste davon auf die Bahn ver-
lagert werden, damit ausreichende Kapazitäten für den kontinentalen und
interkontinentalen Luftverkehr bei einer Optimierung Schönefelds ohne
Ausbau zum Großflughafen bei gleichzeitiger Schließung von Tegel und
Tempelhof zur Verfügung stehen?

17. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass ein als Alternative zum
Großflughafen Berlin in die Diskussion gebrachter Flughafen bei Stendal
den Berliner Bedürfnissen nicht entspricht und nur bei einer Funktion als
Drehkreuz, die in Gutachten selbst längerfristig nicht gesehen wird, kosten-
deckend zu betreiben ist?

18. Ist die Neueröffnung und der Ausbau von Regionalflughäfen in den neuen
Bundesländern unter der Maßgabe einer weitgehenden Verlagerung von
Luftverkehr auf die Bahn sachgerecht?

19. Welche Schienenanbindungen von Flughäfen sind geplant?
20. Ist die gesetzliche Verpflichtung im Schienenausbaugesetz, wonach die DB

AG die Kosten für die Anbindung von Flughäfen trägt, mit der betriebs-
wirtschaftlichen Eigenständigkeit der DB AG vereinbar?

21. Trifft es zu, dass durch Flughafen-Halte der Bahn Reisezeit-Einsparungen
wieder verloren gehen und als Ausgleich andere Halte entfallen, wie sich
dies zum Beispiel an der ICE-Strecke Frankfurt/M. – Frankfurt/M.-Airport
– Stuttgart – Stuttgart-Echterdingen (Flughafen) bei Wegfall vieler Halte in
der Großstadt Mannheim darstellt?

22. Welche anderen Maßnahmen im nationalen und EU-Rahmen wie Kerosin-
besteuerung, Emissionsabgabe, Nachtflugverbote oder Fluglärm-Kontin-
gentierungen strebt die Bundesregierung an, um Luftverkehr auf die Bahn
zu verlagern?

23. Welche Auswirkungen auf den Luftverkehr sind durch die Novellierung
des Fluglärmschutzgesetzes zu erwarten?
a) Wird erwartet, dass die Novellierung zur Begrenzung des Luftverkehr

führt?
b) Wenn ja, wo wird diese Begrenzung liegen?

Berlin, den 16. August 2001

Dr. Winfried Wolf
Eva-Maria Bulling-Schröter
Roland Claus und Fraktion

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