BT-Drucksache 14/6705

über die Tagungen der Versammlung vom 5. bis 8. Juni und vom 4. bis 7. Dezember 2000 in Paris - 46. Sitzungsperiode

Vom 17. Juli 2001


über die Tagungen der Versammlung vom 5. bis 8. Juni und
vom 4. bis 7. Dezember 2000 in Paris – 46. Sitzungsperiode

I. Tagung der Versammlung der Westeuropäischen
Union/interimistische Europäische Versammlung
für Sicherheit und Verteidigung
vom 5. bis 8. Juni 2000

Der erste Teil der 46. Sitzungsperiode fand vom 5. bis 8. Juni 2000 in Paris
statt. Der Deutsche Bundestag entsandte die folgende Delegation:
Abgeordneter Ulrich Adam (CDU/CSU)
Abgeordneter Wolfgang Behrendt (SPD)
Abgeordneter Klaus Bühler (Bruchsal) (CDU/CSU)
Abgeordneter Siegfried Hornung (CDU/CSU)
Abgeordneter Joachim Hörster (CDU/CSU)
Abgeordneter Ulrich Irmer (F.D.P.)
Abgeordnete Renate Jäger (SPD)
Abgeordneter Dr. Heinrich L. Kolb (F.D.P.)
Abgeordneter Eduard Lintner (CDU/CSU)
Abgeordnete Erika Lotz (SPD)
Abgeordneter Erich Maaß (Wilhelmshaven) (CDU/CSU)
Abgeordneter Gerhard Neumann (Gotha) (SPD)
Abgeordneter Dieter Schloten (SPD)
Abgeordneter Hans-Peter Schmitz (Baesweiler) (CDU/CSU)
Abgeordneter Dietmar Schütz (Oldenburg) (SPD)
Abgeordneter Bernd Siebert (CDU/CSU)
Abgeordneter Benno Zierer (CDU/CSU)

Zum Ablauf der Tagung
An der Tagung nahmen neben den Delegierten der zehn WEU-Mitglieder,
der sechs assoziierten Mitglieder, der fünf Staaten mit Beobachterstatus und
der assoziierten Partnerstaaten Abgeordnete aus Albanien, Bosnien-Herze-
gowina, der früheren jugoslawischen Republik Mazedonien, der Russischen
Föderation und der Ukraine teil.

Deutscher Bundestag Drucksache 14/6705
14. Wahlperiode 17. 07. 2001

Unterrichtung
durch die deutsche Delegation in der Versammlung der
Westeuropäischen Union/interimistische Europäische Versammlung
für Sicherheit und Verteidigung (WEU/iEVSV)

Drucksache 14/6705 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Anlässlich des ersten Teils der 46. Sitzungsperiode der Versammlung der
WEU/iEVSV haben sich die Mitglieder mit den fünf folgenden Themen be-
fasst:
– die Bedingungen und die Auswirkungen der Übertragung von exekutiven

Aufgaben und Strukturen der WEU auf die EU, insbesondere was die Be-
ziehungen mit der NATO bzw. mit den assoziierten Mitgliedern und den
Partnerstaaten betrifft;

– der Aufbau einer europäischen Verteidigungs- und Sicherheitspolitik
(ESVP) sowie die erforderlichen kollektiven militärischen Kapazitäten
für Europa (zu diesem letzten Thema liegen drei Berichte vor);

– die Zukunft der Versammlung der WEU im Zusammenhang mit der Pro-
blematik der parlamentarischen Kontrolle der ESVP und der Verwirkli-
chung der „Initiative von Lissabon“;

– die Lage im Kosovo (mit zwei Berichten, unter anderem dem dritten Teil
des Berichts der Abgeordneten Jacques Baumel (Frankreich) und
András Bársony (Ungarn));

– Dringlichkeitsdebatte zum Thema nationales Raketenabwehrprogramm
der USA (NMD)

Nach der Sondersitzung der Versammlung am 21. März 2000 in Lissabon,
wurde diese Vollversammlung besonders durch die Debatte anlässlich der
Verabschiedung des Mandats (Drucksache 1697, S. 31) des Lenkungsaus-
schusses zur Umwandlung der Versammlung der WEU in eine Europäische
Sicherheits- und Verteidigungsversammlung und einen entsprechenden Be-
schluss zur Namensergänzung (interimistische Europäische Versammlung
für Sicherheit und Verteidigung) (Beschluss 24, S. 32) geprägt. Zum Präsi-
denten der interimistischen Versammlung wurde Klaus Bühler (Bruchsal)
(CDU/CSU), zum Generalsekretär Colin Cameron bestimmt. Die Initiative
von Lissabon wurde modifiziert und sieht nun die Schaffung einer Europä-
ischen Versammlung für Sicherheit und Verteidigung vor, die sich aus
Abgeordneten der nationalen Parlamente der 15 EU-Mitgliedsländer, der eu-
ropäischen NATO-Staaten, die nicht EU-Mitglieder sind, der EU-Beitritts-
kandidaten sowie Mitgliedern des Europäischen Parlamentes vor.
Die Versammlung führte Aussprachen mit den folgenden Persönlichkeiten
durch:
– Generalsekretär der Westeuropäischen Union, Javier Solana Madariaga

(Spanien),
– Verteidigungsminister Julio de Castro Caldas (Portugal) für die amtie-

rende portugiesische WEU-Präsidentschaft.
– Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Jean-Pierre Masseret

(Frankreich), ein ehemaliges Mitglied der Versammlung, in Vertretung
von Premierminister Lionel Jospin anwesend, zur bevorstehenden franzö-
sischen WEU-Präsidentschaft.

– Abgeordnete Catherine Lalumière (Frankreich), Generalberichterstatte-
rin des Ausschusses des Europäischen Parlaments für auswärtige Angele-
genheiten, Menschenrechte, gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungs-
politik.

Das Plenum trat am Montag Nachmittag, am Dienstag und Mittwoch ganztags
und am Donnerstag Vormittag zusammen. Ferner tagten folgende Ausschüsse:
– Politischer Ausschuss
– Verteidigungsausschuss
– Ausschuss für Technologie und Raumfahrt
– Ausschuss für die Beziehungen zu den Parlamenten und zur Öffentlichkeit

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/6705

Schwerpunkte der Beratungen
In seiner Eröffnungsansprache erklärte Präsident Klaus Bühler (Bruchsal)
(CDU/CSU), dass die Europäische Union nach den erfolgten Fortschritten im
Bereich der ESVP während der Übertragung der Aufgaben der WEU in die
EU drei Punkte vermeiden sollte:
– eine Verminderung des europäischen Sicherheitsniveaus,
– eine Beeinträchtigung der euro-atlantischen Zusammenarbeit sowie
– die Schaffung neuer Spaltungen in Europa.
Er rief dazu auf, die Rechte der assoziierten Mitglieder sowie der Partner-
staaten in der Versammlung der WEU zu erhalten. Das zu enge Korsett der
gegenwärtigen europäischen Institutionen könne dies seiner Meinung nach
derzeit nicht leisten.
Zur Zukunft der Versammlung der WEU sowie zur allgemeinen Frage der
parlamentarischen Kontrolle der europäischen Gemeinsamen Außen- und
Sicherheitspolitik (GASP) erinnerte Präsident Klaus Bühler an die Ergeb-
nisse der Sondersitzung der Versammlung am 21. März 2000 in Lissabon,
Portugal, und an seine anschließenden zahlreichen Gespräche mit europä-
ischen Spitzenpolitikern, insbesondere der Ratsvorsitze Portugal und Frank-
reich. Laut Präsident Klaus Bühler sollten die Verabschiedung des Mandats
des Lenkungsausschusses beziehungsweise die erste Sitzung dieses neuen
Gremiums der Versammlung am Mittwoch, dem 7. Juni 2000, die Grund-
steine einer effektiven parlamentarischen Kontrolle der künftigen europä-
ischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik bilden. Weder das Europäische
Parlament noch die Parlamentarische Versammlung der NATO könnten die
parlamentarische Dimension der europäischen Sicherheits- und Verteidi-
gungspolitik allein sicherstellen.
Der WEU-Generalsekretär und Hoher Repräsentant für die gemeinsame
Außen- und Sicherheitspolitik des Europäischen Rates, Javier Solana
Madariaga (Spanien), betonte in seiner Ansprache, dass in den sechs letzten
Monaten die Europäische Union ihre Mittel zur Krisenbewältigung und die
Qualität ihrer Zusammenarbeit mit der NATO beträchtlich ausgebaut habe.
In diesem letzten Bereich seien die Ergebnisse der gemeinsamen Übung
„CMX/CRISEX 2000“ mit der NATO besonders befriedigend. Er unterstrich
ebenfalls die Qualität der durch das Personal der jeweiligen Institutionen der
WEU erledigten Arbeit, betonte gleichzeitig die Notwendigkeit einer An-
passung der Strukturen der WEU an die neuen Zuständigkeitsbereiche.
Auf eine Frage des Abgeordneten Dieter Schloten (SPD) zum Thema „ame-
rikanische nationale Raketenabwehr“ antwortete der WEU-Generalsekretär,
dass er es für sinnvoll halte, ein solches Programm in enger Zusammenarbeit
mit den USA und innerhalb der NATO zu entwickeln. Ferner stellte er fest,
dass die Europäische Union bisher nicht Stellung zu diesem Programm ge-
nommen habe.
Verteidigungsminister Julio de Castro Caldas (Portugal) beschrieb in sei-
ner Rede die Bedingungen der Übertragung der Aufgaben der WEU auf die
EU und ihre Folgen für die Zukunft des Hauptquartiers, des Satellitenzen-
trums und des Institutes für Sicherheitsstudien.
Er unterstrich ebenso den Erfolg der Übung „CMX/CRISEX 2000“ und be-
tonte die guten Beziehungen zwischen der WEU und der NATO.
Zum Thema „Zukunft der Versammlung der WEU“ informierte er die Mit-
glieder der Versammlung darüber, dass die portugiesische Präsidentschaft
der Lissabonner Initiative der Versammlung große Aufmerksamkeit entge-
gengebracht habe. Er machte allerdings deutlich, dass eine Entscheidung da-
rüber zunächst nicht getroffen werde.

Drucksache 14/6705 – 4 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

In seiner Ansprache wies der Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Ab-
geordneter Jean-Pierre Masseret (Frankreich), darauf hin, dass die Haupt-
aufgabe der bevorstehenden französischen Präsidentschaft darin bestehe, die
Ziele des Rates von Helsinki zu erreichen, insbesondere was die militärischen
Fähigkeiten Europas (langfristiges Ziel von 50 000 bis 60 000 Soldaten für mi-
litärische Krisenmanagementoperationen) betrifft. Dazu müssten fünf Vor-
aussetzungen erfüllt werden:
– Planungsfähigkeit,
– logistische Fähigkeiten,
– glaubwürdige militärische Kapazitäten,
– die Fähigkeit, eine militärische Operation auf Dauer zu bewältigen,
– die Fähigkeit, internationale Streitkräfte gemeinsam trainieren zu lassen.
Laut Jean-Pierre Masseret sollen Dialogstrukturen mit europäischen Nicht-
EU-Mitgliedstaaten, die NATO-Mitglieder sind, beziehungsweise mit ge-
wissen Drittstaaten, beispielsweise Russland oder Ukraine, verbessert wer-
den. Zum Thema „Zukunft der Versammlung der WEU“ wies er auf das
Weiterbestehen des Artikels V des geänderten Brüsseler Vertrags hin, der
einen Solidaritätspakt zwischen den Mitgliedern darstelle. Seiner Meinung
nach spiele die Versammlung der WEU eine bedeutende Rolle als ein sehr
breites Forum für 28 Länder sowie als Bindeglied zur öffentlichen Meinung,
damit die europäischen Völker die Verteidigungsfragen besser verstehen.
Deswegen äußerte er den Wunsch, dass die Versammlung diese bedeutenden
Aufgaben weitererfülle. Auf die Frage der italienischen Abgeordneten Vera
Squarcialupi zur Zusammenarbeit zwischen den Militärs und zivilen Insti-
tutionen wies er auf die immer öfter notwendig werdenden Aufgaben der
Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und die erforderliche Weiter-
entwicklung der Polizeikapazitäten der europäischen Länder hin.
Frau Catherine Lalumière (Frankreich), Mitglied des Europäischen Parla-
mentes und Berichterstatterin des Ausschusses für die Auswärtigen Angele-
genheiten, vertrat die Präsidentin des Europäischen Parlamentes (EP), Nicole
Fontaine. Sie widmete ihre Ansprache der parlamentarischen Kontrolle der
Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik und erinnerte daran,
dass das EP über Kontrollfähigkeiten im Bereich der Gemeinsamen Außen-
und Verteidigungspolitik verfüge. Ihrer Meinung nach habe die Lissabonner
Initiative der Versammlung der WEU das EP leider ausgeschlossen. Dem wi-
dersprach Abgeordneter Jim Marshall (Vereinigtes Königreich), der er-
klärte, dass gemäss dem Text der Lissabonner Initiative bzw. dem Entwurf
des Mandats der Lenkungsgruppe eine Beteiligung des EP vorgesehen sei.
Ferner stellte Berichterstatterin Catherine Lalumière ihren Vorschlag für
ein interparlamentarisches Forum vor, das sich aus Vertretern der nationalen
Parlamente (EU-Mitglieder und Beitrittsbewerberländer) und Mitgliedern
des EP zusammensetzen solle.
Der Bericht des Abgeordneten Lluís Maria de Puig (Spanien) betraf die
Konsequenzen der Übernahme bestimmter Funktionen der WEU in die Eu-
ropäische Union. Gemeinsam mit diesem Bericht diskutierte die Versamm-
lung auch den Bericht des Abgeordneten Franciszek Adamczyk (Polen), der
die Lage der assoziierten Länder in der neuen europäischen Sicherheitsar-
chitektur beschrieb.
Nachdem der Berichterstatter Lluís Maria de Puig (Spanien) an die hervor-
ragende Bilanz der WEU erinnert hatte, stellte er den Mitgliedern der Ver-
sammlung seine Vorschläge über die Zukunft der Institutionen vor:
– Artikel V des geänderten Brüsseler Vertrags solle in Kraft bleiben,
– intensive Weiterführung der Zusammenarbeit mit der NATO,
– Sicherung der Verstärkung des Satellitenzentrums,

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 5 – Drucksache 14/6705

– Vertiefung des Dialogs mit Russland, der Ukraine und manchen Mittel-
meerländern,

– Wahrung der Rechte der assoziierten Länder.
Er hielt die parlamentarische Kontrolle der ESVP für unentbehrlich und
lehnte die Lösung einer „COSAC der Verteidigung“ (COSAC = Conférence
des Organes spécialisés en Affaires communautaires/Konferenz der Europa-
ausschüsse der nationalen Parlamente und des Europäischen Parlaments) ab.
Stattdessen schlug er vor, die Initiative von Lissabon weiterzuentwickeln und
in die angestrebte Europäische Versammlung für Sicherheit und Verteidigung
(EVSV) neben Abgeordneten der nationalen Parlamente der 15 EU-Mit-
gliedstaaten, der europäischen NATO-Mitglieder und der EU-Beitrittskandi-
daten auch Vertreter des EP zu entsenden.
Der Berichterstatter des Verteidigungsausschusses, Abgeordneter Guillermo
Martinez Casañ (Spanien) stellte fest, dass die assoziierten Mitglieder einen
bedeutenden Bestandteil der WEU darstellen. Mit Blick auf die Erklärung
des Rates der EU von Köln bedauerte er, dass die EU die Einbeziehung die-
ser Länder in das Krisenmanagement nur auf einer operationellen Ebene be-
absichtige. Die Abgeordneten Wolfgang Behrendt (SPD) und Erich Maaß
(Wilhelmshaven) (CDU/CSU) betonten die Notwendigkeit der parlamenta-
rischen Kontrolle und der Berücksichtigung der Rechte der assoziierten Mit-
glieder. Die Delegierten der assoziierten Mitglieder beziehungsweise der
Partnerstaaten äußerten sich zugunsten des Erhalts der in der WEU gewohn-
ten Einbeziehung ihrer Länder.
Zu diesem Thema empfahl die Versammlung dem WEU-Ministerrat daher,
die Rechte der Mitglieder im Hinblick auf die Übertragung der Aufgaben der
WEU in die EU zu schützen. In ihrer Antwort auf den Jahresbericht des
Rates empfahl sie dem Rat ebenfalls, hierzu einen konsultativen Rat zur
GASP einzurichten, der gemäß den Vorschlägen der portugiesischen Präsi-
dentschaft aus den EU-Mitgliedstaaten, EU-Beitrittsbewerbern bzw. Nicht-
EU-Mitgliedern der NATO bestehen solle. Dieser Konsultativrat könne An-
sprechpartner der EVSV werden.
Eines der Hauptthemen dieser Vollversammlung bestand in der Debatte über
die Zukunft der Versammlung der WEU nach der Verabschiedung der Lissa-
bonner Initiative durch die Versammlung und die anschließende Antwort des
Rates darauf. Zu diesem Thema hielt Präsident Klaus Bühler (Bruchsal)
(CDU/CSU) am Mittwoch Vormittag eine Rede (siehe Stenographischer Be-
richt, Seite 32), in der er das Hauptziel der Versammlung unterstrich: die Her-
stellung einer parlamentarischen Kontrolle der ESVP durch nationale Abge-
ordneten unter Beteiligung des EP. Dafür sei eine neue juristische Grundlage
unentbehrlich, ohne die vertraglichen Grundsätze der Versammlung der
WEU infrage zu stellen.
Anlässlich der Debatten um diese Frage erklärte Abgeordneter Dieter
Schloten (SPD) (siehe Seite 35), dass die EU mit 15 Mitgliedern einen zu en-
gen Rahmen zur Bewältigung der Sicherheitsfragen Europas darstelle. Laut
Abgeordnetem Benno Zierer (CDU/CSU) (siehe Seite 36) rechtfertigten die
Zuständigkeiten der nationalen Parlamente das Weiterbestehen der Ver-
sammlung der WEU.
Das durch die Versammlung verabschiedete Mandat des Lenkungsausschus-
ses zur EVSV sieht vor, dass die Zusammensetzung dieses Ausschusses aus
dem Präsidenten der Versammlung, den 28 Delegationsleitern bzw. den Vor-
sitzenden der politischen Gruppen besteht. Es wurde beschlossen, dass die-
ser Ausschuss den Delegierten bei der Herbsttagung praktische Vorschläge
zur Schaffung der EVSV unterbreiten wird. Anlässlich der ersten Sitzung
dieses Gremiums wurde der voraussichtliche Sitzungsplan festgelegt sowie
der Vorsitzende, der Präsident der Versammlung Abgeordneter Klaus Bühler
(Bruchsal) (CDU/CSU), gewählt.

Drucksache 14/6705 – 6 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

In der Diskussionen um den Bericht der Abgeordneten Vera Squarcialupi
(Italien) (Mitglied des Ausschusses für die Beziehungen zu den Parlamenten
und zur Öffentlichkeit) zur Bedeutung der parlamentarischen Diplomatie
wurde durch die Berichterstatterin sowie alle ihr folgenden Redner die Not-
wendigkeit einer parlamentarischen Kontrolle über die Sicherheitsfragen Eu-
ropas betont. Abgeordneter Dieter Schloten (SPD) unterstrich den erfolg-
reichen Beitrag der Interparlamentarischen Union (IPU) im Bereich der
parlamentarischen Diplomatie.
Am ersten Sitzungstag stimmte die Versammlung einer Dringlichkeitsde-
batte gemäß Artikel 44 der Geschäftsordnung zu, um die Tagesordnung für
Dienstag, 6. Juni 2000, um das Thema „amerikanische Nationale Raketen-
abwehr“ zu ergänzen. Der diesbezügliche Antrag wurde auf Initiative der bei-
den Abgeordneten Wolfgang Behrendt (SPD) und Jan Dirk Blaauw (Nie-
derlande) eingebracht. Der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses und
Berichterstatter, Abgeordneter Dieter Schloten (SPD) erklärte, dass das Pro-
jekt den Status des ABM-Vertrages gefährden und in Russland und China zu
einer verstärkten Aufrüstung führen könne. Abgeordneter Wolfgang
Behrendt (SPD) betonte, NMD dürfe keine Spannungen im euro-atlanti-
schen Bündnis schaffen. Der für die Föderierte Fraktion in der Versammlung
sprechende Abgeordnete Jacques Baumel (Frankreich) erklärte, es werde
den europäischen Regierungen schwer fallen, eine gemeinsame Haltung Eu-
ropas zu NMD zu finden.
Abgeordneter Oleg Naoumov (Russische Föderation) erinnerte daran, dass
man in Russland befürchte, NMD werde einen Aufrüstungswettlauf bewirken.
Die Versammlung beschloss, für die nächste Tagung einen Bericht zu diesem
Thema unter Berücksichtigung der Rolle Russlands vorzulegen. Ferner
stimmte die Versammlung einhellig einer Entschließung zu, in der sie die Mit-
gliedsländer der WEU, die sämtlich der NATO angehören, auffordern,
zunächst unter Beteiligung aller 28 Staaten der WEU-Familie eine gemein-
same Erklärung zum amerikanischen NMD-Programm im Hinblick auf künf-
tige Verhandlungen im Rahmen des atlantischen Bündnisses auszuarbeiten.
Ein weiterer Bericht aus dem Zuständigkeitsbereich des Verteidigungsaus-
schusses betraf die neuen Aufgaben für europäische Streitkräfte und die not-
wendigen kollektiven Fähigkeiten für die Umsetzung dieser Aufgaben. In
seinem Bericht erwähnte Berichterstatter Abgeordnete Sydney Rapson
(Vereinigtes Königreich), besonders den Nachholebedarf Europas im Be-
reich der Nachrichtendienste.

II. Tagung der Versammlung der Westeuropäischen
Union/interimistische europäische Versammlung
für Sicherheit und Verteidigung (WEU/iEVSV)
vom 4. bis 7. Dezember 2000

Der zweite Teil der 46. Session fand vom 4. bis 7. Dezember 2000 in Paris
statt. Der Deutsche Bundestag entsandte folgende Delegation:
Abgeordneter Ulrich Adam (CDU/CSU)
Abgeordneter Wolfgang Behrendt (SPD)
Abgeordneter Klaus Bühler (Bruchsal) (CDU/CSU)
Abgeordneter Joachim Hörster(CDU/CSU)
Abgeordneter Prof. Dr. Karl-Heinz Hornhues (CDU/CSU)
Abgeordneter Siegfried Hornung(CDU/CSU)
Abgeordneter Ulrich Irmer (F.D.P.)
Abgeordnete Frau Renate Jäger (SPD)
Abgeordneter Dr. Heinrich L. Kolb (F.D.P.)

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 7 – Drucksache 14/6705

Abgeordneter Eduard Lintner (CDU/CSU)
Abgeordnete Frau Dr. Christine Lucyga (SPD)
Abgeordneter Erich Maaß (Wilhelmshaven) (CDU/CSU)
Abgeordneter Manfred Müller (PDS)
Abgeordneter Gerhard Neumann (SPD)
Abgeordneter Hans Raidel (CDU/CSU) auf Einladung des Präsidenten der
Versammlung)
Abgeordneter Dieter Schloten (SPD)
Abgeordneter Hans-Peter Schmitz (CDU/CSU)
Abgeordneter Bernd Siebert (CDU/CSU)
Abgeordneter Benno Zierer (CDU/CSU)

Zum Ablauf der Tagung
An der Tagung nahmen neben den Delegierten aus den zehn WEU-Mit-
gliedsländern, den sechs assoziierten Mitgliedsländern, den fünf Staaten mit
Beobachterstatus und den sieben assoziierten Partnerstaaten ebenfalls Abge-
ordnete aus Albanien, Bosnien-Herzegowina, Malta, Zypern, der früheren ju-
goslawischen Republik Mazedonien, der Russischen Föderation und der
Ukraine teil. Mitglieder des Europäischen Parlaments und der Parlamentari-
schen Versammlungen des Europarates, der OSZE sowie des Schwarzmeer-
kooperationsrates waren ebenfalls anwesend.
Der zweite Teil der 46. Tagung der Versammlung der Westeuropäischen
Union/interimistische Europäische Versammlung für Sicherheit und Vertei-
digung fand wenige Tage nach der Erklärung von Marseille des WEU-Minis-
terrates vom 13. November 2000 und unmittelbar vor dem Europäischen Rat
von Nizza vom 8. bis 12. Dezember 2000 statt. Die Mitglieder der Ver-
sammlung befassten sich schwerpunktmäßig mit den folgenden Themen, zu
denen Berichte erstellt und Empfehlungen verabschiedet wurden:
– Inhalt der Erklärung von Marseille des WEU-Ministerrates vom 13. No-

vember 2000 sowie die künftigen Aufgaben der WEU und ihrer Bezie-
hungen zur Versammlung (im Rahmen einer Sonderdebatte);

– die Frage der parlamentarischen Dimension der Gemeinsamen Europä-
ischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GESVP);

– Einschätzung des Bedarfs an Verbesserungen der militärischen Fähigkei-
ten der Mitgliedstaaten der WEU, der Europäischen Union bzw. der
NATO vor dem Hintergrund der geplanten Krisenreaktionskräfte der EU;

– Russland und die europäische Sicherheit;
– nukleare Rüstungskontrolle und die Folgen für die GESVP;
– transatlantische Zusammenarbeit und nationales Raketenabwehrpro-

gramm der Vereinigten Staaten von Amerika;
– Konsequenzen der Professionalisierung der Streitkräfte für die Reserve-

streitkräfte;
– aktuelle Entwicklungen im Bereich der Rüstungsindustrie;
– Bilanz der Polizeimaßnahmen in Südosteuropa;
– Institutionen im Bereich der Sicherheits- und Verteidigungsforschung in

den assoziierten Partnerstaaten.
Am Dienstag, 5. Dezember 2000, wurde der deutsche Abgeordnete und
amtierende Präsident der Versammlung, Klaus Bühler (Bruchsal)
(CDU/CSU), einstimmig zum Präsidenten der Versammlung für die

Drucksache 14/6705 – 8 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

47. Sitzungsperiode wieder gewählt. Der deutsche Abgeordnete Wolfgang
Behrendt (SPD) wurde ebenfalls in das Amt eines der Vizepräsidenten wie-
der gewählt. Abgeordneter Dieter Schloten (SPD) wurde zum Vorsitzenden
des Verteidigungsausschusses gewählt.
Die Versammlung führte Aussprachen mit folgenden Persönlichkeiten:
– Ansprache des französischen Premierministers Lionel Jospin (für die am-

tierende französische EU- und WEU-Ratspräsidentschaft);
– Ansprache des Generalsekretärs der WEU und des Hohen Repräsentanten

für die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU, Javier Solana
Madariaga;

– Ansprache des niederländischen Außenministers Jozias Van Aartsen (für
die kommende WEU-Präsidentschaft);

– Ansprache des griechischen Verteidigungsministers Akis Tsohatzopoulos
(für die Präsidentschaft der WEAG);

– Ansprache des kanadischen Verteidigungsministers Art Eggleton;
– Ansprache des Deputy Supreme Allied Commander Europe (NATO), Ge-

neral Rupert Smith, in der Debatte um den Bericht „Der Aufbau der Mit-
tel und Fähigkeiten für die Krisenbewältigung im Rahmen der GESVP –
Antwort auf den Jahresbericht des Rates“ des Abg. Sydney Rapson
(Vereinigtes Königreich).

Das Plenum trat am 4. Dezember nachmittags, am 5. Dezember und am
6. Dezember vor- und nachmittags sowie am 7. Dezember vormittags zu-
sammen. Ferner tagten folgende Ausschüsse:
– Politischer Ausschuss
– Verteidigungsausschuss
– Ausschuss für Technologie und Raumfahrt
– Ausschuss für die Beziehungen zu den Parlamenten und zur Öffentlichkeit
– Ausschuss für Haushaltsfragen und Verwaltung
– Ausschuss für Geschäftsordnung und Immunität

Schwerpunkte der Beratungen
In seiner Eröffnungsansprache äußerte sich der Präsident der Versammlung,
Klaus Bühler (Bruchsal) (CDU/CSU) zur aktuellen Lage, zu den Zielen und
Aussichten der WEU bzw. der Versammlung der WEU/interimistische Euro-
päische Versammlung für Sicherheit und Verteidigung. Der auf der
bevorstehenden Tagung des Europäischen Rates in Nizza voraussichtlich ver-
abschiedete Aufbau eigenständiger Krisenbewältigungskapazitäten der Euro-
päischen Union werde begrüßt. Jedoch seien noch zahlreiche Fragen offen,
darunter der Platz der Nicht-EU-Mitgliedstaaten in der GESVP. Die WEU
werde nach den Beschlüssen der Regierungen demnächst nur residuale Funk-
tionen übernehmen. Dazu zählten der Artikel V des geänderten Brüsseler Ver-
trages und die darin enthaltene Beistandspflicht, die Förderung der Zusam-
menarbeit im Rüstungsbereich und die so genannte sicherheits- und
verteidigungspolitische Forumsfunktion in einem im Vergleich zur GESVP
erweiterten Rahmen. Dort sei die besondere Rolle der Versammlung zu sehen.
Besonders relevant für die Arbeit der Versammlung seien nicht nur die Be-
stimmung der Entscheidungsprozeduren innerhalb der EU, die Frage des
Weiterbestehens des Artikels V des geänderten Brüsseler Vertrages und
seiner späteren Integration in das Vertragswerk der EU sowie eine gedeihli-
che Zusammenarbeit zwischen der EU und der NATO, sondern insbesondere

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 9 – Drucksache 14/6705

die Schaffung der parlamentarischen Dimension der GESVP. Zu diesem
Thema sei die Erklärung von Marseille unzureichend. Wie die laufende De-
batte um die Einrichtung einer zweiten Kammer in der EU zeige, sollten alle
Möglichkeiten, welche die Teilnahme der nationalen Parlamente der Mit-
gliedstaaten an der GESVP sicherstellten, geprüft werden. In diesem Zu-
sammenhang erklärte Präsident Klaus Bühler, die Versammlung sei seit lan-
gem bereit für eine vertiefte Zusammenarbeit mit dem Europäischen
Parlament. Er bedaure, dass das Europäische Parlament nicht die gleiche Be-
reitschaft zeige und insbesondere die Einladung zu einer Teilnahme an der
Arbeit des Lenkungsausschusses der WEU/iEVSV bisher nicht angenom-
men habe. Präsident Klaus Bühler betonte die Notwendigkeit einer durch
die Vertreter der nationalen Parlamenten geübten kollektiven Begleitung der
GESVP. Dafür sei es nicht erforderlich, eine neue parlamentarische Instanz
zu schaffen. Schließlich rief er die Mitglieder der Versammlung auf, in den
nationalen Parlamenten für die Vorschläge der Versammlung zu werben.
(Vgl. den vollen Wortlaut der Eröffnungsansprache auf Seite 41). Am Mitt-
woch, 6. Dezember 2000, kündigte Präsident Klaus Bühler ferner an, die Ver-
sammlung plane, im ersten Halbjahr 2001 in Berlin ein Kolloquium zu Fra-
gen der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu veranstalten.
Der WEU-Generalsekretär und Hohe Repräsentant für die gemeinsame
Außen- und Sicherheitspolitik des Europäischen Rates Javier Solana
Madariaga (Spanien) unterstrich in seiner Ansprache, dass die Regierungen
der EU nicht beabsichtigten, das atlantische Bündnis zu untergraben bzw.
eine so genannte Europäische Armee aufzubauen. Das Ziel sei hingegen eine
strategische Partnerschaft mit den Vereinigten Staaten von Amerika und der
NATO, wobei jede Organisation selbstständig bleibe und über die Entwick-
lung weiterer militärischer Fähigkeiten das Bündnis stärken könne. Den Er-
gebnissen der ersten Beitragskonferenz („Capabilities Committment Confe-
rence“) vom 20. November 2000 in Brüssel zufolge werde die EU bis 2003
die bisher von der WEU wahrgenommene Krisenbewältigungsfunktion über-
nehmen. Der Europäische Rat von Nizza werde die entsprechenden Ent-
scheidungs- und Lenkungsgremien schaffen.
Zwei Eigenschaften hätten die Ergebnisse und die Arbeitsweise der WEU in
den letzten zehn Jahren geprägt: Innovation (z. B. im Bereich der Beziehun-
gen zur NATO oder hinsichtlich der Zusammenarbeit im Bereich Raumfahrt
und Satellitenbeobachtung) und Integration. Die jahrelange Teilnahme von
weiteren Partnerstaaten, insbesondere der Länder Mittel- und Osteuropas, an
den Beratungen der WEU sowie die enge Zusammenarbeit zwischen der
NATO und der WEU hätten diesen Integrationseffekt deutlich gemacht. Die
Arbeitsmethoden der Versammlung spiegelten dies ebenfalls wider.
Was die Zukunft der WEU angehe, bleibe als Grundstein der Artikel V des
geänderten Brüsseler Vertrages und dessen Beistandspflicht. Eine weitere
Aufgabe der WEU bestehe in der Förderung der Zusammenarbeit innerhalb
der WEAG. Demnächst werde die Zuständigkeit für das WEU-Satellitenzen-
trum in Torrejón (Spanien) auf die EU übertragen. Der WEU-Generalsekretär
und Hohe Repräsentant für die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik
der EU, Javier Solana Madariaga, erklärte, die Mitarbeiter der WEU er-
hielten zu einem Teil geeignete Arbeitsplätze in den EU-Gremien angeboten,
für die Mehrzahl gebe es einen Sozialplan. Auf die Frage des Abg.
Bernard Schreiner (Frankreich) bezüglich der parlamentarischen Beglei-
tung der GESVP wies Javier Solana Madariaga auf die durch die jeweili-
gen nationalen Parlamente ausgeübte Kontrolle hin und verneinte die Exis-
tenz eines demokratischen Defizits.
Der niederländische Außenminister Jozias Van Aartsen (für die kommende
WEU-Präsidentschaft) wies in seiner Aussprache darauf hin, dass die nie-
derländische Präsidentschaft beschlossen habe, keine gesonderte Tagung des
WEU-Ministerrates während der niederländischen Amtszeit abzuhalten.

Drucksache 14/6705 – 10 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Ferner sollen die Zahl der Sitzungen des Ständigen Rates und die Zahl der
Arbeitsgruppen im Ratssekretariat reduziert werden. Was die Mitbestim-
mungsrechte der so genannten Drittländer im Bereich GESVP beträfe, wür-
den angemessene Konsultationsverfahren vorbereitet.
Er gratulierte der Versammlung zu deren Lissabonner Initiative vom
21. März des Jahres betreffend die parlamentarische Dimension der GESVP.
Diese Initiative sei umso relevanter, als der Aufbau der GESVP mehr Inves-
titionen von den europäischen Regierungen und folglich die entsprechende
parlamentarische Unterstützung verlangen werde. Nachdem er die begrenzte
Zuständigkeit des Europäischen Parlaments in den Bereichen Sicherheit und
Verteidigung betont hatte, schlug er vor, dass Vertreter der nationalen Parla-
mente und des Europäischen Parlaments Vorschläge zum Thema der parla-
mentarischen Begleitung der GESVP gemeinsam vorstellen könnten.
Der Vertreter der amtierenden EU-Ratspräsidentschaft und WEU-Präsident-
schaft, Premierminister Lionel Jospin (Frankreich), betonte die hervorra-
gende Bilanz der Arbeit der WEU seit ihrer Gründung am 23. Oktober 1954
in Brüssel. Er erinnerte an die durch die WEU geleiteten und erfolgreich ge-
führten militärische Einsätze im Golfkrieg, in Südosteuropa sowie an die
Festlegung der so genannten Petersberger Aufgaben im Jahr 1992 in Bonn.
Wie geplant werde die WEU im Jahre 2001 schließlich den größten Teil ih-
rer operativen Zuständigkeiten an die EU übergeben. Der WEU-Rat werde
der Versammlung weiterhin einen Bericht vorlegen und die WEU werde sich
demnächst zum Ort der Zusammenarbeit im Bereich europäische Rüstungs-
kooperation entwickeln.
Die drei Schwerpunkte der amtierenden französischen Ratspräsidentschaft
der WEU/EU seien die Einrichtung der neuen Gremien der GESVP, die Ent-
wicklung von selbstständigen militärischen Fähigkeiten gemäß den Ergeb-
nissen des Europäischen Rates von Helsinki (1999) bzw. der Beitragskonfe-
renz von Brüssel am 20. November 2000 und schließlich die weitere
Berücksichtigung der zivilen Dimension der Krisenbewältigung.
Laut Premierminister Lionel Jospin (Frankreich) solle die Versammlung der
WEU unbedingt ein Ort bleiben, an dem sich eine echte europäische Vertei-
digungskultur entwickeln könne. Außerdem fördere die Versammlung den
Dialog mit Drittländern wie z. B. Russland oder Ukraine. Zurzeit sei die
Frage einer parlamentarischen Begleitung des durch die EU geführten Kri-
senmanagements noch offen. Sie müsse durch die nationalen Parlamente in
Zusammenarbeit mit dem Europäischen Parlament gelöst werden.
Nachdem der griechische Verteidigungsminister (Vertreter für die Präsident-
schaft der Westeuropäischen Rüstungsgruppe) Akis Tsohatzopoulos darauf
hingewiesen hatte, dass die Rüstungsgruppe in Marseille sechs neue
Mitglieder (Polen, Ungarn, Tschechische Republik, Schweden, Österreich
und Finnland) aufgenommen habe, betonte er die erforderliche Zunahme der
Verteidigungshaushalte in Europa, insbesondere was die Forschungsmittel
beträfe. Das langfristige Ziel der WEAG sei die Schaffung einer effektiven
europäischen Rüstungsagentur. Außerdem unterstrich er die Notwendigkeit
einer parlamentarischen Begleitung der GESVP.
Der kanadische Verteidigungsminister Art Eggleton bestand auf der Not-
wendigkeit des Weiterbestehens des atlantischen Bündnisses, das nicht nur
als ein rein militärisches Bündnis zu sehen sei, sondern auch als ein Gremium
für die regionale Sicherheit. Daher sei eine Minderung der Rolle der NATO
in Europa unbedingt zu vermeiden. Ob die Verteidigungshaushalte gleich-
zeitig die erforderlichen Summen für den Beitrag zur NATO und zur EU
ertragen könnten, sei außerdem sehr fraglich. Was die durch die EU geführ-
ten Operationen beträfe, wünschten die Kanadier mehr Mitbestimmung und
eine Planung der Operationen durch die NATO. Zwei parallele Entschei-
dungsprozeduren seien auf jeden Fall zu vermeiden.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 11 – Drucksache 14/6705

Als einer der Höhepunkte der Beratungen galt die Debatte um die „Erklärung
von Marseille“, zu der der Vorsitzende des Politischen Ausschusses Abg. Jim
Marshall (Vereinigtes Königreich) einen Resolutionsentwurf vorgelegt
hatte. Er erinnerte an die enttäuschte Reaktion der Mitglieder des politischen
Ausschusses auf die Erklärung von Marseille. Er sei noch nicht überzeugt
worden, dass die von der WEU geschaffene Zusammenarbeit von 28 Ländern
nun in der EU nicht gefährdet werde. In der anschließend verabschiedeten
Resolution begrüßt die Versammlung zwar den Fortschritt der EU auf dem
Wege zu einer Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, hält aber die
Entscheidung des Ministerrates, die WEU als politischen Akteur schon zu
einem Zeitpunkt, zu dem die europäische Sicherheits- und Verteidigungsar-
chitektur noch im Aufbau sei, zu eliminieren, für verfrüht und bedauerlich.
Die Versammlung stellt des Weiteren mit Bedauern fest, dass die Erklärung
von Marseille den Nicht-EU-Staaten der WEU nicht die vollen Rechte und
Interessen im Rahmen der Ausübung von Petersberg-Aktivitäten und Akti-
vitäten des Satellitenzentrums für die Folgezeit der Übertragung dieser Auf-
gaben auf die EU zusichere. Abg. Jim Marshall betonte, dass die Erklärung
von Marseille im Übrigen nur einen unbefriedigenden Hinweis auf die künf-
tige Rolle der Versammlung enthalte.
Zum Thema parlamentarische Dimension der GESVP erklärte die Vertrete-
rin des Europäischen Parlaments Abg. Catherine Lalumière (Frankreich),
dass eine effektive parlamentarische Kontrolle der GESVP einen ausführli-
chen Überblick der militärischen bzw. politischen Zusammenarbeit der Re-
gierungen auf europäischer Ebene verlange. Dies könne das Europäische
Parlament leisten. Diese Aufgabe könne durch die jeweiligen nationalen Par-
lamente nicht gewährleistet werden. Abg. Catherine Lalumière betonte, die
Schaffung eines parlamentarischen Forums, das sowohl nationale Abgeord-
nete wie Vertreter des Europäischen Parlaments sowie Vertreter der assozi-
ierten Mitglieder und Partnerstaaten zusammenführe, sei ein gangbarer Weg.
Dieses Gremium solle fest in die EU-Struktur eingegliedert werden. Prä-
sident Klaus Bühler begrüßte die Stellungnahme der Abg. Catherine
Lalumiere und erinnerte an die Bereitschaft der Versammlung zu einer Zu-
sammenarbeit mit dem EP in dieser Frage. Dazu bemerkte Abg. Lluís Maria
de Puig (Spanien), ehemaliger Präsident der Versammlung, dass die Ver-
sammlung sich stets bereit erklärt habe, eine Delegation des Europäischen
Parlaments zu empfangen. Im Gegensatz dazu wollten zahlreiche Vertreter
des Europäischen Parlament die Versammlung bzw. deren Grundlage, den
geänderten Brüsseler Vertrag, einfach abschaffen, was sehr besorgniserre-
gend sei.
Die militärischen Fähigkeiten der Mitglieder der WEU bzw. der EU (sowie
ihre erforderliche Verbesserung und Verstärkung) und der empfundene
Rückstand der europäischen Fähigkeiten im Vergleich zu denen der Verei-
nigten Staaten wurden zu weiteren Hauptthemen des zweiten Teils der 46. Ta-
gung der WEUVersammlung/iEVSV. Berichterstatter Abg. Sydney Rapson
(Vereinigtes Königreich) betonte bei der Vorstellung seines Berichts über den
„Aufbau der Mittel und Fähigkeiten für die Krisenbewältigung im Rahmen
der GESVP“, dass die 28 Mitgliedsländer der WEU-Familie in das EU-Kri-
senmanagement wie bisher bei der WEU vollständig mit eingebunden wer-
den sollten. Abg. Prof. Dr. Karl-Heinz Hornhues (CDU/CSU) (vgl. den
vollen Wortlaut der Ansprache auf Seite 45) legte dar, dass die Verteidi-
gungsausgaben der europäischen Mitglieder der NATO zwar 70 % der Rüs-
tungsausgaben der Vereinigten Staaten von Amerika erreichten, Experten
aber nur 10 % der vergleichbaren amerikanischen Kapazität feststellten. Es
müsse ferner geklärt werden, welcher politische Ablauf einer Entsendung
von Krisenreaktionskräften vorausgehe. Gerade mit Blick auf Artikel V sei
eine parlamentarische Begleitung unerlässlich. General Rupert Smith
(Deputy Supreme Allied Commander Europe) erinnerte daran, dass er ein
möglicher Kommandeur einer mit NATO-Kapazitäten geführten EU-Opera-
tion sein könnte. Demnächst werde in einer gemeinsamen Übung SHAPE ein

Drucksache 14/6705 – 12 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Hauptquartier für eine europäische Krisenmanagementoperation stellen. Die
operative Planung von Einsätzen sei in der NATO und der EU praktisch voll-
kommen kompatibel. Die Streitkräfteplanung müsse für die sowohl von der
NATO als auch von der EU genutzten Truppenteile identisch sein. Da es
keine getrennten Streitkräfte gebe, setzten EU und NATO also die selben Sol-
daten und Materialien ein. Unterschiede in den Planungsverfahren seien da-
her nicht zu akzeptieren.
Der Bericht des Abg. Francisco Arnau Navarro (Spanien) beschäftigte sich
mit dem Rückstand Europas in der Wehrforschung und Wehrtechnik im Ver-
gleich zu den USA. In der verabschiedeten Empfehlung fordert die Ver-
sammlung den Rat unter anderem auf, die wehrtechnischen Forschungs-
haushalte zu erhöhen.
Abg. Dieter Schloten (SPD) stellte seinen Bericht zum Thema „Nuklear-
abrüstung und ihre Auswirkungen auf die GESVP“ mit Bezug auf das durch
die Vereinigten Staaten geplante nationale Raketenabwehrprogramm („Na-
tional Missile Defence“) vor. Er erklärte (vgl. den vollen Wortlaut der An-
sprache auf Seite 47), dass die Durchführung des Programms der Vereinig-
ten Staaten das durch die Unterzeichnung des ABM-Vertrages geschaffene,
weltweite strategische Gleichgewicht bedrohen würde. Außerdem könne es
zu einem erneuten Rüstungswettlauf kommen. Er empfahl der Versammlung,
den Rat aufzufordern, zu einer gemeinsamen europäischen Haltung hin-
sichtlich der Nichtverbreitung von Kernwaffen und der nuklearen Abrüstung
zu gelangen. Ferner solle der Rat die Regierungen der USA und Russlands
auffordern, das Inkrafttreten des START-II-Vertrags zu beschleunigen, und
Verhandlungen über einen START-III-Vertrag zu beginnen.
In seinem das Thema Raketenabwehr behandelnden Bericht empfahl Abg.
David Atkinson (Vereinigtes Königreich, Ausschuss für Technologie und
Raumfahrt), Russland verstärkt in die Entwicklung von globalen Lösungen
zur Raketenabwehr einzubinden.
Abg. John Townend (Vereinigtes Königreich) berichtete zur Lage der Re-
servestreitkräfte im Hinblick auf die Entwicklung von Berufsarmeen.
Abg. Dr. Heinrich L. Kolb (F.D.P.) (Ausschuss für Technologie und Raum-
fahrt, vgl. den vollen Wortlaut der Ansprache auf Seite 65) trug seine Auf-
fassungen zu den Folgen von Fusionen in der europäischen wehrtechnischen
Industrie vor, wobei er weitere Anstrengungen bei der Harmonisierung und
eine umfangreichere Zuständigkeit für die EU-Behörden bzw. die West-
europäischen Rüstungsgruppe für notwendig hielt.
Die Beratungen der Versammlung betrafen ferner regionale Fragen, unter
anderem hinsichtlich der Beziehungen Europas zu Russland. Hierüber
berichtete Abg. Jan Dirk Blaauw (Niederlande). Anlässlich einer längeren
Debatte machte der Berichterstatter deutlich, Europa solle Russland bei der
Umstrukturierung seiner Streitkräfte mithelfen, damit Europa und Russland
ein gemeinsames Verteidigungs- und Sicherheitskonzept entwickeln könn-
ten. Zahlreiche Redner wiesen auf die in Russland vorhandenen Risiken hin,
wie z. B. den schlechten Zustand der Kernkraftwerke bzw. Kernwaffen, die
angespannten wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse sowie das Auftreten
von Terrorismus. Abg. Josette Durrieu (Frankreich) warnte vor dem Risiko
der unkontrollierten Verbreitung von Kernwaffentechnik. Viele Mitglieder
der Versammlung waren sich darin einig, dass Russland zunächst ein wirk-
licher Rechtsstaat werden müsse, bevor es zum regionalen Stabilitätsfaktor
werden könne. Die Abgeordneten forderten, dass die WEU unbedingt den
Dialog mit Russland weiterführen solle.
Als regionale Frage galt ebenfalls die Bilanz der Internationalen Polizei-
maßnahmen in Südosteuropa (Albanien, Kosovo und Bosnien-Herzego-
wina). Die Redner wiesen wiederholt auf die Lücken bei der Ausbildung der
Polizisten hin. Die Berichterstatter Lord Ponsoby und Michael Hancock

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 13 – Drucksache 14/6705

(beide Vereinigtes Königreich) schlugen die Gründung eines umfassenden
Ausbildungsprogramms sowie die Beibehaltung der Mission von MAPEXT
in Albanien vor. Sie solle verstärkt werden und eine mögliche Ausweitung
des Mandats mit Blick auf Kosovo und Bosnien-Herzegowina mit dem Ziel
geprüft werden, auch dort zur Wiederherstellung von Recht und Ordnung
beitragen zu können. Zudem sollen in Einklang mit den Schlussfolgerungen
des Europäischen Rates von Feira die nötigen Schritte für die Einrichtung
einer ständigen europäischen Polizei ergriffen werden.

