BT-Drucksache 14/6796

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG)

Vom 13. August 2001


Deutscher Bundestag Drucksache 14/6796
14. Wahlperiode 13. 08. 2001

Gesetzentwurf
der Abgeordneten Rolf Kutzmutz, Eva-Maria Bulling-Schröter, Uwe Hiksch,
Gerhard Jüttemann und der Fraktion der PDS

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG)

A. Problem

Als einziger Mitgliedstaat der Europäischen Union hat sich die Bundesrepublik
Deutschland mit dem Energiewirtschaftsgesetz vom 28. April 1998 für den so
genannten verhandelten Netzzugang anstelle eines regulierten Netzzuganges
entschieden. Die bisherige Praxis zeigt, dass trotz einer entsprechenden Ver-
bändevereinbarung im Stromsektor weder ein diskriminierungsfreier Netz-
zugang für neue Anbieter, noch Transparenz, Überprüfbarkeit und Verlässlich-
keit der Modalitäten des Marktzuganges erreicht wurden. Verhandlungen um
und Ergebnis einer Verbändevereinbarung lassen dasselbe für den Gassektor
befürchten.

B. Lösung

Errichtung einer Regulierungsbehörde im Geschäftsbereich des Bundesminis-
teriums für Wirtschaft und Technologie.

C. Alternativen

Keine

D. Kosten

Sach- und Personalmittel für ca. 100 Bedienstete der obersten Bundesbehörde
zuzüglich je drei bis zehn Bedienstete auf Länderebene. Kostendämpfung kann
durch teilweisen Rückgriff auf entsprechend qualifiziertes Personal der Kartell-
behörden des Bundes und der Länder sowie Gebühren für die Arbeit der Be-
hörde erreicht werden.

Drucksache 14/6796 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG)

Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates fol-
gendes Gesetz beschlossen:

Artikel 1

Novelle des Gesetzes über die Elektrizitäts-
und Gasversorgung

(Energiewirtschaftsgesetz – EnWG)

Das Gesetz über die Elektrizitäts- und Gasversorgung
(Energiewirtschaftsgesetz – EnWG) vom 24. April 1998
(BGBl. I S. 730) in der Fassung vom … wird wie folgt ge-
ändert:

1. § 6 Abs. 2 wird wie folgt gefasst:

(2) Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technolo-
gie regelt, soweit dies zur Errichtung der Ziele des § 1 und
zur Gewährleistung wirksamen Wettbewerbs erforderlich
ist, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundes-
rates die Gestaltung der Verträge nach Absatz 1, legt Krite-
rien zur Bestimmung von Durchleitungsentgelten fest sowie
trifft Regelungen zur Anordnung, Abwicklung und Durch-
führung des Netzzugangs und des Lieferantenwechsels und
zur Schlichtung von Streitigkeiten über den Netzzugang.

Zur Wahrnehmung der sich aus der Rechtsverordnung erge-
benden Aufgaben wird die Regulierungsbehörde für die lei-
tungsgebundene Energiewirtschaft als selbständige Bun-
desoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministeri-
ums für Wirtschaft und Technologie mit Sitz in Schwerin er-
richtet.

Die Regulierungsbehörde trifft nach Maßgabe der Rechts-
verordnung die erforderlichen Anordnungen zur Durchfüh-
rung der Rechtsverordnung.

Organisation und Verfahren bei der Regulierungsbehörde
regelt die Rechtsverordnung.

Der Regulierungsbehörde können durch das Bundesministe-
rium für Wirtschaft und Technologie Aufgaben im Zusam-
menhang mit der Regulierung transnationaler Durchleitun-
gen übertragen werden.

2. § 8 wird gestrichen.

Artikel 2

Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt zum 1. April 2002 in Kraft.

