BT-Drucksache 14/6738

Auslieferung von Alois Brunner - Abschiebestopp nach Syrien

Vom 24. Juli 2001


Deutscher Bundestag Drucksache 14/6738
14. Wahlperiode 24. 07. 2001

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke und der Fraktion der PDS

Auslieferung von Alois Brunner – Abschiebestopp nach Syrien

Der wegen seiner Verantwortung für die Ermordung von 120 000 Menschen
gesuchte Nazi-Massenmörder Alois Brunner soll sich nach zahlreichen Berich-
ten seit vielen Jahren in Syrien aufhalten.

Alois Brunner war während der Nazi-Zeit lange Jahre die rechte Hand von
Adolf Eichmann und maßgeblich an der Deportation von Jüdinnen und Juden
aus Wien und den damit verbundenen „Arisierungen“ in Wien beteiligt. 1943
schickte ihn Adolf Eichmann nach Griechenland, wo er die Deportation und
Ghettoisierung der jüdischen Bevölkerung in Saloniki leitete. 96 Prozent der jü-
dischen Bevölkerung Salonikis wurden dabei getötet, bis zur Abreise Alois
Brunners aus Saloniki insgesamt 48 974 Jüdinnen und Juden deportiert. Danach
organisierte Alois Brunner von Paris und später Südfrankreich aus die Deporta-
tion jüdischer Menschen in die NS-Vernichtungslager. Zum Abschluss seiner
furchtbaren „Laufbahn“ war Alois Brunner mit der Bekämpfung der jüdischen
Untergrundbewegung in der Slowakei beauftragt, 12 000 Menschen wurden zur
Vernichtung nach Auschwitz deportiert.

Nach dem Krieg konnte Alois Brunner mit Hilfe alter „Freunde“, darunter dem
Führungsmitglied des Reichssicherheitshauptamtes und späteren Chef des Bun-
desnachrichtendienstes, Reinhard Gehlen, mehrere Jahre untertauchen bzw. un-
ter falschem Namen leben und so der Verhaftung entgehen, obwohl gegen ihn
bereits 1954 in Frankreich wegen illegaler Verhaftung von Personen, willkürli-
cher Misshandlung, Verletzung, Plünderung und Mord ein Todesurteil ergang.

1954 gelangte er unter falschem Namen nach Syrien, wo er seitdem lebt und
heute noch leben soll. Die syrische Regierung hat seitdem stets die Anwesen-
heit Alois Brunners geleugnet, obwohl dieser zum Beispiel 1985 der Zeitschrift
„Bunte“ (30. Oktober 1985) sogar ein Interview in Damaskus gab. Ausliefe-
rungsanträge gegen Alois Brunner wurden von syrischer Seite bis heute abge-
wiesen.

In Frankfurt/Main und in Köln ermitteln die Staatsanwaltschaften gegen ihn.
Für Hinweise, die zu seiner Verhaftung führen, soll nach Presseberichten eine
Belohnung von 500 000 DM ausgesetzt sein. Auch französische Gerichte er-
mitteln gegen Alois Brunner erneut (alle Angaben aus „frauennews“, Doku-
mentation des Dokumentarfilms von Dr. Georg M. Hafner und Esther Schapira,
„Die Akte B.“, Hessischer Rundfunk 1998).

Der Besuch des syrischen Staatsoberhaupts Dr. Bashar al Assad kürzlich in
Berlin hätte eine Gelegenheit geboten, die Auslieferung Alois Brunners seitens
der Bundesregierung zur Sprache zu bringen.

Gleichzeitig wäre das eine Gelegenheit gewesen, die syrische Regierung auf
Menschenrechtsverletzungen anzusprechen. Der syrische Kurde Hussein

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Daoud etwa soll nach seiner Abschiebung nach Syrien schwer gefoltert worden
sein und daran gestorben sein. Amnesty International hatte, nachdem Hussein
Daoud von Verwandten und Freunden nach seiner Abschiebung zuletzt im
März dieses Jahres in der Haftanstalt Nr. 285 des Staatssicherheitsdienstes
in sehr schlechter Verfassung gesehen worden war, am 30. April 2001 eine
„urgent action“ gestartet, um Hussein Daoud zu retten. Nach noch unbestätigten
Berichten soll Hussein Daoud am 14. Juni gestorben sein. Die niedersächsische
Landesregierung hat daraufhin Abschiebungen nach Syrien ausgesetzt (Anga-
ben aus „Kurdistan-Rundbrief“ Nr. 13, 27. Juni 2001).

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Hat die Bundesregierung im Zusammenhang mit dem Staatsbesuch
Dr. Bashar al Assads in Berlin die Auslieferung von Alois Brunner ange-
sprochen?

Wenn ja, mit welchem Ergebnis?

Wenn nein, warum nicht?

2. Hat die Bundesregierung im Zusammenhang mit dem Staatsbesuch
Dr. Bashar al Assads Menschenrechtsverletzungen wie den Fall des Kurden
Hussein Daoud angesprochen?

Wenn ja, mit welchem Ergebnis?

Wenn nein, warum nicht?

3. Wird die Bundesregierung den von der niedersächsischen Landesregierung
verhängten Abschiebestopp nach Syrien zum Anlass nehmen, um mit den
Innensenatoren und -ministern der Länder über einen bundesweiten Ab-
schiebestopp nach Syrien, insbesondere für kurdische Flüchtlinge, zu spre-
chen?

Wenn ja, wann soll das geschehen?

Wenn nein, warum nicht?

4. Wie viele Flüchtlinge sind seit Amtsantritt der amtierenden Bundesregie-
rung, also seit Oktober 1998, nach Syrien abgeschoben worden?

Berlin, den 18. Juli 2001

Ulla Jelpke
Roland Claus und Fraktion

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