Drucksache 14/6705 – 14 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Montag, 5. Juni 2000
Tagesordnungspunkt

Ansprache des Präsidenten der Versammlung,
Abgeordneter Klaus Bühler

(Bundesrepublik Deutschland)
Klaus Bühler (Bruchsal) (CDU/CSU) – Meine sehr
geehrten Herren Botschafter und Vertreter der Regierun-
gen! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte
Gäste! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Seit ich
Anfang dieses Jahres die Präsidentschaft der WEU-Ver-
sammlung übernommen habe, ist noch nicht einmal ein
halbes Jahr vergangen. In dieser kurzen Zeit haben sich
die europäischen Regierungen schneller in Richtung einer
gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik be-
wegt als in den gesamten zehn Jahren zuvor.
Der Gipfel von Helsinki im Dezember 1999 hat zunächst
die Absichtserklärungen von Köln in eine Reihe konkre-
ter Entscheidungen umgewandelt. Seitdem haben die Re-
gierungen der Europäischen Union erhebliche Fort-
schritte bei der Entwicklung der für die gemeinsame
Sicherheits- und Verteidigungspolitik in der Europäischen
Union notwendigen Entscheidungsstrukturen erzielt.
Auch an der Verwirklichung des Ziels, bis zum Jahre 2003
eine bis zu 60 000 Mann starke autonome Krisenpräven-
tions- und Krisenreaktionsstreitmacht aufzustellen, wird
intensiv gearbeitet. Dieses Vorhaben wird noch große
Anstrengungen, auch finanzieller Art, aller beteiligten
Staaten erfordern.
Trotz dieser unbestreitbaren Fortschritte warten weiterhin
wichtige und grundlegende Fragen auf eine Lösung. Viele
von diesen Fragen müssen von jetzt an unter der Verant-
wortung der Europäischen Union geregelt werden. Aber
die im WEU-Rat zusammengeschlossenen Regierungen
tragen eine fundamentale rechtliche und politische Ver-
antwortung, dafür zu sorgen, dass die Übertragung der
Ausübung wesentlicher Aufgaben der WEU auf die Euro-
päische Union weder zu einer Minderung der europä-
ischen Sicherheit noch zu einer Erosion der transatlan-
tischen Zusammenarbeit, noch zur Schaffung neuer
Trennlinien in Europa führt.
Die Empfehlungen für die Modalitäten der zukünftigen
direkten Zusammenarbeit zwischen der Europäischen
Union und der NATO sowie der angemessenen Beteili-
gung der europäischen NATO-Staaten, die nicht der WEU
angehören, und der EU-Beitrittskandidaten an der ge-
meinsamen Europäischen Sicherheits- und Verteidi-
gungspolitik der EU, die die portugiesische Präsident-
schaft dem Europäischen Rat in Feira vorschlagen wird,
sind in diesem Zusammenhang von großer Bedeutung.
Die Präsidentschaft hat uns in Lissabon versichert, dass
man sich hier bereits weitgehend einig sei. Aber wenn
man das NATO-Kommuniqué von Florenz mit der WEU-
Erklärung von Porto sowie den vorbereitenden Berichten
der Europäischen Union für Feira vergleicht, muss man
feststellen, dass zwischen der NATO und der Europä-
ischen Union noch unterschiedliche Ausgangspositionen

über den Charakter der Zusammenarbeit bestehen: Die
NATO besteht weiterhin darauf, dass diese Zusammen-
arbeit auf der Basis der bisherigen Kooperation zwischen
der WEU und der NATO ausgebaut werden soll. Hiervon
ist in der Europäischen Union nicht die Rede. Es ist ent-
täuschend, dass nicht einmal der WEU-Rat diesen Aspekt
in seiner Erklärung von Porto erwähnt hat.
Ich möchte daher heute wiederholen, was ich dem WEU-
Rat in Porto gesagt habe: Die WEU hat eine wertvolle
Erbschaft in den Händen und der Rat muss dafür sorgen,
dass bei der Übertragung von Aufgaben der WEU auf die
Europäischen Union nicht wesentliche Bestandteile die-
ser Erbschaft verloren gehen. Dazu gehört auch der Ac-
quis der assoziierten Mitglieder und der assoziierten Part-
nerstaaten in der Westeuropäischen Union. Wir begrüßen
und erwarten daher ausdrücklich Anstrengungen der Eu-
ropäischen Union, diesen Staaten keine geringeren Betei-
ligungsrechte an der gemeinsamen Europäischen Sicher-
heits- und Verteidigungspolitik einzuräumen, als das
bisher in der WEU der Fall war. Die Entscheidungsfähig-
keit und -befugnis der EU-Staaten in der gemeinsamen
Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik wird
dadurch weder infrage gestellt noch beeinträchtigt. Die
gemeinsame Sicherheit in Europa würde aber beeinträch-
tigt, wenn sie dem Respekt des institutionellen Rahmens
der EU zu streng untergeordnet würde.
Während die Regierungen der Europäischen Union sich
bald darüber einig werden müssen, ob Änderungen des
EU-Vertrages notwendig sind, um die Ziele von Helsinki
zu verwirklichen, erwarten wir vom WEU-Rat baldige
Entscheidungen über die Frage, welche Restfunktionen
die WEU abgesehen von ihrer Aufgabe der Wahrung des
Artikels V des geänderten Brüsseler Vertrages behalten
soll. Nicht zuletzt erwarten wir von der Regierung klare
Regelungen, die sicherstellen, dass die gemeinsame
Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik eine
europäische parlamentarische Dimension erhält, die
ihrem intergouvernementalen Charakter und dem europä-
ischen Demokratieverständnis entspricht. Darauf legen
wir ganz besonderen Wert.
Auf der Grundlage der Berichte und Empfehlungen, die
diese Woche auf der Tagesordnung stehen, leistet die Ver-
sammlung wichtige Beiträge zu diesen Themen der aktu-
ellen sicherheitspolitischen Debatte und wird den Regie-
rungen eine Reihe konkreter Vorschläge unterbreiten. Die
zuständigen Ausschüsse haben hierzu eine Reihe von
hoch qualifizierten Berichten ausgearbeitet. Zwei von ih-
nen, die Berichte der Kollegen de Puig und Martinez
Casañ, werden heute im Mittelpunkt der Debatten stehen.
Seit Beginn dieses Jahres hat sich unsere Versammlung
durch enge Kontakte mit der Präsidentschaft, dem Ständi-
gen Rat, mit der NATO, der Europäischen Union und mit
den Regierungen der Mitglieder aktiv in die sicherheits-
politische Debatte eingeschaltet. Nachdem die portu-
giesische Präsidentschaft ihr Arbeitsprogramm dem
Präsidialausschuss und dem Politischen und Verteidi-
gungsausschuss Mitte Januar vorgestellt hatte, habe ich
Mitte Februar eine eingehende Aussprache mit dem Stän-

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 15 – Drucksache 14/6705

digen Rat und dem Generalsekretär Solana in Brüssel ge-
führt. Ebenfalls im Februar haben mehrere Ausschüsse an
den parlamentarischen Kolloquien in Oslo über den
zukünftigen Status der assoziierten Mitglieder teilgenom-
men. Weiter habe ich die Gelegenheit wahrgenommen,
anlässlich des traditionellen Besuches von Ausschüssen
der Versammlung beim Ständigen NATO-Rat Gespräche
mit dem NATO-Generalsekretär Lord Robertson und den
NATO-Botschaftern zu führen.
Bei zahlreichen Begegnungen mit den Ratsvertretern der
WEU und der NATO kam immer wieder der Wunsch der
Regierungsvertreter zum Ausdruck, die Versammlung
solle eigene Vorschläge über die zukünftige parlamentari-
sche Dimension der Europäischen Sicherheits- und Ver-
teidigungspolitik vorlegen. Die Versammlung hat dieser
Aufgabe eine Sondersitzung gewidmet, die am 20. März
dieses Jahres unter großer Beteiligung von Ausschussvor-
sitzenden der nationalen Parlamente und von Vertretern
des Europäischen Parlamentes in Lissabon stattfand.
Auch viele von Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen,
haben daran teilgenommen. Nach eingehender Ausspra-
che wurden auf dieser Sitzung der Behrendt-Bericht und
die Initiative von Lissabon verabschiedet. Ich hatte Gele-
genheit, diese Initiative noch am gleichen Tag dem portu-
giesischen Premierminister und amtierenden Ratspräsi-
denten, Herrn Guterres, vorzustellen. Dieser hat mir
damals versprochen, diese Initiative seinerseits seinen
Kollegen im Rat vorzustellen.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich der portugiesischen
Präsidentschaft noch einmal sehr herzlich für ihr außeror-
dentlichen Engagement danken. Sie hat die Versammlung
über die Entwicklung regelmäßig unterrichtet. So hatten
wir zweimal, am 18. April und am 18. Mai, die Möglich-
keit, eingehend mit Außenminister da Gama und Verteidi-
gungsminister Caldas zu diskutieren.
Am 16. Mai schließlich hatte ich Gelegenheit, zu den
Ministern und Regierungsvertretern aller 28 WEU-Staa-
ten anlässlich der Tagung des WEU-Ministerrats in Porto
zu sprechen. Darüber hinaus gab es im Mai ein Zusam-
mentreffen des Präsidialausschusses mit dem Ständigen
WEU-Rat in Brüssel, auf dem die Vertreter der Versamm-
lung den Ratsvertretern die Initiative von Lissabon noch
einmal erläutert haben. Auch meinen Antrittsbesuch in
Frankreich, das bekanntlich ab dem 1. Juli die Doppel-
präsidentschaft in der EU und der WEU übernimmt, habe
ich genutzt, um für die Vorschläge der Versammlung zu
werben.
Wir werden der Verwirklichung der Initiative von Lissa-
bon an diesem Mittwoch eine ganztägige Debatte wid-
men, die mit der Zustimmung zur Einsetzung eines Len-
kungsausschusses zur Vorbereitung des Ausbaus der
WEU-Versammlung zur Europäischen Versammlung für
Sicherheit und Verteidigung abgeschlossen werden soll.
Am Donnerstag soll dann die konstituierende Sitzung des
Lenkungsausschusses hier in Paris stattfinden. Außerdem
werde ich Sie am Mittwoch bitten, der vom Präsidialaus-
schuss einstimmig beschlossenen Hinzufügung der
Bezeichnung „Interims-Versammlung für Sicherheit und

Verteidigung“ zu dem bleibenden traditionellen Namen
der Versammlung zuzustimmen.
Um die Aktivitäten der Westeuropäischen Union, die die
Europäische Union zukünftig ausüben wird, auch in Zu-
kunft wie bisher durch ein kollektives, aus nationalen Par-
lamentariern bestehendes demokratisches Organ auf eu-
ropäischer Ebene parlamentarisch begleiten zu können,
brauchen wir nicht nur die Legitimation durch die Regie-
rungen, die die nötigen rechtsgültigen Regelungen in der
geeigneten Form treffen müssen, sondern auch die Unter-
stützung der Parlamente und der dort vertretenen politi-
schen Parteien. Ich habe deshalb auf der Konferenz der
Präsidenten der europäischen Parlamentarischen Ver-
sammlung Anfang Mai in Straßburg für diese Unterstüt-
zung geworben und bin durch das positive Echo doch sehr
ermutigt.
Ich habe unsere Initiative auch in den zuständigen Aus-
schüssen meiner eigenen Partei im Bundestag in Berlin
erläutert und der Kollege Schloten hat eine entsprechende
Initiative in den Ausschüssen seiner Partei unternommen.
Ich sage das deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen,
weil ich meine Bitte an Sie wiederholen möchte, in Ihren
nationalen Parlamenten, in Ihren nationalen Fraktionen
für diese Initiative zu werben. Denn der wichtigste Weg
der Unterstützung, den wir uns überhaupt vorstellen kön-
nen, ist die parlamentarische Unterstützung aus den Rei-
hen der nationalen Parlamente, denen Sie angehören.
Erlauben Sie mir noch einige abschließende Bemerkun-
gen, die mir sehr wichtig erscheinen. Erstens: Unsere Ini-
tiative hat nicht zum Ziel, eine Revolution in Gang zu set-
zen, sondern ist die notwendige Folge dessen, dass es die
Regierungen bisher versäumt haben, sich Gedanken über
die parlamentarische Dimension einer gemeinsamen Eu-
ropäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu ma-
chen. Hier stelle ich ein parlamentarisches Defizit fest. Wir
fordern daher alle Regierungen auf, für diese Dimension
die notwendige rechtliche Basis zu schaffen.
Zweitens: Das Europäische Parlament und die NATO-
Parlamentarierversammlung leisten wichtige Beiträge zur
europäischen und atlantischen sicherheitspolitischen De-
batte. Aber es wäre ein verhängnisvoller Irrtum, einer
kürzlich in Budapest geäußerten Meinung zu folgen, wo-
nach beide zusammen die parlamentarische Dimension
der ESVP, also der gemeinsamen Europäischen Sicher-
heits- und Verteidigungspolitik, verkörpern könnten und
damit nicht nur die WEU-Versammlung, sondern auch die
Initiative von Lissabon überflüssig machten.
Das Europäische Parlament kann nicht für Beitrittskandi-
daten und europäische NATO-Staaten sprechen. Die Ver-
treter dieser Länder aber sitzen in dieser Versammlung
und diskutieren mit uns seit Jahren gemeinsam auf dieser
großen europäischen Ebene die Fragen der Europäischen
Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Auch die NATO-
Parlamentarierversammlung ist kein geeignetes Gre-
mium, um spezifisch Europäische Sicherheits- und Ver-
teidigungspolitik parlamentarisch zu begleiten.
Daher meine letzte Bemerkung: Wir brauchen eine parla-
mentarische Versammlung, die europäisch ist und gleich-

Drucksache 14/6705 – 16 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

zeitig niemanden in Europa ausschließt. Das halte ich für
ganz wichtig. Wenn wir in der Versammlung solidarisch
handeln und alle mit der gleichen Intensität für unsere Sa-
che eintreten, wird unsere Initiative Erfolg haben. Ich
möchte daher an alle eindringlich die Bitte richten, ge-
meinsam an diesem Ziel und für dieses Ziel zu arbeiten.
In diesem Sinne wünsche ich uns allen eine angenehme,
aber auch politisch effiziente und politisch fruchtbare Wo-
che. – Ich danke Ihnen sehr für Ihre Aufmerksamkeit.

Tagesordnungspunkt
Die Konsequenzen der Übertragung
bestimmter Funktionen der WEU

auf die Europäische Union – Antwort auf den
Jahresbericht des Rates

(Drucksache 1689)
Berichterstatter:

Lluis Maria de Puig (Spanien)
Empfehlung 666

betr. die Konsequenzen der Übertragung
bestimmter Funktionen der WEU auf die Euro-
päische Union – Antwort auf den Jahresbericht

des Rates
Die Versammlung,
(i) mit Dank an den Rat für die rasche Übermittlung

des zweiten Teils seines 45. Jahresberichtes und die
ausführlichen darin enthaltenen Informationen;

(ii) feststellend, dass sich der informelle Reflexions-
prozess des Rates über die Sicherheit und Vertei-
digung in Europa mit der Vorbereitung auf das Ver-
mächtnis und die Probleme der WEU befasst, die
im Zusammenhang mit der Übernahme jener
WEU-Funktionen stehen, die die Europäische
Union für notwendig hält zur Wahrnehmung ihrer
Aufgaben im Krisenbewältigungsbereich, dass je-
doch die parlamentarische Dimension nicht
Bestandteil dieses Prozesses ist;

(iii) sich dessen bewusst, dass der Rat und die Ver-
sammlung weiterhin so lange bestehen werden,
wie der geänderte Brüsseler Vertrag in Kraft bleibt,
und dass beide die Hauptverantwortung für die
Anwendung des Vertrages tragen;

(iv) den Rat dennoch daran erinnernd, dass der geän-
derte Brüsseler Vertrag ihm Aufgaben überträgt im
Hinblick auf die Förderung der stufenweisen Inte-
gration Europas und der Zusammenarbeit mit an-
deren europäischen Organisationen und dass der
Vertrag über die Europäische Union, in dem fest-
gelegt wird, dass die WEU integraler Bestandteil
der Entwicklung der Europäischen Union ist, ihm
weitere Aufgaben in Bezug auf die Europäische
Union überträgt;

(v) unter Hinweis darauf, dass die parlamentarische
Dimension der Europäischen Sicherheit und Ver-
teidigung Teil des Vermächtnisses der WEU ist

und dass der Rat die Zuständigkeit im Hinblick auf
die Garantie der Kontinuität dieser Dimension
übernehmen muss;

(vi) unter Hervorhebung der grundlegenden Bedeu-
tung der Zuständigkeit der WEU, die darin besteht
sicherzustellen, dass die Herbeiführung einer di-
rekten Zusammenarbeit zwischen der Europä-
ischen Union und der NATO erfolgreich abge-
schlossen werden kann, sobald die WEU aufgehört
hat, ihre führende Rolle zwischen der Europä-
ischen Union und der NATO zu spielen;

(vii) ferner die Notwendigkeit hervorhebend, dass der
Rat umgehend klarstellen sollte, was aus jenen
WEU-Aufgabenwerden soll, die nicht auf dieEuro-
päische Union übertragen werden, und welche Fol-
gendaraus fürdieWEUalsOrganisationresultieren;

(viii) geleitet von dem nachdrücklichen Wunsch, dass
die WEU, deren wesentliche Erfolge seit ihrer Re-
aktivierung die Grundlagen für die Initiativen leg-
ten, die zu den Beschlüssen von Köln und Helsinki
führten, alles in ihren Kräften Stehende tun sollte,
um den Erfolg der Projekte zu fördern, die ab jetzt
bis zum Ende des Jahres 2000 abgeschlossen wer-
den sollten;

(ix) mit Genugtuung über die auf dem Gipfel in Hel-
sinki verabschiedete Erklärung, in der bekräftigt
wird, dass die Europäische Union anerkennt, dass
die Hauptverantwortung für dieAufrechterhaltung
desWeltfriedens und der internationalen Sicherheit
beim Sicherheitsrat der Vereinten Nationen liegt,

empfiehlt dem Rat,
1. die für die WEU notwendigen Maßnahmen zu er-

greifen, um sicherzustellen, dass die in Artikel V
des geänderten Brüsseler Vertrags festgelegte Ver-
pflichtung der kollektiven Verteidigung wirksam
aufrechterhalten wird unter Berücksichtigung der
jüngsten Beschlüsse bezüglich der Europäischen
Sicherheits- und Verteidigungspolitik;

2. seinen Prozess der informellen Überlegungen über
Sicherheit und Verteidigung in Europa fortzuset-
zen und die parlamentarische Dimension mit
einzubeziehen auf der Grundlage der in der Emp-
fehlung 664 der Versammlung enthaltenen Vor-
schläge;

3. der Europäischen Union vorzuschlagen, auf der
Grundlage der von der portugiesischen Präsident-
schaft geleisteten Arbeit und der gemeinsam von
Großbritannien und Frankreich vorgelegten Vor-
schläge, ein Konsultationsgremium für die
GESVP einzurichten, in dem die Mitgliedstaaten
der Europäischen Union, die Kandidaten für einen
Beitritt zur Europäischen Union und die europä-
ischen Mitgliedstaaten der NATO, die nicht der
EU angehören, zusammenkommen und welches
sich mindestens zweimal jährlich auf Minister-
ebene trifft;

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 17 – Drucksache 14/6705

4. sicherzustellen – unter Wahrung der Beschlussfas-
sungsautonomie der Europäischen Union – dass die
Delegationen der europäischen Mitgliedstaaten der
NATO, die nicht der EU angehören, und die der
Kandidaten für einen Beitritt zur EU, Beteiligungs-
rechte in dem Konsultationsgremium für die
GESVP haben, die zumindest jenen entsprechen,
die sie in der WEU-Versammlung als assoziierte
Mitglieder und assoziierte Partner erworben haben;

5. dem Europäischen Rat vorzuschlagen, dass die Eu-
ropäische Union ein Protokoll unterzeichnet, das
dem Vertrag über die Europäische Union als An-
hang beigefügt wird und in dem gefordert wird,
dass das Konsultationsforum für die GESVP – un-
beschadet der Bestimmungen von Artikel 4 und
Artikel 21 – der Europäischen Sicherheits- und
Verteidigungsversammlung (ESVV), die sich aus
Vertretern der 15 Parlamente der Unterzeichner-
staaten des Vertrags über die Europäische Union,
Vertretern der 15 Parlamente der Kandidaten für ei-
nen Beitritt zur EU und den europäischen Mitglie-
dern der NATO, die nicht der EU angehören, sowie
Vertretern des Europäischen Parlaments zusam-
mensetzt, einen jährlichen Bericht über jene seiner
Aktivitäten im Rahmen der GASP vorlegt, welche
verteidigungsrelevante Auswirkungen haben;

6. sicherzustellen, dass die Delegationen der europä-
ischen Mitgliedstaaten der NATO, die nicht der
EU angehören, und die der Kandidaten für einen
Beitritt zur EU Beteiligungsrechte in der Europä-
ischen Sicherheits- und Verteidigungsversamm-
lung haben, die zumindest jenen entsprechen, die
sie in der WEU-Versammlung als assoziierte Mit-
glieder und assoziierte Partner erworben haben;

7. das Notwendige zu tun, um sicherzustellen, dass
die WEU während der Übergangsphase in der
Lage ist, wirksamer auf alle Anforderungen der
Union hinsichtlich der Weiterentwicklung und
Umsetzung von Maßnahmen der Union zu reagie-
ren und dabei so weit wie möglich vorausschauend
tätig zu werden;

8. die Europäische Union bei der Gestaltung ihres
„Planziels“ der Aufstellung und Aufrechterhaltung
einer europäischen Streitkraft zu unterstützen, die
in der Lage ist, die gesamte Bandbreite der Peters-
berg-Aufgaben auszuführen auf der Grundlage der
von der WEU geleisteten Arbeit, insbesondere in
Bezug auf die illustrativen Profile der Petersberg-
Aufgaben;

9. der Öffentlichkeit und den politischen Stellen in
den Mitgliedstaaten bewusst zu machen, dass zu-
sätzliche Finanzmittel notwendig sind zur Ver-
wirklichung des „Planziels“, um insbesondere zu
garantieren, dass die besagte europäische Streit-
kraft militärisch eigenständig ist und über die not-
wendige Fähigkeit verfügt, die vorgeschlagenen
Aufgaben durchzuführen;

10. sicherzustellen, dass die von der WEU derzeit aus-
geübte Funktion als ein grundlegendes Element
der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungs-
identität (ESVI) innerhalb des Atlantischen
Bündnisses in Zukunft von der GESVP der Euro-
päischen Union ausgeübt wird;

11. Anstrengungen zur Schaffung flexibler Formen ei-
ner engeren Zusammenarbeit im Rahmen der
GASP und der GESVP (Gemeinsame Europäische
Sicherheits- und Verteidigungspolitik) zu unter-
stützen, die nicht strikt auf die Mitgliedstaaten der
Europäischen Union begrenzt sind;

12. Vorschläge zu unterstützen, die darauf abzielen,
dass der Generalsekretär der WEU und Hohe
Repräsentant für die GASP den Vorsitz über das
PSC und die zivilen Krisenbewältigungsmecha-
nismen übernimmt und ihm Befugnisse zu über-
tragen, den Rat der Europäischen Union im Notfall
einzuberufen;

13. der Europäischen Union vorzuschlagen, dass sie
ihr Verhältnis zur NATO auf eine Bestimmung des
Vertrags über die Europäische Union stützt, wel-
che vergleichbar ist mit der in Artikel IV des geän-
derten Brüsseler Vertrags;

14. eine ausführliche Evaluierung seiner Erfahrungen
im Bereich der Krisenbewältigung auszuarbeiten
und diese der Europäischen Union zu übermitteln
und ihr vorzuschlagen, dass sie ihre neuen Zustän-
digkeiten in diesem Bereich auf eine neue Bestim-
mung des Vertrags über die Europäische Union
unter Berücksichtigung von Artikel VIII. 3 des
geänderten Brüsseler Vertrags stützt;

15. die Europäische Union bei der Koordinierung der
zivilen und militärischen Krisenbewältigung zu
unterstützen unter Nutzung des CIMIC-Konzepts
als Grundlage und die Versammlung über dieses
Konzept zu informieren;

16. eine Bestandsaufnahme jener Bereiche des geän-
derten Brüsseler Vertrags, welche nicht auf die Eu-
ropäische Union übertragen werden und eine Un-
tersuchung über die daraus resultierenden Folgen
für die WEU als Organisation vorzunehmen;

17. der Versammlung einen Hinweis auf die Auswir-
kungen zu geben, welche die Übertragung be-
stimmter Funktionen der WEU auf die EU auf den
vom Rat der Versammlung gemäß Artikel IX des
geänderten Brüsseler Vertrags vorzulegenden Jah-
resbericht haben wird;

18. dieAktivitätendesSatellitenzentrumsinTorrejónzu
verstärkenundauszuweitenunterBerücksichtigung
allerAuswirkungen seiner Übertragung auf die Eu-
ropäische Union, einschließlich der Tatsache, dass
es ineinerZusammensetzungvon16Ländernarbei-
tet, und die Versammlung über seine Schlussfolge-
rungen zu informieren, bevor irgendeine Entschei-
dung über eine solcheÜbertragung getroffenwird;

Drucksache 14/6705 – 18 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

19. sicherzustellen, dass das Institut der WEU für
Sicherheitsstudien seine Arbeit im Dienste der
WEU und der Europäischen Union fortsetzen
kann;

20. ab sofort den Nationalen Rüstungsdirektoren, der
WEAG (Westeuropäische Rüstungsgruppe) und
der WEAO (Westeuropäische Rüstungsorganisa-
tion), in Bezug auf welche der Rat beschlossen hat,
dass sie vorerst der WEU unterstellt bleiben, kon-
kretere Orientierungen und positivere politische
Anstöße zu geben, um auf diese Weise die europä-
ische Zusammenarbeit in dieser Hinsicht zu ver-
stärken und die Versammlung zu konsultieren, be-
vor irgendwelche Beschlüsse in dieser Hinsicht
über die zukünftigen Aufgaben und den institutio-
nellen Rahmen dieser Organisationen getroffen
werden;

21. einen Beschluss über die Zukunft des Transatlan-
tischen Forums zu treffen und dabei sicherzustel-
len, dass die Europäische Union in der Lage ist,
den Acquis des Forums zu nutzen, um sie dabei zu
unterstützen, ihre Zusammenarbeit mit den trans-
atlantischen Verbündeten zu organisieren;

22. sicherzustellen, dass alle Gremien der WEU für
eine bestimmte Zeit ihren Dialog mit Russland und
der Ukraine fortsetzen und zu prüfen, wie der
durch diesen Dialog entstandene Acquis erhalten
werden kann, falls er auf die Europäische Union
übertragen wird, unter Berücksichtigung insbe-
sondere der Notwendigkeit einer Kontinuität der
offiziellen Beziehungen, welche die Versammlung
der WEU mit beiden Kammern des russischen Par-
lamentes hergestellt hat;

23. seinen Dialog mit den südlichen Mittelmeerstaaten
fortzuführen und die Versammlung zu konsultie-
ren, bevor irgendein Beschluss über die Zukunft
dieses Dialogs getroffen wird;

24. sich jeder Lösung zu widersetzen, die innerhalb
des Rahmens der Europäischen Union ausgearbei-
tet wird und darauf abzielt, die Mitwirkungsrechte
der assoziierten Mitglieder und assoziierten Part-
ner bei Missionen, deren Umsetzung auf die Euro-
päische Union übertragen werden soll, zu verrin-
gern;

25. die Beobachterstaaten zu ermutigen, sich uneinge-
schränkt auf alle Aspekte der Europäischen Si-
cherheits- und Verteidigungspolitik zu verpflich-
ten und ihre Parlamente einzuladen, vollständige
Delegationen zu den Treffen und Teilsitzungen der
Versammlung zu entsenden, da diese sie in ihrer
Richtlinie 112 hierzu eingeladen hat;

26. dem Rat der Europäischen Union „Allgemeine An-
gelegenheiten“ vorzuschlagen, dass er schnellst-
möglich eine gemeinsame Sitzung mit dem Präsi-
dialausschuss der Versammlung veranstaltet.

Tagesordnungspunkt
Die assoziierten Mitglieder der WEU und die
neue europäische Sicherheitsarchitektur

(Drucksache 1690)
Berichterstatter:

Guillermo Martinez Casañ (Spanien)
Koberichterstatter:

Franciszek Adamczyk (Polen)
Wolfgang Behrendt (SPD) – Vielen Dank, Herr Präsi-
dent. Ich möchte zunächst einmal den Berichterstattern
Dank sagen für diese beiden sehr fundierten Berichte und
Ihnen dazu gratulieren. Sie haben damit, glaube ich, eine
sehr gute Grundlage für unsere Debatte und für entspre-
chende Schlussfolgerungen gelegt.
Das Studium der beiden vorliegenden Berichte macht ei-
nes nochmals deutlich: Europa ist im Bereich der Verteidi-
gungspolitik an einem Scheideweg angelangt. Problema-
tisch ist dabei, dass es sich nicht um eine Gabelkreuzung
handelt, sondern um einen Kreisverkehr mit zahlreichen
Ausfahrmöglichkeiten. Es reicht nicht mehr aus, im Kreis
herumzufahren und sich gegenseitig darüber in Kenntnis
zu setzen, dass es verschiedene Möglichkeiten der Aus-
fahrten gibt. Vielmehr muss jetzt eine eindeutige Rich-
tungsentscheidung getroffen werden.
Ich bin dem Kollegen de Puig sehr dankbar, dass er in sei-
nem Bericht ganz konkrete Fragen aufgeworfen hat. Fol-
gende Punkte scheinen mir dabei besonders wichtig zu
sein: Welche Rolle strebt Europa im Bereich der Krisen-
bewältigung und Krisenprävention an? Wird die Bei-
standsverpflichtung der WEU durch ein Protokoll im An-
hang zum EU-Vertrag mittel- oder langfristig in die EU
übernommen? Sollen oder müssen geographische Gren-
zen für eine Intervention Europas im Krisenfall festgelegt
werden? Auf welche Kriterien sollte sich ein Beschluss, in
einen Konflikt einzugreifen, stützen? Und vor allem: Wel-
che Staaten werden sich an diesem Entscheidungsprozess
beteiligen, und in welchem Maße werden sie dies tun?
Ich möchte zuerst auf die Frage nach der zukünftigen
Rolle Europas eingehen. Die Europäische Sicherheits-
und Verteidigungspolitik will kein Konkurrenzunterneh-
men zur NATO sein. Ich glaube, darüber sind wir uns alle
im Klaren. Die Zeiten aber, in denen Konflikte in ihrer
Gesamtauswirkung geographisch eingegrenzt waren, sind
vorbei. Insofern meine ich, dass es in eine falsche Rich-
tung lenken würde, wenn man die Konzentration Europas
auf den europäischen Kontinent in einem hierarchischen
Verhältnis zu der in der Kölner Erklärung formulierten
Zielsetzung sehen würde, dass Europa eine umfassende
Rolle auf der internationalen Bühne spielen wird. Das
Zweite wird durch das Erste, denke ich, bedingt.
Damit kommen wir zu einer weiteren entscheidenden
Frage: Wo verlaufen die Grenzen für ein sicherheitspoliti-
sches Eingreifen Europas? Wenn wir von Krisenbewälti-
gung in Europa sprechen, legen wir dann das Territorium
der 41 Mitgliedstaaten des Europarates zugrunde oder das
der 15 EU-Mitglieder? Oder ist Europa das Gebiet der EU-
Mitgliedstaaten und der Beitrittskandidaten? Ist es über-

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 19 – Drucksache 14/6705

haupt möglich, von vornherein eine derartige Abgrenzung
vorzunehmen, oder muss die Entscheidung über ein mög-
liches Eingreifen in einen Konflikt von Fall zu Fall gefällt
werden? Ich bin der Auffassung, dass für eigenständige In-
terventionen der Europäischen Union eine derartige Fest-
legung auf einen geographischen Raum nötig ist.
Ebenso glaube ich, dass die Übernahme der Beistands-
verpflichtung der WEU gemäß Artikel V in ein Protokoll
im Anhang zum EU-Vertrag mittel- oder langfristig un-
umgänglich ist, wobei die Möglichkeit der derzeitigen
Beobachterstaaten der WEU, dieses Protokoll nicht zu un-
terzeichnen, gewährleistet bleiben kann und muss.
Der deutsche Außenminister hat vor wenigen Wochen das
Bild eines Europas gezeichnet, in dem einige Staaten mit
einem stärkeren Integrationswillen und einer entspre-
chenden Fähigkeit ein Gravitationszentrum bilden.
Gleichzeitig betonte er die Anziehungskraft und Offen-
heit, die dieses Gravitationszentrum auf andere Mitglied-
staaten der Europäischen Union haben müsse. Auch in
der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik
scheint mir ein solches Szenario denkbar, indem mögli-
cherweise die zehn Vollmitglieder der WEU einen Kern
von Staaten bilden, die sich zum gegenseitigen Beistand
gemäß dem derzeitigen Artikel V des geänderten Brüsse-
ler Vertrages verpflichten. Der Beitritt zu diesem Proto-
koll sollte allen Beobachtern, assoziierten Mitgliedern
und Partnern offen stehen.
In den Erklärungen von Köln, Helsinki und Porto zeich-
net sich die Auseinandersetzung sowohl mit der parla-
mentarischen Dimension der Europäischen Sicherheits-
und Verteidigungspolitik als auch mit den Modalitäten ei-
ner Mitwirkung der assoziierten Mitglieder und Partner
durch besonders vage Formulierungen aus. Wir haben
dies im Zusammenhang mit der Erklärung von Porto im
besonderen Maße schon diskutiert und auch kritisiert. Es
ist sehr zu begrüßen, dass die Europäische Union nun die
Absicht erklärt hat, diese Mitwirkung durch ein multila-
terales Abkommen festzulegen, vor allem vor dem Hin-
tergrund dessen, dass die Interimsstrukturen in der EU be-
reits seit dem 1. März bestehen, der Beteiligungsumfang
der assoziierten Mitglieder und Partner aber bis heute un-
geklärt geblieben ist.
Zweifellos macht diese Zögerlichkeit auch nachdenklich.
Denn mit dem Hinauszögern der praktischen Definition
einer Beteiligung der Nicht-EU-Mitglieder an der ESVP
erhebt sich die Frage, ob eine enge Einbindung dieser
Staaten wirklich gewollt ist. Dem sollten wir ein eindeu-
tiges Bekenntnis zur Beteiligung der assoziierten Mitglie-
der und Partner entgegensetzen. Befürchtungen jeden-
falls, eine zu große Zahl von Beteiligten würde den
Entscheidungsprozess zu schwerfällig machen, werden
durch die guten Erfahrungen, die wir in der WEU im
Bereich der sicherheitspolitischen Zusammenarbeit in
Europa gemacht haben, wiederlegt. An diesem positiven
Beispiel sollte man sich auch in Zukunft orientieren. Wir
alle sollten darauf hinarbeiten, dass damit unsere Vorstel-
lungen und unsere praktischen Erfahrungen auch in die
zukünftige Sicherheits- und Verteidigungspolitik inte-
griert werden.

Erich Maaß (Wilhelmshaven) (CDU/CSU) – Herr Prä-
sident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mei-
nen Dank an die beiden Berichterstatter richten, die durch
ihren Bericht heute dokumentiert haben, dass wir auf eine
Fülle von Fragen, die wir zu stellen bereit waren, auch
Antworten wissen.
Bezug nehmend auf meinen Vorredner: Es ist nicht nur
eine Frage des Selbstwertgefühls, wenn wir angesichts
unserer Arbeit, die wir seit 45 Jahren leisten, sagen:
Freunde, hier kann etwas nicht unter Preis abgegeben
werden. – Wir müssen hier unsere Vorstellungen vom
Brückenschlag von den heimischen Parlamenten hin zur
Europäischen Union deutlich machen. Lassen Sie mich
auf einige Punkte ganz kurz eingehen, die für mich die
Grundvoraussetzung für einen Schritt nach vorn sind, so-
dass es nicht zu einem Rückschritt kommt.
Erster Punkt: Ich bin der Auffassung, dass die parlamen-
tarische Betreuung des gesamten Prozesses auch in Zu-
kunft gewährleistet sein muss. Wir müssen eine politische
Vorstellung darüber entwickeln, wie denn der Artikel V
des geänderten Brüsseler Vertrages die Verpflichtung zur
kollektiven Verteidigung festlegt. Es darf in der Über-
gangsphase zu keiner Irritation kommen, die die Arbeit
des Bündnisses in Frage stellen würde. Außerdem müssen
Anstrengungen unternommen werden – hier müssen wir
unseren Einfluss geltend machen –, dass die Europäische
Union eine sinnvolle Kooperation mit der NATO hin-
sichtlich der Erfüllung der von der WEU zu übernehmen-
den Aufgaben gewährleistet.
Zweiter Punkt: Natürlich überlegen die nationalen Parla-
mente in einer Phase der Umstrukturierung, dass erhebli-
che Einsparungen erfolgen müssen. Umstrukturierungen
erfordern in der Regel mehr Geld. Schauen Sie sich bitte
an, wo auch in Ihren heimischen Parlamenten der Rotstift
regiert!
Dritter Punkt: Das Selbstverständnis unserer Arbeit muss
deutlich werden. Wir dürfen es einfach nicht zulassen,
dass Mitwirkungsrechte unserer assoziierten Mitglieder
und Partner beschnitten werden. Ein Unterschreiten die-
ses Status quo würde Rückschritt bedeuten.
Lassen Sie mich zum Schluss eine kurze persönliche An-
merkung machen. Wir haben es in der Hand, richtige
Signale auszusenden. Ich mag es nicht so gerne, wenn wir
von Interim sprechen. Ich mag es auch nicht so gerne,
wenn wir von Rumpf-WEU oder Rest-WEU sprechen.
Ich glaube, wir haben ein sehr gut entwickeltes Selbst-
bewusstsein, sodass wir deutlich unsere Forderungen ar-
tikulieren und auch durchsetzen können. Ich wünsche uns
viel Glück dabei.

Empfehlung 665
betr. die assoziierten Mitglieder der WEU und
die neue europäische Sicherheitsarchitektur

Die Versammlung,
(i) sich der entscheidenden Bedeutung bewusst, wel-

che den assoziierten Mitgliedstaaten der WEU im
Hinblick auf Frieden und Sicherheit in Europa zu-
kommt;

Drucksache 14/6705 – 20 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

(ii) unter Berücksichtigung der zentralen Rolle der as-
soziierten Mitglieder in allen WEU-Institutionen
seit der Schaffung des Status der assoziierten Mit-
gliedschaft;

(iii) mit Genugtuung über die erklärte Bereitschaft der
sechs betroffenen Staaten, weiterhin einen Beitrag
zur europäischen Verteidigung durch ihre neuen
Institutionen zu leisten;

(iv) jedoch mit Besorgnis feststellend, dass weder die
Treffen des Europäischen Rats in Köln noch in
Helsinki eine klare Antwort auf die Frage der an-
gemessenen Form der Beteiligung der assoziierten
Mitglieder an der neuen Gemeinsamen Europä-
ischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik gege-
ben haben;

(v) unter Hinweis auf den Beschluss 23, der auf der
Sondersitzung der Versammlung in Lissabon ver-
abschiedet wurde;

(vi) mit Besorgnis feststellend, dass der Umfang der
Beteiligung der assoziierten Mitglieder in der
GESVP möglicherweise nicht dem entsprechen
wird, der ihnen derzeit in der WEU angeboten
wird, angesichts der Tatsache, dass der Europä-
ische Rat in Helsinki bekräftigte, dass eine derar-
tige Beteiligung „unter Wahrung der Beschlussfas-
sungsautonomie der Union“ erfolgen werde.