Berlin, den 13. August 2001

Rolf Kutzmutz
Eva-Maria Bulling-Schröter
Uwe Hiksch
Gerhard Jüttemann
Roland Claus und Fraktion

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/6796

Begründung

A. Allgemeines

Bei der Umsetzung der EU-Richtlinie zur Liberalisierung
des Elektrizitätsmarktes in Europa (96/92/EG vom 10. De-
zember 1996) hat sich die damalige Mehrheit des Bundesta-
ges mit dem Gesetz über die Elektrizitäts- und Gasversor-
gung vom 28. April 1998 explizit gegen einen regulierten
Netzzugang mit einer entsprechenden zentralen Behörde
und für den verhandelten Netzzugang durch Verbändever-
einbarungen entschieden. Alle anderen EU-Nachbarstaaten
haben – ungeachtet der höchst unterschiedlichen Strukturen
ihrer leitungsgebundenen Energieversorgung und Grade der
Liberalisierung, Privatisierung und Marktöffnung – den re-
gulierten Netzzugang gewählt. Damit ist die Bundesrepub-
lik Deutschland das einzige EU-Mitglied ohne präzise ge-
setzliche Netznutzungs- und -zugangsbestimmungen und
ohne staatliche Aufsichtsbehörde für das faktische Monopol
der Netze bei den leitungsgebundenen Energien.

Nach der Energiewirtschaftsnovelle 1998 haben Verbände
der Stromwirtschaft eine Vereinbarung geschlossen und
fortentwickelt. Abgesehen von unvermeidlichen Anlauf-
schwierigkeiten in der Anwendung zeigt die bisherige Pra-
xis, dass es zu erheblichen Missbräuchen der Monopolstel-
lung der Netzinhaber auf den unterschiedlichen Ebenen
kommt. Dies betrifft zumeist generell die Frage der Ange-
messenheit von Netzentgelten, aber auch von Kostenwäl-
zungen. Klagen über Marktzugangserschwerungen durch
überhöhte Netznutzungsentgeltforderungen, Wechselgebüh-
ren oder Blockadehaltung bei Lieferantenwechsel betreffen
alle Ebenen: Stadtwerke, Regionalversorger und Verbund-
ebene.

Dies betrifft insbesondere auch die Anwendung des Erneu-
erbare-Energien-Gesetzes (EEG). Hier werden teilweise
Gebühren und Dienstleistungsentgelte in bislang ungekann-
ter Höhe ausgewiesen sowie die Kostenwälzung nach dem
Brutto-Prinzip durchgeführt, d. h. ohne eine Berücksichti-
gung des Wertes des eingespeisten Stromes. Angesichts der
langjährigen Diskussion darüber und eines zwischenzeitlich
ermittelten Basiswertes zwischen 3 und 6 Cent/kWh ist
diese Bruttokostenwälzung weder sachlich gerechtfertigt
noch politisch akzeptabel.

Ebenfalls kritisch hinterfragt werden muss die praktische
Umsetzung des Kraft-Wärme-Kopplung-Soforthilfegeset-
zes, bei dem offensichtlich ebenfalls Mitnahmeeffekte und
Preisvorteile in signifikanter Höhe realisiert werden.

Hinsichtlich der generellen Durchleitungsgebühren läuft
derzeit u. a. ein Prüfverfahren des Bundeskartellamtes ge-
gen den Regionalversorger e.dis. Dieser hat jetzt schon
während des laufenden Verfahrens seine Trassenpreise um
durchschnittlich 8 Prozent gesenkt.

Ähnliche Umsetzungsprobleme zeichnen sich bei der im
März 2001 abgeschlossenen Verbändevereinbarung Gas ab,
zumal dieser Markt im Vergleich zum Stromsektor durch
noch erheblich weniger bereits etablierte Teilnehmer be-
herrscht wird.

Selbst bei Gutwilligkeit der Beteiligten haben sogenannte
Verbändevereinbarungen immer den Mangel, nur rechtlich
unverbindliche Absprachen im Sinne eines gentlemen’s
agreement zu sein, zu dessen Einhaltung weder die Unter-
zeichner, noch Dritte angehalten werden können – denn
wäre sie rechtsverbindlich, so läge der Tatbestand einer kar-
tellrechtswidrigen Absprache vor.

