BT-Drucksache 14/6829

Deutsche Haltung im OECD-Prozess zur Ausarbeitung von Umweltstandards für nationale Exportkreditgarantien

Vom 23. August 2001


Deutscher Bundestag Drucksache 14/6829
14. Wahlperiode 23. 08. 2001

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Rolf Kutzmutz, Dr. Winfried Wolf, Carsten Hübner,
Ursula Lötzer, Eva-Maria Bulling-Schröter, Uwe Hiksch und der Fraktion der PDS

Deutsche Haltung im OECD-Prozess zur Ausarbeitung von Umweltstandards
für nationale Exportkreditgarantien

Trotz des Versprechens im Koalitionsvertrag, die Gewährung von Ausfuhrbürg-
schaften zu reformieren, erscheint der Hermes-Reformprozess in Deutschland
bisher misslungen. Die imApril dieses Jahres verabschiedeten „Leitlinien für die
Berücksichtigung von ökologischen, sozialen und entwicklungspolitischen Ge-
sichtspunkten bei der Übernahme vonAusfuhrbürgschaften des Bundes“ reichen
nicht aus, da sich an der bisherigen Vergabepraxis wenig ändern wird und die
Verbürgung sozial- und ökologisch unverträglicher Projekte weiterhin möglich
bleibt. So wird weiterhin über die Vergabe von Bürgschaften für so strittige Pro-
jekte wie die Staudämme Ilisu in der Türkei und Tehri im indischen Himalaya
diskutiert und verhandelt. Und das, obwohl sie die Vertreibung von zehntausen-
den Menschen und die Zerstörung bedeutender Kulturdenkmäler bewirken,
durch Auseinandersetzungen um Wasser die politische Stabilität in den Grenz-
regionen der Türkei, Syriens und des Iran bedrohen (Ilisu) und bei einem mög-
lichen Erdbeben etwa 500 000 Menschenleben in Gefahr bringen (Tehri). Trotz
ihrer enormen negativen Auswirkungen, werden die Projekte durch die neuen
Leitlinien keineswegs automatisch ausgeschlossen. Auch die Förderungswür-
digkeit jeglicher Exporte für Atomkraftwerke wird nicht ausgeschlossen.
In den Leitlinien wird versprochen, sich international für das Ziel einer globa-
len, nachhaltigen Entwicklung einzusetzen und die Leitlinien entsprechend den
internationalen Fortschritten bei Umweltvereinbarungen für Exportkreditagen-
turen auf OECD-Ebene zu verbessern. Ebenso erklärt die Bundesregierung, für
die verantwortungsbewusste Berücksichtigung der Umweltaspekte durch alle
OECD-Exportkreditversicherer eintreten zu wollen. Tatsächlich stellt dieser
Prozess eine Chance dar, durch gemeinsame internationale Vereinbarungen
Nachteile auf nationaler Ebene durch hohe Umweltstandards zu vermeiden.
Entgegen diesen Willensbekundungen wehrt sich, wie z. B. die Financial Times
International am 11. Juli 2001 berichtete, die Bundesregierung bei den OECD-
Verhandlungen vehement gegen mehr Transparenz und verbindliche Umwelt-
standards für die Exportkreditagenturen. Dies ist umso unverständlicher als
z. B. die Bürgschaftsvergabepraxis in den USA zeigt, dass die Vorabveröffent-
lichung von Daten zu Projektart und -ort im Internet und verbindliche Umwelt-
standards nicht zu Einbußen der Exportwirtschaft führen.
Ab September 2001 wird weiter verhandelt. Hierzu haben die G8 der OECD im
Abschlusskommuniqué von Genua erneut ein deutliches Mandat erteilt. Inter-
nationale Umweltorganisationen äußern mit großem Unverständnis, dass die
negative Blockadehaltung der Bundesregierung bezüglich hoher gemeinsamer
Umweltstandards dazu beigetragen habe, dass die Entwürfe für die Umweltver-
einbarungen bisher sehr unverbindlich geblieben seien.