(vii) daher mit Besorgnis feststellend, dass die assozi-
ierten Mitglieder nur für den Fall konsultiert wer-
den, dass NATO-Mittel genutzt werden oder nur
soweit ihre eigenen nationalen Streitkräfte bei
Friedensoperationen beteiligt sein werden, wäh-
rend ihre derzeitige Beteiligung in der WEU der
von Vollmitgliedern gleichkommt;

(viii) mit Besorgnis feststellend, dass der Europäische
Rat – entgegen dem Geist des Vertrags von Am-
sterdam – nicht länger plant, den Acquis der WEU
in seiner Gesamtheit zu übernehmen, einschließ-
lich der Beteiligung der assoziierten Mitglieder,
und beabsichtigt, nur die operationellen Aspekte in
die ESVP zu übernehmen;

(ix) seine Beunruhigung darüber zum Ausdruck brin-
gend, dass die WEU-Strukturen – soweit sie nicht
in ihrer Gesamtheit in allernächster Zeit in die Eu-
ropäische Union übernommen und die assoziierten
Mitglieder nicht in den vorläufigen ESVP-Gre-
mien vertreten sein werden – in ihrer Fähigkeit,
eine kontinuierliche Rolle bei der europäischen
Verteidigung zu spielen, gefährdet werden können,

empfiehlt dem Rat,
1. sich zu bemühen, für die assoziierten Mitglieder

Beteiligungsrechte bei der neuen Sicherheits- und
Verteidigungsarchitektur sicherzustellen, die min-
destens jenen gleichkommen, die sie derzeit in der
WEU genießen;

2. eine globale Vereinbarung mit der Gruppe der
sechs betroffenen Staaten anzuregen, die darauf
hinausläuft, dass ihre Rechte und Pflichten in einer

eindeutigen und einheitlichen Art und Weise fest-
gelegt werden;

3. sicherzustellen, dass bei der Übertragung be-
stimmter WEU-Strukturen auf die EU die Beteili-
gung der assoziierten Mitglieder im derzeitigen
Umfang bestehen bleibt;

4. die Absicht der Versammlung zu unterstützen, so-
bald sie in eine vorläufige Sicherheits- und Vertei-
digungsversammlung umgewandelt sein wird, den
assoziierten Mitgliedern Beteiligungsrechte anzu-
bieten, die zumindest den derzeitigen Regelungen
entsprechen, in Übereinstimmung mit dem in Lis-
sabon getroffenen Beschluss;

5. die Übertragung eines der gegenwärtigen parla-
mentarischen Dimension der WEU entsprechen-
den Elementes auf den europäischen Sicherheits-
und Verteidigungsrahmen zu unterstützen in Über-
einstimmung mit dem von der Versammlung in
Lissabon getroffenen Beschluss 23;

6. die Beteiligung der assoziierten Mitglieder an der
Arbeit der im Rahmen der ESVP geschaffenen In-
terimsgremien sicherzustellen.

Ansprache des Generalsekretärs der West-
europäischen Union und des Hohen Repräsen-
tanten für die Gemeinsame Außen- und Sicher-
heitspolitik des Rates der Europäischen Union,

Javier Solana Madariaga (Spanien)
Dieter Schloten (SPD) – Herr Generalsekretär, die Reihen-
folge der Redner ist eine rein zeitliche. Deswegen bitte ich
um Nachsicht, dass ich ein ganz anderes Thema anspreche.
Wir beschäftigen uns in dieser Woche ja nicht nur mit
Themen, die die WEU selber betreffen, sondern auch mit
Themen, die darüber hinausgehen. Eines dieser Themen
wird voraussichtlich NMD sein, vielleicht schon morgen
Nachmittag, aber spätestens sehr gründlich in der nächs-
ten Tagung im Dezember.
Sie waren in Washington und haben dort die Bedenken der
Europäer vorgetragen. Nach dem Besuch des amerikani-
schen Präsidenten in Moskau hat sich möglicherweise
eine neue Entwicklung ergeben. Ist trotz der neuen Infor-
mationen aus Moskau Ihre Einschätzung zu NMD unver-
ändert geblieben oder enthält sie neue Elemente? Ist Ihre
Einschätzung bereits mit dem Ministerrat der WEU abge-
stimmt?

Tagesordnungspunkt
Beantragung einer Dringlichkeitsdebatte

(Drucksache 1702)
Wolfgang Behrendt (SPD) – Vielen Dank, Herr Vorsit-
zender. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, die-
ses Thema ist von so großer Bedeutung und hat so starke
Auswirkungen für Europa, dass wir nicht versäumen dür-
fen, dazu auch in dieser Versammlung Stellung zu nehmen.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 21 – Drucksache 14/6705

Wir wissen, dass hier von den Staaten eine sehr eindeutige
Meinung vertreten worden ist und sicherlich auch mit
guten Argumenten die unterschiedlichen Modelle disku-
tiert werden. Aber ich denke, es ist wichtig, dass wir hier
einen Appell an die Regierungen in Europa richten, dazu
Stellung zu nehmen. Denn nicht nur wir als Europäer sind
betroffen, sondern auch andere Teile der Welt. Das hat
auch Einfluss auf die Anstrengungen im Zusammenhang
mit dem Abrüstungsabkommen. Von daher möchte ich
dazu aufrufen und bitten, dieser Empfehlung zu folgen.
Dieter Schloten (SPD) – Herr Präsident! Liebe Kollegin-
nen und Kollegen! Es ist sicherlich richtig, dass es sich
hier um ein aktuelles Thema handelt, das nicht nur für die
Vereinigten Staaten, sondern auch für Europa, Russland
und China – also für die ganze Welt – äußerst wichtig ist.
Die Frage der Rüstung bzw. Abrüstung könnte einen
neuen Rüstungswettlauf in Gang setzen.
Der Verteidigungsausschuss wird sich sicherlich der Auf-
gabe gern unterziehen – auch wenn es zeitlich schwierig
sein wird –, morgen Vormittag in seiner Sitzung dazu eine
Stellungnahme zu erarbeiten. Mir als Vorsitzendem – ich
muss erwähnen, dass ich mich nicht mit dem Ausschuss
abstimmen konnte – wäre es lieber gewesen, wir hätten ei-
nen Bericht, eine Vorlage, und wir könnten die Ergebnisse
des Gipfeltreffens von Moskau mit einbeziehen. Diese
sind aber, wie der Generalsekretär vorhin auf meine Frage
gesagt hat, noch nicht bekannt.
Dennoch halte ich es für wichtig, dass sich diese Ver-
sammlung dazu äußert. Wir haben von dem Generalse-
kretär auch gehört, dass die Regierungen in der EU noch
keine gemeinsame Stellungnahme gefunden haben. Wir
sollten uns daher der Aufgabe unterziehen, die Regierun-
gen dazu zu drängen, eine gemeinsame Stellungnahme
abzugeben, damit die Europäische Union und die WEU
mit einer Stimme gegenüber den Amerikanern sprechen,
bei allen Schwierigkeiten aufgrund der kurzen Zeit.

Dienstag, 6. Juni 2000
Tagesordnungspunkt

revidierter Haushaltsentwurf der Versammlung
für das Jahr 2000 und Stellungnahme des Rates

(Drucksache 1693)
Berichterstatter und Vorsitzender des

Haushaltsausschusses:
Martínez Casañ (Spanien)

Tagesordnungspunkt
Stellungnahme zum Haushalt der ministeriellen
Organe der Westeuropäischen Union für das

Haushaltsjahr 2000
(Drucksache 1694)

Berichterstatter und Vorsitzender des
Haushaltsausschusses:

Martínez Casañ (Spanien)

Tagesordnungspunkt
Die neuen Aufgaben für europäische Streit-
kräfte und die notwendigen kollektiven Fähig-
keiten für die Umsetzung dieser Aufgaben:
Antwort auf den Jahresbericht des Rates

(Drucksache 1687)
Berichterstatter:

Sydney Rapson (Vereinigtes Königreich)
Benno Zierer (CDU/CSU) – Vielen Dank, Herr Präsi-
dent. – Meine Kolleginnen und Kollegen! Europa ist wirt-
schaftlich ein Riese, aber politisch ein Zwerg. Trotz er-
heblicher Anstrengungen zu mehr Gemeinsamkeit
insbesondere in der Außen- und Sicherheitspolitik hat die-
ses Wort immer noch Geltung. Es wird so lange Geltung
haben, bis es uns gelungen ist, eine europäische Sicher-
heits- und Verteidigungsidentität aufzubauen.
Ich erinnere an die gestrige Rede von Generalsekretär
Solana hier in diesem Saal. Es waren ganz deutliche
Worte in diese Richtung zu vernehmen, als er von unserer
Rolle auf der internationalen Bühne gesprochen hat, zwar
mit einem Ja zu den Transatlantikern, aber mehr zu euro-
päischer Selbstverantwortung.
In der Tat: Wir wollen uns nicht von den Vereinigten Staa-
ten abkoppeln. Im Gegenteil, die Bereitschaft der USA
zur Aufrechterhaltung ihres europäischen Sicherheitsen-
gagements wird durch die Fähigkeit der Europäer zur
Übernahme von mehr sicherheitspolitischer Verantwor-
tung eher wachsen. Hier liegen der Rapson-Bericht und
die Aussage von Solana auf einer Ebene.
Schließlich waren es die Amerikaner selbst, die im Zu-
sammenhang mit dem Balkankonflikt ein stärkeres Enga-
gement der Europäer eingefordert haben. Europa muss
sich sicherheitspolitisch emanzipieren, wenn es außenpo-
litisch die ihm gebührende Verantwortung übernehmen
will. Ich gehe noch weiter und sage: Krisenmanagement
kann nur dann wirklich erfolgreich sein, wenn am Ende
der Skala der Handlungsoptionen ein eigenes militäri-
sches Interventionspotenzial steht.
Wir haben uns gestern für eine europäische Verteidi-
gungsidentität ohne Abstand von den USA ausgespro-
chen. Wir wollen auch keine Abkopplung von der NATO.
Sie bleibt ein wesentliches Element der europäischen
Sicherheit.
Im Rapson-Bericht ist die Errichtung der erforderlichen
Befehls- und Führungsstrukturen ausführlich beschrie-
ben; ich brauche hier nicht darauf näher einzugehen. Mit
der Errichtung dieser Strukturen, mit dem Aufbau einer
eigenen militärischen Aufklärungskapazität und der Auf-
stellung einer europäischen Interventionstruppe schlagen
wir Europäer einen Weg ein, der letzten Endes, wenn der
politische Wille vorhanden ist, zu einer Europa-Armee
führen kann.
Damit gibt es auch einen Ausweg aus der Haushaltsfalle,
in der die nationalen Armeen Europas immer tiefer
stecken. Wegen des überall herrschenden Sparzwanges

Drucksache 14/6705 – 22 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

wird die Aufrechterhaltung der nationalen Armeen im
bisherigen Umfang und ohne Qualitätsverlust immer
schwieriger. Der Unterhalt von drei voll ausgebildeten
Waffengattungen wird in jeder Armee immer fragwürdi-
ger. Eine europäische militärische Aufgabenteilung wäre
eine moderne und auch zeitgemäße Antwort auf das Di-
lemma aus fiskalischen Zwängen und militärischen Not-
wendigkeiten. Ich spreche hier eine alte Forderung der
Militärexperten hinsichtlich der Standardisierung der eu-
ropäischen Streitkräfte in Ausbildung, Ausrüstung und
Bewaffnung an.
Ich gehe noch einen Schritt weiter: Es mag vielleicht eine
Vision sein, sie kann aber bald Realität werden, wenn wir
es nur wollen: Europäische Verbände mit einheitlichem
Ausbildungs-, Ausrüstungs- und Bewaffnungsstandard
stehen bereit und ersetzen in wachsendem Umfang die
bisherigen nationalen Armeen.
Eine militärische Aufgabenteilung steigert auch die Effi-
zienz und senkt die Kosten. So könnten zum Beispiel Bin-
nenländer oder Länder mit wenig Küstenlinie schwer-
punktmäßig Landstreitkräfte vorhalten, Küstenländer
dagegen maritime Verbände. Eine gesamteuropäische
Luftverteidigung könnte die nationalen Luftflotten weit-
gehend ersetzen. Der jetzt beabsichtigte Aufbau eines eu-
ropäischen Lufttransportkommandos könnte dabei den
Anfang bilden.
Vielleicht ist das, meine Damen und Herren, jetzt noch
eine Vision. Der Kollege Eyskens hat gestern von einer
„komplementärenKooperation“ gesprochen, vomAusbau
der Synergien. Das zielt in dieselbe Richtung. Man muss
sich nun die Frage stellen, ob die Länder bereit sind, das
nationalstaatliche Denken zurückzustellen. Diese Frage
der militärischen Aufgabenteilung, der Standardisierung
der Systeme muss uns jetzt beschäftigen, nach den wich-
tigen Schritten in der Wirtschafts- undWährungsunion.
Meine Damen, meine Herren, wir werden mit dem Auf-
bau einer gesamteuropäischen Verteidigungs- und Inter-
ventionskomponente wohl neuen Boden betreten. Wer das
nicht will, der muss es jetzt sagen und rechtzeitig aus-
scheren, um nicht das Ganze zu gefährden. Europa ist
längst mehr als ein Wirtschafts- und Währungsverbund.
Europa ist eine politische Schicksalsgemeinschaft, und
dem müssen wir Rechnung tragen.
Lassen Sie mich schließen mit einem Dank an den Kolle-
gen Rapson für dessen umfassenden Report, der uns aus-
führlich und detailliert mit allen wichtigen Informationen
und Überlegungen zu unserem Thema versorgt. Der Be-
richt ist eine hervorragende Entscheidungsgrundlage. Ich
stimme seinen Ausführungen voll inhaltlich zu. – Vielen
Dank.
Dieter Schloten (SPD) – Der Verteidigungsausschuss hat
die sorgfältige Arbeit dieses Berichts gewürdigt und zum
Ausdruck gebracht, dass dieser Bericht eine hervorra-
gende Grundlage für die notwendigen Entscheidungen
sein kann, die in der Westeuropäischen Union zu treffen
sind. Der Verteidigungsausschuss empfiehlt einstimmig
diesen Bericht zur Annahme.

Empfehlung 668
betr. neue Aufgaben für europäische Streitkräfte
und die notwendigen kollektiven Fähigkeiten
für die Umsetzung dieser Aufgaben – Antwort

auf den Jahresbericht des Rates
Die Versammlung,
(i) feststellend, dass die in der geostrategischen Lage

in Europa seit Ende des Kalten Krieges stattgefun-
denen Veränderungen, insbesondere der Zerfall
des ehemaligen Jugoslawiens und die Krisen in
Bosnien, Albanien und erst kürzlich im Kosovo,
die Frage nach der Angemessenheit europäischer
Mittel zur Bewältigung neuer Krisenszenarien, die
möglicherweise kurz- und mittelfristig vorstellbar
sind, aufwerfen;

(ii) feststellend, dass sich die Aufgaben für europä-
ische Streitkräfte notwendigerweise in Richtung
auf die Durchführung der im Juni 1992 auf dem
Petersberg festgelegten Aufgaben entwickeln;

(iii) ferner feststellend, das diese neuen Aufgaben vo-
raussetzen, dass die Staaten Operationen in einem
multinationalen Rahmen, wie dem der Vereinten
Nationen, der NATO, der WEU und der Europä-
ischen Union oder in unterschiedlichen Koaliti-
onsformen durchführen;

(iv) eingedenk der Verpflichtung der Mitgliedstaaten
der Europäischen Union, sich für demokratische
Werte, Menschenrechte und die Umsetzung des
Stabilitätspaktes für den Balkan einzusetzen und
eingedenk ihrer gemeinsamen Entschlossenheit,
an der Bewältigung von Krisen auf dem europä-
ischen Kontinent oder an dessen Grenzen mitzu-
wirken;

(v) mit Befriedigung über die von den Staats- und
Regierungschefs der Europäischen Union auf den
Treffen in Köln und Helsinki gezeigte Entschlos-
senheit, die Union in die Lage zu versetzen, eigen-
ständige und glaubwürdige Maßnahmen ange-
sichts internationaler Krisen zu ergreifen, im
Einklang mit dem von der WEU-Versammlung am
16. März verabschiedeten Aktionsplan;

(vi) unter Bekräftigung des Beschlusses der Mitglied-
staaten der EU, diese Frage im intergouvernemen-
talen Rahmen des zweiten Pfeilers der Europä-
ischen Union zu behandeln, der sich mit der
Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik
(GASP) befasst;

(vii) großen Wert legend auf die vom Ministerrat der
WEU am 23. November 1999 in Luxemburg be-
schlossene Bestandsaufnahme der für unter euro-
päischer Führung durchgeführten Krisenbewälti-
gungsoperationen zur Verfügung stehenden Mittel
und Fähigkeiten;

(viii) hervorhebend, dass der in dem Beschluss der 15 in
Helsinki vereinbarte Punkt, Krisenbewältigungs-

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 23 – Drucksache 14/6705

operationen zu unternehmen, die durch NATO-
Mittel- und -fähigkeiten unterstützt oder in ande-
rer Weise durch sie mitgetragen werden, nicht auf
einen Wettstreit mit der NATO abzielt, sondern
dass die 15 als Partner die Last der Krisenbewälti-
gung in den Fällen übernehmen wollen, „in denen
die NATO als Ganzes nicht beteiligt ist“;

(ix) mit Befriedigung über die bei der Ausgestaltung
der Gemeinsamen Europäischen Sicherheits- und
Verteidigungspolitik (GESVP) erzielten Fort-
schritte im Rahmen der Europäischen Union sowie
über die Dislozierung einer europäischen Streit-
kraft auf Korpsebene bis zum Jahre 2003, die in
der Lage ist, der ganzen Bandbreite der Peters-
berg-Aufgaben gerecht zu werden;

(x) unter Hervorhebung der Bedeutung der auf dem
Treffen des Europäischen Rates in Helsinki am
10. und 11. Dezember 1999 getroffenen Entschei-
dung, Krisenbewältigungsoperationen der politi-
schen und strategischen Leitung der Europäischen
Union zu unterstellen, indem zu diesem Zweck ge-
meinsame politischmilitärische Gremien geschaf-
fen werden, in Form eines Ausschusses für Politik
und Sicherheit, eines Militärausschusses und eines
Militärstabs der EU;

(xi) feststellend, dass im Rahmen der EU ab dem
1. März 2000 eine Reihe von Interimsgremien ein-
gerichtet werden sollen, welche für die Vorberei-
tung von Beschlüssen in Bezug auf die zukünftige
Arbeit der GESVP zuständig sein sollen;

(xii) sich der Bedeutung bewusst, welche der Auf-
klärung im Rahmen von Krisenvorbeugung, stra-
tegischer Evaluierung und Lageüberwachung zu-
kommt, sowie der Tatsache, dass aufgrund einer
Reihe von psychologischen und politischen Hin-
dernissen und tief verwurzeltem Misstrauen die
Zusammenarbeit in diesem Bereich eine heikle
Angelegenheit ist;

(xiii) mit Befriedigung über die im Jahresbericht des Ra-
tes enthaltenen Informationen über Fortschritte im
operationellen Bereich, insbesondere in Bezug auf
folgende Punkte:
– reibungsloser Ablauf der gemeinsamen

NATO/WEU-Übung CMX/CRISEX 2000,
welche Gegenstand einer sorgfältigen Vorbe-
reitung in Form einer engen Zusammenarbeit
zwischen den beiden Organisationen war;

– kürzlicher Anschluss der WEU an das BICES-
System der NATO (Battlefield Information
Collection and Exploitation System);

– verstärkte Zusammenarbeit zwischen dem Mi-
litärischen Stab und dem Satellitenzentrum,
welche die Fähigkeit der WEU zur strategi-
schen Evaluierung von Krisen verbessern soll;

(xiv) unter Betonung der enormen Bedeutung der Tatsa-
che, dass die 15 EU-Mitgliedsregierungen ein ent-

sprechendes multilaterales Abkommen mit euro-
päischen Mitgliedstaaten der NATO, die nicht der
EU angehören, sowie Beitrittskandidaten abge-
schlossen haben, welches diesen kollektive Betei-
ligungsrechte einräumt, die sich in einem weiteren
europäischen Sicherheits- und Verteidigungsrah-
men als notwendig erweisen können;

(xv) unter Bekräftigung der Übertragung bestimmter
Funktionen der WEU auf die Europäische Union,

empfiehlt dem Rat,
1. sich zu bemühen sicherzustellen, dass die 28 WEU-

Mitglieder, assoziierten Mitglieder und Partner und
Beobachterstaaten an Krisenbewältigungsopera-
tionen im Rahmen von Aktivitäten, die unter der
Leitung der EU durchgeführt werden, voll mitein-
bezogen werden;

2. sich zu bemühen sicherzustellen, dass eine rasche
Übernahme der in der Europäischen Union am
1. März 2000 geschaffenen Interimsgremien durch
die inHelsinki geplanten kollektivenGremien statt-
findet: derAusschuss für Politik und Sicherheit, der
Militärausschuss und der Militärische Stab;

3. innerhalb angemessener Fristen die notwendigen
Übereinkommen für die Umstrukturierung der Be-
ziehungen zwischen der Europäischen Union, der
Westeuropäischen Union und dem Atlantischen
Bündnis abzuschließen;

4. die Regierungen der Mitgliedstaaten der Europä-
ischen Union nachdrücklich aufzufordern:
– zusätzlich zu den Treffen des Rates der Euro-

päischen Union „Allgemeine Angelegenhei-
ten“ getrennte Treffen der Verteidigungsminis-
ter einzuberufen, um ihnen die Möglichkeit zu
geben, Probleme zu lösen hinsichtlich Verwal-
tung der kollektiven militärischen Mittel,
Streitkräftevorbereitung, mögliche Festlegung
von Konvergenzkriterien und anderer verteidi-
gungsrelevanter Fragen, die nicht auf Bot-
schafterebene behandelt werden können;

– die Aufklärungsdatengewinnungs- und -verar-
beitungsfähigkeiten zu verbessern, die ent-
scheidend für Europas strategische Eigenstän-
digkeit sind, indem eine Zusammenführung
von Lagebewertungsfähigkeiten und gemein-
same Nutzung von Aufklärungsmitteln ange-
regt wird;

– eine „Aufklärungsabteilung“ von etwa 30 Offi-
zieren im Militärischen Stab der Europäischen
Union einzurichten und die Aufklärungsdienste
der einzelnen Staaten aufzufordern, einen Mit-
arbeiter aus jedem Land abzuordnen, der für die
Organisation der Gewinnung von Aufklärungs-
daten aus seiner speziellen nationalen Dienst-
stelle zuständig ist in Bezug auf Fragen, die für
den Militärischen Stab der Europäischen Union
von Interesse sind;

Drucksache 14/6705 – 24 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

5. die Beziehungen zwischen der WEU, der Europä-
ischen Union und der NATO durch die Schaffung
einer Verbindungsstelle zwischen dem Militäri-
schen Stab der Europäischen Union und der NATO
und dem Satellitenzentrum in Torrejón zu verbes-
sern;

6. geeignete Maßnahmen durchzuführen zur Verkür-
zung der Bildauswertungszeiten des Satellitenzen-
trums in Torrejón, insbesondere durch eine Er-
höhung der Zahl der Auswerter, eine eigene
militärische Aufklärungsabteilung im Zentrum
einzurichten und die notwendigen Maßnahmen zu
ergreifen für die Übertragung des Zentrums auf die
Europäische Union;

7. das derzeitige WEU-Institut für Sicherheitsstudien
auf die Europäische Union zu übertragen, damit
ein „Think tank“ geschaffen wird, der sich mit
langfristigen europäischen strategischen Verteidi-
gungsfragen im EU-Rahmen befasst.

Tagesordnungspunkt
Die neuen Aufgaben des WEU-Satelliten-

zentrums
(Drucksache 1692)
Berichterstatter:

Jean Valleix (Frankreich)
Erich Maaß (Wilhelmshaven) (CDU/CSU) – Herr Prä-
sident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich dem Dank
anschließen. Dieser Bericht zeigt deutlich, wie wichtig es
ist, dass man ein Thema kontinuierlich behandelt. Herr
Valleix hat deutlich gemacht, dass man dann diesen Ge-
dankenprozess weiterentwickeln kann.
Die nationalen Parlamente beginnen jetzt, sich unterei-
nander abzustimmen. Sie überlegen, wie denn diese Vor-
lage, die wir erarbeitet haben und der wir heute zustim-
men wollen, in die Arbeit der nationalen Parlamente
einfließen kann. Das Thema hinsichtlich der Überführung
in die EU ist sehr klar und eindeutig. Wir müssen aber
noch die Frage beantworten, welche Wege beschritten
werden können und in welcher Form wir als WEU eine
Vorreiterrolle einnehmen können.
Ich möchte auf einen Punkt der Kritik eingehen und damit
den Kritikern sozusagen das Wasser abgraben. Die Kriti-
ker sagen, eine Erweiterung der Aufgaben sei zwar ganz
in Ordnung und ein Zugang zum Bildmaterial müsse ge-
währleistet sein, aber auch im Bereich nationaler Sys-
teme, wie zum Beispiel Helios, müssten Verbesserungen
erreicht werden. Diese Forderung können wir sinnvoller-
weise akzeptieren.
Der belgische Kollege hat vorhin in der Debatte die Sor-
gen hinsichtlich der Sicherheit zum Ausdruck gebracht.
Wäre es nicht sinnvoll zu prüfen, ob nicht bei der Über-
führung in EU-Institutionen ein militärischer Stab invol-

viert werden kann? Damit könnte der gesamte Sicherheits-
aspekt entsprechend beachtet werden. Es wäre natürlich in
diesem Zusammenhang sinnvoll, wir hätten eine bessere
Einbindung in ein Netzwerk bestehend aus mit der Intelli-
genz befasster EU und nationalen militärischen Institutio-
nen. Dabei darf nicht die Gefahr bestehen, dass private
Aufträge nicht mehr ausgeführt werden können.
Ein weiterer Aspekt erscheint mir sehr wichtig, was die
einstimmige Beschlussfassung für einen Änderungsan-
trag heute Morgen deutlich zeigte. Selbstverständlich
muss eine Beteiligung der assoziierten Mitglieder auch
künftig gewährleistet bleiben; denn wir können nicht hin-
ter dem, was wir heute schon tun, zurückfallen. Das würde
unser eigenes Selbstwertgefühl infrage stellen.
Lassen Sie mich einen weiteren Punkt ansprechen. Ich
gehe davon aus, dass das Satellitenzentrum künftig auch
als ein wichtiges und wertvolles Instrument für die NATO
anzusehen ist.
Wir müssen auch hinsichtlich eines anderen Punktes in-
tensiver nachdenken, weil nämlich sozusagen Fronten
aufgebaut werden. Beispielsweise halte ich die Auswei-
tung der Aufgaben auf andere Felder für notwendig. Diese
Felder sind die Meteorologie, Kommunikation, elektroni-
sche Überwachung, Frühwarnung sowie der Aufbau einer
Organisation, die am Ende in etwa vergleichbar ist mit der
amerikanischen NIMA. Ich halte diesen Weg für sinnvoll
und vernünftig. Wir müssen nur darauf achten, dass die
Umsetzung stufenweise erfolgt; denn wenn wir als Ziel
hätten, dies sofort umsetzen, würde man sozusagen ein
Totschlagsargument liefern.
Ein weiteres Argument, das ich immer wieder höre und
mit dem ebenfalls Fronten aufgebaut werden, lautet: Lasst
uns doch bitte so lange warten, bis die Überführung in die
EU stattgefunden hat! – Wenn wir stillschweigend warten
würden, würden wir uns mit unseren Vorstellungen in der
zweiten Reihe wiederfinden. Das kann aber nicht Sinn
und Zweck unserer Arbeit in den vergangenen Jahren ge-
wesen sein.
Es kommt ein weiteres Argument hinzu. Es wird immer
gesagt: Lasst uns bitte erst einmal warten! Die Vor-
schläge, die Herr Valleix in seinem Entwurf gemacht hat,
sind schon so weit reichend, dass wir sie erst einmal in ein
europäisches Raumfahrtprogramm integrieren müssen. –
Dieses Argument müssen wir akzeptieren. Hier beschrei-
ten wir einen völlig neuen Weg. Wir wollen auf der einen
Seite die militärische Sicherheit gewährleisten im Kon-
zert mit der NATO und der EU. Wir wollen auf der ande-
ren Seite die Assoziierten mit heranführen. Sie sollen die
Möglichkeit haben, hier Informationen zu bekommen.
Wir wollen des Weiteren sicherstellen, dass auch eine pri-
vate Nutzung gewährleistet ist. Darüber hinaus wollen wir
gewährleisten, dass die Integration in eine gemeinsame
europäische Raumfahrtpolitik möglich ist.
Ich bin sicher, dass viele Aspekte, die schon heute disku-
tiert worden sind, weiter von uns verfolgt werden. Ich bin
ebenfalls sicher, dass Torrejón eine gute Zukunft hat. –
Herzlichen Dank.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 25 – Drucksache 14/6705

Empfehlung 669
betr. neue Aufgaben des WEU-Satelliten-

zentrums
Die Versammlung,
(i) in der Auffassung, dass die von der Europäischen

Union auf ihrem Gipfel in Helsinki bekundete Ent-
schlossenheit, eine schnelle Eingreiftruppe aufzu-
bauen, die sich für die Durchführung der auf dem
Petersberg festgelegten Aufgaben eignet, von ei-
nem gemeinsamen Militärstab befehligt wird und
unter die politische Verantwortung der EU gestellt
ist, eine Umwandlung der Aufklärungsstrukturen
Europas verlangt;

(ii) in der Feststellung, dass das WEU-Satellitenzen-
trum, das in den nächsten Monaten der Europä-
ischen Union übertragen werden soll, in diesem
neuen Rahmen zur Erfüllung neue Aufgaben auf-
gerufen sein wird;

(iii) in dem Bewusstsein, dass die Kölner Erklärung
ausdrücklich auf die Notwendigkeit „einer Fähig-
keit zur Lageanalyse, von Aufklärungsquellen und
von sachdienlichen strategischen Planungsmög-
lichkeiten“ verweist, die „insbesondere (...) ein Sa-
tellitenzentrum (...) erfordern kann“;

(iv) in der Erwägung, dass die Gemeinsame Europä-
ische Sicherheits- und Verteidigungspolitik
(GESVP) innerhalb des Rates „Allgemeine Ange-
legenheiten“ durch das Politische und Sicherheits-
politische Komitee (PSK) umgesetzt werden wird,
das mit Unterstützung durch das Militärkomitee
die politische und strategische Leitung aller Ope-
rationen übernehmen wird;

(v) in dem Bewusstsein, dass die Durchführung von
Beschlüssen die Aufgabe des Militärstabs (MS)
sein wird, der auch für die Bereitstellung der zur
Umsetzung der GESVP erforderlichen Streitkräfte
verantwortlich sein wird und dass das Satelliten-
zentrum in diesem Gesamtrahmen im Einverneh-
men mit dem MS an konkreten Aufklärungsarbei-
ten teilzunehmen haben wird, um auf der
Grundlage noch zu treffender Vereinbarungen die
weltraumbezogenen Aspekte der GESVP anzu-
wenden;

(vi) in der Erwägung, dass das Zentrum angesichts be-
grenzter Verteidigungsetats eindeutig auf die
tatsächlichen Fähigkeiten Europas zugeschnitten
sein muss, damit die erforderlichen finanziellen
und technologischen Investitionen entsprechend
angepasst werden können;

(vii) in der Erwägung, dass es sinnvoll wäre, dem Sa-
tellitenzentrum Fähigkeiten auf den Gebieten
Kommunikation, Navigation, Echtzeit-Daten-
übertragung und – auf längere Sicht – Frühwar-
nung und elektronische Überwachung zugeben;

(viii) jedoch daran erinnernd, dass der Doppelcharakter
der Aufgaben des Zentrums erhalten bleiben und

es auch weiterhin zu zivilen Dienstleistungen in
der Lage sein sollte;

(ix) darauf hinweisend, dass die Frage der dem Zen-
trum übertragenen neuen Aufgaben auch die Frage
nach seinem spezifischen Charakter aufwirft, da
die Errichtung zentralisierter europäischer Militär-
verbände entweder den Aufbau einer militärischen
Satellitenmanagementstruktur, die Beibehaltung
einer zivilen/militärischen Struktur oder das Be-
stehen einer im Wesentlichen zivilen Struktur, die
in spezifischen Fällen unter militärisches Kom-
mando gestellt wird, bedeuten kann;

(x) in der Erwägung, dass die Militarisierung des Zen-
trums eine Reihe finanzieller, politischer, technolo-
gischer und industrieller Fragen aufwerfen würde;

(xi) darüber hinaus feststellend, dass ein großer Teil
des militärischen Bedarfs aus kommerziellen
Quellen gedeckt werden könnte, insbesondere, wie
es in den Vereinigten Staaten der Fall ist, im Hin-
blick auf Netzwerkdienste, Übertragungen und die
Erfassung von Aufklärungsdaten;

(xii) jedoch in der Ansicht, dass es unbeschadet des
künftigen Charakters des Zentrums (zivil, mi-
litärisch oder beides) völlig inkonsequent wäre,
sich bei der Durchführung strategischer Aufgaben
allein auf den gewerblichen Sektor zu stützen und
dass Europa deshalb die Entwicklung militärischer
Programme oder ziviler Programme mit Dop-
pelcharakter („dual-capacity programmes“) för-
dern sollte;

(xiii) hervorhebend, dass der derzeitige Status des Zen-
trums als Dienstleistungserbringer mit den künftigen
Aufgaben vereinbar ist, die Europa ihm in Verbin-
dung mit den Petersberg-Aufgaben möglicherweise
überträgt und dass es rein finanziell gesehen wün-
schenswert wäre, wenn das Zentrum neben der
Fortführung seiner Fernerkundungsaktivitäten
auch zur Erbringung von Telekommunikations-,
Wettervorhersage- oder Navigationsdienstleistun-
gen in der Lage wäre;

(xiv) überzeugt von der Notwendigkeit, darüber hinaus
ein europäisches militärisches Satellitensystem
aufzubauen, dass dem nationalen Interesse eines
jeden Staates sowie dem europäischen Gesamtin-
teresse entspricht;

(xv) in der Erwägung, dass die Europäische Union die
Finanzierung eines solchen Projekts auf die glei-
che Weise unterstützen könnte, wie sie den Aufbau
eines Navigationssystems fördert;

(xvi) feststellend, dass weder die WEU noch die EU die
gesetzliche Kompetenz besitzt, Satelliteneinrich-
tungen der Mitgliedstaaten im Krisenfall zu requi-
rieren;

(xvii) in der Auffassung, dass unabhängig von dem für
das Zentrum festgelegten Status zwischen ihm und

Drucksache 14/6705 – 26 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

den verschiedenen mit Satellitenfragen befassten
Institutionen und Gremien Beziehungen aufgebaut
werden müssen;

(xviii) in der Erwägung, dass es von wesentlicher Bedeu-
tung wäre, die Wirtschaft in den Aufbau des Satel-
litenzentrums einzubeziehen, um den Einklang der
von Europa vorgetragenen strategischen Erforder-
nisse mit dem in Europa verfügbaren Sachverstand
zu gewährleisten;

(xix) dabei unter Hinweis darauf, dass unbedingt Ko-
operationsvereinbarungen mit der Europäischen
Weltraumagentur (ESA) geschlossen werden müs-
sen, da zum einen die benötigten Strukturen in
Zusammenarbeit mit einer Weltraumbehörde fest-
gelegt werden müssen und zum anderen, insbe-
sondere in einem größer angelegten Sicherheits-
rahmen, das technische Analysepotenzial der ESA
genutzt werden muss;

(xx) ferner unter Betonung des wichtigen Ausbaus der
Zusammenarbeit des Satellitenzentrums mit der
Gemeinsamen Forschungsstelle (GFS) der Euro-
päischen Kommission;

(xxi) ferner darauf hinweisend, dass die Übertragung
des Satellitenzentrums auf die Europäische Union
im Zusammenhang mit dem derzeitigen Status der
assoziierten Mitgliedstaaten und der künftigen
Situation der Länder, die gegenwärtig Beobachter
sind, zu Problemen führen kann;

(xxii) ferner unter Berücksichtigung der Notwendigkeit,
mögliche Beziehungen zwischen dem Zentrum
und der NATO und die verschiedenen Möglichkei-
ten einer Zusammenarbeit zwischen ihnen sowie
zwischen dem Zentrum und anderen Organisatio-
nen, wie z. B. der OSZE, genauer zu prüfen;

(xxiii) ferner in Anbetracht der Notwendigkeit, eingehen-
der die Möglichkeit zu prüfen, auf der Grundlage
des Vorschlags von Eucosat, aber auch unter
Berücksichtigung anderer Faktoren ein europä-
isches Pendant zur NIMA (National Imaging and
Mapping Agency der USA) aufzubauen;

(xxiv) hervorhebend, dass die Zukunft des Satellitenzen-
trums im Wesentlichen von den Mitteln, die Eu-
ropa bereit ist, für das Zentrum aufzuwenden und
von der Realitätsnähe der ihm zugewiesenen Auf-
gaben abhängen wird;

(xxv) in der Erwägung, dass eine Europäische Verteidi-
gungsidentität auf eine Weltraumdimension nicht
verzichten kann;

(xxvi) schließlich unter Hinweis auf die Empfehlungen
646 und 660,

empfiehlt dem Rat,
1. die Mitgliedstaaten und die Beobachterstaaten der

WEU als Mitglieder der Europäischen Union
nachdrücklich dazu aufzufordern, dem Zentrum
eine Entwicklung zu ermöglichen, bei der es seine

Aufgaben an die europäischen Erfordernisse an-
passen kann, um so
– den Aufbau einer regelmäßigen Zusammen-

arbeit zwischen dem Zentrum und den im
Kommunikations- und Wettervorhersagebe-
reich tätigen internationalen Satelliteneinrich-
tungen zu fördern;

– die Zusammenarbeit zwischen dem Zentrum,
der ESA, der GFS und möglicherweise auch
der raumfahrttechnischen Industrie zu interna-
tionalisieren;

– die Zusammenarbeit mit der NATO zu verstär-
ken, insbesondere bei der Informationsübertra-
gungskette, der Befehlskette, den Nutzungs-
standards und den Ausrüstungen;

2. eine Ausweitung der Aufgaben des Zentrums ins
Auge zu fassen, um den Aufbau einer Fähigkeit
zum Gefechtsfeldmanagement einzuleiten, die
Folgendes voraussetzt:
– die Verwendung von Fernerkundungs-, Wetter-

vorhersage- und Kommunikationswerkzeugen
sowie der elektronischen Überwachung und
– auf längere Sicht – von Frühwarnfähigkeiten;

– eine deutliche Aufstockung des zivilen wie des
militärischen Personals;

– den Zugang zu dem gesamten Spektrum auf
dem Markt erhältlicher kommerzieller Satelli-
ten und in besonderen Fällen die Verwendung
spezieller militärischer Satelliten;

– die Schaffung einer nachrichtendienstlichen
Fähigkeit in Zusammenarbeit mit dem künfti-
gen europäischen Nachrichtendienst;

– die Errichtung eines Systems zur Datenerfas-
sung, -verwaltung und -weiterleitung ähnlich
der amerikanischen NIMA;

– eine größere Unabhängigkeit des Zentrums,
damit es bei bestimmten Aufgaben eigenstän-
dige Beschlüsse fassen kann;

3. den Status des Zentrums zu prüfen und sich bera-
tend zu äußern, erstens durch eine Bestätigung des
Doppelcharakters seiner Aufgaben und der be-
deutsamen Rolle des zivilen Marktes in der Euro-
päischen Weltraumstrategie und zweitens durch
Genehmigung der Errichtung einer militärischen
„Zelle“ innerhalb des Zentrums, da für nachrich-
tendienstliche Aufgaben und das Gefechtsfelds-
management Fachpersonal und spezielle Ausrüs-
tungen erforderlich sind;

4. festzulegen, wer neben der WEU und der EU die
Dienste des Zentrums in Anspruch nehmen darf
und dazu die Möglichkeit zu prüfen, einen Teil
ihrer Fähigkeiten der OSZE und der NATO ver-
fügbar zu machen und dabei einen verschlüsselten
Zugang von Nicht-Mitgliedsregierungen und nicht
staatlichen Kunden zu den Daten des Zentrums zu
erwägen;

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 27 – Drucksache 14/6705

5. dafür Sorge zu tragen, dass soweit die Beziehungen
des Zentrums zu anderen europäischen Behörden
(PSK, EU – Militärischer Stab, WEU) betroffen
sind, die WEU auch zufrieden stellende Lösungen
vorlegen wird unter Berücksichtigung des Wun-
sches der assoziierten Mitglieder, sich an seinen
Aktivitäten zu beteiligen und ihm nicht dabei im
Wege stehen wird, dass es seine Dienstleistungen
anderen Regierungen oder Organisationen anbie-
ten und der Rolle der assoziierten Partner Rech-
nung tragen wird;

6. zu berücksichtigen, dass jede Erweiterung der
Aufgaben des Zentrums in einem begrenzten
finanziellen Rahmen erfolgen muss, sodass
– das Zentrum europäischen Betreibern und Un-

ternehmen auf dem Weltraumsektor kommer-
zielle Dienstleistungen anbieten sowie Auf-
träge erteilen kann;

– es nicht als Vorwand dafür herhalten sollte, na-
tionale Militärprojekte durchzuführen, die kei-
nen Zusammenhang mit seinem operativen Be-
darf aufweisen;

– der Zugang zu kommerziellen Systemen opti-
miert werden muss;

7. die EU zu bitten, gemeinsam mit den Mitglied-
staaten die Satellitensysteme zu finanzieren, die
sie als für das Zentrum erforderlich betrachtet und
die rechtlichen und finanziellen Mittel zu erlan-
gen, Satelliten der Mitgliedstaaten bei Bedarf zu
requirieren;

8. die Versammlung von der Teilnahme der WEU an
der Ausarbeitung einer Europäischen Weltraum-
strategie zu unterrichten.