Hinzu kommt, dass die EU-Kommission einen Entwurf zur
Änderung der Binnenmarktrichtlinie Strom und Gas vorge-
legt hat, der neben einer beschleunigten Marktöffnung
auch die verbindliche Einrichtung von Regulierungsbehör-
den bei Strom und Gas in den Mitgliedstaaten sowie die
Schaffung eines EU-Regulators für die transnationalen
Durchleitungen vorsieht. Durch eine derartige Richtlinie
wird der deutsche Sonderweg des verhandelten Netzzu-
gangs in absehbarer Zeit sowieso beendet. Das derzeitige
Fehlen eines nationalen Regulators erschwert zugleich die
Vertretung der deutschen Interessen bei den Verhandlun-
gen über eine Verrechtlichung der transnationalen Durch-
leitungsprozesse.

Eine Anbindung dieser Funktion an das Bundeskartellamt
ist nicht sinnvoll. Zum einen handelt es sich um eine tech-
nisch komplexe Materie mit einer Vielzahl unterschied-
lichster Fragestellungen, mit denen einzelne Beschlusskam-
mern des Amtes überfordert wären. Zum anderen handelt es
sich keineswegs um allein wettbewerbsrechtliche Probleme,
bei denen das Kartellamt zweifellos kompetent ist – viel-
mehr müssen auch grundsätzliche Fragen der Versorgungs-
sicherheit, Daseinsvorsorge sowie des Energie- und Um-
weltrechtes in die konkreten Entscheidungen des Regulators
einfließen. Auch die vergleichsweise positiven Erfahrungen
mit der eigenständigen Regulierungsbehörde für Post und
Telekommunikation sprechen für den Aufbau eines eigen-
ständigen Regulators.

Diese Regulierungsbehörde sollte folgenden Kriterien genü-
gen:

– oberste Bundesbehörde mit einem Regulator, der auch
die deutschen Interessen in den fachlichen internationa-
len Verhandlungen vertritt;

– Einrichtung von Kontaktstellen auf Länderebene, um die
langjährige Vor-Ort-Expertise der Strompreisaufsicht so-
wie Kartellbehörden der Länder zu nutzen;

– Kooperation und Verschränkung der Tätigkeit der obers-
ten Bundesbehörde mit den Schnittstellen zu den Län-
dern durch institutionalisierte Abstimmungsprozesse
und Informationsaustausch;

– der Bedeutung des deutschen Marktes – größter Produ-
zent, Verbraucher und Durchleiter Westeuropas, zentrale
europäische Schnittstelle für Nord-Süd- und Ost-
West-Transfer – angemessene Personalausstattung (ca.
100 Bedienstete der obersten Bundesbehörde sowie
jeweils drei bis zehn Bedienstete auf der Ebene der Län-
der).

Drucksache 14/6796 – 4 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

B. Einzelbegründung

Zu Artikel 1

Zu Nummer 1 (§ 6 Abs. 2)

Schaffung der gesetzlichen Grundlagen für die Arbeit der
Regulierungsbehörde.

Zu Nummer 2 (§ 8)

Folgeänderung von Nummer 1

Durch die Installierung einer Regulierungsbehörde hat sich
die nochmalige Überprüfung der rechtlichen Grundlagen

der Netzzugangsregelung im Jahr 2003 erübrigt. Ferner
steht der in § 8 festgeschriebene konditionierte Übergang
zum ausschließlich verhandelten Netzzugang ab 1. Januar
2006 im Widerspruch zur vorliegenden Novelle, die ihn
durch den regulierten Netzzugang ersetzt. Das in § 7 gere-
gelte Alleinabnehmersystem braucht und soll insoweit nicht
zum 31. Dezember 2005 enden.

Zu Artikel 2

Der organisatorische Aufbau der Regulierungsbehörde
erfordert eine gewisse Vorlaufzeit und verbietet daher ein
sofortiges Inkrafttreten.

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