Drucksache 14/6829 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Positionen vertreten die verschiedenen, im OECD-Umweltverein-

barungs-Prozess involvierten Regierungen?
Ist es richtig, dass die Bundesregierung bei den Verhandlungen für Um-
weltvereinbarungen zu den Ländern gehört, die sich gegen Transparenz
und verbindliche Standards wehren?
Wenn ja, warum?

2. Ist es richtig, dass sich die Bundesregierung dagegen wehrt, Firmen, die
eine Bürgschaft beantragen, verbindlich vorzuschreiben, dass Grundinfor-
mationen wie Projektart und -ort vor der Bürgschaftsentscheidung veröf-
fentlicht werden?
Wenn ja, warum?

3. Hält die Bundesregierung die Offenlegung von Umwelt- und Sozialstudien
vor der Entscheidung über Bürgschaftsvergaben für einen Bruch des
Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisses?
Wenn ja, warum?

4. Warum ist es der Bundesregierung zur Förderung von besserer Transparenz
bei Wahrung von Geschäftsgeheimnissen nicht möglich, in die Hermesver-
träge einen Zusatzpassus aufzunehmen, in dem sich die Firmen mit einer
Vorabveröffentlichung von Projektinformationen als Gegenleistung für die
Risikoübernahme durch den Bund einverstanden erklären müssen?

5. Trifft es zu, dass die Bundesregierung sich wehrt, selbst bei besonders um-
weltrelevanten Projekten eine Beteiligung der betroffenen Bevölkerung
verpflichtend vorzuschreiben?
Wenn ja, warum?

6. Ist es richtig, dass die Bundesregierung auf internationaler Ebene dafür ein-
tritt, eine Umweltprüfung nur dann vorzuschreiben, wenn die beteiligten
Exportkreditagenturen oberhalb einer bestimmten Summe bürgen, unab-
hängig von den möglichen Umweltwirkungen des Projektes?
Wenn ja, warum?

7. Stimmt es, dass die Bundesregierung auf OECD-Ebene keine Umweltstan-
dards zulassen will, die einen höheren Verbindlichkeitsgrad haben, als die
unverbindlichen deutschen Hermesleitlinien?
Wenn ja, warum?

8. Trifft es zu, dass sich die Bundesregierung dagegen wehrt, sich auf eindeu-
tige konkrete Standards (z. B. der Weltbank für Umweltverträglichkeits-
prüfung) bei der Projektprüfung festzulegen?
Wenn ja, warum?

9. Warum ist die Bundesregierung davon überzeugt, dass mehr Transparenz
im Vorfeld von Bürgschaftsvergaben entscheidende Nachteile für die deut-
sche Wirtschaft haben würde, obwohl das Beispiel anderer Länder zeigt,
dass dies nicht der Fall ist?

10. Wie erklärt sich die Bundesregierung die Tatsache, dass internationale Be-
obachter des OECD-Prozesses (Frankfurter Rundschau vom 12. Juli 2001)
sie aufgrund ihrer Haltung als „Bremser“ und Gegner hoher gemeinsamer
Standards einstufen?
Wie vereinbart sie dies mit ihrem erklärten Eintreten für eine globale nach-
haltige Entwicklung?

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/6829

11. Wie vereinbart die Bundesregierung ihre positive Haltung im Bereich
Klimaschutz, bei dem sie sich engagiert für eine Rettung des Kyotoer Kli-
maprotokolls eingesetzt hat, im Vergleich mit ihrer offenbar negativen
Rolle im OECD-Prozess?

12. Welche Verhandlungsstrategie gedenkt die Bundesregierung bei den
OECD-Verhandlungen in Zukunft einzunehmen und wie will sie in
Zukunft international Impulse für die nachhaltige Entwicklung auch der
Außenwirtschaftsförderung geben?

13. Wie will die Bundesregierung das G8-Genua-Mandat umsetzen und sicher-
stellen, dass die Exportkreditagenturen hohe Umweltstandards einhalten?

Berlin, den 23. August 2001
Rolf Kutzmutz
Dr. Winfried Wolf
Carsten Hübner
Ursula Lötzer
Eva-Maria Bulling-Schröter
Uwe Hiksch
Roland Claus und Fraktion

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