Tagesordnungspunkt
Die parlamentarische Diplomatie: Die Rolle der

internationalen Versammlungen
(Drucksache 1685)

Berichterstatterin und Vorsitzende des Ausschusses
für die Beziehungen zu den Parlamenten und

zur Öffentlichkeit:
Vera Squarcialupi (Italien)

Dieter Schloten (SPD) – Vielen Dank, Herr Präsident.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich
der Kollegin Vera Squarcialupi sehr herzlich für ihren her-
vorragenden Bericht danken. Ich teile ihre Meinung, dass
die ESVP unbedingt einer parlamentarischen Dimension
bedarf. Der Bericht findet daher meine uneingeschränkte
Unterstützung.
Frau Squarcialupi gibt in ihrem Bericht eine umfassende,
von großer Sach- und Detailkenntnis geprägte Darstel-
lung über die Entwicklung der parlamentarischen Diplo-
matie von ihren Anfängen bis in die Gegenwart. Dabei ist
es der Berichterstatterin trefflich gelungen, die internatio-

nale parlamentarische Arbeit in ihren vielfältigen Dimen-
sionen aufzuzeigen. So wird einmal mehr deutlich, wie
wichtig die Parlamente als Scharnier zwischen Regie-
rungspolitik und der Gesellschaft auch auf internationaler
Ebene sind.
Meine Damen und Herren, die heutige Debatte über die
Bedeutung parlamentarischer Diplomatie findet zu einem
Zeitpunkt statt, zu dem es über unsere Zukunft als Ver-
sammlung der Westeuropäischen Union zu entscheiden
gilt. Ich glaube, dass gerade die Versammlung der WEU
gezeigt hat, welche Bedeutung der parlamentarischen Di-
plomatie als Ergänzung zur Außen- und Sicherheitspoli-
tik der Regierungen zukommt. Wie Frau Squarcialupi in
ihrem Bericht zu Recht anmerkt, wären die in Köln und
Helsinki getroffenen Entscheidungen ohne die jahrelange
Vorarbeit der Parlamentarier und Parlamentarierinnen der
WEU-Versammlung so nicht möglich gewesen.
Lassen Sie mich ein weiteres Beispiel für erfolgreiche
parlamentarische Diplomatie nennen: die Interparlamen-
tarische Union. Frau Squarcialupi hat in ihrem Bericht die
heute 139 Mitgliedstaaten umfassende Organisation und
Begründerin interparlamentarischer Zusammenarbeit
vorgestellt. Ich möchte hier daran erinnern: Das entschei-
dende Motiv für die Gründung der Interparlamentari-
schen Union in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahr-
hunderts hier in Paris mit zunächst Parlamentariern aus
neun europäischen Staaten war, dass die Regierungen in
Europa nicht in der Lage waren, Frieden zu halten, son-
dern stets, fast ohne große Pause, gegen einander Krieg
führten. Es waren die Parlamentarier, die gesagt haben:
Damit machen wir Schluss. Wir als Parlamentarier wollen
ein dauerhaft friedliches Europa. Das war die Geburts-
stunde der Interparlamentarischen Union hier in Paris.
Vor ungefähr einem Monat habe ich an der 103. Interpar-
lamentarischen Konferenz in Amman teilgenommen, wo
ich wieder einmal erlebt habe, wie auch bei schwierigen
Problemstellungen eine positive internationale parlamen-
tarische Zusammenarbeit sichergestellt werden kann.
Diese Konferenz befasste sich mit zwei wichtigen Tages-
ordnungspunkten. Zum einen ging es um den Dialog der
Zivilisationen und Kulturen. Im Gegensatz zu dem, wie
die Regierungen mit diesem Thema umgehen können,
können Parlamentarier miteinander reden. Sie müssen
noch keine Entscheidungen treffen, leisten aber eine
wichtige Vorarbeit für internationale Kooperationen auf
Regierungsebene. Und gerade auf diesem Gebiet ist das
außerordentlich wichtig.
Ein zweiter Tagesordnungspunkt, um den wir gerungen
haben, beschäftigte sich mit den Flüchtlingsfragen im Zu-
sammenhang mit dem mittleren Osten. Das ist ein hoch-
aktuelles und heißes Thema. Es ist uns gelungen, das
Recht der Flüchtlinge, und zwar nicht nur der palästinen-
sischen, sondern aller, auf Rückkehr in ihre Heimat mit
großer Mehrheit – dieser Beschluss ist mit nur wenigen
Gegenstimmen gefasst worden – anzuerkennen. Es hatte
große Auswirkungen in den Medien in Jordanien und im
gesamten mittleren Osten, dass sich Parlamentarier dieses
Themas angenommen und deutlich gesagt haben, wie eine

Drucksache 14/6705 – 28 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

friedliche Zukunft aussehen kann und welche Bedingun-
gen erfüllt sein müssen. Dies ist ein Vorlauf für die Re-
gierungsarbeit, die daran anknüpfen kann. Hoffentlich
kommt es bald gerade auf diesem Gebiet zu vernünftigen
Entscheidungen.
Wie die Versammlung der WEU steht auch die Interparla-
mentarische Union vor zukunftsweisenden Reformen, die
unter anderem das Verhältnis zwischen IPU und den Ver-
einten Nationen beinhalten. In einer Studie des General-
sekretärs zur Reform der IPU ist der Vorschlag unterbrei-
tet worden, die Zusammenarbeit mit den Vereinten
Nationen zu verstärken und der IPU die Rolle einer parla-
mentarischen Dimension der Vereinten Nationen zu ge-
ben. Wer von Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, ein-
mal in dem Diplomatenparlament in New York gesessen
hat, der wird mir bestätigen, dass es dringend notwendig
ist, dass dort endlich einmal parlamentarische Arbeit ge-
leistet wird und nicht nur Diplomaten vorgefertigte State-
ments ihrer Regierungen verlesen. Da muss Leben hinein.
Die Vereinten Nationen haben allmählich wirklich eine
parlamentarische Dimension verdient.
Meiner Meinung nach liegt die Antwort auf die Frage,
warum internationale Organisationen einer parlamentari-
schen Dimension bedürfen – man kann sich ja auch noch
weitere vorstellen, zum Beispiel internationale Finanz-
und Handelsorganisationen –, zum einen darin, was die
parlamentarische Diplomatie kennzeichnet. Sie ist cha-
rakterisiert durch politische Legitimation, durch Pluralität
in ihrer politischen Repräsentation sowie durch einen re-
lativ informellen Charakter, der das Ansprechen vieler
Fragen überhaupt erst ermöglicht, aber auch durch ihre
Begründung auf demokratischen Prinzipien und nicht zu-
letzt durch die Möglichkeiten, neue Wege auszuloten. Es
sind gerade diese Eigenschaften, die die parlamentarische
Diplomatie zu einem wertvollen Baustein internationaler
Politik machen.
Zum anderen müssen, wie Frau Squarcialupi in ihrem Be-
richt betont hat, gesellschaftspolitische Prozesse mit in
Betracht gezogen werden. In einer Welt, die heute oft als
„global village“ bezeichnet wird, haben moderne Medien
und Informationstechnologien dazu beigetragen, dass die
internationale Politik nicht mehr klassisch den Regierun-
gen vorbehalten bleiben kann; denn diese Entwicklungen
können von Parlamentariern schneller aufgegriffen und
auf internationaler Ebene diskutiert werden, als es die
strengen Regeln der Regierungskooperationen erlauben.
Diese Entwicklungen erfordern das Engagement der Par-
lamente. Denn einerseits beinhalten viele Themen, die
früher von rein innenpolitischer Bedeutung waren, plötz-
lich eine internationale Dimension. Andererseits haben auf
internationaler Ebene gefällte Entscheidungen direkte
Auswirkungen auf den Alltag der Bürger. Ich erinnere nur
an die Europäische Union und ihre Empfehlungen und
Entscheidungen. So fällt den Parlamenten eine wichtige
Rolle als Vermittler zwischen komplizierten internationa-
len Entscheidungsprozessen und den Bürgern zu.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, alle diese
Punkte stehen dafür, dass die parlamentarische Diploma-

tie nicht gegen, sondern in Ergänzung zur Regierungspo-
litik einen erheblichen Beitrag zu Frieden und Stabilität in
Europa leisten kann, auch unsere Versammlung, in einem
Europa, für das wir alle Verantwortung tragen. – Herzli-
chen Dank.

Empfehlung 670
betr. die parlamentarische Diplomatie: die Rolle

der internationalen Versammlungen
Die Versammlung,
(i) feststellend, dass sich die parlamentarische Demo-

kratie im Gleichklang mit gesellschaftlichen Ver-
änderungen und technologischen Fortschritten ent-
wickeln muss, damit die Wünsche der Wähler auf
besseres Verständnis treffen und auf wirksamere
Weise zumAusdruck gebracht werden können;

(ii) überzeugt von der Notwendigkeit, den Parlamen-
tariern zunehmende Möglichkeiten zu eröffnen,
um ihre Vorstellungen im Hinblick auf die Lösung
gemeinsamer Probleme für die gleiche geopoliti-
sche Region erörtern zu können;

(iii) überzeugt davon, dass die von der Versammlung
der WEU in vielen Jahren erworbenen Erfahrun-
gen der Debatte über Europäische Sicherheits- und
Verteidigungsfragen dazu beigetragen hat, ein Ver-
mächtnis der Parlamentarischen Zusammenarbeit
und Diplomatie zu schaffen, welches nicht zer-
splittert werden sollte,

empfiehlt dem Rat,
1. in Verbindung mit den Reformen der europäischen

Institutionen, die unerlässliche Notwendigkeit ei-
ner Parlamentarischen Dimension für die Erörte-
rung der Gemeinsamen Europäischen Sicherheits-
und Verteidigungspolitik anzuerkennen sowie die
Bedeutung eines Gedankenaustausches auf einer
multilateralen europäischen Ebene zwischen Par-
lamentariern;

2. sich einzusetzen für die Förderung von institutio-
nellen Versammlungen, welche einen Rahmen für
die Entwicklung gemeinsamer politischer Maß-
nahmen bieten, in welchem Parlamentsmitglieder
der betroffenen Staaten zur Suche nach Lösungen
beitragen können, indem sie Erörterungen und ei-
nen Dialog mit anderen nationalen Vertretern
führen.

Entschließung 102
betr. die parlamentarische Diplomatie: die Rolle

der internationalen Versammlungen
Die Versammlung,
(i) sich dessen bewusst, dass sich die moderne Ge-

sellschaft in zunehmendem Maße mit dem Phäno-
men der Globalisierung abfinden muss und dass
bei der Gestaltung der individuellen nationalen
Politiken neuen Herausforderungen Rechnung ge-
tragen werden muss;

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 29 – Drucksache 14/6705

(ii) davon überzeugt, dass die Parlamentarier, falls sie
in der Lage sein sollen, ihren Aufgabenbereichen
effizienter nachzukommen, mehr Möglichkeiten
haben müssen, um auf einer von den Strukturen
besser angelegten Grundlage zusammentreffen zu
können – wie in internationalen Versammlungen –
und Informationen über Probleme austauschen
können, die in einem weiteren geographischen
Kontext vorherrschend sind;

(iii) davon überzeugt, dass der demokratische Dialog,
bei welchem die Parlamente die Schnittstelle zwi-
schen den Wählern und der Regierung sind, sich
nicht nur auf nationale Interessen konzentrieren
kann, da diese in weiter gefasste geopolitische In-
teressen einfließen und von diesen abhängig sind,

fordert die nationalen Parlamente auf,
1. die Entwicklung parlamentarischer Kooperations-

netze mit den Versammlungen anderer Staaten und
mit interregionalen und internationalen Versamm-
lungen, denen sie als Mitglieder angehören, zu un-
terstützen;

2. sich Initiativen anzuschließen, deren Ziel die För-
derung des Austausches zwischen interessierten
Parlamentariern über gleiche Themen sind und
Anstrengungen zu unterstützen bei der „parlamen-
tarischen Diplomatie“, die im Rahmen von ge-
meinsamen Programmen entwickelt werden, ins-
besondere in Bezug auf die kollektive Sicherheit
und Krisenbewältigung;

3. Verwaltungsverfahren zu stärken und notwendige
Dienstleistungen zu unterstützen für die effiziente
Organisation eines ständigen Kontakt- und Aus-
tauschsystems zwischen nationalen, interregiona-
len und internationalen parlamentarischen Ver-
sammlungen.

Tagesordnungspunkt
Die in die Sicherheits- und Verteidigungs-
forschung mitwirkenden Institutionen –

Teil I: Die Lage in den assoziierten Mitglied-
staaten

(Drucksache 1686)
Berichterstatter:

Francisco Arnau Navarro (Spanien)
Vitezslav Matuska (Tschechische Republik)

Empfehlung 671
betr. die in der Sicherheits- und Verteidigungs-

forschung mitwirkenden Institutionen –
Teil I: Die Lage in den assoziierten Mitgliedstaaten
Die Versammlung,
(i) feststellend, dass es in den assoziierten Mitglied-

staaten der WEU ein verschärftes Bewusstsein für

die Probleme gibt, die in Verbindung mit ihrer
zukünftigen Zusammenarbeit mit westlichen Insti-
tutionen entstehen – eine Frage, die zu den Haupt-
prioritäten der Regierungen gehört;

(ii) sich dessen bewusst, dass Fragen in Verbindung
mit der Zukunft der gemeinsamen Sicherheit und
Verteidigung Europas von der großen Öffentlich-
keit erkannt und verstanden werden müssen;

(iii) davon überzeugt, dass neben der Vermittlung einer
politischen Botschaft, die Verbreitung von Studien
und die Veranstaltung von Debatten durch Institu-
tionen, die sich auf den Bereich der Sicherheit und
Verteidigung spezialisiert haben, zu diesem öffent-
lichen Bewusstsein beitragen können;

(iv) mit Genugtuung darüber, dass mehrere Institutio-
nen in den assoziierten Mitgliedstaaten sich aktiv
an Untersuchungen und der Forschung über Fra-
gen der Außenpolitik und der internationalen An-
gelegenheiten beteiligen;

(v) sich dessen bewusst, dass die assoziierten Mit-
gliedstaaten beträchtliche Summen zum Gesamt-
haushalt der WEU beitragen und dass sie de facto
das WEU-Institut für Sicherheitsstudien mit finan-
zieren, was ihnen bestimmte Rechte gibt, insbe-
sondere in Bezug auf die mögliche Übertragung
des Instituts auf die Europäische Union;

(vi) in dem Bestreben, dass das WEU-Institut für Si-
cherheitsstudien in der Lage sein sollte, ein pro-
duktiveres Netz an Kontakten mit seinen Ge-
sprächspartnern anderenorts zu schaffen, was
förderlich für die Vermittlung und Verbreitung der
innerhalb der WEU-Institutionen entwickelten
Gedanken wäre;

empfiehlt dem Rat,
mit der Unterstützung des WEU-Instituts für Sicherheits-
studien die Schaffung effizienterer Kanäle der Kommuni-
kation zu den Institutionen in den assoziierten Mitglied-
staaten, die sich auf internationale Politik spezialisiert
haben, zu unterstützen mit dem Ziel einer größeren Ver-
breitung der Informationen über die Vorstellungen der
WEUhinsichtlich der Zukunft der europäischen Sicherheit
und Verteidigung in Europa in der breiten Öffentlichkeit.

Tagesordnungspunkt
Das nationale Raketenabwehrprogramm der

Vereinigten Staaten
(Drucksache 1704)

Berichterstatter und Vorsitzender des Verteidigungs-
ausschusses:

Dieter Schloten (Bundesrepublik Deutschland)
Dieter Schloten (SPD) – Herr Präsident! Verehrte Kolle-
ginnen und Kollegen! Die Versammlung hat gestern Nach-

Drucksache 14/6705 – 30 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

mittag den Verteidigungsausschuss beauftragt, eine
Grundlage für eine Debatte zum Thema NMD zu schaffen.
Der Verteidigungsausschuss hat sich dieser Aufgabe in sei-
ner Sitzung heute Morgen gestellt. In der Kürze der Zeit
hatten wir eine sehr intensive Debatte, an der sich eine
große Zahl von Kolleginnen und Kollegen beteiligt hat.
Als Ergebnis dieser Debatte legen wir Ihnen diese Draft
Resolution vor, die aus zwei Begründungen und einer For-
derung besteht. Die Forderung konnte keine inhaltlichen
Ansprüche stellen. Vielmehr besagt sie, dass die 28 Mit-
gliedstaaten der WEU zu einer gemeinsamen Haltung
gegenüber den Vereinigten Staaten von Amerika finden
sollen.
Wir fordern Sie dazu mit zwei Begründungen auf. Lassen
Sie mich bitte zu diesen Begründungen einige einleitende
Ausführungen machen; denn es geht schließlich um se-
riöse Fragen.
Herr Präsident, 40 Jahre lebte die Welt während des Kal-
ten Krieges auf einem atomaren Pulverfass, wurde
während des Kalten Krieges ein zweifelhafter Waffen-
stillstand der damaligen Supermächte durch die Fähigkeit
zur atomaren Abschreckung gesichert. Die Logik hieß:
Wer als Erster auf den atomaren Einsatzknopf drückt,
stirbt als Zweiter durch das atomare Zweitschlagpotenzial
des anderen.
Die Ende der 60er-Jahre geschlossenen Rüstungskon-
trollabkommen zwischen den USA und der damaligen
Sowjetunion und vor allem der 1972 geschlossene ABM-
Vertrag haben versucht, für die Logik der wechselseitig
gesicherten Abschreckung gewissermaßen Spielregeln
aufzustellen. Destabilisierende atomare Offensivsysteme
wurden in den SALT- und später vor allem in den START-
Abkommen reduziert bzw. untersagt, der Aufbau von Ra-
ketenabwehrsystemen wurde geächtet, weil sie einer ato-
maren Maginotlinie nur einen trügerischen Schutz boten
und vor allem den Rüstungswettlauf anheizten. Denn je-
der Schild zieht ein umso schärferes Schwert nach sich.
Die Vorstellung, dass der amerikanische Kontinent unter
der nuklearen Bedrohung steht, dass die amerikanische
Nation durch Nuklearwaffen ausgelöscht werden könnte,
hat bei maßgeblichen politischen Kräften in den USA
schon immer ein Unbehagen ausgelöst. So planten die
USAbereits 1967 den Aufbau eines Raketenabwehrschil-
des, dann wieder ab 1983 mit der SDI-star-wars-Initiative
Präsident Reagens. Im März vergangenen Jahres hat der
US-Kongress beschlossen, eine nationale Raketenabwehr
aufzubauen, sobald – wie es in dem Beschluss heißt – die
dazu erforderliche Technologie zur Verfügung steht.
Bei all diesen Debatten haben die Europäer die Sorge
geäußert, die USA könnten mit ihrem Raketenschutz-
schild in der NATO eine Zone besonderer Sicherheit
schaffen, sie könnten sich damit von dem Grundsatz der
atlantischen Allianz der uneingeschränkten Risikotei-
lung abkoppeln. Hinzu kommt die Sorge, dass wir mit ei-
ner neuen Runde eines Rüstungswettlaufs konfrontiert
werden.
Offiziell dient das US-amerikanische NMD-Projekt dem
Schutz gegenüber atomaren Angriffen von so genannten

Schurkenstaaten. Das sind aus amerikanischer Sicht Nord-
korea, der Irak, Iran und Libyen. Angeblich soll Nordkorea
im Jahre 2005 über die Fähigkeit verfügen, den Westen der
USA atomar zu bedrohen. Das erklärt die Eile, um zu die-
sem Zeitpunkt schon in Alaska 100 Abfangraketen zu sta-
tionieren. Bis zu einem späteren Zeitpunkt, bis 2010, sol-
len in North Dakota eine zweite Staffel von Abfangraketen
stationiert werden – nach offiziellen Plänen insgesamt
250 Abfangraketen – sowie Frühwarnradarstationen und
Aufklärungs- und Leitsatelliten im Weltraum.
Offiziell lassen die USA verlautbaren, dass sich dieses,
wie sie sagen, begrenzte NMD-System nicht gegen die
immer noch 5 000 atomaren Sprengköpfe Russlands
richte. Das mag so sein. Aber es steht zu befürchten, dass
der Weg zur weiteren atomaren Abrüstung verbaut wird,
ja sogar Anreize für neue Offensivwaffen geschaffen wer-
den, wenn irgendjemand im russischen Generalstab zur
Einschätzung gelangt, Russlands atomares Vergeltungs-
potenzial verliere an Glaubwürdigkeit.
Niemand unterstellt dem demokratischen Russland die
Absicht, einen neuen kalten Krieg oder einen neuen Rüs-
tungswettlauf zu beginnen; dazu ist es ökonomisch gar
nicht in der Lage. Aber es ist doch offenkundig, dass der
neu gewählte Präsident Putin mehrmals den Anspruch
Russlands als globale, den USA politisch ebenbürtige
Macht mit Hinweisen auf die russischen Nuklearwaffen
untermauert hat.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich noch
auf einen weiteren Aspekt hinweisen. Bislang verfügt die
Volksrepublik China über eine relativ kleine Anzahl von
geschätzten 18 landgestützten nuklearen Interkontinental-
raketen. Schon ein begrenztes US-Raketenabwehrsys-
tem könnte das chinesische Potenzial entwerten.
Außerdem haben Indien und Pakistan vor kurzem Nu-
klearwaffen getestet. Würde nun die Volksrepublik China
massiv nuklear aufrüsten, hätte dies verheerende Folgen
für die Wahrung der Stabilität in Asien. Ich glaube, hierü-
ber sind wir uns einig.
Der ABM-Vertrag, der den Aufbau eines landesweiten
Raketenabwehrgürtels untersagt, ist das Schlüsselelement
zur Wahrung der strategischen Stabilität. Seine Beachtung
hat den Weg zu weit reichenden Reduzierungen der ato-
maren Trägersysteme und der Nuklearsprengköpfe geeb-
net. Für die in Aussicht genommenen START-III-Ver-
handlungen bestehen Möglichkeiten, die Zahl der
Nuklearwaffen weiter drastisch zu reduzieren, bis nur
noch ein Minimalabschreckungspotenzial übrig bleibt.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, Präsident
Clinton hat im Juli vergangenen Jahres, als er das vom
US-Kongress verabschiedete NMD-Gesetz unterzeich-
nete, vier Kriterien genannt, die seiner für Juli 2000 an-
gekündigten NMD-Entscheidung zugrunde liegen sollen:
erstens die Kosten, zweitens die technologische Reife,
drittens die tatsächliche Bedrohung und viertens die Aus-
wirkungen auf die Rüstungskontrolle und die strategische
Stabilität.
Zurzeit sprechen alle vier Kriterien gegen eine Entschei-
dung, mit dem Bau eines NMD zu beginnen. Deshalb

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 31 – Drucksache 14/6705

sollte sich die WEU so rasch wie möglich auf eine ge-
meinsame Haltung einigen, mit der sie den Dialog mit den
Vereinigten Staaten von Amerika sucht. Noch kann sie die
endgültige Entscheidung zu beeinflussen versuchen.
Unsere Parlamentarische Versammlung wird sich im De-
zember intensiv mit den Risiken der Proliferation vonMas-
senvernichtungswaffen und ihrer Trägersysteme sowie den
Möglichkeiten beschäftigen, diese Proliferation durch Rüs-
tungskontrollabkommen einzudämmen. Sie wird dann
hierzu und zum amerikanischen NMD-Projekt dem Rat die
entsprechenden inhaltlichen Empfehlungen geben.
Ich möchte Sie im Auftrag des Verteidigungsausschusses
herzlich bitten, der vorliegenden Draft Resolution zuzu-
stimmen. – Danke schön.
Wolfgang Behrendt (SPD)–VielenDank,HerrPräsident.
LiebeKolleginnen undKollegen! In den vergangenenMo-
naten konnten wir miterleben, wie sich diesseits und jen-
seits des Atlantik Missverständnisse, Irritationen und
Zweifel gehäuft haben. Es ist bekannt, dass die Clinton-
Administration, aber auch der US-Senat ihre Besorgnis
über die Helsinki-Beschlüsse zur ESVP geäußert haben.
Wir Europäer hatten dies zum Anlass genommen, diese
Sorgen auszuräumen, haben immer wieder betont, dass
die atlantische Allianz dann stark ist, wenn sie auf zwei
Pfeilern steht, wenn die Europäer mehr Verantwortung für
ihre Sicherheit übernehmen und die hierzu erforderlichen
militärischen Kapazitäten aufbauen. Wir haben auch be-
tont, dass sich der Prozess der Ausformung der ESVP in
voller Transparenz zur NATO vollziehen muss. Ich bin
froh, dass es der EU bzw. der WEU anscheinend gelungen
ist, den amerikanischen Bedenken entgegen zu treten.
Jetzt sind wir mit den amerikanischen NMD-Plänen kon-
frontiert. In den europäischen Hauptstädten gibt es unter-
schiedliche Bewertungen, aber überall besteht die Sorge,
die Amerikaner könnten sich mit dem NMD-Programm
sozusagen aus dem euro-atlantischen Risikoverbund ab-
koppeln und sich auf die „Festung Amerika“ zurückzie-
hen, es könnte eine Zone unterschiedlicher Sicherheit in
der NATO geschaffen werden. Hinzu kommt, dass ein
Rüstungswettlauf droht; der Kollege Schloten hat schon
darauf hingewiesen. Das NMD-System könnte dazu
führen, dass China weiter aufrüstet. Dies könnte im Hin-
blick auf Länder wie Indien und Pakistan zu einer Ketten-
reaktion führen. Ich denke, wir müssen alles unternehmen,
dass die Abkürzungen ESVP und NMD später nicht ein-
mal dafür stehen, dass mit diesen Formeln ein Prozess
transatlantischer Spannungen oder Missverständnisse ein-
geleitet worden ist.

Entschließung 103
betr. das nationale Raketenabwehrprogramm

der Vereinigten Staaten
Die Versammlung,
(i) feststellend, dass das nationale Raketenabwehr-

programm (NMD) der Vereinigten Staaten gravie-
rende Fragen im Rahmen des globalen strategi-
schen Gleichgewichts und damit der europäischen
Verteidigung aufwirft;

(ii) ferner in der Befürchtung, dass Russlands Wider-
stand gegenüber jeder Änderung des ABM-Ver-
trags Auslöser für eine schwerwiegende Krise in
den USA im Falle der Stationierung des amerikani-
schen nationalen Raketenabwehrsystems (NMD)
sein und daher das heikle globale strategische
Gleichgewicht ins Wanken bringen wird,

fordert,
die Regierungen der WEU-Mitgliedstaaten, die dem At-
lantischen Bündnis angehören, auf, eine gemeinsame
Stellungnahme vorzulegen, die von allen der WEU an-
gehörenden Staaten (28) und der Europäischen Union
ausgearbeitet werden soll, bevor eine Verständigung mit
den Vereinigten Staaten im Rahmen des Bündnisses her-
beigeführt werden soll.

Mittwoch, 7. Juni 2000
Tagesordnungspunkt

Zu einer Europäischen Sicherheits- und Vertei-
digungsversammlung

(Drucksache 1697)
vorgelegt vom Präsidenten der Versammlung im Namen

des Präsidialausschusses
Mandat

betr. den Lenkungsausschuss der Sicherheits-
und Verteidigungsversammlung

1. Gemäß dem auf der Sondersitzung in Lissabon am
21. März 2000 verabschiedeten Beschluss 23 der
Versammlung über die „Europäische Sicherheit
und Verteidigung: die parlamentarische Dimen-
sion“ und gemäß Artikel VII (d) der Satzung und
Artikel 40.4 und 40.5 der Geschäftsordnung wird
die Einsetzung eines Sonderausschusses beschlos-
sen mit folgender Bezeichnung:
„Lenkungsausschuss der Europäischen Sicher-
heits- und Verteidigungsversammlung“

2. Der Lenkungsausschuss setzt sich zusammen aus
dem Präsidenten der WEU-Versammlung, der
kraft seines Amtes Mitglied ist, den Leitern der
28 nationalen Delegationen der derzeitigen WEU-
Versammlung (bzw. ihren Stellvertretern) sowie
den Vorsitzenden der politischen Gruppen (bzw.
ihren Stellvertretern).

3. Der Präsident des Europäischen Parlaments wird
gebeten, einen Vertreter (und einen Stellvertreter)
zu benennen, die als Beobachter an den Arbeiten
des Lenkungsausschusses teilnehmen.

4. Der Lenkungsausschuss der Europäischen Sicher-
heits- und Verteidigungsversammlung (ESVV)
tritt erstmalig am Donnerstagvormittag, den
8. Juni 2000 zusammen, um seinen Vorsitzenden,
drei stellvertretende Vorsitzende und den Bericht-
erstatter zu wählen und das Arbeitsprogramm des

Drucksache 14/6705 – 32 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Lenkungsausschusses zu beschließen. Die erste
Aufgabe des Lenkungsausschusses wird es sein,
seine internen Verfahren im Rahmen der im Be-
schluss 23 festgelegten Parameter zu bestimmen.

5. Der Lenkungsausschuss, der die von der Europä-
ischen Union für einen europäischen Sicherheits-
und Verteidigungsrahmen geschaffenen Intergou-
vernementalen Strukturen („EU 15 plus 15“) so
genau wie möglich widerspiegeln soll, wird Vor-
schläge ausarbeiten in Bezug auf:
(a) den Entwurf einer Satzung für die ESVV;
(b) den Aufgabenbereich der ESVV und eine

Rechtsgrundlage für die ESVV;
(c) Größe und Zusammensetzung der ESVV;
(d) den Status der an der ESVV teilnehmenden

Länder: die EU-Mitgliedstaaten und Staaten,
bei denen es sich entweder um Kandidaten für
einen Beitritt zur EU oder um NATO-Mit-
gliedstaaten handelt, die nicht der EU an-
gehören;

(e) die Modalitäten für die Teilnahme des Europä-
ischen Parlaments an der ESVV;

(f) die Stimmrechte der an der ESVV beteiligten
Länder und des Europäischen Parlaments;

(g) die Ausschussstruktur der ESVV;
(h) die vorläufige Geschäftsordnung der ESVV;
(i) Verwaltungs- und andere Fragen bezüglich des

Aufbaus der ESVV;
(j) Finanz- und Haushaltsvorkehrungen für die

ESVV.
6. Der Lenkungsausschuss wird über seine Vor-

schläge während der Plenartagung der derzeitigen
WEU-Versammlung im Dezember 2000 im Hin-
blick auf die Einrichtung der ESVV ab dem 1. Ja-
nuar 2001 berichten.

Beschluss 24
betr. den Titel und die ordentliche Bezeichnung

der Versammlung
Die Versammlung,
im Einklang mit dem auf der Sondersitzung in Lissabon
am 21. März 2000 verabschiedeten Beschluss 23 der Ver-
sammlung über „die Europäische Sicherheit und Verteidi-
gung: die parlamentarische Dimension“
beschließt,
sich von nun an den Titel und die ordentliche Bezeich-
nung zu geben:

„Versammlung der Westeuropäischen Union /
interimistische Europäische Versammlung für Sicherheit

und Verteidigung“.

Ansprache des Präsidenten der Versammlung,
Abgeordneter Klaus Bühler

(Bundesrepublik Deutschland)
Klaus Bühler (Bruchsal) (CDU/CSU) – Liebe Kollegin-
nen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Her-
ren! Wir wollen heute einen weiteren wichtigen Schritt
tun, um die Beschlüsse in die Tat umzusetzen, die unsere
Versammlung im März dieses Jahres in Lissabon gefasst
hat. Wenn wir dies heute tun, so in dem Bewusstsein der
vielen Gespräche, die Sie und ich seit Lissabon mit Re-
gierungsvertretern, Parlamentariern und politisch Verant-
wortlichen zahlreicher europäischer Länder und Institu-
tionen über die Problematik der parlamentarischen
Dimension der Europäischen Sicherheits und Verteidi-
gungspolitik geführt haben. Einige europäische Regie-
rungen haben inzwischen auch in schriftlicher Form auf
die Übermittlung der in der Sondersitzung in Lissabon
verabschiedeten Dokumente geantwortet und die Antwort
des Rates auf die Empfehlung 664 zur parlamentarischen
Dimension der europäischen Sicherheit und Verteidigung
liegt inzwischen ebenfalls vor. Wir werden heute noch
Gelegenheit haben, darüber ausführlich zu diskutieren.
Lassen Sie mich zur Einführung dieser Debatte Folgendes
bemerken: Die Stellungnahmen, die uns vorliegen, sind
durch von mit Vorsicht gepaarter Offenheit und positivem
Interesse gekennzeichnet. Dies gilt zum Beispiel für die
Reaktion des britischen Premierministers, des belgischen
Premierministers, des französischen Außenministers und
des Präsidenten der Europäischen Kommission. Eine aus-
gesprochen positive Reaktion kam vom NATO-General-
sekretär. Nur eine einzige Regierung, die meines eigenen
Landes, hat auf eine entsprechende schriftliche Anfrage
im Deutschen Bundestag zum Ausdruck gebracht, sie
könne eine Überführung der WEU-Versammlung in eine
Europäische Sicherheits- und Verteidigungsversammlung
nicht befürworten. Der belgische Senat dagegen hat diese
Initiative positiv aufgegriffen und zahlreiche Parlamente
haben sie zum Anlass von aktuellen Debatten mit ihren
Regierungen genommen, darunter das belgische Parla-
ment und das britische Unterhaus. Auch aus dem Europä-
ischen Parlament liegen uns Reaktionen vor, die nicht
weit weg sind von unserem Ziel, nationale Abgeordnete
an der parlamentarischen Begleitung der gemeinsamen
Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu
beteiligen.
Es überrascht nicht, dass manche Stellungnahmen auch
eine gewisse Unsicherheit erkennen lassen. Deshalb,
meine Damen und Herren, ist es außerordentlich wichtig,
dass wir in der heutigen Debatte noch einmal deutlich ma-
chen, was wir wollen und warum wir es wollen.
In diesem Zusammenhang war die ausführliche Diskus-
sion, die der Präsidialausschuss, der Politische Aus-
schuss und der Verteidigungsausschuss in der gemeinsa-
men Sitzung am 18. Mai dieses Jahres mit dem
portugiesischen Außenminister Gama führen konnten,
sehr hilfreich. In dieser Diskussion wurden die Implika-
tionen unserer Initiative zum ersten Mal in der Sache pro-
blematisiert. Im Hinblick auf die damals aufgeworfenen

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 33 – Drucksache 14/6705

Fragen möchte ich an dieser Stelle folgende Punkte noch
einmal klarstellen:
Erstens: Eine Übertragung der Ausübung von Aufgaben
der WEU auf die EU muss auf europäischer Ebene ge-
nauso parlamentarisch beraten und begleitet werden, wie
dies bisher im Rahmen der WEU von der WEU-Ver-
sammlung sichergestellt worden ist.
Zweitens: Die eigentliche parlamentarische Kontrolle ob-
liegt den jeweiligen nationalen Parlamenten. Jedes Parla-
ment kann jedoch nur die eigene Regierung individuell
kontrollieren.
Drittens: Die intergouvernementale Zusammenarbeit auf
dem Gebiet der gemeinsamen Sicherheits- und Verteidi-
gungspolitik unterliegt dagegen auf europäischer Ebene
keinerlei Berichts- oder Rechenschaftspflicht gegenüber
einem parlamentarischen Gremium, in dem die nationalen
Parlamente kollektiv vertreten sind. Auch gegenüber dem
Europäischen Parlament ist der EU-Rat als solcher nicht re-
chenschaftspflichtig. Es gibt keine Pflicht zu einem abge-
stimmten Bericht des Rates an das Europäische Parlament.
Viertens: Ziel unserer Initiative ist daher die Schaffung ei-
ner verbindlichen Regelung, die Grundlage dafür wird,
dass die europäischen intergouvernementalen Entschei-
dungs- und Konsultationsstrukturen der gemeinsamen Si-
cherheits- und Verteidigungspolitik gegenüber einer aus
nationalen Parlamentariern bestehenden europäischen par-
lamentarischen Versammlung berichtspflichtig werden.
Fünftens: Wir wollen also nichts völlig Neues ins Leben
rufen, sondern nur verhindern, dass es zu einer Minderung
oder gar zum Wegfall der parlamentarischen Beratung
kommt. Wir wollen, dass der Standard der Beratungsbe-
fugnisse, den die WEU-Versammlung gegenüber dem
WEU-Rat hat, auch in der Europäischen Union aufrecht-
erhalten wird – mit den erforderlichen rechtlichen und
organisatorischen Anpassungen. Dazu brauchen wir die
juristische Legitimation, die von den Regierungen in ge-
eigneter Weise im EU-Vertrag selbst, durch ein Protokoll
oder in sonstiger rechtlich verbindlicher Weise verankert
werden muss. Dies ist Gegenstand der Empfehlung 664.
Unsere heute zu treffende Entscheidung, dem Namen der
WEU-Versammlung die Bezeichnung „interimistische
Europäische Versammlung für Sicherheit und Verteidi-
gung“ hinzuzufügen, ist als politische Geste und politi-
sches Programm in dieser Perspektive zu verstehen. Da-
mit ist nicht beabsichtigt, die vertraglichen Grundlagen
der WEU-Versammlung infrage zu stellen. Diese wird
ihre aufgrund des geänderten Brüsseler Vertrages beste-
henden Aufgaben und Pflichten weiter erfüllen.
Unsere Entscheidung ist die Konsequenz aus der Ent-
scheidung der Regierungen der EU, innerhalb der Euro-
päischen Union Interimsstrukturen zu errichten, die übri-
gens ebenfalls noch der rechtlichen Legitimation
bedürfen.
Wenn wir weiterhin heute das vom Präsidialausschuss
verabschiedete Mandat für den Lenkungsausschuss zur
Schaffung der Europäischen Versammlung für Sicherheit

und Verteidigung ratifizieren, so dient dies der Vorberei-
tung der Vorschläge, die wir rechtzeitig vor Abschluss der
Regierungskonferenz den Regierungen unterbreiten wol-
len, damit sie diese in rechtlich verbindliche Regelungen
umwandeln können. Der Vorschlag des Präsidialaus-
schusses sieht für den Lenkungsausschuss die Beteiligung
von Vertretern des Europäischen Parlamentes vor. Mit-
glieder des Europäischen Parlamentes sind in der Regie-
rungskonferenz vertreten.
Als WEU-Versammlung sind wir berechtigt, diese Vor-
schläge auszuarbeiten und zu unterbreiten. Die WEU-
Versammlung ist schon durch den geänderten Brüsseler
Vertrag verpflichtet, die europäische Integration zu för-
dern, andere europäische Staaten zu assoziieren und eine
enge Zusammenarbeit mit anderen europäischen Organi-
sationen voranzutreiben. Seit Maastricht und Amsterdam
ist die Versammlung als Bestandteil der WEU als Organi-
sation integraler Teil der Entwicklung der Europäischen
Union. Der Vertrag von Amsterdam hat der Westeuro-
päischen Union eine ganze Reihe zusätzlicher Funktionen
im Verhältnis zur Europäischen Union zugewiesen und
die EU-Organe zur Förderung stärkerer institutioneller
Beziehungen zur WEU angehalten – dies alles im Hin-
blick auf eine Integration der WEU in die Europäische
Union oder, anders ausgedrückt, im Hinblick auf die
Verwirklichung einer Sicherheits- und Verteidigungspoli-
tik in der Europäischen Union. Wenn dies jetzt auf der
Seite der Exekutive Wirklichkeit wird – wir begrüßen
das –, dann kann nur aus der einzigen durch Vertrag für
diese Fragen zuständigen Versammlung die Initiative
kommen, die für die parlamentarische Dimension dieser
Politik notwendigen Maßnahmen auszuarbeiten und vor-
zuschlagen. Dafür, meine Damen und Herren, liebe Kol-
leginnen und Kollegen, wollen wir heute die Grundlagen
schaffen.
Wenn wir uns als Parlamentarier ernst nehmen, müssen
wir unsere Verantwortung wahrnehmen und einen kon-
kreten Vorschlag für die Zukunft der parlamentarischen
Dimension der von uns begrüßten gemeinsamen Europä-
ischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik vorlegen.
Ich appelliere an Sie alle, diesem wichtigen Anliegen Ihre
nachhaltige Unterstützung zu geben, und danke Ihnen
sehr herzlich für Ihre geschätzte Aufmerksamkeit.
Wolfgang Behrendt (SPD) – Herr Präsident! Meine sehr
geehrten Damen und Herren! In der Geschichte der WEU
gab es wohl kaum je eine Phase, in der die Zielsetzungen
unserer Arbeit so kritisch auf den Prüfstand gestellt wur-
den und die einen so gewaltigen Umbruch mit sich
brachte, wie die Entwicklung in den letzten Wochen und
Monaten. Mit dem Willen zur Übertragung der Peters-
berg-Aufgaben auf die Europäische Union und der Schaf-
fung der dazu erforderlichen politischen und militäri-
schen Gremien, also mit dem Projekt der ESVP, rückt
Europa nach Schengen, nach der Wirtschafts- und
Währungsunion, nochmals enger zusammen. Das Be-
kenntnis zu gemeinsamen Werten wird nun zusätzlich un-
termauert durch den Willen, diese Werte gemeinsam zu
sichern und zu verteidigen.

Drucksache 14/6705 – 34 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

So historisch dieser Augenblick auch ist, können wir da-
bei die umfassenden Aufgaben nicht aus den Augen ver-
lieren, die uns noch bevorstehen. Am morgigen Tag wird
der Lenkungsausschuss für die Europäische Sicherheits-
und Verteidigungsversammlung zu seiner ersten Sitzung
zusammentreffen. Dieser Ausschuss wird sich eingehend
mit den wesentlichen Fragen befassen, die die Organisa-
tion der ESVV selbst betreffen. Dazu gehört der Entwurf
einer Charta dieser Versammlung. Er wird aber unter an-
derem auch Vorschläge zur Rechtsgrundlage erarbeiten,
auf die sich die ESVV als europäisches Gremium stützen
wird.
Die Zusammenarbeit, das Beziehungsgeflecht zwischen
den europäischen Institutionen, hat sich als eines der kom-
pliziertesten Themen im Verlauf der Übertragung der mi-
litärischen Aufgaben auf die Europäische Union heraus-
gestellt. Herausragende Bedeutung haben in diesem
Zusammenhang die Klärung der Mitwirkungsrechte der
assoziierten Mitglieder und Partner der WEU in der EU
und die parlamentarische Kontrolle der Europäischen
Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Als Berichterstat-
ter des Politischen Ausschusses der Versammlung für die
parlamentarische Dimension der ESVP möchte ich diese
Gelegenheit nochmals nutzen und mich bei allen Kolle-
ginnen und Kollegen für ihre Beiträge zur Ausgestaltung
des Berichtes bedanken. Dass dieser Bericht einstimmig
angenommen wurde, zeigt die Entschlossenheit der Ver-
sammlung der WEU, auf dem eingeschlagenen Weg wei-
terzugehen und auch nach institutionellen Umstrukturie-
rungen ihren Auftrag, die europäische Integration zu
fördern, weiter auszufüllen.
Meine Damen und Herren, eine Europäische Sicherheits-
und Verteidigungspolitik ist ohne eine parlamentarische
Dimension nicht denkbar. Solange die ESVP Teil des
zweiten, des zwischenstaatlichen Pfeilers der Europä-
ischen Union ist, solange die Entscheidungen über den
Einsatz nationaler Streitkräfte und die Verteidigungshaus-
halte in den Hauptstädten der Mitgliedstaaten gefällt wer-
den, müssen die nationalen Parlamente eine umfassende
parlamentarische Kontrollmöglichkeit ausüben können.
Eine Struktur, in der die parlamentarische Kontrolle in
dem Maße abnimmt, in dem die sicherheits- und verteidi-
gungspolitischen Aufgaben der Europäischen Union zu-
nehmen, ist nicht nur paradox, sondern sie würde das de-
mokratische Defizit, welches wir zugegebenermaßen
auch in anderen Bereichen der EU noch zu verzeichnen
haben, nur verstärken.
Natürlich ist das Europäische Parlament an der Durch-
führung dieser parlamentarischen Kontrolle interessiert.
Jedoch entsprechen zurzeit weder die institutionelle Zu-
sammenarbeit zwischen dem Europäischen Parlament
und dem Rat noch die fachliche Grundlage dem, was eine
umgewandelte WEU-Versammlung als vertraglich veran-
kertes Kontrollgremium des WEU-Rates aufgrund seiner
jahrelangen Erfahrung im Bereich der europäischen
Sicherheit und Verteidigung leisten kann.
Auch wenn die Regierungen über die Jahre hinweg nicht
den Willen hatten, die WEU zu einer profilstärkeren Orga-
nisation Europas zu machen, so ist die WEU der Europä-

ischen Union doch in einigen Aspekten voraus. Das gilt
insbesondere für das Ausmaß der sicherheitspolitischen
Zusammenarbeit mit Nicht-Vollmitgliedern, mit denen
seit mehreren Jahren je nach Status abgestufte Formen der
Zusammenarbeit bestehen. Diesem Beitrag zur gesamteu-
ropäischen Kooperation, den die WEU geleistet hat, sollte
auch in Zukunft umfassend Rechnung getragen werden.
Die beste Möglichkeit, dies zu tun, besteht in der Ge-
währleistung der Mitwirkungsrechte ihrer assoziierten
Mitglieder und Partner an der Europäischen Sicherheits-
und Verteidigungspolitik.
Am 1. März dieses Jahres haben die Interimsgremien der
Europäischen Union ihre Arbeit im Zuständigkeitsbereich
der WEU aufgenommen. Sie berichten dem EU-Rat und
den Regierungen der Mitgliedstaaten. Wenn eine so zü-
gige Arbeitsaufnahme aufseiten dieser Gremien funktio-
niert, sollte dasselbe auch für eine Verankerung der Euro-
päischen Sicherheits- und Verteidigungsversammlung
gelten. Die Übertragung der Kernfunktionen der WEU
auf die EU ist eine Herausforderung für das Institutionen-
geflecht in Europa. Sie sollte dazu genutzt werden, die de-
mokratische Komponente des Entscheidungsprozesses
auf europäischer Ebene zu stärken, und nicht, sie zu
schwächen.
Die Einschätzung der verstärkten Rolle der Europäischen
Union durch den Generalsekretär der WEU unterstütze
ich nachdrücklich. Er hat kürzlich erklärt, dass eine der
Stärken der EU darin liegt, dass sie angesichts einer Krise
in der Lage ist, eine militärische Intervention direkt mit
anderen Formen politischer, wirtschaftlicher und huma-
nitärer Maßnahmen zu verbinden, die möglicherweise ei-
nen noch bedeutenderen Beitrag zur Gewährleistung einer
andauernden Lösung leisten können. Präsident Chirac hat
in der vergangenen Woche diese Möglichkeit eines um-
fassenden Ansatzes der EU zur Bewältigung regionaler
Krisen ebenfalls unterstrichen.
Mit dieser Beschreibung wird das Bild einer Institution
gezeichnet, die eine in hohem Maße abgestimmte Krisen-
bewältigung durchführen kann. Diese Ausgewogenheit
sollte auch für die inneren Strukturen der Europäischen
Union gelten.
Die Erklärungen von Köln, Helsinki und Porto, die Mei-
lensteine in Bezug auf die Rolle der Europäischen Union
auf der internationalen Bühne darstellen, haben bedauer-
licherweise die parlamentarische Dimension dieses Pro-
zesses vernachlässigt. Ich möchte daher diese Gelegen-
heit nutzen, um nochmals eindringlich an alle
Kolleginnen und Kollegen zu appellieren, bei ihren Re-
gierungen nachdrücklich darauf hinzuwirken, dass die
Bedeutung der parlamentarischen Dimension der ESVP
erkannt und die Europäische Sicherheits- und Verteidi-
gungsversammlung im Rahmen der Regierungskonferenz
unverrückbar als europäische Institution verbindlich ver-
ankert wird.
Leider ist die Antwort, die der Rat der WEU inzwischen
auf die Empfehlung 664 an die Versammlung übermittelt
hat, sehr enttäuschend. Die wesentliche Aussage dieser
Antwort besteht in der Mitteilung, dass den Rat die Um-
wandlung der WEU-Versammlung, so wie in der Emp-

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 35 – Drucksache 14/6705

fehlung vorgeschlagen, nur insoweit interessiert, als sie
eine Auswirkung auf die Zukunft des geänderten Brüsse-
ler Vertrages haben könnte. Mit anderen Worten: Der Rat
zieht sich hier auf eine streng formaljuristische Argumen-
tation zurück, indem er darauf verweist, dass seine Zu-
ständigkeit auf die Einhaltung des geänderten Brüsseler
Vertrages begrenzt sei.
Damit lehnt der Rat implizit die Empfehlung der Ver-
sammlung ab, sich bei der Europäischen Union für die Le-
gitimierung der Umwandlung der WEU-Versammlung in
eine Europäische Sicherheits- und Verteidigungsver-
sammlung einzusetzen. Diese Haltung des Rates ist umso
verwunderlicher, als er in seiner Antwort gleichzeitig den
Teil seiner Erklärung von Porto zitiert, in dem er an den
Europäischen Rat von Feira eine ganze Reihe von Erwar-
tungen richtet. Dabei geht es unter anderem um die Be-
teiligung der assoziierten Mitglieder und Partner an der
Verwirklichung des so genannten „headline goal“, an den
Entscheidungsmechanismen der EU und um die Ausge-
staltung des Verhältnisses zwischen der EU und der
NATO. Der WEU-Rat interessiert sich außerdem für den
Fortgang der Arbeiten der EU zum Thema der nichtmi-
litärischen Krisenbewältigung.
Wenn also der Rat zu verstehen gibt, dass er in einer
ganzen Reihe von Sachgebieten Interessen hat, die nicht
unmittelbar mit dem geänderten Brüsseler Vertrag zusam-
menhängen, so ist seine Argumentation, mit der er es ab-
lehnt, die Initiative der Versammlung zu unterstützen, wie
ich meine, nicht schlüssig. Der Rat hat auch nicht erklärt,
er werde der Versammlung in seinem Jahresbericht auch
in Zukunft über Tätigkeiten berichten, deren Ausübung er
auf die EU übertragen hat. Der Rat macht es sich wirklich
zu einfach, wenn er ankündigt, er werde auch in Zukunft
die Konsultationen der Versammlung mit den nationalen
Parlamenten und dem Europäischen Parlament mit Inte-
resse verfolgen. Dass wir uns als Vertreter nationaler Par-
lamente mit den Mitgliedsparlamenten abstimmen, ist
eine Selbstverständlichkeit. Der Rat sollte hier auch nicht
ansatzweise insinuieren, als könnte es hier Konfliktpoten-
zial geben.
Auch mit dem Europäischen Parlament werden wir uns
wie bisher konsultieren. Insofern möchte ich auch daran
erinnern, dass das Europäische Parlament eingeladen
werden soll, an den Arbeiten des Lenkungsausschusses
als Beobachter teilzunehmen. In diesem Zusammenhang
haben wir mit großem Interesse den Resolutionsentwurf
des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten, Men-
schenrechte, gemeinsame Sicherheit und Verteidigungs-
politik des Europäischen Parlaments vom 25. Mai dieses
Jahres zur Kenntnis genommen. Dieser Entwurf fasst
Vorschläge des Europäischen Parlaments an den Europä-
ischen Rat in Feira zum Thema der Gemeinsamen
Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu-
sammen. Diese Vorschläge schließen auch die parla-
mentarische Dimension mit ein. Einige Absätze kann ich
mir inhaltlich durchaus zu Eigen machen.
Es ist erfreulich, dass der Entwurf, der auf einem Bericht
von Frau Lalumière beruht, die heute dankenswerterweise

an unserer Versammlung teilnimmt, sich zur Begleitung
der GESVP für ein interparlamentarisches Organ mit Be-
teiligung der nationalen Parlamente einschließlich der
Parlamente der Beitrittskandidaten und der WEU assozi-
ierten Länder neben Vertretern des Europäischen Parla-
ments ausspricht. Wir sind hier vielleicht gar nicht mehr
so weit voneinander entfernt, auch wenn ich den Hinweis
des EP-Entwurfes auf die Erfahrungen der COSAC nicht
für hilfreich halte.
Bei den Arbeiten des Lenkungsausschusses werden wir
nicht nur die Entwicklung der Haltung des Europäischen
Parlaments berücksichtigen, sondern auch die verschie-
denen Aspekte, die bei dem letzten Zusammentreffen des
Präsidialausschusses mit dem portugiesischen Außenmi-
nister Gama in Lissabon angesprochen worden sind. Ich
bin sicher, dass auf der Grundlage einer eingehenden Be-
ratung der Lenkungsausschuss in der Lage sein wird, sein
Mandat erfolgreich zu erfüllen, damit wir den Regierun-
gen rechtzeitig unsere Vorschläge für die Schaffung der
Europäischen Sicherheits- und Verteidigungsversamm-
lung mitteilen können. – Ich danke Ihnen für Ihre Auf-
merksamkeit.
Dieter Schloten (SPD) – Herr Präsident! Liebe Kollegin-
nen und Kollegen! Nach der Schaffung einer gemeinsa-
men Währung ist die Ausformung einer Europäischen
Sicherheits- und Verteidigungspolitik in den kommenden
Jahren das zentrale Integrationsprojekt in der Europä-
ischen Union.
Der in Helsinki gefasste Beschluss, bis zum Jahr 2003
multinational zusammengesetzte Krisenreaktionskräfte
bis zur Korpsstärke aufzubauen, unterstreicht den Willen
der Europäischen Union, im Krisenfall mehr Verantwor-
tung zu übernehmen. Die EU wird dann zunehmend als
politischer Akteur im Krisenmanagement in Erscheinung
treten. Ökonomische Sanktionen, europäische Beiträge
zur zivilen Einhegung und möglichst präventiven Lösung
von Konfliktherden bis hin zur Intervention mit militäri-
schen Mitteln im Rahmen der so genannten Petersberg-
Missionen – all diese Fähigkeiten zum autonomen außen-
politischen Handeln sind nunmehr unter dem Dach der
Europäischen Union angelegt.
Mit der jetzt anstehenden Übertragung der Petersberg-
Missionen von der WEU auf die EU steht ein ganz ent-
scheidender Schritt für die ESVP vor uns. Mit diesem
Schritt werden die Konturen der politischen Integration in
der EU sichtbar. Die ökonomische Integration mit der
Einführung der gemeinsamen Währung ist weitgehend
abgeschlossen. Die Bürger der Europäischen Union wol-
len aber wissen, wohin die nächsten Schritte in der euro-
päischen Integrationspolitik führen werden. Die Helsinki-
Beschlüsse geben darauf eine Antwort.
Dieser Prozess der Ausformung einer Europäischen
Sicherheits- und Verteidigungspolitik muss parlamenta-
risch begleitet werden. Hier darf keine Grauzone entste-
hen. Das Europäische Parlament besitzt in dem zweiten
Pfeiler der EU-Außen- und Sicherheitspolitik keine Mit-
wirkungs- und Kontrollrechte.

Drucksache 14/6705 – 36 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Unsere Versammlung hat Zeit ihres Bestehens immer
wieder die Ausformung einer Europäischen Sicherheits-
und Verteidigungspolitik und eines europäischen Pfeilers
in der NATO gefordert, auch zu Zeiten, als diese Forde-
rung noch wie eine ferne Utopie klang. Die WEU hat sich
allen Staaten Mittel- und Osteuropas geöffnet und hat als
Forum für eine paneuropäische Sicherheitsdebatte das
vorweggenommen, was irgendwann in der EU zu 28
Wirklichkeit werden kann.
Wenn jetzt militärische Kernbereiche wie die Petersberg-
Missionen auf die EU übertragen werden, so werden die
WEU und der sie tragende Brüsseler Vertrag fortbestehen.
Das heißt: Die quasi automatische Beistandsverpflichtung
des Artikel V des Brüsseler Vertrages wird für die Voll-
mitglieder der WEU weiterhin gültig sein. Ihm wird in der
Perspektive einer Politischen Union in der EU künftig
eine erhebliche Bedeutung zukommen. Daraus folgt aber
auch: Unsere Versammlung wird fortbestehen. Sie wird
aber den Prozess der Europäischen Sicherheits- und Ver-
teidigungspolitik und die Stärkung der europäischen
Sicherheits- und Verteidigungsidentität nur parlamenta-
risch begleiten können, wenn sie ihn im gleichen Format
wie bisher als Europäische Sicherheits- und Verteidi-
gungsversammlung begleiten kann. Das macht auch Sinn,
weil die EU mit den europäischen, der NATO, bisher der
WEU als assoziierte Mitglieder angehörenden Staaten so-
wie den 13 Bewerberländern demnächst in Feira einen
Kooperationsvertrag abschließen wird.
In diesem Prozess, 15 EU-Staaten und 15 andere Staaten,
wird die paneuropäische Dimension der ESVP zum Aus-
druck kommen. Je nach politischem Willen und nach Sta-
tus werden sich Staaten aus dem Kreis dieser 15 an den
Petersberg-Missionen beteiligen können, ähnlich wie dies
bereits in der WEU vorgesehen war. Hiermit wird deut-
lich: Die ESVP wird eine über die EU hinausreichende
paneuropäische Dimension aufweisen. Über die im Mit-
telpunkt der ESVP stehenden Petersberg-Aufgaben zur
Krisenreaktion wird sich die Ausformung einer europä-
ischen Sicherheitsidentität auch auf Fragen der Rüstungs-
zusammenarbeit sowie auf Fragen der Abrüstung und der
Rüstungskontrolle beziehen. Auch hier ist der EU-Rah-
men der 15 zu eng.
Bis die ESVP vergemeinschaftet sein wird, wird noch ein
langer Weg zurückzulegen sein. Ich kann mir nicht vor-
stellen, dass die nationalen Parlamente schon bald die
Entscheidung über den Einsatz von Streitkräften aus
ihrem Kompetenzbereich abgeben werden. Auch dieses
Argument spricht dafür, dass sich die aus nationalen Par-
lamentariern zusammengesetzte WEU-Versammlung zu
einer Europäischen Sicherheits- und Verteidigungsver-
sammlung fortentwickelt, an der das Europäische Parla-
ment angemessen beteiligt wird.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, ich komme zum
Schluss: Das Zusammenwachsen Europas wird nur gelin-
gen, wenn es auf demokratischer Grundlage erfolgt –
durch eine öffentliche Debatte, durch eine parlamentari-
sche Kontrolle und durch die Mitwirkung der gewählten
Vertreter der Völker. Wir haben gehört, dass die Regierun-
gen der WEU zögern, auf unsere Forderungen einzugehen.

Hier in Paris, wo 1789 die Generalstände gegen ein abso-
lutistisches Regime zusammengetreten sind, sollte uns
das beflügeln, was ihr damaliger Vorsitzender, Graf von
Mirabeau, zum Ausdruck gebracht hat: Geht und sagt de-
nen, die euch geschickt haben, dass wir hier sind durch den
Willen des Volkes und nicht gehen werden, außer durch die
Gewalt der Bajonette. – Herzlichen Dank.
Benno Zierer (CDU/CSU) – Herr Präsident! Verehrte
Kollegen! Wir haben in den vergangenen Tagen und heute
den ganzen Vormittag eine Vielzahl überzeugender Argu-
mente für eine kollektive parlamentarische Begleitung der
Gemeinsamen Europäischen Sicherheits- und Verteidi-
gungspolitik durch nationale Abgeordnete angeführt.
Eine an dem Beispiel unserer Versammlung orientierte
Lösung, wie sie in der „Initiative von Lissabon“ vorge-
schlagen wird, scheint mir die überzeugendste zu sein.
Warum ist das so zu sehen? Erstens, weil die Haushalts-
entscheidungen für Verteidigungspolitik künftig immer
noch in den nationalen Parlamenten getroffen werden.
Zweitens, weil die wirklich harte Entscheidung, junge
Menschen in lebensbedrohliche Einsätze zu schicken, nur
nationale Parlamente verantworten können. Ich erkenne
nirgendwo eine ernsthafte Bereitschaft, diese beiden
grundlegenden Tatsachen in absehbarer Zukunft zu ver-
ändern.
Vor dem Hintergrund, dass wir und unsere Kollegen in
den Heimatparlamenten diese Entscheidungen treffen
werden, brauchen wir den Austausch untereinander, um
uns gegenseitig von den Vorgängen und Stimmungen in
unseren nationalen Parlamenten zu unterrichten. Ohne
eine Abstimmung zwischen den Parlamenten könnte eine
Krisenreaktion – die ja, um effektiv zu sein, nicht lange
auf sich warten darf – an dem langsamen Zustimmungs-
prozess in den nationalen Parlamenten scheitern. Darum
sind wir stärker denn je gefordert, unseren Kollegen in
den Heimatparlamenten unsere Erfahrungen von den Sit-
zungen der Versammlung zu erläutern und sie daran par-
tizipieren zu lassen.
Wir brauchen den Austausch untereinander auch, um in
den Fällen schwierigster Entscheidungen zu Hause
– dann, wenn die Krisenintervention bevorsteht – auf den
Rückhalt unter europäischen Kollegen bauen zu können.
Wir brauchen dazu einen Austausch, der organisiert, der
von einem permanenten Sekretariat unterstützt und von
einer verbindlichen rechtlichen Grundlage getragen wird.
Dies wird man nicht durch eine unverbindliche Konfe-
renz, die von Zeit zu Zeit stattfindet, ersetzen können; dies
wird man nicht auf das Europäische Parlament übertragen
können.
Auch unsere Rolle als Vertreter unserer Wähler sollte hier
erwähnt werden. Wir sind es, die die getroffenen Ent-
scheidungen in den Wahlkreisen vertreten müssen. Das
gilt übrigens nicht nur für Fragen der Sicherheits- und
Verteidigungspolitik, sondern auch für sämtliche natio-
nale, zwischenstaatliche und gemeinschaftliche Aktivitä-
ten. Ich bin mir sicher, meine Kollegen, jeder hier hat das
schon einmal erlebt, wenn man daheim zur Rechenschaft

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 37 – Drucksache 14/6705

gezogen wird für Dinge, die in Brüssel entschieden wor-
den sind. Es wäre doch ein Paradox, wenn die, die mit
dem Handeln der Regierungen in der Bevölkerung kon-
frontiert werden, nicht mehr mit europäischer Perspektive
unterrichtet würden, hingegen andere von den Regierun-
gen Informationen erhielten, von denen niemand uns sa-
gen kann, wann sie dann uns zur Verfügung stehen.
Erlauben Sie mir noch eine Bemerkung zu einem Punkt
aus der Rede des Präsidenten, der darauf aufmerksam
macht, dass eine Regierung in Europa, nämlich die deut-
sche Bundesregierung, bisher als Einzige eine deutliche
Antwort auf unsere Initiative gegeben hat. Ich habe die
Regierung in der Fragestunde befragt. Natürlich war ich
enttäuscht von der Antwort. Ich glaube jedoch, dass dies
nicht das letzte Wort sein kann und auch nicht sein wird.
Es liegt aber zuerst an uns, in unseren Heimatparlamenten
dafür zu kämpfen, dass dort verstanden wird, dass hier ein
Stück parlamentarischer Bestand, an dem 28 Parlamente
beteiligt sind, gefährdet wird.
Dies ist meines Erachtens die Botschaft, die heute von
hier ausgehen könnte. Wir als parlamentarische Vertreter
von 28 europäischen Ländern werden uns nicht von unse-
rem Ziel abbringen lassen und uns in unseren Parlamen-
ten mehr denn je dafür einsetzen. – Vielen Dank.

Ansprache der Generalberichterstatterin des
Ausschusses des Europäischen Parlaments

für die auswärtigen Angelegenheiten,
die Menschenrechte, die gemeinsame
Sicherheits- und Verteidigungspolitik,
Abgeordnete Catherine Lalumière

(Frankreich)

Ansprache des Verteidigungsministers und Re-
präsentanten für die amtierende portugiesische
WEU-Präsidentschaft, Júlio de Castro Caldas

(Portugal)
Ansprache des Präsidenten der Versammlung,

Abgeordneter Klaus Bühler
(Bundesrepublik Deutschland)

Klaus Bühler (Bruchsal) (CDU/CSU) – Meine Damen
und Herren, es ist unser Ziel, allen bisher in der WEU-Fa-
milie und in der EU Beteiligten einen Platz zu geben.
Dazu gehören die europäischen NATO-Mitglieder, die
nicht EU-Mitglieder sind genauso wie die EU-Beitritts-
kandidaten. Das Mandat des von uns jetzt zu gründenden
Lenkungsausschusses ist deshalb – Sie können das nach-
lesen – auch auf eine 15-plus-15-Formel ausgelegt. Das
heißt: Die Türen der Versammlung stehen für diese Län-
der offen.
Diese Formel „15-plus-15“ wollen wir so bald wie mög-
lich mit Leben erfüllen. Ich werde daher dem Präsidial-
ausschuss vorschlagen, in der nächsten Sitzung dieses
Ausschusses am 5. Juli in Paris auch darüber zu beraten,
wie wir auch die EU-Beitrittskandidaten aus dem Mittel-
meerraum einbeziehen können. Ich komme nun zur Rati-
fizierung des Mandats des Lenkungsausschusses.

Donnerstag, 8. Juni 2000
Tagesordnungspunkt

Die Umsetzung des Stabilitätspakts für
Südosteuropa
(Drucksache 1691)

Berichterstatter des Politischen Ausschusses:
Jan Dirk Blaauw (Niederlande)

Gerrit Valk (Niederlande)
Empfehlung 672

betr. die Umsetzung des Stabilitätspakts für
Südosteuropa

Die Versammlung,
(i) in der Erkenntnis, dass Frieden, Wohlstand und

Stabilität in Südosteuropa für die Europäische
Union, die WEU und ihre Mitgliedstaaten eine
strategische Priorität darstellen und dass das Ge-
samtziel der EU in der möglichst umfassenden In-
tegration der Staaten der Region in die allgemeine
politische und wirtschaftliche Entwicklung Euro-
pas besteht;

(ii) in der Erkenntnis, dass die EU und ihre Mitglied-
staaten mit insgesamt 9 Milliarden Euro bei wei-
tem die größten Geber von Hilfs- und Unterstüt-
zungsleistungen für Südosteuropa sind;

(iii) in Anbetracht dessen, dass, um zu gewährleisten,
dass die von den Gebern zur Verfügung gestellten
beträchtlichen Summen bestmöglich eingesetzt
werden, es eine Verbesserung bei der Arbeit der für
die Nutzung dieser Gelder zuständigen Verwal-
tungsstellen geben und wirkliche Transparenz bei
der Finanzverwaltung geschaffen werden muss;

(iv) in der Auffassung, dass Maßnahmen zur Bekämp-
fung des organisierten Verbrechens, dessen Ein-
fluss die gesamte Balkanregion erfasst hat, erfor-
derlich sind;

(v) mit Genugtuung über die positiven Veränderungen
in Kroatien im Anschluss an die jüngsten Parla-
ments- und Präsidentschaftswahlen, die Ausblicke
auf eine engere Beziehung zwischen Kroatien und
der EU eröffnen, der Fortschritte bei den Ver-
pflichtungen Kroatiens gemäß dem Friedensab-
kommen von Dayton und seines uneingeschränk-
ten Eintretens für die regionale Zusammenarbeit;

(vi) mit Genugtuung über die Wirtschaftsreformen und
die politische Stabilität in der ehemaligen jugosla-
wischen Republik Mazedonien, die es dieser er-
laubt haben, im März 2000 Verhandlungen über
eine Stabilisierungs- und Assoziierungsvereinba-
rung aufzunehmen, obwohl feststellend, dass noch
beträchtliche Anstrengungen unternommen wer-
den müssen, um alle erforderlichen Reformen
durchzuführen;

Drucksache 14/6705 – 38 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

(vii) in der Überzeugung, dass die Bundesrepublik
Jugoslawien weiterhin die größte Bedrohung für
Frieden und Stabilität in der Region Südosteuropa
insgesamt darstellen wird, solange Präsident
Milosevic und sein Regime an der Macht sind;

(viii) in der Erkenntnis, dass selektive Sanktionen gegen
dieses Regime ein notwendiger Teil der Politik
bleiben werden, die die EU bei ihren Bemühungen
betreibt, in Serbien einen demokratischen Wandel
herbeizuführen, gleichzeitig jedoch auch in der
Auffassung, dass ernsthafte Anstrengungen unter-
nommen werden müssen, um einen umfassenden
Dialog mit der serbischen Zivilgesellschaft auf
allen denkbaren Ebenen aufzubauen und die de-
mokratische Opposition zu unterstützen;

(ix) in der Ansicht, dass an der Wirksamkeit der Sank-
tionspolitik gegen die Bundesrepublik Jugosla-
wien (BRJ) Zweifel bestehen, mit der zuerst die
BRJ zu einer Änderung ihrer Politik gegenüber
den gerade unabhängig gewordenen Republiken
des ehemaligen Jugoslawiens und dem Kosovo ge-
bracht und anschließend Präsident Milosevic und
sein Regime zum Rücktritt gezwungen werden
sollte, deren einzige Wirkung bisher aber in einer
weiteren Isolierung der Regierung und der Bevöl-
kerung eines Landes zu bestehen scheint, dass ei-
nen wesentlichen Schlüssel zu Frieden und Wohl-
stand in Südosteuropa darstellt und dass diese
Politik das Ziel eines Sturzes des derzeitigen Re-
gimes nicht erreicht hat;

(x) im Bewusstsein der wachsenden Spannungen zwi-
schen der Regierung von Montenegro und dem
Regime in Belgrad wegen einer von größerer
Gleichheit geprägten und demokratischeren Be-
ziehung zwischen den beiden Republiken der BRJ,
wie die Regierung von Montenegro sie anstrebt;

(xi) in dem Bewusstsein, dass Präsident Milosevic ver-
suchen wird, den Konflikt zwischen den beiden
Republiken – selbst mit Gewalt oder durch Provo-
zieren bürgerlicher Unruhen – zu seinem eigenen
Vorteil auszunutzen, jedoch überzeugt, dass jeder
Streit zwischen den beiden Republiken friedlich
beigelegt werden muss;

(xii) die Entschlossenheit der EU begrüßend, die not-
wendigen Entscheidungen zu treffen, um den aku-
ten finanziellen Erfordernissen Montenegros zu
entsprechen und seiner Volkswirtschaft die Hilfe
zu leisten, die dem Land die Durchführung demo-
kratischer Reformen und die Erlangung wirt-
schaftlichen Wohlstands ermöglicht;

(xiii) in dem Bewusstsein, dass Albanien immer noch
bei der institutionellen Stabilität, der Staats-
führung, den grundlegenden Verwaltungsabläufen
und der Rechtsstaatlichkeit vor schwerwiegenden
Problemen steht, die behandelt werden müssen,
bevor Verhandlungen über ein Stabilisierungs- und
Assoziationsabkommen eröffnet werden können;

(xiv) in der Erwägung, dass das Multinationale Bera-
tende Polizeielement (MAPE) bei der Unterstüt-
zung des Kampfes der albanischen Regierung ge-
gen Kriminalität und Korruption eine wichtige
Rolle spielt, jedoch davon überzeugt, dass es ein
erweitertes Mandat benötigt, um es WEU-Polizei-
beamten zu erlauben, aktive Polizeiaufgaben zu
übernehmen, wobei jedoch auch sorgfältig darauf
geachtet werden sollte, dass seine ursprünglichen
Beratungs- und Schulungsprogramme weiterhin
durchgeführt werden;

(xv) in dem Bewusstsein, dass Albanien internationale
Hilfe und Unterstützung benötigt, um seine Wirt-
schaft und seine Gesellschaft zu entwickeln, je-
doch in der Auffassung, dass der Schlüssel zum Er-
folg im Lande selbst und in den Händen der
politischen Parteien liegt, die ihre Fehden beenden
und sich gemeinsam mit den Prioritäten des Lan-
des befassen sollten;

(xvi) feststellend, dass die Umsetzung des Friedensab-
kommens von Dayton in Bosnien-Herzegowina
nur langsame Fortschritte macht, insbesondere,
was die Rückkehr von Flüchtlingen und Vertriebe-
nen angeht;

(xvii) in der Auffassung, dass sich das heikle militärische
Gleichgewicht zwischen den beiden Gebietsein-
heiten in Bosnien-Herzegowina in den Jahren nach
dem Abschluss des Friedensabkommens von
Dayton möglicherweise zum Nachteil der Streit-
kräfte der Republika Srpska verschoben hat, und
zwar infolge einer geringeren militärischen Unter-
stützung seitens der BRJ aufgrund der Sanktionen
und der Operation im Kosovo sowie qualitativer
und quantitativer Verbesserungen der Armee der
Föderation durch das „Train and Equip“-Pro-
gramm und andere bilaterale militärische Unter-
stützungsprogramme;

(xviii) bedauernd, dass die an der Macht befindlichen na-
tionalistischen Parteien immer noch versuchen,
die Entwicklung des Landes hin zu einer moder-
nen, demokratischen Marktwirtschaft zu behin-
dern, indem sie ethnischen Hass schüren und den
Prozess der politischen und wirtschaftlichen Re-
form blockieren oder verlangsamen, sodass das
Land weiterhin auf Geber angewiesen ist;

(xix) in der Auffassung, dass es keine schlüssige Er-
klärung dafür gibt, dass die SFOR auch fast fünf
Jahre nach der Unterzeichnung des Friedensab-
kommens von Dayton weder Radovan Karadzic
noch Ratko Mladic festgenommen hat, die zu den
meistgesuchten Kriegsverbrechern des Konflikts
in Bosnien-Herzegowina gehören;

(xx) feststellend, dass Unsicherheit, Anarchie und Ge-
walt im Kosovo trotz der massiven Präsenz aus-
ländischer Truppen zur Erhaltung des Friedens
und zur Gewährleistung der Sicherheit sowie in-
ternationaler Organisationen zur Förderung der

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 39 – Drucksache 14/6705

Verwaltung und des Wiederaufbaus der Provinz,
immer noch weit verbreitet sind;

(xxi) in der Erkenntnis, dass die UNMIK nicht die Aus-
rüstung oder die finanzielle Unterstützung be-
kommt, die sie benötigt, um im Kosovo eine
effektive Verwaltung, Polizei und Richterschaft
aufzubauen, die für den Frieden, die Sicherheit
und die Stabilität des Landes von wesentlicher
Bedeutung sind;

(xxii) feststellend, dass die Ungewissheit über den künf-
tigen Status des Kosovo angesichts des Umstandes
verständlich ist, dass Verhandlungen über diese
Frage mit dem derzeitigen Regime in Belgrad
nicht denkbar sind, jedoch in der Auffassung, dass
Entscheidungen über eine „politische Regelung“
für das Kosovo nicht ewig aufgeschoben werden
können, da eine solche Regelung sich entschei-
dend auf so wichtige Fragen wie das Rechtssystem
und damit auch auf die Mittel zur Bekämpfung der
Kriminalität, zur Beendigung der Gewalt, zur För-
derung der Wirtschaft und zur Gewinnung auslän-
discher Investoren auswirken wird;

(xxiii) in Anbetracht der Tatsache, dass die internationa-
len Hilfsanstrengungen zum Wiederaufbau des
Kosovo zu stark zersplittert sind, um kohärent und
effektiv zu sein und dass es besser wäre, wenn eine
Reihe großer Geber ihre Bemühungen auf einen
schnellen Aufbau der grundlegenden Infrastruktur
der Provinz konzentrierten und die Grundvoraus-
setzungen für eine gesunde wirtschaftliche Ent-
wicklung legten;

(xxiv) in Anbetracht der Tatsache, dass die internationale
Gemeinschaft nationalistischen und extremisti-
schen Führern der Kosovo-Albaner anscheinend
zuviel Unterstützung gewährt, von denen die meis-
ten ehemalige Mitglieder der UCK sind und nicht
den Eindruck erwecken, zur Annahme der
Grundsätze demokratischen Regierens bereit zu
sein und die die Provinz mit allen jeweils erfor-
derlichen Mitteln unter ihrer Kontrolle zu halten
gedenken;

(xxv) unter Betonung der entscheidenden Bedeutung der
Projekte des Stabilitätspakts für die Förderung der
interregionalen Zusammenarbeit und die Verbes-
serung der interregionalen Infrastruktur, der als
Rückgrat der wirtschaftlichen Entwicklung der
Region insgesamt und ihrer Integration in Europa
betrachtet wird;

(xxvi) mit Genugtuung über die Ergebnisse der regiona-
len Geberkonferenz des Stabilitätspakts vom
29./30. März 2000 in Brüssel, die mit Zusagen in
Höhe von mehr als 2,4 Milliarden Euro für schnell
anlaufende Projekte und andere Vorhaben, darun-
ter auch Projekte sowohl für das Kosovo als auch
für Montenegro, zu einem Durchbruch geführt
hat;

(xxvii)mit Genugtuung über die Fortschritte bei dem Sta-
bilisierungs- und Assoziierungsprozess für Staaten
in Südosteuropa, die es der EU ermöglicht haben,
mit der ehemaligen jugoslawischen Republik
Mazedonien Verhandlungen über ein Stabilisie-
rungs- und Assoziationsabkommen aufzunehmen,
während andere Staaten Hilfe erhalten sollen, um
sie auf den Beginn von Verhandlungen über ein
solches Abkommen vorzubereiten,

empfiehlt dem Rat,
1. das Mandat von MAPE zu erweitern, um es WEU-

Polizeibeamten zu erlauben, aktive Polizeiaufga-
ben zu übernehmen, während gleichzeitig sicher-
gestellt wird, dass die ursprünglichen Beratungs-
und Schulungsprogramme von MAPE weiterhin
durchgeführt werden;

2. die Europäische Union zu bitten, alle Anstrengun-
gen zu unternehmen, um das Kosovo durch fol-
gende Maßnahmen weiter zu befrieden:
– Unterstützung des politischen Prozesses und

Leistung von Hilfestellung für die Übergangs-
verwaltung, um den Weg zu einer pluralisti-
schen, partizipativen Demokratie im Kosovo
zu ebnen, in der die Rechte aller Volksgruppen
in höchstem Maße gewährleistet sind;

– Aufforderung ihrer Mitgliedstaaten zur Statio-
nierung einer ausreichenden Zahl von Polizis-
ten im Kosovo, um zu gewährleisten, dass die
Kriminalität und andere rechtswidrige Hand-
lungen effektiv bekämpft werden können;

– möglichst baldige Lösung des Problems der
Vermissten, einschließlich in Serbien inhaftier-
ter albanischer Gefangener und im Kosovo in-
haftierter Serben;

– Ausübung von Druck auf die politische
Führung der Kosovo-Albaner, um dafür zu sor-
gen, dass die Aktivitäten bewaffneter albani-
scher Rebellen im Presevo-Tal sofort einge-
stellt werden;

– weitere Rationalisierung ihres Unterstützungs-
und Finanzhilfeprogramms für das Kosovo,
während gleichzeitig sichergestellt wird, dass
ihre Hilfsprogramme die kritische Masse errei-
chen, die für frühzeitige Ergebnisse erforder-
lich ist;

– Sicherstellung, gemeinsam mit den am Wie-
deraufbau des Kosovo beteiligten Staaten und
internationalen Organisationen, dass der Status
der Provinz soweit geklärt wird, dass sich Un-
gewissheiten im Hinblick auf das Rechtssys-
tem, darunter auch beim Immobilienbesitz und
anderen wichtigen Rechtsfragen, möglichst
bald beseitigen lassen;

3. die Europäische Union zu bitten, die SFOR und die
OSZE dringend dazu aufzufordern, eine Störung

Drucksache 14/6705 – 40 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

des heiklen Gleichgewichts zwischen den Streit-
kräften der Gebietseinheiten in Bosnien-Herzego-
wina im Sinne von Anhang 1B des Friedensab-
kommens von Dayton durch die Entwicklungen in
der Region seit 1995 zu verhindern und geeignete
Maßnahmen zu ergreifen, sollte es zu derartigen
Veränderungen gekommen sein;

4. den Europäischen Rat aufzufordern, eine neue Ge-
neration zukunftsorientierter politischer Führer in
Albanien stärker zu unterstützen;

5. den Europäischen Rat aufzufordern, eine Eva-
luierung der Ergebnisse der Wirtschaftssanktionen
gegen die Bundesrepublik Jugoslawien vorzule-
gen, insbesondere hinsichtlich des Ziels, Präsident
Milosevic und sein Regime abzulösen;

6. die Europäische Union zu bitten, den Leistungen
empfangenden Partnern im Stabilitätspakt klarzu-
machen, dass eine Fortsetzung der Zahlungen von
Fortschritte bei der Demokratisierung, Beachtung
der Menschenrechte und Minderheitenrechte, der
Einführung der Rechtsstaatlichkeit und der Krimi-
nalitätsbekämpfung abhängt;

7. die Europäische Union zu bitten, nur diejenigen
politischen Führer im Kosovo unter den Serben
wie den Albanern zu unterstützen, die bereit sind,
auf undemokratische Mittel zur Beeinflussung der
Bevölkerung und auf das offene oder durch ille-
gale Handlungen erfolgende Schüren von ethni-
schem Hass und Intoleranz zu verzichten;

8. der WEU-Versammlung einen halbjährlichen Be-
richt über die Umsetzung des Stabilitätspaktes vor-
zulegen unter Berücksichtigung der Tatsache, dass
der Pakt ein grundlegendes Element des Friedens
in Südosteuropa ist.

Tagesordnungspunkt
Die Lage im Kosovo III: militärische und

Sicherheitsaspekte
(Drucksache 1688)

Berichterstatter des Verteidigungsausschusses:
Jacques Baumel (Frankreich)

Koberichterstatter:
András Bársony (Ungarn)

Dieter Schloten (SPD) – Vielen Dank, Herr Präsident.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Verteidigungsaus-
schuss hat diesen Bericht gewürdigt und einstimmig be-
schlossen, ihn der Versammlung zur Annahme zu emp-
fehlen. Das hat seine Gründe. Dieser Bericht hatte nicht
die Aufgabe, einen finalen Status des Kosovo zu emp-
fehlen, sondern die Aufgabe, eine Analyse der derzeiti-
gen Situation, eine Situationsbeschreibung, vorzulegen.
Das ist in ausgezeichneter Weise gemacht worden. Aus
dieser Analyse lassen sich Handlungsanleitungen ablei-

ten, die dazu führen können, die Situation zu verbessern
und eine Zivilgesellschaft zu errichten. Und das ist die
Voraussetzung für eine endgültige Lösung. Eine demo-
kratische Zivilgesellschaft und Stabilität, das ist es, was
erreicht werden muss. Insofern ergänzen sich beide Be-
richte, die wir hier diskutiert haben, in hervorragender
Weise.
Lassen Sie mich noch ein Wort zur hier geführten Dis-
kussion sagen. In einem Punkt war ich überrascht; denn
im Verteidigungsausschuss ist in diesem Fall sehr viel
sachlicher diskutiert worden. Einige Redner in dieser
Diskussion haben die heutige Situation im Kosovo, näm-
lich die Vertreibung serbischer Bürger durch Übergriffe
von Bürgern albanischer Herkunft, gleichgesetzt mit der
Vertreibung, die vorher im Kosovo stattgefunden hat. Sie
haben die Übergriffe, die jetzt stattfinden, die natürlich zu
verurteilen sind, die wir nicht billigen können und dürfen
und wo wir alles daran setzen müssen, sie zu verhindern
– es sind Übergriffe von ehemals Gepeinigten gegenüber
ihren früheren Peinigern –, mit staatlich organisierter und
mithilfe von Militär und Paramilitär durchgeführter sys-
tematischer Vertreibung gleichgesetzt, die vorher stattge-
funden hat und durch den Eingriff der NATO gestoppt
wurde. Ich möchte doch herzlich darum bitten, nicht diese
ungleichen Maßstäbe anzuwenden; das ist Politikern
nicht angemessen. Wir sollten genau hinschauen, was war
und was heute ist, alles tun, um dort eine Zivilgesellschaft
zu errichten und dafür sorgen, dass solche Übergriffe
nicht mehr vorkommen. Auch die Serben müssen ihre
Heimat in Zukunft im Kosovo haben, ebenso die Roma
und Sinti und wer sonst dort lebt. Wir sollten nicht sagen:
Das, was heute geschieht, ist das Gleiche, nur mit umge-
kehrtem Vorzeichen. – Danke schön.

Empfehlung 673
betr. die Lage im Kosovo III: militärische und

Sicherheitsaspekte
Die Versammlung,
(i) unter Hinweis auf die Empfehlungen 651 und 663

über die Lage im Kosovo, in denen der Rat aufge-
fordert wurde,
– „vorzuschlagen, dass die der WEU zugeordne-

ten europäischen multinationalen Streitkräfte
(FAWEU) sich an der Friedenstruppe im Ko-
sovo beteiligen, um den Wunsch Europas nach
Beteiligung sichtbaren Ausdruck zu verlei-
hen“;

– „den Militärischen Stab aufzufordern, Optio-
nen für die mögliche Dislozierung der FAWEU
in Kosovo vorzulegen, insbesondere für das
Euro-Korps, um die derzeit in der Provinz
Dienst leistenden KFOR zu entlasten“;

(ii) mit Befriedigung feststellend, dass das Euro-
Korps, welches Bestandteil der FAWEU ist, die
Führung der KFOR-Operationen ab April 2000
übernommen hat;

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 41 – Drucksache 14/6705

(iii) in Anbetracht der von dem HQ des Euro-Korps ge-
leisteten Anstrengungen zur Organisierung und
Ausbildung für seine Rolle als übergeordnetes HQ
für die KFOR ab April 2000;

(iv) besorgt über anhaltende Instabilität und Unsicher-
heit im Kosovo ein Jahr nach der Operation „Al-
lied Force“;

(v) besorgt über bestehende Brennpunkte von Span-
nungen zwischen Gemeinschaften und bewaffnete
Konflikte, insbesondere in Mitrovica und entlang
der entmilitarisierten Zone;

(vi) in Anbetracht des Umfangs der KFOR-Missionen,
insbesondere in Bezug auf „die Schaffung eines
sicheren Umfelds und die Garantie der Sicherheit
und der öffentlichen Ordnung“;

(vii) in Anbetracht der laufenden Diskussionen in einer
Reihe von europäischen Staaten mit dem Ziel, eine
multinationale Streitkraft zur Aufrechterhaltung
der öffentlichen Sicherheit und von Recht und Ge-
setz zu schaffen;

(viii) in Anbetracht der Bedeutung der Unterstützungs-
rolle der UNMIK im Rahmen der KFOR-Missio-
nen und der Bereitstellung von Unterstützung für
die internationalen humanitären Anstrengungen in
Verbindung mit Regierungs- und Nichtregierungs-
organisationen und örtlichen Führern von Zivilge-
meinschaften;

(ix) mit dem Ausdruck ihrer Unterstützung für das Per-
sonal der KFOR bei der Ausführung seiner Mis-
sion, die darin besteht, das Gebiet sicher zu ma-
chen, seine Infrastruktur wiederaufzubauen und
Recht und Gesetz wiederherzustellen unter den
schwierigen im Kosovo herrschenden Bedingun-
gen,

empfiehlt dem Rat,
1. die europäischen Regierungen dringend aufzufor-

dern, das Hauptquartier des Euro-Korps bei seiner
Rolle als KFOR-Kommando im Kosovo zu unter-
stützen;

2. die Regierungen jener WEU-Staaten, die im Ko-
sovo beteiligt sind, zu ersuchen, die KFOR zu ver-
stärken durch die Bereitstellung von Militärpoli-
zeieinheiten, die ausgebildet und ausgestattet sind
für Missionen, die die Aufrechterhaltung der öf-
fentlichen Ordnung beinhalten;

3. in den 28 WEU-Staaten die Aufstellung von mi-
litärischen Einheiten auf Kompanieebene für Mis-
sionen, welche die Aufrechterhaltung der öffentli-
chen Ordnung beinhalten, zu unterstützen;

4. die Aufstellung von multinationalen europäischen
Einheiten zum Zweck der Bereitstellung von Un-
terstützung von Polizeikräften oder deren Ersatz
im Rahmen von Missionen, welche die Wahrung
der öffentlichen Ordnung beinhalten, zu ermuti-
gen;

5. die Entwicklung der zivilmilitärischen Zusam-
menarbeit zu fördern und insbesondere die An-
strengungen des CIMIC-Büros der KFOR zu un-
terstützen.

Ansprache des Staatssekretärs im Verteidi-
gungsministerium und Vertreters von

Premierminister Lionel Jospin,
Jean-Pierre Masseret (Frankreich)

Montag, 4. Dezember 2000
Tagesordnungspunkt

Rede des Präsidenten bei der Eröffnung
des zweiten Teils der 46. Tagung der WEU-
Versammlung am Montag, 4.Dezember 2000,

in Paris
Klaus Bühler (Bruchsal) (CDU/CSU) – Ich freue mich
sehr, Sie zur Eröffnung des zweiten Teils der 46. Sitzung
der WEU-Versammlung, der interimistischen Versamm-
lung für Sicherheit und Verteidigung der nationalen Par-
lamente aus 28 europäischen Staaten hier willkommen zu
heißen. Ich freue mich heute besonders, Kollegen aus
Malta und Zypern begrüßen zu dürfen. Somit sind heute
Vertreter der Parlamente aller Beitrittskandidaten der Eu-
ropäischen Union anwesend. Mit Ihrer Anwesenheit,
meine Damen und Herren, setzen wir auch ein Zeichen
unserer Zustimmung zu dem Format 15 plus 15 der ge-
meinsamen europäischen Sicherheits- und Verteidigungs-
politik der Europäischen Union.
Ich freue mich ferner, die Vorsitzenden der Auswärtigen
Ausschüsse und der Verteidigungsausschüsse und der Eu-
ropaausschüsse aus Italien und Spanien unter uns be-
grüßen zu dürfen. Ihre Ausschüsse, meine Damen und
Herren, spielen eine entscheidende Rolle, wenn es um die
Zukunft der parlamentarischen Dimension der gemeinsa-
men europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik
geht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, unsere Sitzung findet
nur wenige Tage vor der Sitzung des Europäischen Rates
in Nizza statt, auf der die Weichen für die qualitativen
Fortschritte im europäischen Integrationsprozess gestellt
werden sollen. Wir wissen noch nicht, ob dieser Gipfel
tatsächlich die hohen Erwartungen erfüllen kann, die
allenthalben in ihn gesetzt worden sind. Wir können aber
schon jetzt voraussehen, dass in der europäischen Sicher-
heits- und Verteidigungspolitik am Ende dieser Woche
bedeutende Entscheidungen getroffen werden. Die bevor-
stehende Errichtung eines permanenten sicherheitspoliti-
schen Ausschusses, eines Militärausschusses und eines
Militärstabes in der Europäischen Union sowie der er-
folgreiche Abschluss der Beitragskonferenz bedeuten an-
erkennenswerte Fortschritte auf dem Weg der Verwirk-
lichung der in Köln beschlossenen Zielvorgabe, die
Europäische Union zum eigenständigen Krisenmanage-

Drucksache 14/6705 – 42 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

ment zu befähigen und die erforderlichen Streitkräfte wie
vorgesehen bis zum Jahre 2003 zur Verfügung zu stellen.
Wir hoffen, dass dieses ehrgeizige Vorhaben erfolgreich
zu Ende geführt werden kann, gerade weil wir wissen,
welche Schwierigkeiten nach wie vor zu überwinden sind,
um der Europäischen Union auch nur teilweise eine Si-
cherheits- und Verteidigungsdimension zu geben. Schon
die Zustimmung der EU-Staaten mit neutraler Tradition
zur Übertragung der Petersberg-Funktionen der WEU auf
die Europäische Union konnte nur dadurch erreicht wer-
den, dass gleichzeitig der Aufbau von zivilen Krisenma-
nagement-Fähigkeiten der EU beschlossen und vorberei-
tet wurde. Manche EU-Staaten wünschen, dass ziviles
Krisenmanagement den Vorrang vor militärischem Kri-
senmanagement haben soll. Viele wünschen zumindest
eine Gleichwertigkeit und Gleichgewichtigkeit von zivi-
len und militärischen Krisenmanagement-Fähigkeiten.
Dass die Europäische Union auf eine Vielfalt von Maß-
nahmen zurückgreifen kann, um Krisen möglichst schon
im Vorfeld zu begegnen, ist sicherlich ihre Stärke. Sie
muss aber unter Beweis stellen, dass sie im Krisenfall
auch in der Lage ist, rasch die nötigen Entscheidungen zu
treffen. Die Klärung der Entscheidungsmechanismen in
der Europäischen Union gehört ebenso wie die Ausge-
staltung der Zusammenarbeit zwischen der Europäischen
Union und der NATO und die Beteiligung der nicht der
Europäischen Union angehörenden europäischen NATO-
Staaten und der EU-Beitrittskandidaten zu den noch zu re-
gelnden Problemen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir möchten auch diese
Länder „an Bord“ haben, so wie sie auch bisher in der
WEU ihren Platz gefunden haben. Deshalb hat bei den
zurückliegenden Gesprächen, die ich mit nationalen Re-
gierungen und nationalen Parlamenten geführt habe, ge-
rade die Frage: „Wo ist der Platz für die nicht der EU an-
gehörenden Staaten?“, immer im Mittelpunkt meiner
Ausführungen gestanden, und ich habe immer wieder ver-
sucht, gerade diese Frage so zu stellen, dass sie auch Ak-
zeptanz bei meinen Gesprächspartnern finden konnte.
Denn, liebe Kolleginnen und Kollegen, nur auf diese
Weise konnte bisher ein Stück europäische Identität, ein
Gefühl des Dazugehörens, geschaffen werden.
In diesem Zusammenhang ist auch bedeutend, dass sich
ein europäisches Mitgliedsland, nämlich Dänemark, über-
haupt nicht an militärischen Aktivitäten der EU zu betei-
ligen gedenkt, was unter Umständen einen Einfluss auf
andere Staaten haben könnte. Die WEU-Versammlung
hätte es begrüßt – ich sage dies gerade in der derzeitigen
Situation mit allem Nachdruck –, wenn sämtliche Funk-
tionen der Westeuropäischen Union, wie es in den Verträ-
gen eigentlich vorgesehen war, in die EU hätten integriert
werden können. Warum das nicht geschehen konnte und
warum das nicht geschehen ist, das wissen Sie, das brau-
che ich hier nicht noch einmal näher zu erläutern. Die kol-
lektive Beistandspflicht, wie sie in Artikel V des geänder-
ten Brüsseler Vertrages niedergelegt ist, konnte jedoch
bisher nicht in die EU überführt werden. So bleibt Ar-
tikel V des geänderten Brüsseler Vertrages auch nach
Marseille und Nizza eine Verpflichtung der WEU-Mit-
gliedstaaten, für deren militärische Garantie die NATO

Verantwortung trägt. Die Frage, ob die Europäische
Union mittelfristig bereit sein wird, auch die kollektive
Beistandspflicht, die das zentrale Element des sicher-
heitspolitischen Acquis der Westeuropäischen Union dar-
stellt, zu übernehmen, ist und bleibt die Messlatte für den
Aufbau einer europäischen gemeinsamen Verteidigungs-
politik, wie sie im Amsterdamer Vertrag als Vision von
den Mitgliedstaaten der EU festgelegt wurde.
Ich habe in einigen der Gespräche gerade in diesem Zu-
sammenhang an den Schengener Vertrag erinnert. Der
Schengener Vertrag ist für die innere Sicherheit der Mit-
gliedstaaten zuständig. Beim Schengener Vertrag haben
wir bis heute eine Unverbindlichkeit. Manche Staaten sa-
gen: „Jawohl, wir beteiligen uns“, und manche Staaten
nehmen das Recht in Anspruch zu sagen: „Wir beteiligen
uns nicht.“ Ich glaube, liebe Kolleginnen und Kollegen,
gerade bei einer so wichtigen Frage wie einer Sicherheits-
politik, wie sie jetzt vorgesehen ist, muss eine gewisse
Beistandsverpflichtung auch ihren Platz finden können.
Die Beschlüsse von Helsinki, von Köln, Marseille und
Nizza und ihre Verwirklichung werden tief greifende
Folgen für die Europäische Union, die transatlantischen
Beziehungen und für die NATO selbst haben. Die bishe-
rige Scharnierfunktion der Westeuropäischen Union, die
ihr die Rolle gab, gleichzeitig als Verteidigungskompo-
nente der Europäischen Union und als entscheidendes
Element der Entwicklung einer europäischen Sicherheits-
und Verteidigungsidentität innerhalb der atlantischen Al-
lianz zu dienen, ist weggefallen. Dadurch ist der Weg für
die von vielen seit langem geforderte direkte Zusammen-
arbeit zwischen der Europäischen Union und der NATO
eröffnet worden.
Alle Beteiligten müssen sich darüber im Klaren sein, dass
die Ausgestaltung dieser direkten Zusammenarbeit ent-
scheidend für die Frage ist, ob sich der Charakter der
transatlantischen Beziehungen insgesamt weiter so posi-
tiv wie zwischen der WEU und der NATO entwickelt. Die
Versammlung der WEU setzt sich daher weiter mit
großem Engagement dafür ein, dass alle europäischen
NATO-Staaten, die nicht der EU angehören, und die Bei-
trittskandidaten – ich habe das bereits erwähnt –, die seit
Jahren ihren festen Platz in der WEU und ihrer Versamm-
lung haben und sich mit Streitkräften an den Petersberg-
Aufgaben beteiligen, nicht benachteiligt werden, wenn
die Europäische Union diese Aufgaben im Rahmen der
gemeinsamen Europäischen Sicherheits- und Verteidi-
gungspolitik übernimmt.
Welche Folgen werden die Beschlüsse von Nizza auf die
WEU und das noch nicht vollendete Projekt einer umfas-
senden europäischen Verteidigungsdimension haben? Der
Ministerrat der WEU in Marseille hat bereits beschlossen,
seine Verpflichtungen aus dem geänderten Brüsseler Ver-
trag weiter zu erfüllen. Daraus, liebe Kolleginnen und
Kollegen, ergibt sich, dass die Westeuropäische Union als
Organisation weiter besteht und dass der Rat und die Ver-
sammlung ihre Tätigkeit fortsetzen können und werden.
Nach dem Transfer des den intergouvernementalen Be-
reich betreffenden Teils der Krisenmanagement-Aufga-
ben der WEU auf die EU wird sich der zukünftige Aufga-
benschwerpunkt der Westeuropäischen Union nach

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 43 – Drucksache 14/6705

Auffassung der Präsidentschaft auf folgende drei Kernbe-
reiche konzentrieren: erstens die Überwachung der kol-
lektiven Beistandsverpflichtung, wie sie in Artikel V des
Vertrages niedergelegt ist und von der NATO garantiert
wird, zweitens die Zusammenarbeit im Rüstungsbereich
– liebe Kolleginnen und Kollegen, gerade wir in Europa
haben, so glaube ich, an einer stärkeren Zusammenarbeit
gerade in diesem Bereich nicht nur einen Nachholbedarf,
sondern auch ein großes Interesse –, drittens die Funktion
eines Forums für strategische und sicherheits- und vertei-
digungspolitische Diskussion der Regierungen der 28
WEU-Staaten. Es ist vor allem der letzte Bereich, in dem
auch die WEU-Versammlung weiterhin eine besondere
und bedeutende Rolle spielt.
Ich habe in meiner Eingangsrede vor einem Jahr darauf
hingewiesen, dass gerade die Tatsache, dass hier 28 Län-
der durch ihre Abgeordneten zu einem ständigen sicher-
heitspolitischen Dialog vertreten sind –, zweimal im Jahr
in der Versammlung und darüber hinaus sehr oft in den
Ausschüssen, – auch ein Tatbestand ist, der zur Verstär-
kung des europäischen Gedankens und zur Verstärkung
der europäischen Identifikation gerade für die nicht der
EU angehörenden Länder besonders beiträgt und daher
auch besonders wichtig ist.
Allerdings hat der WEU-Ministerrat in Marseille eine
Reihe von Entscheidungen getroffen, die nicht dazu ge-
eignet sind, ihn in die Lage zu versetzen, seine zukünfti-
gen Aufgaben tatsächlich zu erfüllen. Er hat nämlich das
Ende jeglicher politischer und militärischer Tätigkeit be-
schlossen. Er ist damit erheblich weitergegangen, als es
der Funktionstransfer im Krisenmanagement erfordert,
und hat damit Anlass für die Entscheidung des Präsidial-
ausschusses gegeben, die Folgen der Erklärung von Mar-
seille zum Gegenstand einer besonderen Debatte zu ma-
chen, die am morgigen Dienstag stattfinden soll und zu
der der Politische Ausschuss einen Beschluss vorbereitet,
der unser aller Aufmerksamkeit finden sollte. Es liegt auf
der Hand, dass auch die zahlreichen Berichte und Emp-
fehlungen, die wir im Laufe dieser Sitzungswoche bera-
ten werden, ganz im Zeichen der Überlegung stehen, wel-
ches die Folgen der Entscheidung von Marseille und
Nizza sein werden. Wir sind in diesem Zusammenhang
auf die Ausführungen des Premierministers der Französi-
schen Republik, Herrn Jospin, der als amtierender Rats-
präsident der WEU zu uns sprechen wird, ebenso wie auf
die Erläuterungen von WEU-Generalsekretär Solana be-
sonders gespannt. Wir wollen zum Beispiel erfahren, wel-
che Folgen die Aufrechterhaltung von Ministerrat und
Ständigem Rat auf die praktische Ausgestaltung der Be-
ziehungen zur Versammlung haben wird.
Die Vertreter des Rates werden Verständnis dafür haben,
dass uns insbesondere zwei Fragen große Sorgen machen.
Die erste Frage ist die, wie der Rat in Zukunft seine ver-
traglichen Aufgaben zu erfüllen beabsichtigt. Wird er re-
gelmäßig tagen, und wenn ja, in welchem Format? Wer-
den die assoziierten Mitglieder und Partner weiterhin an
der Ratsarbeit beteiligt werden? Mit welchen Fachfragen
wird sich der Rat in Zukunft befassen? Kann es der Rat
wirklich verantworten, die Zusammenarbeit mit Russ-
land, der Ukraine, mit Mittelmeerstaaten und anderen ein-

fach einzustellen und die Konsultationen mit der EU und
der NATO zu beenden? Sie sehen, das sind eine Reihe von
offenen politischen Fragen, die bisher keine Antwort ge-
funden haben. Sollen damit die verbleibenden Funktionen
der Westeuropäischen Union aus dem Gefüge der europä-
ischen und transatlantischen Zusammenarbeit in Sicher-
heits- und Verteidigungsfragen herausgebrochen werden?
Damit wäre jede Chance vertan, die WEU weiterhin als
erweitertes Forum zur Erörterung strategischer Fragen zu
nutzen. Ich habe es vor einem Jahr gesagt, und ich wie-
derhole es hier: Europa ist größer als die 15 EU-Mitglied-
staaten. Ein umfassender Ansatz der europäischen Sicher-
heitspolitik sollte den Dialog mit Russland und den
anderen Nachbarstaaten der EU einschließen, so wie wir
das in der Vergangenheit auch hier getan haben.
Die zweite Frage, die Anlass zur Sorge gibt, ist das Fehlen
einer Konzeption der Regierungen zur Frage der zukünf-
tigen parlamentarischen Dimension der europäischen Si-
cherheits- und Verteidigungspolitik. Ich brauche an dieser
Stelle nicht zu wiederholen, wie dürftig die Erklärung von
Marseille zu diesem Thema ausgefallen ist. Umso erfreu-
licher ist die Tatsache, dass die französische Präsident-
schaft sowohl in Person ihres Außenministers Hubert
Védrine als auch in der von Verteidigungsminister Alain
Richard ein sehr offenes Ohr für dieses Problem zeigt und
anerkannt hat, dass hier erheblicher Handlungsbedarf be-
steht. Dies wurde mir von Herrn Védrine anlässlich eines
Gespräches in Marseille in dieser Form auch noch einmal
gesagt. Ich habe über dieses Problem im Rahmen meiner
Besuche neben der französischen inzwischen auch mit der
britischen, der isländischen, der griechischen, der irischen
und der slowenischen Regierung sprechen können. Bei
allen habe ich zunehmendes Verständnis für die Notwen-
digkeit gefunden, sich bald diesem Thema zu widmen, das
nicht mehr auf die Tagesordnung von Nizza gesetzt wer-
den konnte. Ohne den Transfer der parlamentarischen
Funktionen der WEU im Bereich des Krisenmanagements
auf die EU ist die von den Regierungen angestrebte Auf-
gabenübertragung von der WEU zur EU an entscheiden-
der Stelle unvollständig!
Die Versammlung setzt in diesem Zusammenhang große
Hoffnungen auf die bevorstehenden Initiativen der nie-
derländischen WEU-Präsidentschaft, die die parlamenta-
rische Dimension zum Gegenstand haben könnten. Wir
sehen daher der Rede des niederländischen Außenmini-
sters van Aartsen in dieser Woche mit besonderem Inte-
resse entgegen. Wir erleben in letzter Zeit – auch angeregt
durch Denkanstöße von Außenminister Fischer – das Ent-
stehen einer lebhaften europäischen Debatte über die
Frage, wie die zukünftige parlamentarische Dimension
der Europäischen Union vervollständigt werden könne.
Alain Juppé, Jacques Toubon, Jacques Delors, der franzö-
sische Staatspräsident Chirac, der belgische Premiermi-
nister Verhofstadt, der britische Premierminister Tony
Blair, der Präsident des französischen Senats Poncelet,
der britische Außenminister Robin Cook, der polnische
Präsident Kwasniewski und viele andere haben hierzu be-
deutende Diskussionsbeiträge eingebracht, die die Frage
der Notwendigkeit der Errichtung einer zweiten Kammer
des Europäischen Parlaments zum Gegenstand haben, die
aus Vertretern der nationalen Parlamente bestehen könnte.

Drucksache 14/6705 – 44 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Ich möchte dies nur in Ihre Erinnerung zurückrufen, weil
ich diese Aussagen für wichtig erachte. Es war die briti-
sche Regierung, die als Argument für eine solche Initia-
tive unter anderem die notwendige kollektive Begleitung
der gemeinsamen europäischen Außen- und Sicherheits-
politik durch ein interparlamentarisches Organ in die De-
batte einführte, und zwar hat Tony Blair von nationalen
Abgeordneten in diesem Bereich gesprochen. Eines,
meine Damen und Herren, möchte ich hier betonen. Wir
fordern, dass die Versammlung bei allen Initiativen der
Regierungen zur parlamentarischen Dimension der Ge-
meinsamen Europäischen Sicherheits- und Verteidi-
gungspolitik angemessen einbezogen wird. Das von uns
aufgezeigte Problem kann, so meine ich, auch nur mit un-
serer Hilfe gelöst werden.
Nun gibt es viele Regierungen, die der Auffassung sind,
es sei in erster Linie eine Aufgabe der Parlamente selbst,
entsprechende Konzepte und Vorschläge zu entwickeln.
Dies war der Beweggrund für unsere Initiative von Lissa-
bon. Auch das Europäische Parlament hat eigene Vorstel-
lungen entwickelt. Wir sind weiter bereit, mit dem Euro-
päischen Parlament bei der Ausarbeitung von Konzepten
zur parlamentarischen Dimension zusammenzuarbeiten.
Ich möchte es noch einmal ganz deutlich unterstreichen.
Unsere offene Haltung wird schon dadurch deutlich, dass
wir schon seit langer Zeit Vertretern des Europäischen
Parlamentes Gelegenheit geben, hier im Plenum das Wort
zu ergreifen, obwohl das Europäische Parlament unseren
Parlamentariern nach wie vor keine entsprechenden Mög-
lichkeiten in seinen Plenartagungen gegeben hat. Auch
das Europäische Parlament sollte endlich die Konsequen-
zen daraus ziehen, dass die Westeuropäische Union mit
ihrer Versammlung laut EU-Vertrag integraler Bestandteil
der Entwicklung der Europäischen Union ist und dass sich
die Union im EU-Vertrag zur Förderung engerer institu-
tioneller Beziehungen zur WEU verpflichtet hat. Umso
unverständlicher, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist es,
dass das Europäische Parlament nicht auf die Einladung
reagiert hat, im Lenkungsausschuss mitzuarbeiten, und
versucht, seine Vorstellungen über die parlamentarische
Dimension der ESVP unter Ausschaltung und Umgehung
unserer Versammlung zu verfolgen, ja, sogar unsere Ab-
schaffung vorschlägt. Dies, liebe Kolleginnen und Kolle-
gen, ist ein einmaliger Vorgang: Ein europäisches Organ
fordert die Abschaffung eines anderen parlamentarischen
Organs, eines Organs, das sich aus Mitgliedern der natio-
nalen Parlamente der EU-Mitgliedstaaten zusammen-
setzt!
Wenn wir weiterhin zur Zusammenarbeit bereit sind, so
heißt das nicht, dass wir einer Verwirrung der Kompeten-
zen im parlamentarischen Bereich das Wort reden wollen.
Wir sind nach wie vor der Auffassung, dass die zwi-
schenstaatliche Zusammenarbeit der Regierungen der EU
in dem Bereich, in dem die Funktionen der WEU auf die
EU übertragen werden, wie bisher durch eine aus Vertre-
tern der Parlamente der teilnehmenden Staaten bestehen-
den Versammlung begleitet und beraten werden muss, so
wie das bisher in der WEU durch die WEU-Versammlung
praktiziert wurde. Unsere Forderung ist die, dass, wenn
Funktionen der WEU im Bereich der Exekutive auf die
Europäische Union übertragen werden, es logisch ist, dass

auch die betreffenden Funktionen der WEU-Versamm-
lung entsprechend auf die Europäische Union übertragen
werden. Bekanntlich werden die exekutiven Funktionen
der Westeuropäischen Union nicht auf die Europäische
Kommission, sondern auf die Ratsstrukturen übertragen.
Es sind die gleichen Minister, die in der Europäischen
Union zukünftig für die bisherigen Aufgaben der WEU
verantwortlich sind. Auch die Vertreter des Sicher-
heitspolitischen Ausschusses sind im Wesentlichen perso-
nenidentisch mit den bisherigen ständigen Vertretern des
WEU-Rates. Auch bei der Übertragung von entsprechen-
den parlamentarischen Funktionen der WEU auf die Eu-
ropäische Union braucht also nichts Neues geschaffen zu
werden. Wenn im parlamentarischen Bereich also ge-
nauso verfahren wird wie im intergouvernementalen Be-
reich, könnten wir die Entstehung eines demokratischen
Defizits vermeiden. Das bedeutet, dass die zukünftige
parlamentarische Beratung der gemeinsamen europä-
ischen Sicherheitspolitik auf den Erfahrungen der WEU-
Versammlung aufgebaut werden sollte.
Wir freuen uns, dass in vielen Ländern das Verständnis für
diese Logik wächst. In diesem Zusammenhang möchte
ich zwei Beispiele herausgreifen. Der Auswärtige Aus-
schuss des irischen Parlaments hat den irischen Außenmi-
nister in der vergangenen Woche ausdrücklich aufgefor-
dert, im Rahmen der Europäischen Union auf eine
Revision der parlamentarischen Dimension der gemein-
samen europäischen Sicherheits- und Verteidigungspoli-
tik unter besonderer Berücksichtigung der Rolle unserer
Versammlung hinzuwirken. Je mehr Parlamente Forde-
rungen dieser Art stellen, desto größer ist die Chance, dass
wir erfolgreich werden.
Zum Schluss noch ein Wort zu der Verantwortung der Re-
gierungen und der Parlamente. Es ist selbstverständlich,
dass wir als Parlamentarier sagen müssen, was wir wol-
len. Ich habe daher stets an die Leiter unserer Delegatio-
nen appelliert, entsprechende Überzeugungsarbeit in
ihren heimischen Parlamenten zu leisten. So hat diese Ar-
beit inzwischen in zahlreichen Parlamenten zu lebhaften
Debatten geführt. Als Beispiele, die selbstverständlich
nicht erschöpfend sind, möchte ich abgesehen von der er-
wähnten Resolution des irischen Parlamentes nennen:
beide Häuser des britischen Parlaments, das belgische und
das luxemburgische Parlament. Besonders gefreut habe
ich mich über die jüngste Initiative der norwegischen De-
legation, deren Text hier ausliegt. Selbstverständlich ha-
ben meine deutschen Delegationskollegen und ich unsere
Informationsarbeit im Deutschen Bundestag fortgesetzt,
und wir werden diese Arbeit auch noch im kommenden
Jahr leisten. Die Zukunft unserer Versammlung hängt
nicht zuletzt von uns allen, von unserem Interesse und un-
serem Engagement ab. Daran möchte ich Sie, liebe Kol-
leginnen und Kollegen, erinnern und Sie herzlich um Ihre
Initiativen bitten. Aber gleichzeitig möchte ich auf die
Verantwortung unserer Regierungen hinweisen. Wir ha-
ben keine verfassungsgebende Versammlung auf europä-
ischer Ebene, die über die Weiterentwicklung der europä-
ischen Institutionen entscheiden wird. Es bleiben die
Regierungen, die sich auch in Zukunft in Regierungskon-
ferenzen zusammensetzen müssen, um über weitere Maß-
nahmen einschließlich ihrer parlamentarischen Dimen-

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 45 – Drucksache 14/6705

sion zu entscheiden. Deshalb, liebe Kolleginnen und Kol-
legen, müssen wir unsere Überzeugungsarbeit in unseren
nationalen Parlamenten, aber genauso gegenüber unseren
nationalen Regierungen fortsetzen. Dazu fordere ich Sie
sehr herzlich auf. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksam-
keit.
Klaus Bühler (Bruchsal) (CDU/CSU) – Es ist für mich,
Herr Kollege Amaral, genau so eine Enttäuschung, zu er-
fahren, dass der französische Verteidigungsminister heute
nicht kommen kann, wie auch die Tatsache, dass der fran-
zösische Premierminister darum gebeten hat, dass ihm
Fragen nur schriftlich vorgelegt werden. Die Gründe, die
dazu geführt haben, dass Alain Richard heute nicht anwe-
send sein kann, kann ich Ihnen im Detail nicht nennen.
Mir wurde gesagt, dies geschehe wegen der Vorbereitung
des Gipfels von Nizza. Sie wissen, dass wir in dieser Wo-
che ein terminliches Zusammentreffen zwischen unserer
Versammlung in Paris und dem EU-Gipfel in Nizza in der
zweiten Wochenhälfte haben. Ob diese Begründung zu-
trifft, kann ich nicht beurteilen. Ich muss dies zur Kennt-
nis nehmen. Ich bedauere das aber genauso wie Sie.
Zum Zweiten: Zur Beantwortung von Fragen durch die
Abgeordneten unser Versammlung möchte ich Ihnen Fol-
gendes sagen. Es wurde uns zunächst mitgeteilt, dass der
Premierminister überhaupt nicht bereit sein würde, Fra-
gen zu beantworten. Anschließend wurde uns gesagt, dass
die Bereitschaft bestünde, schriftliche Fragen schriftlich
zu beantworten. Ich bin mir darüber im Klaren, dass da-
mit das parlamentarische Wechselspiel von Frage und
Antwort in keiner Weise berücksichtigt wird. Ich möchte
aber nur eines in Erinnerung rufen: Wenn Sie die Antwort
eines Ratspräsidenten schriftlich bekommen, ist das viel-
leicht von der Bedeutung für Sie etwas gravierender zu
werten, als wenn Sie in einer Diskussion nur eine münd-
liche Antwort bekommen. Darüber kann man streiten.
Ich möchte am Schluss nur bemerken: Ich weiß, dass die
französische Delegation, das unsere französischen Kolle-
ginnen und Kollegen, angeführt von Madame Durrieu, al-
les versucht haben, um den heutigen Besuch des Verteidi-
gungsministers zu ermöglichen. Ich möchte mich für
diese Bemühungen ausdrücklich bedanken. Aber ich ver-
stehe diese Entscheidung nicht, ich kann sie nicht nach-
vollziehen und möchte sie nicht kommentieren. Mehr
kann ich im Augenblick nicht tun. Ich bedauere dies mit
Ihnen.

Tagesordnungspunkt
Aufbau der Mittel und Fähigkeiten für die

Krisenbewältigung im Rahmen der GESVP –
Antwort auf den Jahresbericht des Rates

(Drucksache 1715)
Berichterstatter des Verteidigungsausschusses:

Sydney Rapson (Vereinigtes Königreich)
Dr. Karl-Heinz Hornhues (CDU/CSU) – Herr Präsident!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolle-
ginnen und Kollegen! Ich danke dem Berichterstatter

ganz herzlich dafür, dass er einen Prozess begleitet hat,
der von erheblicher Bedeutung für die europäische Ent-
wicklung ist. Spätestens die Krisen im ehemaligen Jugo-
slawien haben sehr deutlich gemacht, wo wir als Europäer
eigentlich stehen. Wir sind nämlich in ernsteren Fällen
– das hat uns das Geschehen im Kosovo gelehrt; so habe
ich es jedenfalls begriffen – ziemlich handlungsunfähig,
weil unsere rein europäischen Optionen nicht gerade um-
fassend sind. Aus dieser gemeinsamen Erfahrung heraus
hat sich die Entwicklung hin zum Aufbau von Mitteln und
Fähigkeiten zur Krisenbewältigung in einem – wie es in
einem Kommentar heißt – für unsere Verhältnisse er-
staunlichen Tempo beschleunigt. Manchen mag dies nicht
schnell genug gehen, aber man muss zugeben, dass sich
diese Entwicklung für europäische Verhältnisse enorm
schnell vollzogen hat, zum Teil so schnell, dass einige
Punkte nicht hinreichend bedacht wurden. Der Präsident
hat in seinen einführenden Bemerkungen dazu schon eine
Reihe von Hinweisen gegeben, die in diesen Tagen immer
wieder Gegenstand unserer Erörterungen sein werden.
Deswegen erspare ich es mir an dieser Stelle, all diese
wieder im Einzelnen anzuführen, sondern konzentriere
mich auf einige Punkte:
Knapp zusammengefasst hat einmal ein Experte, wie ich
hoffe, gesagt, dass die europäischen NATO-Mitgliedstaa-
ten zwar 60 % der Mittel ausgeben, die die Vereinigten
Staaten für militärische Aufgaben ausgeben, damit aber
nur etwa 10 % der Schlagkraft der Vereinigten Staaten von
Amerika erreichten. Ich weiß nicht genau, wie das be-
rechnet worden ist und ob es exakt so stimmt, aber die Er-
fahrung lehrt ja wohl, dass diese Zahlen nicht aus der Luft
gegriffen sind. Meine Frage an den Stellvertreter
SACEUR lautet: Wie verändern sich durch die von uns
jetzt in Angriff genommenen Vorhaben diese Zahlenver-
hältnisse hin zum Besseren?
Damit hängt eine zweite Frage zusammen, die mich be-
wegt: Die Geschehnisse rund um das Kosovo haben
gezeigt, dass es uns Europäern im Rahmen der NATO an
strategischen Fähigkeiten fehlt bzw. wir sie nur sehr man-
gelhaft besitzen. Welche Ergänzungen wären notwendig
oder müssten noch vorgenommen werden, damit so man-
che Hoffnungen und Erwartungen – von Befürchtungen
möchte ich nicht sprechen –, die sich diesseits und jenseits
des Atlantiks an die verstärkten europäischen Initiativen
knüpfen, auch erfüllt werden? Reichen diese aus? Kom-
men wir ohne eigene Aufklärung aus? Sind wir nur zur
Hälfte oder gar nur zu einem Viertel einsatzfähig? Sind
wir tatsächlich politisch in der Lage, gegebenenfalls auch
ohne den großen Bruder zu handeln? Wie wird sich das Ih-
rer Einschätzung nach theoretisch vollziehen? Die Ton-
lage beider Kandidaten im gerade zu Ende gegangenen
amerikanischen Wahlkampf – jeder von uns weiß, dass
man nicht alles wörtlich nehmen darf, was im Wahlkampf
gesagt wird, da nachher manches anders aussieht – hin-
sichtlich des Engagements auf unserer Seite des Atlantiks
war – bei Bush mehr als bei Gore – nicht gerade so, als ob
wir unsere eigenen Anstrengungen zurückschrauben
könnten. Diese Fragen, Herr Präsident, möchte ich von
meiner Seite einbringen und darum bitten, dass sie aufge-
griffen werden.

Drucksache 14/6705 – 46 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Ich begrüße ausdrücklich, dass die Europäische Union
stärkere politische Handlungsfähigkeit gewinnen will.
Dabei liegt mir besonders die Frage am Herzen – der Be-
richterstatter fragte auch danach –, wie denn die anderen
europäischen Staaten künftig mit uns zusammenarbeiten
können. Ich gestehe freimütig, dass ich bei vielen aus mei-
ner Fraktion und meinem Parlament in Deutschland sowie
bei Mitgliedern des Europäischen Parlaments auf einen
verengten Europabegriff stoßen. Mit Europa meint man
dort die EU. Ich halte die EU für das wichtigste, dyna-
mischste und zukunftsträchtigste Unternehmen auf dem
europäischen Kontinent. Ein Blick auf die Landkarte lehrt
aber, dass es außer den 15 EU-Mitgliedern, von denen
zehn auch in der WEU sind, noch eine ganze Reihe wei-
terer Nationen gibt. Wie soll man mit diesen gerade auch
im militärischen Bereich verfahren? Soll es schon Mit-
wirkungsmöglichkeiten im Vorfeld geben oder werden sie
nur wie Staaten zweiter Klasse behandelt, indem sie am
Ende gefragt werden und dann in irgendeiner Ecke mit ih-
rer Fahne mitmarschieren können? Es ist, wie ich glaube,
eine psychologisch ganz entscheidende Frage für das wei-
tere Fortkommen in Europa, wie sich diese Prozesse voll-
ziehen werden.
Wir wollen ja in der Regel gar nicht, dass die jetzt aufge-
stellten Eingreiftruppen zum Einsatz kommen. Vielmehr
wollen wir politisch dafür sorgen, dass sie gar nicht ein-
gesetzt werden müssen und der Einsatz nur dann erfolgt,
wenn es keinen anderen Weg mehr gibt. Wie gestalten wir
den politischen Prozess in der Europäischen Union so,
dass alle interessierten Europäer – ich nehme einmal nur
diesen Bereich – in dem Maße Gehör fänden, wie es hier
möglich war. Bei aller Freude über die erzielten Fort-
schritte, die zwar spät, aber nicht zu spät kommen, ist es
notwendig und sinnvoll, auch diese Punkte immer wieder
zu benennen.
Ich möchte noch einen letzten Punkt ansprechen: Ich
nehme wahr, dass sich die Verteidigungspolitik in
Deutschland ganz auf die neue Truppe fokussiert, die auf-
gestellt werden soll. Alles wird darauf abgestellt, was
diese Truppe braucht. Da sie im Ernstfall ja schnell und
häufig umgesetzt werden muss, werden die Zahlen für die
benötigten Kapazitäten hochgerechnet. Reicht ein solches
Vorgehen aus, wenn wir die Verteidigungsfähigkeit Euro-
pas sicherstellen wollen? Als Parlamentarier der WEU-
Versammlung haben wir den zentralen Auftrag, den
Artikel V im Auge zu behalten. Hier geht es um die Ver-
teidigungsfähigkeit und -willigkeit im Rahmen des ge-
genseitigen Beistands, zu dem sich unsere Länder ver-
pflichtet haben. Wie sieht es mit dieser Verpflichtung aus,
wenn wir ihr im hoffentlich nie eintretenden, im Augen-
blick auch wohl sehr fern liegenden, aber niemals auszu-
schließenden Fall nachkommen müssen? Laufen wir
nicht ein wenig Gefahr, wenn wir uns auf eine Truppe von
60 000 oder 100 000 Soldaten in ganz Europa konzentrie-
ren, dem irrtümlichen Glauben zu verfallen, dass das aus-
reiche? Ich möchte nicht schließen, ohne auch diesen
Aspekt, der unser Kernanliegen berührt, angesprochen zu
haben.
Ich danke noch einmal ganz herzlich dem Berichterstatter
für seine kritischen Fragen und für seine konstruktive Be-

gleitung unseres gemeinsamen Anliegens. Ich wünsche
mir, dass diese Debatte uns hier und da vielleicht ein we-
nig mehr Klarheit in den Fragen bringt, bei denen noch
ziemlich viele Unklarheiten bestehen. – Ich danke Ihnen.
Dieter Schloten (SPD) – Ich möchte nichts zum Inhalt
anmerken, Herr Präsident. Ich möchte nur sagen, dass der
Ausschuss in seiner Sitzung am 14. November 2000 – die
Mitglieder waren sehr zahlreich vertreten – dem Charme
der europäischen Sicht und der Sachkunde eines briti-
schen Kollegen voll erlegen ist und – einschließlich
Mr. Wilkinson – einstimmig zugestimmt hat. Wir bitten
auch die Versammlung, diesem Votum zu folgen. – Herz-
lichen Dank.

Empfehlung 674
betr. den Aufbau der Mittel und Fähigkeiten für
die Krisenbewältigung im Rahmen der GESVP –
Antwort auf den jährlichen Bericht des Rates

Die Versammlung,
(i) erinnernd an die Verpflichtung der Mitgliedstaaten

der Europäischen Union zur Wahrung der demo-
kratischen Werte und der Menschenrechte und ihre
gemeinsame Entschlossenheit, sich an der Bewäl-
tigung von Krisen zu beteiligen, die auf dem euro-
päischen Kontinent oder an seinen Grenzen auf-
treten;

(ii) mit Genugtuung über die von den europäischen
Staats- und Regierungschefs in Köln, Helsinki und
Feira gezeigte Entschlossenheit, der Union die
Fähigkeit zu geben, auf internationale Krisen ei-
genständig und glaubwürdig zu reagieren;

(iii) betonend, dass die Fünfzehn mit ihrer Entschei-
dung von Helsinki, Krisenbewältigungsoperatio-
nen mit oder ohne Unterstützung durch Potenziale
und Fähigkeiten der NATO zu übernehmen, nicht
mit der NATO konkurrieren, sondern in Partner-
schaft mit dieser die Last der Krisenbewältigung
dort auf sich nehmen wollen, wo die NATO als sol-
che nicht engagiert ist;

(iv) mit Genugtuung über die anhaltenden Beziehun-
gen, die mittlerweile zwischen der Europäischen
Union und der NATO auf dem Wege über die vier
auf dem Europäischen Rat von Feira eingesetzten
Ad-hoc-Gruppen aufgebaut worden sind sowie
über die Entschlossenheit ihrer jeweiligen Organi-
sationen zur Zusammenarbeit;

(v) unter Betonung der Bedeutung des in Helsinki
vereinbarten Hauptziels des Aufbaus einer eigen-
ständigen europäischen Krisenreaktionsfähig-
keit, durch die innerhalb von zwei Monaten rund
60 000 Soldaten stationiert werden können;

(vi) unter Betonung der Richtigkeit der auf dem euro-
päischen Gipfel von Helsinki am 10. und 11. De-
zember 1999 getroffenen Entscheidung, Krisenbe-
wältigungsoperationen der politischen Kontrolle
und strategischen Leitung der Europäischen Union

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 47 – Drucksache 14/6705

zu unterstellen, indem hierfür kollektive politisch-
militärische Gremien errichtet werden: ein Politi-
scher und Sicherheitspolitischer Ausschuss
((PSC), ein EU-Militärausschuss (EMC) und ein
Europäischer Militärstab (EMS));

(vii) im Bewusstsein der von den an dem Hauptziel be-
teiligten Staaten unternommenen Anstrengungen,
die in dem Umstand deutlich werden, dass das Vo-
lumenziel für die Streitkräfte erreicht werden wird;

(viii) unter Betonung der Notwendigkeit, die auf Gebie-
ten wie Führung, Aufklärung und strategischer
Transport offensichtlichen Mängel auszugleichen
und mit Genugtuung über den bei den zurzeit lau-
fenden Verhandlungen vorgesehenen Vorrang für
die Aufklärung, die den Schlüssel zur strategi-
schen Autonomie darstellt;

(ix) mit Beifall zur Kenntnis nehmend, dass die Staa-
ten der Europäischen Union zivilen Aspekten der
Krisenbewältigung Rechnung tragen, wodurch sie
in die Lage versetzt werden, das gesamte Spek-
trum der Petersberg-Aufgaben abzudecken;

(x) mit Billigung für die Übertragung bestimmter Auf-
gaben der EU auf die Europäische Union;

(xi) betonend, dass es für die Europäische Union ent-
scheidend darauf ankommt, mit den nicht der EU
angehörenden europäischen NATO-Mitgliedern
und den EU-Beitrittskandidaten ein multilaterales
Abkommen zu schließen, dass diesen eine zufrie-
den stellende Teilnahme an der Krisenbewältigung
im größeren Rahmen der europäischen Sicherheit
und Verteidigung gestattet,

empfiehlt dem Rat,
1. sicherzustellen, dass die 28 Mitglieder, assoziier-

ten Mitglieder, assoziierten Partner und Beobach-
ter der WEU auf der Ebene der Regierungen und
der Parlamente an Krisenbewältigungsoperationen
unter Führung der EU in vollem Umfang beteiligt
werden;

2. sicherzustellen, dass die in Helsinki vorgesehenen
ständigen Organe (PSC, EMC und EMS) nach
dem europäischen Gipfel von Nizza (Dezem-
ber 2000) bald an die Stelle der am 1. März 2000
im Rahmen der EU errichteten provisorischen Ein-
richtungen treten;

3. die Regierungen der EU nachdrücklich aufzufor-
dern:
– Treffen der Verteidigungsminister abzuhalten,

um diesen die Möglichkeit zu bieten, Schwie-
rigkeiten bei der Organisation der gemeinsa-
men militärischen Potenziale, der Leistungs-
steigerung der Streitkräfte, der Festlegung von
Folgemechanismen für die Arbeit an der
GESVP oder anderen verteidigungsbezogenen
Fragen, die nicht auf Botschafterebene behan-
delt werden können, beizulegen;

– sobald wie möglich die erforderlichen Maß-
nahmen zu ergreifen, darunter auch solche fi-
nanzieller Art, um auf der Kräftebereitstel-
lungskonferenz (Capabilities Commitment
Conference) festgestellte Mängel beheben zu
können, insbesondere auf den Gebieten
Führung, Aufklärung und strategischer Trans-
port;

– Regelungen für die Konsultation und Zusam-
menarbeit zwischen der Europäischen Union
und der NATO fertig zu stellen;

– innerhalb eines vertretbaren Zeitraums geeignete
Regelungen festzulegen, um der Europäischen
Union im Rahmen der Berliner Viererverein-
barungen Zugang zu Potenzialen und Fähig-
keiten der Allianz zu geben;

– die Möglichkeit zu erwägen, später einen wirk-
lich multinationalen, ständigen strategischen
Operationsstab der Europäischen Union aufzu-
bauen;

– die Fähigkeit Europas bei den zivilen Aspekten
der Krisenbewältigung weiter zu verbessern;

4. die Arbeit des Satellitenzentrums in Torrejón vor
seiner Überstellung an die EU durch eine Er-
höhung der Zahl der Bildauswerter zu verbessern,
sodass Aufnahmen in Krisenzeiten schnell verar-
beitet werden können;

5. die erforderlichen Schritte zu ergreifen, um das In-
stitut für Sicherheitsstudien der WEU auf die EU
zu übertragen, damit letztere eine strategische
Denkfabrik für langfristige Fragen der europä-
ischen Verteidigung erhält.

Dienstag, 5. Dezember 2000
Tagesordnungspunkt

Nukleare Rüstungskontrolle – damit
verbundene Fragen und Aussichten für die
Gemeinsame Europäische Sicherheits- und

Verteidigungspolitik
(Drucksache 1716)

Berichterstatter und Vorsitzender des
Verteidigungsausschusses:

Dieter Schloten (Bundesrepublik Deutschland)
Dieter Schloten (SPD) – Herr Präsident! Liebe Kollegin-
nen und Kollegen! Nukleare Abrüstung und Rüstungs-
kontrolle sind kein Thema von gestern, aus den zum
Glück überwundenen Zeiten des Kalten Krieges, als die
Welt auf einem atomaren Pulverfass lebte. Wenn sich
heute die Versammlung mit diesem Thema und seinen
Auswirkungen auf die gemeinsame europäische Sicher-
heits- und Verteidigungspolitik befasst, so hat das gute
Gründe. Wir wissen immer noch nicht, wie der nächste

Drucksache 14/6705 – 48 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

amerikanische Präsident heißen wird, aber wir wissen,
dass er mit großer Wahrscheinlichkeit eine Entscheidung
zum Aufbau eines Raketenabwehrsystems treffen wird.
Folgt man den Wahlkampfaussagen von Gouverneur
Bush und Vizepräsident Gore, so sind anscheinend beide
dazu bereit, obwohl zwischen ihren Umsetzungsplänen
und Systemvorstellungen gravierende Unterschiede be-
stehen. In der vor uns stehenden Übergangsphase ist es
wichtig, dass Europa seine Stimme erhebt, und zwar da-
durch, dass es gemeinsam seine strategischen Interessen
definiert.
Wir haben seit der zweiten Jahreshälfte 1999 bedeutende
Fortschritte bei der Ausformung einer gemeinsamen euro-
päischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik erzielen
können. Im Mittelpunkt steht dabei die Befähigung zum
autonomen Handeln im zivilen und militärischen Kri-
senmanagement in Europa. Durch die Fortschritte in der
gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik haben wir
jetzt ein Stadium erreicht, wo wir unsere gemeinsamen
strategischen Interessen definieren müssen, und zwar im
Hinblick auf einen möglichen amerikanischen Strategie-
wandel: weg von der nuklearen Abschreckung hin zu „be-
grenzten“ – in der Version der Clinton-Administration –
oder in der weiter gehenden Variante zu weltweiten, see-
gestützten Raketenabwehrsystemen.
So hat sich Gouverneur Bush im Mai dieses Jahres für
eine einseitig vorzunehmende, drastische Reduktion der
US-amerikanischen Kernwaffenbestände und für ein
weltweites US-Raketenabwehrsystem ausgesprochen,
das Raketen in der Startphase abfangen soll. Dies wäre je-
doch ein gravierender Bruch des ABM-Vertrags. Wenn
sich die USA dazu entschließen sollten, ein Raketenab-
wehrsystem aufzubauen: Welche Auswirkungen hat dies
auf die erweiterte Abschreckung, auf die strategische Ein-
heit der Allianz sowie auf die bestehende Rüstungskon-
trollarchitektur? Das sind Fragen, mit denen wir uns kon-
frontiert sehen werden.
Das amerikanische NMD-Projekt steht auch in engem
Zusammenhang mit der Frage, wie wir mit den Gefahren
der nuklearen Proliferation umgehen. China und Russland
halten an ihrer Ablehnung der amerikanischen NMD-
Pläne unnachgiebig fest. Selbst die glühendsten Befür-
worter von NMD in den USA auf der konservativrepubli-
kanischen Seite müssen einräumen, dass eine
amerikanische NMD-Entscheidung, in welcher Konfigu-
ration auch immer, China veranlassen könnte, massiv nu-
klear aufzurüsten. Falls China nuklear aufrüstet, hätte dies
unübersehbare Folgen für das strategische Gleichgewicht
in Asien, zumal sich Indien und Pakistan im Mai 1998 in
die Reihe der Kernwaffenmächte hineingetestet haben.
Ich behaupte nicht, dass eine amerikanische NMD-Ent-
scheidung die alleinige Ursache für einen Rüstungswett-
lauf in Asien wäre. Aber sie bietet den Nationalisten in
dieser Region die Argumente, die bislang an den Tag ge-
legte nukleare Zurückhaltung aufzugeben.
Lassen Sie mich einen weiteren Punkt erwähnen, weshalb
ich diese Debatte gerade jetzt für so wichtig halte. 1984,
auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges, hatte das in sei-
nen alten ideologischen Weltbildern gefangene sowjeti-

sche Politbüro 11 500 Sprengköpfe auf Langstreckenrake-
ten unter seiner Kontrolle, mehr als genug, um das Leben
auf unserem Planeten für immer auszulöschen. Jeder sow-
jetische Sprengkopf hatte eine 20- bis 30-mal größere Ver-
nichtungswirkung als die Hiroshima-Bombe. Sowje-
tische Mittelstreckenraketen bedrohten Westeuropa und
konnten als Einschüchterungspotenzial genutzt werden.
Heute ist dieses in der Menschheitsgeschichte beispiellose
Vernichtungspotenzial drastisch reduziert worden, und
zwar durch Verträge über nukleare Rüstungskontrolle. Ich
erinnere daran, dass die SALT-Verträge aus dem Jahr 1972
zuerst die Zahl der Trägersysteme reduziert haben, was
dann allerdings die Entwicklung von äußerst gefährlichen
Mehrfachsprengköpfen begünstigt hat.
Dann kam Anfang der 90er-Jahre der START-Ansatz. Er
hat erstmals Obergrenzen für die Zahl der Sprengköpfe
eingeführt, und die besonders gefährlichen Mehrfach-
sprengköpfe, die als Erstschlagpotenzial eingeschätzt
werden konnten, wurden beseitigt. Mit START-II soll die
Zahl der nuklearen Sprengköpfe Russlands und der Ver-
einigten Staaten von Amerika auf eine Obergrenze von
3 000 bis 3 500 im Jahre 2007 festgelegt werden. Ich be-
grüße es, dass die Duma START-II im April ratifiziert hat
und hoffe, dass der US-Senat ebenfalls bald eine positive
Entscheidung trifft. Durch das so genannte Nunn/
Lugar-Programm und die EU-Hilfsprogramme konnten
4 900 russische Nuklearsprengköpfe abgebaut werden,
12 nuklearstrategische U-Boote der Typhoon-Klasse wur-
den außer Dienst gestellt und 354 russische Raketensilos
geschlossen. Der Abzug der ehemaligen sowjetischen Nu-
klearraketen aus der Ukraine und Kasachstan erfolgte
ohne größere Probleme.
Diese Reduktion der atomaren Sprengköpfe um zwei Drit-
tel ist ein großartiger Erfolg der Rüstungskontrolle und der
führenden Rolle, die die USAdabei bis vor kurzem gespielt
haben. Dieser Erfolg wurde möglich, weil der Westen und
dabei besonders die USAdurch das Nunn/Lugar-Programm
des US-Senats 1991 die Herausforderungen für eine präven-
tive Sicherheitspolitik erkannten. Sie hatten viel Geld inves-
tiert, um 30000 sowjetischen Nuklearwissenschaftlern eine
zivile Perspektive zu bieten und durch gemeinsame rus-
sisch-amerikanische Anstrengungen den Transfer von russi-
schem Know-how in Drittstaaten weitgehend zu unterbin-
den.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, noch im-
mer halten Russland und die Vereinigten Staaten ein Drittel
ihres Potenzials in einem Bereitschaftszustand, der einen
Nuklearwaffeneinsatz innerhalb von 15 bis 20 Minuten er-
laubt, und noch immer richtet sich die US-amerikanische
Zielplanung des SIOP auf die vitalen Lebenszentren von
Russland. Das ist wirklich ein Relikt aus dem Kalten Krieg
und eigentlich durch nichts mehr zu rechtfertigen. Es ist
vielleicht übertrieben, wenn gesagt worden ist, dass die ei-
gentliche Gefährdung der strategischen Stabilität in unserer
Zeit nicht in der Stärke des russischen Militärpotenzials
liegt, sondern in seiner Schwäche. Aber der tragische Un-
tergang der „Kursk“ und seine Begleitumstände haben ge-
zeigt, welches Gefahrenpotenzial in der maroden russischen
Unterseeflotte liegt.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 49 – Drucksache 14/6705

Präsident Putin hat vor kurzem, anlässlich des Besuchs
des britischen Premierministers Blair, auf eine weitere
drastische Reduzierung der nuklearen Sprengköpfe auf
eine Obergrenze von unter 1 500 gedrängt. Das könnte
den Weg zu einer Art Minimalabschreckung der Kern-
waffenmächte eröffnen.
Ich will in diesem Zusammenhang auch an den Artikel 6
des NPT, des Nichtweiterverbreitungsvertrages, erinnern,
der den Kernwaffenmächten weitere Abrüstungsschritte
ausdrücklich vorschreibt. Allerdings müssen wir dann
Russland als Partner ernst nehmen und diesem Land im
Hinblick auf seine ökonomischen Probleme weitere fi-
nanzielle Hilfen für die Konversion militärischer Nu-
kleareinrichtungen bereitstellen.
Jede Art von moralischem Triumphalismus, von demons-
trativem ökonomischen oder technologischen Auftrump-
fen oder gar das einseitige Hinwegsetzen über internatio-
nal gültige Verträge schadet der in den 90er-Jahren
erreichten internationalen Klimaverbesserung. So ist der
ABM-Vertrag kein Relikt des Kalten Krieges, wie von ei-
nigen konservativen amerikanischen Südstaaten-Senato-
ren auf Capitol Hill immer wieder behauptet wird. Der
ABM-Vertrag hat Russland in den 90er-Jahren die Rück-
versicherung gegeben, dass die USA nicht die russische
Schwächephase ausnutzen werden, um einseitig mit dem
Aufbau eines Raketenabwehrsystems das internationale
Kräftesystem total zu verändern.
In diesem Zusammenhang muss auch einmal darauf hin-
gewiesen werden, dass die Zustimmung zu START-II
innerhalb der russischen militärischen Führung nicht
unumstritten war; denn Russland musste auf seine
Trägersysteme mit modernsten MIRV-Mehrfachspreng-
köpfen verzichten, die aber gerade Raketenabwehrsys-
teme durchdringen können – daher der Zusatz der Duma,
dass die russische Zustimmung an eine Aufrechterhaltung
des ABM-Vertrages gebunden ist.
Ich darf in diesem Zusammenhang daran erinnern, dass
die Clinton-Administration mit einer im September 1997
geschlossenen Zusatzvereinbarung sogar dazu beigetra-
gen hat, den ABM-Vertrag zu festigen. Nunmehr ist im
russisch-amerikanischen Einvernehmen definiert, was
eine zulässige regionale, nicht auf strategische Interkonti-
nentalraketen zielende Raketenabwehr ist. Das ist gerade
für uns Europäer von großer Bedeutung. Deshalb begrüße
ich es, dass die Clinton-Administration, die britische,
französische und deutsche Regierung, um nur einige zu
nennen, den ABM-Vertrag als entscheidende Stütze des
internationalen strategischen Gleichgewichts bezeichnet
haben. Er verbietet den Aufbau von, ja schon die ersten
Schritte hin zu das ganze Staatsgebiet abdeckenden Ra-
ketenabwehrsystemen. Bei einem einseitigen Bruch des
ABM-Vertrages durch die USAwürde die bisherige Rüs-
tungskontrollarchitektur wie ein Kartenhaus zusammen-
brechen; davon wären gerade wir hier in Europa beson-
ders betroffen. Denn wir können uns wegen unserer
Geographie und der Konflikte um uns herum nicht auf
eine „Festung Europa“ zurückziehen.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, bis vor
kurzem schien der Weg zu bedeutenden Einschnitten bei

den ABC-Waffen wie in einem Drehbuch vorgezeichnet.
START-I und START-II wurden verhandelt, immer mehr
Staaten traten dem Nichtweiterverbreitungsvertrag bei,
mittlerweile sind es 187; allerdings fehlen noch immer In-
dien, Israel, Pakistan, Kuba und Nordkorea. Dieser Ver-
trag wurde 1995 auf unbestimmte Zeit verlängert. Weitere
Meilensteine sind der 1996 in Kraft getretene Vertrag über
einen umfassenden Atom-Teststopp, die Schaffung weite-
rer kernwaffenfreier Zonen sowie das 1998 in Kraft ge-
tretene Abkommen zur Ächtung der chemischen Waffen.
Alle diese Abkommen beruhten auf einem präventiven
Ansatz, der darauf setzt, die Weiterverbreitung aller Waf-
fen zu verbieten, die die internationale Stabilität gefähr-
den: Die Weiterverbreitung von Stoffen und Technologien
für Massenvernichtungsmittel wurde verboten und inter-
national kontrolliert und die Einhaltung vor Ort verifi-
ziert.
Allerdings ist diese positive Dynamik ins Stocken ge-
raten. Auf Druck konservativer Senatoren haben die USA
keine Inspektion auf amerikanischem Gebiet im Rahmen
des C-Waffen-Abkommens zugelassen. Am 13. Okto-
ber 1999 hat der US-Senat das CTBT-Kernwaffenver-
suchsstopp-Abkommen entgegen dem Rat der US-Regie-
rung und aller europäischen Verbündeten nicht ratifiziert.
Nach der amerikanischen Wahl droht eine politische Patt-
Situation im Kongress, aber auch in den anderen politi-
schen Institutionen. Daher listet mein Bericht die Berei-
che auf, in denen die Europäer jetzt eine Leadership-Rolle
übernehmen müssen. So hätte die EU eine viel geschlos-
senere und entschlossenere Haltung bei der Vorbereitung
und Durchführung der Überprüfungskonferenz des
NPT-Vertrages im April dieses Jahres an den Tag legen
können. Mehr Druck muss von Europa auch bezüglich der
Aufnahme von Verhandlungen über ein Verbot der Pro-
duktion von nuklearem Spaltmaterial ausgeübt werden.
Generell brauchen wir eine gemeinsame Positionsbestim-
mung der Europäer über die Themenagenda der Genfer
Abrüstungskonferenz, die dringend eines neuen politi-
schen Anstoßes bedarf.
Ich komme zum Schluss: Liebe Kolleginnen und Kolle-
gen, Herr Präsident, ich weiß, dass in diesem Hause un-
terschiedliche Meinungen über die Vor- und Nachteile
von NMD bestehen und auch darüber, welches Gewicht
wir Europäer in Washington, D. C., überhaupt geltend
machen können. Wir haben uns im Ausschuss deshalb da-
rauf verständigt, dass Russland und die USA eine einver-
nehmliche Lösung finden müssen. Dazu müssen wir Eu-
ropäer Anstrengungen unternehmen und unseren Beitrag
leisten.
Vor dem Gebäude der Vereinten Nationen steht das be-
kannte Denkmal der Umwandlung von Schwertern zu
Pflugscharen. Dennoch werden wir noch lange Zeit mit
viel zu vielen Waffen und auch Kernwaffen leben müssen.
Gerade deshalb sollten die Europäer jetzt durch eine ge-
meinsame Haltung und Anstrengung die Chance nutzen,
die Welt und ihre Bewohner vor einem erneuten Wettrüs-
ten zu bewahren. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerk-
samkeit.

Drucksache 14/6705 – 50 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Dieter Schloten (SPD) – Vielen Dank, Herr Präsident. Ich
bin der Auffassung, dass die vorgetragenen Ergänzungs-
anträge des Kollegen Blaauw gut in das Gesamtkonzept
hineinpassen. Ich kann allerdings nicht die Meinung des
Ausschusses wiedergeben, weil wir inzwischen keine
Ausschusssitzung mehr haben konnten. Wenn es nach mir
geht, bin ich gerne bereit, diese Amendments aufzuneh-
men. Ich bedanke mich für diese Ergänzungen.
Ich bedanke mich auch für den Beitrag des Kollegen
Kalkan. Ich möchte darauf hinweisen, dass ich es für
selbstverständlich halte, die Türkei in die Beratungen ein-
zubeziehen. Sie ist hier eines unserer Mitglieder. Inner-
halb der WEU und natürlich auch innerhalb der NATO ist
es keine Frage, dass die Türkei an den Beratungen betei-
ligt wird.
In den Ziffern 76 und 77 des Berichts kommen meine
Befürchtungen zum Ausdruck. Was dort steht, ist nicht
Gegenstand des Beschlusses, sondern die Meinung des
Rapporteurs, des Berichterstatters. Es sind die Befürch-
tungen, die sich aus gewissen Konstellationen ergeben
können. Wir haben immer noch das Problem, dass Israel
zwar nicht zugibt, Atomwaffen zu besitzen, aber jeder-
mann weiß, dass es Atomwaffen hat. Auch ist bekannt,
dass die Türkei und Israel besondere Beziehungen zu-
einander haben. Dass sich aus dieser Konstellation ge-
meinsam mit dem Iran, auch wegen der nicht gerade
freundschaftlichen Beziehungen zu den Nachbarn in
diesem Gebiet, die die Türkei hat – ich denke an Syrien
und den Irak; im Augenblick ist auch der Iran nicht sehr
zuverlässig –, gefährliche Konstellationen ergeben kön-
nen, wenn einer dieser Partner nukleare Waffen hat, liegt
für mich auf der Hand.
Deswegen habe ich meiner Meinung Ausdruck verliehen.
Wir können gerne darüber diskutieren. Aber meine Mei-
nung dazu steht im Bericht, nicht in den Empfehlungen.
Deswegen würde ich es gerne so stehen lassen, wie es dort
steht, und keinen der Sätze – weder in 76 noch in 77 –
streichen wollen. Danke schön.

Empfehlung 675
betr. Nukleare Rüstungskontrolle – damit
verbundene Fragen und Aussichten für die
Gemeinsame Europäische Sicherheits- und

Verteidigungspolitik
Die Versammlung,
(i) in der Erkenntnis, dass die Verbreitung von Mas-

senvernichtungswaffen eine schwerwiegende Be-
drohung für die internationale Sicherheit und Sta-
bilität darstellt;

(ii) unter Hinweis darauf, dass die Umsetzung politi-
scher und rechtlicher Instrumente weiterhin grund-
legend für die Bekämpfung der Verbreitung von
Kernwaffen ist;

(iii) betonend, wie wichtig der am 1. Juli 1968 unter-
zeichnete und im April 1995 auf unbestimmte Zeit
verlängerte Atomwaffensperrvertrag (NPT) als
Eckpfeiler für das nukleare Nichtverbreitungsre-

gime ist, wobei die regelmäßigen Überprüfungs-
konferenzen das Mittel zur konstruktiven Fortset-
zung der Debatte sind;

(iv) mit uneingeschränkter Unterstützung für die Un-
terzeichnung, Ratifizierung, das schnelle Inkraft-
treten und die vollständige Anwendung des von
der Generalversammlung der Vereinten Nationen
am 10. September 1996 beschlossenen Vertrags
über ein umfassendes Verbot von Kernwaffenver-
suchen (CTBT);

(v) unter erneutem Hinweis darauf, dass es erforder-
lich ist, einen Vertrag über ein Verbot der Produk-
tion von Spaltmaterial für Kernwaffenzwecke oder
andere Kernsprengkörper (FMCT) abzuschließen,
ohne den alle Anstrengungen zur Bekämpfung der
Verbreitung von Kernwaffen vergebens wären;

(vi) in Anbetracht dessen, dass der Anstieg der Anzahl
kernwaffenfreier Zonen das nukleare Nichtver-
breitungsregime nur bestärken kann;

(vii) daran erinnernd, dass der Vertrag über die Begren-
zung der Systeme zur Abwehr ballistischer Flug-
körper (ABM-Vertrag) von 1972 eine der Säulen
für das strategische Gleichgewicht in der Welt ge-
wesen ist;

(viii) mit Genugtuung über die in der Duma im April
2000 erfolgte Ratifizierung des zwischen Russland
und den Vereinigten Staaten geschlossenen Ver-
trags über die Verminderung und Begrenzung nu-
klearstrategischer Waffen (START-II-Vertrag) als
ein weiterer Hinweis auf die Bedeutung einer Re-
duzierung der Anzahl ballistischer Flugkörper, die
in der Lage sind, Massenvernichtungswaffen zu
tragen;

(ix) besorgt über die Gefahr für die internationale Si-
cherheit, die die exponenzielle Entwicklung der
Kernwaffenarsenale Chinas, Indiens und Pakistans
darstellt sowie über die Schwierigkeiten bei der
Beseitigung des geheimen nordkoreanischen
Atomwaffenprogramms trotz der im Rahmen des
internationalen Programms der Organisation für
Energieentwicklung auf der koreanischen Halbin-
sel (KEDO) abgegebenen Versicherungen, sowie
ebenfalls besorgt über die vor kurzem geschlosse-
nen Abkommen zwischen Russland und Indien
über eine Zusammenarbeit im Bereich der Kern-
energie, während Indien sich weiterhin einer Prü-
fung durch die IAEO widersetzt;

(x) ebenfalls beunruhigt über die gegenwärtigen Rüs-
tungsprogramme von Iran und Irak sowie über die
Schwierigkeiten, mit Bagdad ein Abkommen zu
erzielen, das die neue Überwachungs-, Überprü-
fungs- und Kontrollkommission der Vereinten Na-
tionen (UNMOVIC) in die Lage versetzen würde,
Kontrollen durchzuführen;

(xi) sich der potenziell nachteiligen Folgen bewusst,
die der einseitige Rückzug der Vereinigten Staaten

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 51 – Drucksache 14/6705

aus dem ABM-Vertrag aufgrund der eventuellen
Stationierung eines Nationalen Raketenabwehr-
systems (NMD) für die internationale Stabilität
und den russisch-amerikanischen Dialog über die
Kernwaffenkontrolle haben könnte;

(xii) in der Befürchtung, dass die an Operationen außer-
halb des NATO-Gebiets (OPEX) beteiligten euro-
päischen Truppen in naher Zukunft durch den Ge-
brauch taktischer Kernwaffen bedroht werden
könnten, die von einem der Anlass zu Besorgnis
gebenden Staaten erworben wurden;

(xiii) in Anbetracht der immer wieder auftretenden
Schwierigkeiten, die die europäischen Staaten da-
bei haben, in dieser Frage zu einer gemeinsamen
Haltung zu gelangen aufgrund des sie trennenden
wesentlichen Unterschieds, d. h. ihres Besitzes
oder Nichtbesitzes von Kernwaffen;

empfiehlt dem Rat,
die Regierungen der Mitgliedstaaten aufzufordern,
1. zu einer gemeinsamen europäischen Haltung zur

Nichtverbreitung von Kernwaffen und zur nuklea-
ren Abrüstung zu gelangen und diese bei interna-
tionalen Verhandlungen zu vertreten;

2. Anstrengungen zu unternehmen, um die Staaten,
die dem Atomwaffensperrvertrag nicht angehören,
davon zu überzeugen, ihm beizutreten, damit der
Vertrag umfassende Geltung erlangt;

3. sich dafür einzusetzen, dass alle Kernwaffenstaa-
ten den CTBT ratifizieren und umsetzen;

4. bei der Abrüstungskonferenz in Genf alle
Bemühungen daran zu setzen, die Verhandlungen
über den Vertrag über ein Verbot der Produktion
von Spaltmaterial für Kernwaffenzwecke oder an-
dere Kernsprengkörper (FMCT) wieder in Gang
zu bringen;

5. eine angemessene Schaffung atomwaffenfreier
Zonen zu fördern;

6. sich zu bemühen, die Regierungen der Vereinigten
Staaten und Russlands von der Notwendigkeit zu
überzeugen, den ABM-Vertrag aufrechtzuerhalten
und zu einer Einigung über die Stationierung oder
Nichtstationierung des Nationalen Raketenab-
wehrsystems zu gelangen;

7. alle an der WEU beteiligten Staaten einzuladen,
ein Entwicklungsprogramm für eine gemeinsame
ballistische Gefechtsfeldflugkörper-Abwehr ein-
zuleiten, unter Berücksichtigung der Möglichkeit
einer Zusammenarbeit mit anderen Partnern
außerhalb der WEU;

8. Washington und Moskau aufzufordern, das In-
krafttreten des START-II-Vertrags zu beschleuni-
gen und ernsthafte Verhandlungen über einen
START-III-Vertrag zu beginnen;

9. finanzielle Unterstützung, möglicherweise zusam-
men mit den amerikanischen Behörden, für inter-

nationale Programme zur Verschrottung veralteter
Atomwaffen der Russischen Föderation bereitzu-
stellen;

10. gemeinsam mit ihren Partnern auf eine Verbesse-
rung der Befugnisse und Ressourcen der Interna-
tionalen Atomenergie-Organisation (IAEO) hinzu-
wirken, um die Garantien im Rahmen der
Kontrollregimes des Atomwaffensperrvertrags zu
stärken;

11. Anstrengungen zu unternehmen, um sicherzustel-
len, dass alle Staaten Maßnahmen ergreifen zur
Kontrolle der Ausfuhr aller Materialien, Geräte
und Technologien, die für die Entwicklung und
den Erwerb von Massenvernichtungswaffen rele-
vant sind.

Tagesordnungspunkt
Die neue Situation der Reservestreitkräfte

aufgrund des Übergangs zu Berufsstreitkräften
(Drucksache 1712)

Berichterstatter des Verteidigungsausschusses:
John Townend (Großbritannien)

Eduard Lintner (CDU/CSU) – Herr Vorsitzender Be-
richterstatter, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst
einmal möchte ich Herrn Townend recht herzlich dafür
danken, dass er einen so gründlichen und umfassenden
Bericht vorgelegt hat, der bereits alle wichtigen Gesichts-
punkte herausstellt, die im Zusammenhang mit dieser
Thematik gewichtet und bewertet werden müssen.
Für meine Gruppe, die deutschen Christdemokraten,
finde ich es dabei natürlich sehr erfreulich, dass in diesem
Bericht die herausragende positive Bedeutung, die Wehr-
pflichtige und Freiwillige als aktive Soldaten einerseits,
aber auch als Reservisten andererseits für professionelle
Armeen und deren Aufgaben bei Friedenseinsätzen dar-
stellen, zum Ausdruck gebracht wird.
Wie vernünftig beides miteinander kombiniert werden und
zusammenarbeiten kann, dafür gibt es in diesem Bericht in
der Tat eindrucksvolle Beispiele. Es entspricht deshalb ge-
nau unserer Überzeugung, wenn wir in Deutschland dafür
eintreten, dass die Wehrpflicht trotz Reduzierung der Per-
sonalstärke auch bei uns weiterhin beibehalten wird.
Lassen Sie mich stichwortartig erwähnen, was aus unse-
rer Sicht die Hauptgründe für diese Position sind.
Zunächst einmal – das ist im Bericht gut zur Geltung ge-
kommen – sind Wehrpflichtige und dann Reservisten
natürlich ein sehr wirksames und wichtiges Bindeglied
zwischen der zivilen Gesellschaft und ihrem militärischen
Arm. Sie tragen mit dazu bei – das ist aus unserer Histo-
rie heraus gut verständlich –, dass das Militär, wie man
sagt, nicht ein Staat im Staate werden kann. Auch tragen
sie dazu bei, dass das Militär insgesamt im Bewusstsein
der Mehrheit der Bevölkerung positiv verankert wird und
damit natürlich auch gegenüber den Aufgaben – Landes-

Drucksache 14/6705 – 52 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

verteidigung wie Kriseneinsatz – entsprechendes Ver-
ständnis vorhanden ist, was in der Politik in der Regel als
unentbehrlich gewertet wird.
Wehrpflichtige und Reservisten – auch dieser Aspekt ist
aus unseren Erfahrungen ganz deutlich nachzuweisen –
erschließen dem militärischen Teil einen stetigen Zugang
zu im zivilen Bereich vorhandenen und auch für den mi-
litärischen Bereich lebenswichtigem Spezialwissen und
wertvollen beruflichen Erfahrungen. Es ist ein überaus
wirksamer Weg, qualifizierten Nachwuchs für die Berufs-
armeen zu gewinnen. So kommt zum Beispiel ein großer
Teil der Zeit- und Berufssoldaten in den Reihen der deut-
schen Bundeswehr aus dem Kontingent der Wehrpflichti-
gen, die in dieser Form zur Bundeswehr gestoßen sind.
Die Kombination von Berufssoldaten, Wehrpflichtigen
und Freiwilligen ist zudem auch eine Möglichkeit – zwar
nur in begrenztem Umfang, aber immerhin –, bei knapper
werdenden Haushaltsmitteln die schwierigen Aufgaben
der Aufrechterhaltung von Landesverteidigung einerseits
und Friedenserhaltungseinsätzen andererseits im Ausland
gerecht zu werden. Auch bei Situationen – jeder kann das
bedauerlicherweise im eigenen Land erleben –, die einen
großen Personaleinsatz erfordern, zum Beispiel bei
großflächigen Katastrophen, wie auch wir sie in unserem
Lande hatten, ist die Fähigkeit, sich schnell, aber nur
vorübergehend aus den Reihen der Reservisten personell
zu verstärken, überaus nützlich.
Schließlich möchte ich noch erwähnen, dass es natürlich
dem Militär nicht schadet – das ist auch im Bericht zum
Ausdruck gekommen –, wenn selbstbewusste Zivilisten
ihre Auffassung von der Geltung der Grund- und Men-
schenrechte in einen Apparat einbringen, dessen Wesen
aus Unterordnung, Befehl und Gehorsam besteht. Die
Achtung vor der menschlichen Würde des Einzelnen und
seiner Stellung als mündiger Staatsbürger gegenüber mi-
litärischen Hierarchien wird meines Erachtens dadurch
gestärkt, was Geist und auch Einsatzbereitschaft der
Truppe durchaus fördern kann.
Deutschland wird unter Wahrung der bisherigen Grund-
struktur seiner Bundeswehr den auf unser Land entfallen-
den Anteil an der europäischen Verteidigungsstreitmacht
stellen und die dazu – trotz allem notwendigen – struktu-
rellen Anpassungen erbringen können, die zurzeit bei uns
im Lande erarbeitet und diskutiert werden.
Ich möchte dem Berichterstatter, Mr. Townend, auch des-
halb recht herzlich danken, weil dieser Bericht für die ak-
tuelle Diskussion aus meiner Sicht eine wichtige Er-
kenntnisgrundlage ist, die uns bei den Debatten, die uns
bevorstehen, sehr helfen kann. – Vielen Dank.
Dieter Schloten (SPD) – Herr Vorsitzender, liebe Kolle-
ginnen und Kollegen, wir haben den Bericht eingehend im
Ausschuss erörtert. Ich war überrascht, als Kollege
Mutman Änderungen in den Zusammenfassungen vorge-
schlagen hat. Er war in der Ausschusssitzung anwesend.
Da ist das nicht getan worden. Wir hätten noch einiges er-
gänzen können, aber jetzt ist es leider nicht mehr möglich.
Ich teile die Auffassung des Berichterstatters, dass wir in
den Diskussionen und auch im Text der Empfehlungen die

WEU-Mitgliedstaaten immer als Ganzes sehen. Es geht
auch aus anderen Dokumenten hervor, dass wir dort kei-
nen ausschließen und nicht nur die zehn WEU-Staaten
meinen. In diesem Sinne hat der Ausschuss den Empfeh-
lungen dieses Berichts einstimmig zugestimmt und gibt
diese Empfehlung an die Versammlung weiter.

Empfehlung 676
betr. die neue Situation der Reservestreitkräfte
aufgrund des Übergangs auf Berufsstreitkräfte
Die Versammlung,
(i) feststellend, dass innerhalb der Streitkräfte der

WEU-Nationen eine Tendenz zum Übergang auf
ein System von Berufsstreitkräften mit einer
großen Anzahl Freiwilliger besteht, was eine Ver-
ringerung der Größe der Streitkräfte zur Folge
hatte;

(ii) die Bedeutung unterstreichend, Reserveeinsatz-
möglichkeiten zu erhalten, die das nationale Ver-
teidigungspotenzial gegebenenfalls verstärken
und Unterstützung für Streitkräfte leisten können,
die an Operationen in Ländern außerhalb der
NATO beteiligt sind;

(iii) es hierzu für notwendig erachtend, einen ange-
messenen Grad der Interoperabilität im Hinblick
auf Ausbildung und Ausstattung zwischen
regulären und Reservestreitkräften zu erzielen;

(iv) die Ansicht vertretend, dass es in Zukunft notwen-
dig sein wird, Austausche und Übungen von Re-
servisten in einem multinationalen Rahmen zu för-
dern;

(v) es für wichtig erachtend sicherzustellen, dass in
den Ländern, die bereits über freiwillige Reserve-
streitkräfte verfügen oder dabei sind, solche auf-
zustellen, der soziale, familiäre und finanzielle
Status der Reservisten es diesen ermöglicht, ihren
Pflichten nachzukommen, ohne dabei wesentliche
Nachteile zu erleiden;

(vi) dem Wunsche Ausdruck verleihend, dass die Mit-
gliedstaaten der WEU in der Lage sein sollten, den
Status ihrer Reservestreitkräfte zu harmonisieren
mit dem Ziel, im Rahmen multinationaler Opera-
tionen im Dienste der Vereinten Nationen, der
NATO oder der Europäischen Union ihre Reserve-
einsatzmöglichkeiten effektiver zu nutzen;

(vii) die Rolle der Reservestreitkräfte als Bindeglied
zwischen den Streitkräften und der Zivilgesell-
schaft sowie die Art und Weise betonend, wie sie
Zivilisten dabei helfen, sich mit Verteidigungsfra-
gen und der Rolle des Militärs vertraut zu machen
und sie zu verstehen;

(viii) ihrer Unterstützung für die Aktivitäten der natio-
nalen Reserveverbände und des Interalliierten Re-
serveoffiziersverband (CIOR) zum Ausdruck brin-
gend in Anbetracht der von ihnen geleisteten
Arbeit, um den politischen und militärischen

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 53 – Drucksache 14/6705

Behörden die Probleme der Reservisten stärker
bewusst zu machen;

(ix) mit Zufriedenheit feststellend, dass die NATO die
Reservestreitkräfte sorgfältig beobachtet, wie aus
der Verabschiedung des Dokuments MC-441 her-
vorgeht;

(x) dem Wunsche Ausdruck verleihend, dass das künf-
tige Militärpersonal der Europäischen Union, das
in Zukunft für die Umsetzung der Petersberg-Auf-
gaben verantwortlich sein wird, sich ebenfalls über
diese Frage Gedanken macht;

(xi) unter Hinweis auf die Empfehlungen 534 betr. „Die
europäische Sicherheit – die Streitkräfte der Re-
serve und der Wehrdienst“ und 656 betr. „Auf dem
Wege zu einer Berufsarmee in Europa“;

empfiehlt dem Rat,
1. eine Studie über die Lage der Reservestreitkräfte

in den Mitgliedstaaten der WEU in Auftrag zu ge-
ben im Zusammenhang mit ihren Verpflichtungen
gemäß Artikel V des geänderten Brüsseler Ver-
trags, sowie in allen Staaten der WEU im Zusam-
menhang mit einem eventuellen Einsatz derartiger
Streitkräfte für Petersberg-Aufgaben;

2. die Staaten der WEU nachdrücklich aufzufordern,
den Status der Reservisten insbesondere im Hin-
blick auf Arbeitgeberbeiträge und Sozialleistun-
gen zu verbessern;

3. den Nationen der WEU zu empfehlen, Austausche
und Übungen von Reservisten mit anderen Reser-
veeinheiten auf bilateraler oder multilateraler
Ebene zu fördern;

4. empfiehlt den Nationen der WEU, ein System zur
Bestimmung der Reservisten gemäß ihren spezifi-
schen Eigenschaften und Erfahrungen einzurich-
ten, um ihre Zuweisung zu verbessern;

5. Kontakte zu den nationalen Reservistenverbänden,
dem Ausschuss der Nationalen Reservistenbeauf-
tragen der Atlantischen Allianz (NRFC) und dem
Interalliierten Reserveoffizierverband (CIOR) her-
zustellen und einen Dialog mit ihnen zu fördern;

6. die Versammlung über Aktionen, die der Rat oder
die zuständigen Organe auf Ministerebene auf die-
sem Gebiet unternehmen, auf dem Laufenden zu
halten.

Tagesordnungspunkt
Russland und die europäische Sicherheit

(Drucksache 1722)
Berichterstatter des Politischen Ausschusses:

Jan Dirk Blaauw (Niederlande)
Klaus Bühler (Bruchsal) (CDU/CSU) – Vielen Dank,
Herr Blaauw, für Ihren Bericht. 17 Kolleginnen und Kol-

legen stehen noch auf der Rednerliste. Deshalb bitte ich
Sie um Verständnis, dass wir die Redezeit auf fünf Minu-
ten beschränken, um möglichst vielen die Gelegenheit zu
geben, hier zu sprechen. Sie können an der Rückseite des
Saales hinter mir ablesen, wie viel Redezeit noch übrig
ist. Ich bitte die einzelnen Sprecherinnen und Sprecher,
sich an diese Vorgabe zu halten. Dies ist eine Frage des
ökonomischen Umganges mit der Zeit und eine Frage der
Solidarität mit den Rednern, die noch auf der Rednerliste
stehen.
Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, begrüße
ich die russischen Kolleginnen und Kollegen bei unserer
Debatte recht herzlich.
Dr. Karl-Heinz Hornhues (CDU/CSU) – Herr Präsident!
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich danke dem
Berichterstatter nur ganz kurz für seinen Bericht, dem ich
auch inhaltlich voll zustimme, damit mir noch Zeit für an-
deres übrig bleibt. Der Bericht des Berichterstatters wie
auch der Bericht des Kollegen Schloten heute Morgen ha-
ben uns in Erinnerung gerufen, wo wir heute stehen. Es
wird auch häufig daran erinnert, wo wir vor zehn oder
15 Jahren gestanden haben. Das ist notwendig, um zu be-
greifen, dass die heutigen Probleme ganz anders gelagert
sind als früher. Bei dem Themenkomplex Sicherheit für
Europa und Beziehungen zu Russland sind in den letzten
zehn Jahren gewaltige Fortschritte erzielt worden. Die be-
stehenden Probleme – das wollen wir; das wird ge-
wünscht – müssen in der weiteren Entwicklung zum Bes-
seren gewendet werden. Der Bericht gibt eine ganze
Reihe von Hinweisen, an welchen Stellen wir und auch
die russische Seite, soweit dort möglich, etwas machen
können.
Ich begrüße nachdrücklich, dass die Absicht des russi-
schen Präsidenten, die russische Armee zu reformieren,
positiv kommentiert wurde. Dieses liegt zutiefst im russi-
schen wie auch in unserem Interesse. Denken wir nur an
die Berichte über die Disziplinlosigkeit und die Gräuelta-
ten der russischen Armee in Tschetschenien. Wir können
nur hoffen, dass mit der Reform und einer gescheiten
finanziellen Ausstattung der Armee diese Themen von der
Tagesordnung verschwinden.
Es gab allerdings in der letzten Zeit auch eine Reihe von
Dissensen. So bestand Dissens über den Einsatz der NATO
im Kosovo; schließlich war Russland aber doch bei der
Lösung dieser Frage behilflich. Manchen bei uns und man-
chen in Russland hat es verstört, wie und auf welcher
Grundlage hier argumentiert wurde. Dies macht deutlich,
wie notwendig es ist, große Anstrengungen auf allen nur
denkbaren Ebenen zu unternehmen, miteinander zu reden
und den Dialog verstärkt fortzusetzen. Ich begrüße nach-
drücklich, dass der Bericht auch auf die Rolle hinweist, die
die Parlamentarische Versammlung der Westeuropäischen
Union in diesem Zusammenhang eingenommen hat und
einnehmen sollte. Dies halte ich für ganz entscheidend,
denn wenn bei jeder neuen Krise derartig fundamentale
Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich der Beurteilung
der Krise auftreten, liegt immer wieder neuer störender

Drucksache 14/6705 – 54 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Sprengstoff auf unserem Weg. Wir als Parlamentarier kön-
nen einen entscheidenden Beitrag dazu leisten, diesen zu
beseitigen, wenn wir auf allen Ebenen den Dialog pflegen,
fortsetzen und verstärken.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sicherheit in Eu-
ropa meint – das spricht der Bericht auch an – Fortschritte
in anderen Bereichen als nur in dem der militärischen Zu-
sammenarbeit. Hierzu gehört, dass die Zusammenarbeit
in sozialen, innenpolitischen, sicherheitspolitischen und
ökonomischen Fragen immer mehr vernetzt wird. Ich
stehe nicht an, hier zu erklären, dass ich persönlich es be-
daure, dass auch dem gemeinsamen Antonow-Projekt
nichts geworden ist, sondern das „future large aircraft“ –
vielleicht aus wohl erwogenen Gründen – von Airbus ge-
baut werden soll. Ich hätte mir eine Lösung gewünscht,
die auf umfassenderer Kooperation beruht hätte.
Wir, die klassischen europäischen Länder, bauen zusam-
men mit Russland und Amerika eine Weltraumstation auf.
Das funktioniert bisher vorzüglich. Für die Zukunft wün-
sche ich mir, dass die Menschen das, was zurzeit über un-
seren Köpfen realisiert wird, auch auf unserem Kontinent
und auf der Erde weiterführten und damit dieses Werk
Stück für Stück vollendeten. Sicherheit in Europa gibt es
nur mit Russland, niemals ohne Russland. – Danke schön.
Benno Zierer (CDU/CSU) – Herr Präsident! Meine Kol-
leginnen und Kollegen! Dem Bericht des Kollegen
Blaauw ist im Wesentlichen zuzustimmen. Ich möchte
dennoch auf einige Fakten hinweisen: Russland befindet
sich nach wie vor in einem sehr instabilen Stadium. Die
Wirtschaft ist von einer Konsolidierung noch weit ent-
fernt, geschweige denn von einem stabilen Wachstums-
pfad. Die sozialen Unterschiede verschärfen sich weiter.
Die Errichtung einer sozialen Marktwirtschaft, die alle
Volksschichten in den Wohlstandszuwachs einbezieht, ist
nicht einmal in Ansätzen erkennbar. Der Aufbau eines
effizienten Rechtsstaates stockt. Nicht nur die Lebensver-
hältnisse in dem Riesenreich sind regional unterschied-
lich. Auch die Verwirklichung rechtsstaatlicher Verhält-
nisse sowie die Effizienz der öffentlichen Verwaltung
differieren je nach Gegend ganz erheblich. Im Allgemei-
nen lässt sich sagen, dass die „russische Krankheit“ der
Schlamperei, Durchstecherei und Lethargie in der Bevöl-
kerung weiterhin unbesiegt ist. Russland befindet sich in
einem Übergangsstadium, das eine vorsichtige Bewer-
tung seiner Haltung gegenüber dem Westen als angeraten
erscheinen lässt, zumal sich in der Bevölkerung die Res-
sentiments gegenüber den westlichen Staaten und ihrem
Wertesystem unter dem Eindruck der nachteiligen Be-
gleiterscheinungen der Marktwirtschaft verstärkt haben.
Der Westen wird in der Anschauung vieler Menschen für
ihr persönliches Elend verantwortlich gemacht. Auf ei-
nem derartigen Fundus von Abneigungen könnte eine ge-
schickte Demagogie jederzeit aufbauen, um antiwestliche
Stimmungen zu schüren und einen Klimawechsel einzu-
leiten.
Das Militär und der militär-industrielle Komplex verfol-
gen weiterhin Eigeninteressen. Die russischen Groß-

machtträume sind in diesen Kreisen weiterhin sehr leben-
dig, wie auch in ganz Russland eine Mischung aus ver-
letztem Stolz – wegen des Schwunds der eigenen macht-
politischen Bedeutung – und der alten Großmannsucht
weit verbreitet ist. Aus der Schwäche der russischen Mi-
litärmacht könnte leicht eine Flucht nach vorn in eine Hal-
tung der Aggressivität erfolgen. Armee und Sondertrup-
pen bilden nach wie vor eine Art Staat im Staate. Die
Havarie der „Kursk“ hat gezeigt, welche Praktiken der
Geheimniskrämerei und der Desinformation in der Armee
nach wie vor gang und gäbe sind.
Einer engeren rüstungspolitischen Zusammenarbeit mit
Russland stehe ich eher skeptisch gegenüber. Die Frage
ist, ob die politische und die technisch-industrielle Reife
Russlands so weit gediehen ist, um in einem so sensiblen
Bereich wie der Rüstung Abhängigkeiten eingehen zu
können, die bei Liefer- oder Produktionsschwierigkeiten
der russischen Rüstungsindustrie den Westen in erhebli-
che Schwierigkeiten bringen oder im Falle eines plötzli-
chen politischen Klimasturzes als Waffe gegen den Wes-
ten eingesetzt werden könnten. Der desolate Zustand des
Landes birgt eine ständige Bedrohung für die Welt in sich.
Die Umweltprobleme sind immens. Weite Teile des Lan-
des und des Wassers sind verseucht. Die nuklearen Anla-
gen und Lagerstätten sind tickende Zeitbomben. In den
Häfen verrotten Hunderte atomgetriebener Schiffe und
Unterseeboote.
Insgesamt plädiere ich – wie es auch der Bericht des Kol-
legen Blaauw ausdrückt – für eine weitere Zusammen-
arbeit auf allen Gebieten. Ich warne aber vor größerer Eu-
phorie. Russland hat noch nicht den Status erreicht, um als
zuverlässiger Partner gelten zu können. Der Westen muss
vor allem dazu beitragen, dass Russland möglichst bald
annähernd westliche Standards in punkto Demokratie,
Rechtsstaatlichkeit und Verwaltung erreicht und die russi-
sche Volkswirtschaft weitgehend von Korruption, Schie-
berei und Vetternwirtschaft befreit wird und einen stabilen
Wachstumspfad einschlagen kann. Beides, wirtschaft-
liche und politische Stabilität, sind die besten Garanten
für eine konstruktive Haltung Russlands dem Westen ge-
genüber.
So weit meine kritischen, zum Teil auch zustimmenden
Anmerkungen. – Ich bedanke mich.

Tagesordnungspunkt
Wahl des Präsidenten der Versammlung für die

47. Sitzungsperiode
Klaus Bühler (Bruchsal) (CDU/CSU) – Liebe Kollegin-
nen und Kollegen! Es steht zwar nicht auf der Tagesord-
nung, dass der Präsident etwas sagt, aber erlauben Sie mir,
Ihnen für diesen Vertrauensbeweis ganz herzlich zu danken.
Ich übe mein Amt in der Überzeugung aus, dass wir hier
eine Arbeit leisten, für die sich der Einsatz lohnt. Die
Ziele, die wir verfolgen, habe ich gestern versucht darzu-
legen. Es sind nicht nur meine Ziele, sondern unser aller
Ziele. Meine Bitte ist, dass Sie mich weiter in der Form

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 55 – Drucksache 14/6705

unterstützen, wie ich es bereits ein Jahr lang erleben
durfte.
Eine zweite und letzte Bemerkung: Ich habe nicht den
Ehrgeiz, in die Geschichte der WEU als der letzte Prä-
sident einzugehen, als derjenige, der das Licht aus-
macht und die Tür zuschließt. Ich bitte Sie, mich bei
dieser persönlichen Zielsetzung zu unterstützen. Herz-
lichen Dank.

Empfehlung 677
betr. Russland und die europäische Sicherheit
Die Versammlung,
(i) nach Kenntnisnahme von dem Außenpolitischen

Konzept, dem Nationalen Sicherheitskonzept und
der Militärdoktrin der Russischen Föderation;

(ii) feststellend, dass das Nationale Sicherheitskon-
zept Russlands eindeutig zeigt, dass die Regierung
sich vollauf der vielen inneren Bedrohungen für
die Sicherheit des Landes bewusst ist, die immer
noch politische Instabilität und wirtschaftlichen
Zerfall verursachen;

(iii) in dem Bewusstsein, dass sich die russische Volks-
wirtschaft seit dem finanziellen Zusammenbruch
von 1998 bemerkenswert gut erholt hat, jedoch
feststellend, dass dies fast ausschließlich auf die
Abwertung des Rubels und die stark gestiegenen
Ölpreise zurückzuführen ist, während der größte
Teil der Ausrüstungen und der Infrastruktur der
russischen Industrie erneuert werden muss und das
Land gegenwärtig weniger als 1 % der weltweiten
ausländischen Direktinvestitionen anzieht;

(iv) feststellend, dass die russische Regierung trotz
einer Reihe spektakulärer Maßnahmen gegen un-
durchschaubare Wirtschaftsimperien ihre Verspre-
chungen einer Wirtschaftsreform, von Verbesse-
rungen in der Unternehmensführung, bei der
Konkursgesetzgebung und der Transparenz in der
Anwendung des Handelsrechts erst noch erfüllen
muss;

(v) der russischen Auffassung zustimmend, dass der
Prozess der Stärkung der regionalen Stabilität
durch den Abbau der konventionellen Streitkräfte
und vertrauensbildende Maßnahmen im militäri-
schen Bereich weiter gefördert werden sollte;

(vi) beunruhigt über neue Meldungen, wonach Russ-
land die Fähigkeit zur biologischen Kriegführung
behalten hat und Forschungseinrichtungen für bio-
logische Waffen, größtenteils unter militärischer
Kontrolle, unter Verstoß gegen die Bio-Toxin-
Konvention (BTWC) immer noch an der Entwick-
lung einer Offensivfähigkeit arbeiten;

(vii) in Anerkennung des dringenden Erfordernisses für
die Russische Föderation, die Größe und die Struk-
tur ihrer Streitkräfte an die Notwendigkeiten anzu-
passen, die sich aus den inneren wie äußeren Be-
drohungen und Gefährdungen der Sicherheit
ergeben, wie sie in ihrem Nationalen Sicherheits-

konzept und ihrer Militärdoktrin beurteilt werden,
wobei den in dem russischen Verteidigungshaus-
halt verfügbaren Finanzmitteln gebührend Rech-
nung zu tragen ist;

(viii) in der Erwägung, dass es auch im Interesse Euro-
pas liegt, wenn die Russische Föderation über eine
lebensfähige Verteidigungsstruktur mit ausrei-
chender Truppenstärke und Ausrüstung verfügt,
damit sie die Grenzen zu Asien vor Bedrohungen
schützen kann;

(ix) in der Erwägung, dass Russland die Finanzmittel
und die praktischen Möglichkeiten fehlen, ehema-
lige militärische Nuklearanlagen und Kernspreng-
körper zu zerstören, die infolge der Umsetzung von
START und anderer Rüstungsbegrenzungsab-
kommen eingelagert wurden und dass westliche
Hilfsprogramme entscheidend dazu beitragen müs-
sen, Russland diesen Abbau zu ermöglichen;

(x) unterstreichend, dass es keinen Grund gibt, eine
zusätzliche Erweiterung der NATO als Bedrohung
der russischen Sicherheit zu betrachten;

(xi) hervorhebend, dass die Russische Föderation in
kultureller, politischer und wirtschaftlicher Hin-
sicht ein Teil Europas ist und in der Überzeugung,
dass Russland, dessen Zukunft in Europa liegt,
dementsprechend mit der Europäischen Union und
anderen europäischen Staaten zusammenarbeiten
sollte, um auf dem gesamten Kontinent für Frie-
den, Stabilität und Sicherheit zu sorgen;

(xii) mit Genugtuung zur Kenntnis nehmend, dass es
gemäß dem Außenpolitischen Konzept Russlands
gute Aussichten für den Ausbau der Beziehungen
der Russischen Föderation zu Litauen, Lettland
und Estland gibt und feststellend, dass Russland
mit diesen Staaten nachbarschaftliche Beziehun-
gen und eine gegenseitige Zusammenarbeit auf-
bauen möchte, soweit diese den russischen Inte-
ressen Rechnung tragen;

(xiii) in dem Bewusstsein, dass die drei baltischen Staa-
ten dabei sind, ihre Gesetzgebung im Rahmen ih-
rer Beitrittsanträge zur EU an die EU-Standards
anzupassen und den Wunsch haben, auf der
Grundlage der gegenseitigen Achtung der nationa-
len Interessen beider Seiten nachbarschaftliche
Beziehungen mit Russland anzubahnen;

(xiv) wissend um die alarmierende Situation in Weiß-
russland – einem Partner in einer Konföderation
mit Russland –, wo das autoritäre Regime Präsi-
dent Lukaschenkos das Land weiterhin in seinem
Würgegriff hält und die Entwicklung einer demo-
kratischen Gesellschaft und einer Marktwirtschaft
behindert;

(xv) in dem Bewusstsein, dass der Frieden und die Sta-
bilität auf dem Balkan die Beteiligung Russlands
erfordern;

(xvi) besorgt über das Ausbleiben von Fortschritten bei
dem Abzug russischer Waffen und Munition vom

Drucksache 14/6705 – 56 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Staatsgebiet der Republik Moldau und in der Über-
zeugung, dass sofortiges Handeln erforderlich ist,
um diesen Prozess zu beschleunigen, zu dem sich
Russland auf dem OSZE-Gipfel vom November
1999 in Istanbul verpflichtete;

(xvii) unterstreichend, dass das Problem des Status der
russischsprachigen Region Transnistrien nicht
ohne volle Wahrung der territorialen Integrität der
Republik Moldau gelöst werden kann;

(xviii) erwartungsvoll der Umsetzung des Abkommens
entgegensehend, das am 17. November 1999 zwi-
schen Georgien und Russland über die Verminde-
rung der russischen Truppen und Militärausrüstun-
gen auf georgischem Staatsgebiet geschlossen
wurde;

(xix) in Anerkennung des Rechts Russlands, seine terri-
toriale Integrität zu wahren und der Notwendigkeit
der Terrorismusbekämpfung;

(xx) bedauernd, dass die Russische Föderation nach der
Unterzeichnung einer Vereinbarung über den
künftigen Status Tschetscheniens als gesonderte
Entität dort unverhältnismäßige Mittel und Metho-
den eingesetzt hat, ohne irgendeine Gewähr für die
Erreichung des Ziels der Wiederherstellung der öf-
fentlichen Ordnung und der Achtung der Men-
schenrechte zu geben;

(xxi) anerkennend, dass ein Teil der Wahhabiten und an-
dere radikale islamische Bewegungen den Kon-
flikt in Tschetschenien dazu nutzen, aktiv die Er-
richtung eines rein islamischen Einheitsstaates im
Nordkaukasus zu betreiben und nicht nur eine Be-
drohung für die Integrität des Staatsgebiets der
Russischen Föderation darstellen, sondern auch
die Entwicklung einer demokratischen Gesell-
schaft gefährden, da ihre Ideologie den Grundsät-
zen der VN in Bezug auf Menschenrechte und die
Zivilgesellschaft widerspricht;

(xxii) unterstreichend, dass der radikale islamische Fak-
tor für die Gesamtregion der zentralasiatischen
Republiken und den Nordkaukasus immer wichti-
ger und gefährlicher werden wird, wenn es nicht zu
einer greifbaren Verbesserung der wirtschaftlichen
und sozialen Lage kommt und bestehende ethni-
sche Missstände sachgerecht angepackt und besei-
tigt werden,

empfiehlt dem Rat,
1. ungeachtet Absatz 4 der Erklärung von Marseille,

seinen Dialog mit Russland über die russische Be-
teiligung an strategischen Sicherheitsfragen Euro-
pas, insbesondere im Rahmen der Beibehaltung
von Artikel V des geänderten Brüsseler Vertrages,
als wichtigen Schritt zur weiteren Konvergenz der
europäischen Sicherheitsüberlegungen fortzu-
führen und zugleich das gemeinsame Konzept der
27 WEU-Staaten zu berücksichtigen, das am

14. November 1995 in Madrid verabschiedet
wurde;

2. in Zusammenarbeit mit den nationalen Rüstungs-
direktoren und der WEAG/WEAO die Möglich-
keiten für einen Vergleich des westeuropäischen
und des russischen Bedarfs im Hinblick auf die
nächste Generation von wehrtechnischen Geräten
und die Chancen für eine technologische und
industrielle Zusammenarbeit zwischen Westeu-
ropa und Russland bei der Entwicklung und Pro-
duktion neuer wehrtechnischer Geräte zu prüfen;

3. die Mitgliedstaaten der WEU zu bitten, mehr fi-
nanzielle und technische Hilfe für den Abbau der
ehemaligen militärischen Nuklearanlagen und ein-
gelagerten Kernsprengköpfe in Russland bereitzu-
stellen, der sich aus der Umsetzung von START
und anderer Rüstungsbegrenzungvereinbarungen
ergibt.

4. im Lichte der Empfehlung 621 (1997) dem Rat
eindringlich nahe zu legen, die Möglichkeit einer
Zusammenarbeit mit Russland zur Raketenabwehr
zu prüfen, dies mit größerem Nachdruck als bisher
zu verfolgen und der Versammlung erneut Bericht
zu erstatten.

Richtlinie 113
betr. Russland und die europäische Sicherheit
Die Versammlung,
(i) erinnernd an die regelmäßigen Sitzungen ihrer

Ausschüsse mit Mitgliedern beider Kammern des
Parlaments der Russischen Föderation;

(ii) überzeugt von der Richtigkeit der Fortsetzung des
derzeitigen Dialogs zwischen dem Parlament der
Russischen Föderation und der Versammlung der
WEU;

(iii) in der Erwägung, dass dieser Dialog durch regel-
mäßige Berichte der Ausschüsse der Versammlung
über die Entwicklungen in Russland in ihren je-
weiligen Interessengebieten ergänzt werden sollte;

1. weist ihren Politischen Ausschuss an, die Ent-
wicklung des politischen Prozesses in Russland zu
überprüfen, darunter auch das Engagement Russ-
lands in oder gegenüber verschiedenen internatio-
nalen Institutionen;

2. weist ihren Verteidigungsausschuss an, die Struk-
tur, den Bedarf und die Fähigkeiten der russischen
Streitkräfte zu analysieren;

3. weist ihren Ausschuss für Technologie und Luft-
und Raumfahrt an, die Konversion der russischen
wehrtechnischen Industrie, die Entwicklung neuer
wehrtechnischer Ausrüstungsprogramme und die
Möglichkeit kooperativer Rüstungs- und Welt-
raumprogramme zu untersuchen.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 57 – Drucksache 14/6705

Tagesordnungspunkt
Ansprache von Javier Solana, Generalsekretär

der WEU und Hoher Vertreter für die
Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik

des Rates der Europäischen Union
Wolfgang Behrendt (SPD) – Herr Generalsekretär, Sie
haben nicht nur die Bedeutung hervorgehoben, die die
WEU in der Vergangenheit hatte, sondern auch die Leis-
tungen dieser Versammlung dargestellt. Wörtlich haben
Sie gesagt, die Beziehungen zur Versammlung der WEU
seien auch ein wichtiger Teil der Vereinbarungen, die die
Regierungen jetzt getroffen haben. Ich habe aber eine
klare Aussage von Ihnen über die parlamentarische Di-
mension der Sicherheits- und Verteidigungspolitik ver-
misst. Die niederländische Präsidentschaft wird jetzt ja
erste Akzente setzen. Welche Vorstellungen werden Sie
als Generalsekretär während der niederländischen Präsi-
dentschaft in Bezug auf die parlamentarische Dimension
überhaupt und die Rolle dieser Versammlung in der Zu-
kunft einbringen?

Tagesordnungspunkt
Erklärung von Marseille
(Drucksachen 1714 und 1727)

(Erklärung von Marseille des Rates der WEU vom
13. November 2000)

Berichterstatter und Vorsitzender des Politischen
Ausschusses:

Jim Marshall (Vereinigtes Königreich)
Meinung 37

betr. die Erklärung von Marseille des
WEU-Ministerrates

Die Versammlung,
(i) mit Genugtuung darüber, dass Österreich, die

Tschechische Republik, Finnland, Ungarn, Polen
und Schweden auf der Sitzung der WEAG-Gruppe
am 13. November vergangenen Jahres in Marseille
Vollmitglieder der Gruppe geworden sind;

(ii) feststellend, dass der Hauptzweck des Treffens des
Ministerrates in Marseille darin bestand, Einver-
nehmen zu erzielen über die Einstellung der meis-
ten Aktivitäten des WEU-Rates im Vorgriff auf die
Beschlüsse, die der Europäische Rat in Nizza tref-
fen soll;

(iii) bedauernd, dass der Rat es nicht für angemessen
hielt, in der Erklärung von Marseille darauf hinzu-
weisen, wie wichtig es ist, dass die Versammlung
in dem neuen Umfeld ihre Zuständigkeiten gemäß
dem geänderten Brüsseler Vertrag weiter ausübt
bis zur Entwicklung und Ratifizierung neuer Ab-
machungen, die die parlamentarische Dimension
der ESVP abdecken sollen;

(iv) unter Hinweis auf die entscheidende Rolle, welche
die WEU seit ihrer Reaktivierung gespielt hat so-
wie auf ihren wichtigen Beitrag zur Entwicklung
der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungs-
architektur, wie vom Rat mit Recht in der Er-
klärung von Marseille anerkannt;

(v) unter Hinweis darauf, dass der Beitrag der WEU
die Bandbreite der europäischen Sicherheits- und
Verteidigungsfragen umfasst und sich nicht nur
auf die Petersberg-Aufgaben beschränkt, deren
Umsetzung auf die Europäische Union übertragen
werden soll;

(vi) feststellend, dass die Abschaffung der WEU als ei-
nem politischen Faktor und die Beendigung ihren
früheren richtungsweisenden Rolle als Verteidi-
gungskomponente der Europäischen Union und
Kernelement der Entwicklung der Europäischen
Sicherheits- und Verteidigungsidentität im Rah-
men des Atlantischen Bündnisses, wie in Marseille
bekräftigt, einen Wendepunkt beim Aufbau
Europas bedeutet, dessen Auswirkungen, ins-
besondere hinsichtlich der Ziele und der geogra-
phischen Grenzen dieses Aufbaus, noch nicht um-
fassend bestimmt wurden;

(vii) mit Genugtuung darüber, dass der Rat die Ent-
schlossenheit der Mitgliedstaaten der WEU be-
kräftigt hat, die Verpflichtungen nach dem geän-
derten Brüsseler Vertrag, insbesondere diejenigen,
die sich aus Artikel V und IX ergeben, zu erfüllen;

(viii) unter Hinweis auf die Bedeutung, die der Tatsache
beizumessen ist, dass die WEU seit dem Ende des
Kalten Krieges alle Mitgliedstaaten der Europä-
ischen Union, die europäischen Mitglieder des At-
lantischen Bündnisses und Staaten Mittel- und
Osteuropas, die Beitrittskandidaten der EU oder
des Bündnisses sind, zusammengebracht hat, was
dazu geführt hat, dass sie als ein wirklicher Rah-
men für Dialog und Zusammenarbeit zwischen
Europäern über sicherheits- und verteidigungsre-
levante Fragen akzeptiert wurde;

(ix) unter Hervorhebung der Bedeutung, die der Tatsa-
che beizumessen ist, dass alle 28 WEU-Staaten bis
jetzt an dem Dialog und der Zusammenarbeit zwi-
schen der WEU und Russland, der Ukraine, den
europäischen Mittelmeerstaaten und anderen be-
teiligt waren;

(x) mit Bedauern feststellend, dass die Erklärung von
Marseille nicht gebührend auf die Notwendigkeit
eingeht sicherzustellen, dass die Rechte und die In-
teressen der WEU-Staaten, die nicht der EU an-
gehören, umfassend gewährleistet werden, sobald
die Petersberg-Aufgaben und die Aktivitäten des
Satellitenzentrums und des Instituts für Sicher-
heitsstudien auf die Europäische Union übertragen
sein werden,

1. begrüßt Fortschritte in der EU auf dem Weg zu ei-
ner Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik,

Drucksache 14/6705 – 58 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

ist jedoch der Auffassung, dass die Entscheidung,
die WEU insgesamt als einen politischen Faktor in
einer noch unvollständigen Europäischen Sicher-
heits- und Verteidigungsarchitektur abzuschaffen
zum derzeitigen Zeitpunkt verfrüht und bedauer-
lich ist;

2. muss daher noch überzeugt werden von dem in
Marseille getroffenen Beschluss, den Dialog und
die Zusammenarbeit zwischen den WEU-Staaten
und Drittstaaten zu beenden, in der Erkenntnis,
dass wenn dies im Rahmen der Europäischen
Union stattfinden soll, die Mitgliedstaaten der
WEU, die keine EU-Mitglieder sind, hiervon aus-
geschlossen sein werden;

3. muss daher ebenfalls noch überzeugt werden von
dem in Marseille getroffenen Beschluss, jede Kon-
sultation zwischen der WEU und der NATO auf-
zuheben, was dazu führen würde, dass die verblei-
benden Funktionen des WEU-Rates von der
Entwicklung der übrigen Aspekte der Europä-
ischen Sicherheits- und Verteidigungsdimension
abgeschnitten würden;

4. hält den in Marseille getroffenen Beschluss, die
Arbeit der Sachverständigengruppe „Offene Him-
mel“ in der WEU zu beenden für höchst bedauer-
lich, angesichts der Tatsache, dass:
– weder Russland noch Belarus den Vertrag über

die „Offenen Himmel“ ratifiziert haben und
– der allgemeine Wunsch besteht zu vermeiden,

dass gemeinsame europäische Zuständigkeiten
auf Ad-hoc-Gruppen von Staaten übertragen
werden;

5. fordert den Rat auf Ebene der 28 nachdrücklich
auf, seinen regelmäßigen Dialog mit der Ver-
sammlung auf Ebene der 28 fortzusetzen als dem
parlamentarischen Forum für die Debatte von Si-
cherheits- und Verteidigungspolitik, das alle inte-
ressierten europäischen Staaten umfasst und von
der französischen Präsidentschaft befürwortet
wurde;

6. schlägt vor, dass dieses zwischenstaatliche und in-
terparlamentarische Diskussionsforum auch Zy-
pern und Malta umfassen sollte;

7. fordert unverzüglich ein gemeinsames Treffen mit
dem Rat, um die Auswirkungen der in Marseille
und Nizza getroffenen Beschlüsse auf die zukünf-
tige Arbeit des Rates und der Versammlung und
auf das Verhältnis dieser Gremien untereinander
zu evaluieren;

8. fordert ihren Präsidialausschuss auf, die notwendi-
gen Vorkehrungen zu treffen, um eine ausführliche
Prüfung der Auswirkungen der in Marseille und
Nizza getroffenen Beschlüsse auf die zukünftige
Arbeit der Versammlung durchzuführen

Tagesordnungspunkt
Rechnungslegung der Versammlung für das

Haushaltsjahr 1999 – Bericht des
Rechnungsprüfers und Entlastung

(Drucksache 1709)
Berichterstatter des Haushaltsausschusses:

Guillermo Martínez Casañ (Spanien)

Tagesordnungspunkt
Haushaltsentwurf für die Ausgaben der
Versammlung im Haushaltsjahr 2001

(Drucksachen 1710 und 1725)
Berichterstatter des Haushaltsausschusses:

Guillermo Martínez Casañ (Spanien)

Mittwoch, den 6. Dezember 2000
Tagesordnungspunkt

Ansprache von Jozias Van Aartsen,
Außenminister der Niederlande (für die

kommende WEU-Präsidentschaft)
Dieter Schloten (SPD) – Vielen Dank, Herr Minister. Es
war spannend, Ihnen zuzuhören.
Sie haben die parlamentarische Bedeutung betont und
gleichzeitig gesagt, dass Sie nicht beabsichtigen, den
Ministerrat einzuberufen. Wenn wir wirklich die Bedeu-
tung einer parlamentarischen Versammlung behalten sol-
len, dann dürfen wir nicht nur ein Forum oder eine Semi-
narveranstaltung sein, sondern dann müssen wir auch
Antworten auf unsere Empfehlungen bekommen. Wer
gibt sie uns? Wie wollen Sie es nach Marseille und bald
auch nach Nizza organisieren, dass wir auf unsere Emp-
fehlungen, die Sie, wie Sie gesagt haben, hoch achten,
Antworten bekommen, die kompetent sind und von kom-
petenter Stelle, also vom Rat oder den Regierungen kom-
men. Diese brauchen wir, sonst beschäftigen wir uns auf
die Dauer nur mit uns selbst.
Wolfgang Behrendt (SPD) – Vielen Dank für Ihre aner-
kennenden und aufmunternden Worte. Ich sehe diese ins-
besondere vor dem Hintergrund als Berichterstatter für
das, was Sie anerkennend als Lissabonner Erklärung be-
zeichnet haben.
Sie haben zu Recht gesagt, man muss in Zeiten des Wan-
dels versuchen, in die Debatte eine konstruktive Note zu
bekommen. Mir erscheint es wichtig, noch einmal zu be-
tonen, dass diese Versammlung nicht als Selbstzweck
fortbestehen will, sondern weil gerade dieses Vakuum der
parlamentarischen Kontrolle, von dem Sie gesprochen
haben, gefüllt werden muss.
Auch haben Sie erwähnt, dass das Europäische Parlament
im Augenblick bei der ESVP nicht die parlamentarische

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 59 – Drucksache 14/6705

Komponente wahrnehmen kann. Ich möchte betonen,
dass wir als diejenigen, die stark in ihren nationalen Par-
lamenten verankert sind, einen konstruktiven Beitrag für
die ESVP leisten können. Daran möchte ich die Frage
knüpfen, ob Sie – die niederländische Präsidentschaft
wird bald wichtige Akzente setzen – diese Versammlung
in Zukunft als einen Gesprächspartner für die Weiterent-
wicklung der ESVP sehen, damit wir die Entwicklung der
ESVP, die für Europa wichtig ist, begleiten können.

Tagesordnungspunkt
Umsetzung der Gemeinsamen Europäischen
Sicherheits- und Verteidigungspolitik und die
zukünftige Rolle und Aufgabe der WEU –
Antwort auf den Jahresbericht des Rates

(Drucksache 1720)
Berichterstatter und Vorsitzender des Politischen

Ausschusses
Jim Marshall (Vereinigtes Königreich)

Wolfgang Behrendt (SPD) – Herr Präsident! Meine sehr
geehrten Kolleginnen und Kollegen! Der Bericht unseres
Kollegen Marshall zeigt alle wesentlichen Probleme im
Zusammenhang der ESVP und der zukünftigen Rolle der
WEU auf. Aber mehr noch, er macht das nicht in resigna-
tiver Weise. Unser Kollege Marshall hat auch aufgezeigt,
wo wir die Chance des Wandels, von der der Außenminis-
ter eben gesprochen hat, nutzen können.
Führen wir uns noch einmal vor Augen: In der Vergan-
genheit war die WEU-Versammlung häufig eine Art, so
hat das Solana gestern genannt, Ideenlaboratorium, und
wir haben in der Vergangenheit sehr häufig die Defizite
Europas in der Krisenbewältigung angeprangert. Jetzt
können wir immerhin mit Genugtuung feststellen, dass
die ESVP auf einem guten Wege ist und dass es, wie vor-
hin in der Frage von Herrn Squarcialupi zum Ausdruck
gekommen ist, nicht nur um militärische Krisenbewälti-
gung geht, sondern auch um zivile Krisenbewältigung.
Wir sprechen in der ESVP nicht nur über Streitkräfte und
Armeen, sondern wir sprechen auch über Polizisten,
Staatsanwälte, Richter, Wahlbeobachter, Verwaltungs-
fachleute. Dies ist gerade im Zusammenhang mit den Er-
fahrungen, die wir im Kosovo gemacht haben, besonders
wichtig. Das muss man einfach anerkennen.
Es stellt sich die Frage: Welche Rolle werden wir als Ver-
sammlung spielen, wenn nun die Petersberg-Aufgaben an
die WEU übertragen worden sind und für uns im Wesent-
lichen nur noch die Artikel V-Verpflichtung des erweiter-
ten Brüsseler Vertrages bleibt? In meiner Frage an den
Außenminister habe ich vorhin deutlich zu machen ver-
sucht, dass durch die Verankerung in unseren nationalen
Parlamenten, durch die Rückkoppelung mit unseren na-
tionalen Parlamenten gerade wir einen wesentlichen Bei-
trag im Prozess der Weiterentwicklung der ESVP spielen
können und diesen Prozess konstruktiv begleiten können.
Angesichts der Tatsache, dass das Europäische Parlament
diese Rolle zurzeit nicht ausfüllen kann, ist es besonders

wichtig, dass zumindest für die Übergangsphase ein Weg
gefunden wird, wie wir unsere Erfahrungen aus der Ver-
gangenheit und unsere Stärke, die in der Verankerung in
den nationalen Parlamenten liegt, zum Tragen kommen
lassen können.
Der Brüsseler Vertrag besteht weiter, seit Maastricht und
seit den Gipfeltreffen nun eben in enger Verbindung zur
EU. Es ist wichtig, dass der Hohe Repräsentant und auch
die niederländische Präsidentschaft dafür sorgt, dass un-
sere Versammlung auch in der Zukunft intensiv über die
Fortentwicklung der ESVP unterrichtet wird und dass wir
hier nicht nur über militärstrategische Fragen diskutieren,
sondern unseren Beitrag bei der Weiterentwicklung der
ESVP leisten können. Darauf müssen wir drängen. Da hat
die niederländische Präsidentschaft, weil sie das als Erste
umsetzen muss, Akzente setzt und einen Präzedenzfall
schafft, eine wichtige Funktion. Insofern fand ich in den
Ausführungen des niederländischen Außenministers eini-
ges enttäuschend, zum Beispiel die Tatsache, dass der Rat
nicht einberufen werden soll, andererseits einiges ermuti-
gend, so das Eingeständnis, dass es – Herr Solana hat dies
gestern heftig bestritten – ein Vakuum der parlamentari-
schen Kontrolle gibt und dies in enger Zusammenarbeit
zwischen unserer Versammlung und dem Europäischen
Parlament gefüllt werden muss.
Wir haben gestern unter anderem über das NMD-Pro-
gramm in den USA und die sicherheitspolitische Lage in
Russland debattiert. Das ist genau der Typ von strategi-
scher und militärstrategischer Grundsatzdebatte, die wir
auch hier in der Versammlung vertieft führen müssen. Es
gibt in der Zukunft eine Vielzahl von Themen, sei es der
Rüstungswettlauf in Asien, sei es ein Wandel der ameri-
kanischen Strategie aufgrund der amerikanischen Vertei-
digungspolitik oder seien es künftige Sicherheitsgefähr-
dungen in Europa. Es gibt eine Vielzahl von Themen,
deren wir uns annehmen können.
In dem Marshall-Bericht ist eine Art neues Weißbuch von
Sicherheitsgefährdungen für alle 28 der WEU ange-
schlossenen Staaten gefordert worden. Ich halte dies für
einen guten Vorschlag. Wir sollten nicht die Antwort des
WEU-Rates abwarten, sondern selbst im Format „15 plus
15“ und gegebenenfalls unter Beteiligung unserer russi-
schen Kollegen mit der Debatte dieser Thematik begin-
nen. Dann können wir in dieser Versammlung eine wich-
tige Funktion erfüllen. Wir sollten die gegebene Situation
nutzen und weiter als sicherheitspolitisches „Ideenlabora-
torium“ konstruktiv unsere Stimme erheben, eine Stimme
des gesamten Europas, das das Endprodukt des in der EU
angelegten Einigungswerkes bereits vorwegnimmt. Viele
der Staaten, die zukünftig der Europäischen Union an-
gehören, wirken bei uns schon seit Jahren mit.
Ich will einen anderen Aspekt ansprechen, nämlich den
Aspekt der Osterweiterung der Europäischen Union. Die-
sen Prozess können wir konstruktiv begleiten, indem wir
uns mit den sicherheitspolitischen Themen in diesem Zu-
sammenhang beschäftigen. Insbesondere im Entwurf der
Europäischen Kommission für die Beitrittspartnerschaft
der Türkei wird deutlich, welche Probleme dort auftau-
chen werden.

Drucksache 14/6705 – 60 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Lassen Sie mich zusammenfassen: Wir sollten nicht resi-
gnieren und alten Zeiten nachtrauern, alten Zeiten, in
denen wir im Wesentlichen – auch das muss man einmal
kritisch sagen – über Probleme der militärischen Pla-
nungszelle der WEU, das FAWEU-Konzept oder Einzel-
heiten der Satellitenaufklärung nachgedacht haben. Diese
Art von Problemstellungen sollten wir jetzt dem Europä-
ischen Parlament überlassen. Wir sollten versuchen, die
großen politischen Fragen des künftigen größeren Euro-
pas im Bereich der Sicherheits- und Verteidigungspolitik
hier zum Thema zu machen.
In Nizza wird, da vorauszusehen ist, dass die Ergebnisse
doch nur beschränkt sein werden, über eine neue Regie-
rungskonferenz der EU vielleicht im Jahre 2004 nachge-
dacht werden. Dann werden die Karten möglicherweise
neu gemischt, dann werden wir sicherlich noch einmal auf
unsere Vorstellungen auf der Grundlage der Lissabon-Ini-
tiative zurückkommen können. Ich kann mir vorstellen,
dass bis dahin auch die Rolle und Bedeutung der nationa-
len Parlamente und vor allen Dingen die gesamteuropä-
ische Dimension der ESVP auch für alle Mitgliedstaaten
der EU deutlicher geworden ist.
Früher, in den 80er-Jahren, war von der WEU immer als
der „schlafenden Schönen“ die Rede, die nur wachgeküsst
werden müsse. Heute ist es leider umgekehrt: Heute müs-
sen wir befürchten, dass der Rat uns den „Todeskuss“
gibt. Der Bericht des Kollegen Marshall hat deutlich ge-
macht, wie wir diesem unmoralischen Angebot begegnen
können. Dafür hat der Berichterstatter unseren einhelligen
Dank verdient.
Dr. Karl-Heinz Hornhues (CDU/CSU) – Herr Präsident!
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kollegin-
nen und Kollegen! Es war ja wohl ein wenig verräterisch,
als der niederländische Minister gerade sagte, er wolle das
Licht der WEU vielleicht doch wieder anmachen. Es be-
stand an sich nämlich die Absicht – das wissen wir alle –,
die WEU in die Europäische Union zu überführen.
In dem vorzüglichen Bericht von Herrn Marshall – ich
danke ihm herzlich dafür – wird ja das Dilemma deutlich,
dass der Gesamtzusammenhang von Sicherheitspolitik
zerrissen wird, indem die Petersberg-Aufgaben der EU
übertragen werden, der Kernauftrag der WEU, die wech-
selseitige Beistandsverpflichtung, aber nicht. Man mag es
bedauern, dass die Europäische Union diesen Prozess zu-
gelassen hat, indem sie Länder aufgenommen hat, die
nicht Mitglied der WEU waren und eine gemeinschaftli-
che Sicherheitspolitik nicht voll mittragen wollten. Es ist
aber nun einmal so. Ich ziehe daraus folgende Konse-
quenzen:
Erstens: Wir sollten, wo immer wir können, darauf drän-
gen, dass eine Übereinstimmung der Mitglieder von WEU
und EU zustande kommt. Auf Dauer halte ich es nicht für
gut, dass ein Bereich, der eigentlich in einem Gesamtzu-
sammenhang zu sehen ist, von zwei unterschiedlichen In-
stitutionen behandelt wird. Welche Probleme das mit sich
bringen kann, erleben wir in der jetzigen Übergangsphase,
die wir aktiv mitbegleiten. Es wäre also notwendig und
sinnvoll, die Länder aus der Europäischen Union, die bis-

her nicht der WEU beigetreten sind, zu bedrängen, volle
Verantwortung für Europa zu übernehmen und nicht in ei-
ner immer wichtigeren Frage ihr spezifisches Opting-out
beizubehalten.
Zweitens: Es war an sich die Absicht der Mitgliedsländer
der EU – das kann man an unseren Debatten und auch jetzt
wieder an den Äußerungen des niederländischen Minis-
ters für die kommende Präsidentschaft ablesen – eine
Überführung der WEU in die EU vorzunehmen. Ich
glaube sagen zu können, dass es gerade die Debatten in
dieser Versammlung hier waren, die unseren Regierungen
zum Teil erst einmal die Augen dafür geöffnet haben, dass
man einen elementaren Fehler macht, wenn man die rest-
lichen Mitgliedstaaten der WEU – das wollte man
zunächst – einfach links liegen lässt.
Als Bilanz können wir festhalten, dass unsere Diskussio-
nen und Ihre persönlichen Bemühungen, Herr Präsident,
die anstehenden Probleme unseren Regierungen deutlich
zu machen, nicht ohne positive Auswirkungen waren. Ins-
besondere drei Punkte waren es, die mich immer beson-
ders bewegt haben:
Erster Punkt: Der Stand der Kooperation, den wir inner-
halb der WEU erreicht haben, bei der Übertragung der
Aufgaben an die EU wenigstens zu halten, ist, soweit wir
erkennen können, nicht vollständig gelungen. Aber es ist
besser gelungen, als es ursprünglich beabsichtigt war. Ich
stehe nicht an zu sagen, dass dies wesentlich ein Erfolg
unserer und insbesondere Ihrer Bemühungen ist, dass man
dieses Problem überhaupt begriffen hat.
Der zweite Punkt, den wir oft diskutiert haben und nicht
beiseite lassen sollten, ist die parlamentarische Beglei-
tung der verschiedenen Prozesse. Auch hier – das möchte
ich positiv unterstreichen – war immerhin ein Vertreter
der künftigen EU-Präsidentschaft da und hat erklärt ? das
habe ich noch von keinem so deutlich gehört –: Jawohl,
hier gibt es ein Vakuum, das ausgefüllt werden muss. Ich
fand es ausgesprochen erfreulich, dass er die Denkan-
stöße, die aus dieser Runde gekommen sind – ich ver-
weise auf Lissabon, Herr Kollege Behrendt – bei seinen
weiteren Überlegungen berücksichtigen will. So habe ich
es jedenfalls verstanden. Dies ist ebenfalls positiv zu be-
werten, auch wenn wir mit dem Begriff Vakuum sicher-
lich angesichts dessen, was wir für Europa erreicht haben,
nicht zufrieden sein können.
Der dritte Punkt betrifft den Artikel V, also die Verpflich-
tung europäischer Länder, sich im Ernstfall beizustehen.
Das ist das Herz und die Kernaussage der Westeuropä-
ischen Union. Dass es vielen unserer Regierungen
während der ganzen Diskussionen bewusst geworden ist,
dass es ein Minus wäre, diese Hauptaufgabe der WEU
einfach beiseite zu lassen bzw. einschlafen zu lassen, kön-
nen wir als Erfolg verbuchen. Deshalb sehe ich nach Mo-
naten der Diskussion und der Auseinandersetzung, wo wir
auch einige weniger schöne Anmerkungen hören muss-
ten, Anlass festzuhalten: Herr Präsident, wir waren ver-
blüffenderweise ziemlich erfolgreich. Auch Ihnen persön-
lich dafür noch einmal herzlichen Dank.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 61 – Drucksache 14/6705

Jetzt geht es darum – ich kann dabei an das anknüpfen,
was der Kollege Behrendt gesagt hat – uns zu fragen, was
zu tun ist. Das ist auch die Kernaussage der insgesamt
23 Empfehlungen, die der Kollege Marshall dem Rat ge-
geben hat. Diese Empfehlungen verstehe ich aber auch
weitgehend als Aufforderung an uns, Punkt für Punkt sel-
ber aktiv zu werden. Es lohnt sich, wenn man dies tut. Ich
halte vor allem die Punkte 7, 8 und 9, in denen es um die
Dynamisierung der Verfassung der WEU, die Öffnung
und den weiteren Beitritt von Ländern geht, für wichtig.
Wenn wir diese Forderungen hinreichend kräftig vertre-
ten, könnten wir den niederländischen Außenminister
vielleicht dazu veranlassen, darüber während der Präsi-
dentschaft seines Landes wenigstens eine Konsultation
auf Ministerebene oder gar des Ministerrates durchzu-
führen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte nicht
schließen ohne zuvor anzumerken, dass wir die Pflicht ha-
ben, als Wächter des Artikels V aufzutreten, ihn im Be-
wusstsein aller in der Europäischen Union zu halten und
diejenigen, die bisher ihrer Verpflichtung zu gemeinsamer
Sicherheit – um es vornehm zu formulieren – in der Eu-
ropäischen Union nicht nachkommen, permanent zu drän-
gen, diese gemeinsam anzustreben und zu vertiefen. Zu-
gleich obliegt uns die Aufgabe, Fragen, die in Zukunft
noch wichtiger werden, in den Mittelpunkt unserer Erör-
terungen bei WEAG und WEAO zu stellen. Vor allen Din-
gen müssen wir uns immer wieder auf der Basis des
Artikel V, dem eigentlichen Kernstück der Westeuropä-
ischen Union, um eine dynamische Weiterentwicklung
unserer Politik bemühen. Dann wird die WEU nicht nur
als Rechtskonstrukt weiterexistieren, sondern, davon bin
ich überzeugt, Herr Präsident, weiterhin auch politisches
Gewicht haben und die Vorbereitungen dafür treffen
können, dass eines Tages eine umfassende europäische
Sicherheits- und Verteidigungspolitik innerhalb der Euro-
päischen Union realisiert werden kann. Herzlichen Dank
für Ihre Aufmerksamkeit.
Frank Gundersen (Norwegen) – Danke schön, Herr Prä-
sident. Kolleginnen und Kollegen, die Mitglieder dieser
Versammlung tragen für gewöhnlich ihre persönliche
Meinung vor. Mit großer Freude repräsentiere ich aber
heute die Ansichten der ganzen norwegischen Delegation.
Unsere Delegation unterstützt die Bemühungen der Euro-
päischen Union, ihre eigene Sicherheits- und Verteidi-
gungsstruktur zu errichten, die auch für andere europä-
ische Länder offen ist.
Norwegen ist bereit, seinen militärischen Beitrag zu leis-
ten. Wir hoffen jedoch, dass diese neue Struktur parla-
mentarisch begleitet wird. Die Kontrolle, die die nationa-
len Parlamente ausüben, sollte durch die Einrichtung
einer parlamentarischen Versammlung ergänzt werden. In
dieser Versammlung sollten die Parlamentsmitglieder der
beitragswilligen europäischen Länder vertreten sein.
Die Ansichten, die ich vorgestellt habe, sind die Ansich-
ten der norwegischen Regierung. Die Zustimmung der na-
tionalen Parlamente ist notwendig, um Soldaten für inter-
nationale Einsätze zur Verfügung zu stellen. Darum ist es

sehr wichtig, dass es in den nationalen Parlamenten in al-
len Parteien Mitglieder gibt, die über diese Fragen gut in-
formiert sind. Die Informationen, die man über das eigene
Außenministerium bekommt, sollten durch internationale
parlamentarische Kontakte ergänzt werden, obwohl es
– jedenfalls in Norwegen – traditionell sehr enge Kon-
takte zwischen dem Parlament und dem Außenministe-
rium gibt.
Ein Hauptproblem der europäischen Integration – das
wurde heute schon gesagt – ist die Informationskluft zwi-
schen Fachpolitikern und der Bevölkerung. Diese Kluft
könnte in der politischen Debatte durch eine starke Betei-
ligung der nationalen Parlamentsmitglieder auf europä-
ischer Ebene überwunden werden; denn die Parlamenta-
rier haben einen engeren Kontakt zu der Bevölkerung als
die Regierungen und ihre Botschaften.

Empfehlung 678
betr. die Umsetzung der Gemeinsamen Euro-
päischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik
und die zukünftige Rolle und Aufgabe der WEU –

Antwort auf den Jahresbericht des Rates
Die Versammlung,
(i) die nachhaltigen Fortschritte begrüßend, welche

die Mitgliedstaaten der Europäischen Union ge-
genwärtig in der Entwicklung eines Entschei-
dungsmechanismus und einer raschen Eingreif-
truppe erzielen, mit denen die Union befähigt
werden soll, in der Reaktion auf internationale Kri-
sen den vollständigen Bereich der Petersberg-Auf-
gaben abzudecken;

(ii) eingedenk der weiteren, noch offenen Angelegen-
heiten wie z. B. der finanziellen Auswirkungen aus
der Erfüllung der Ambitionen der Europäischen
Union, der Modalitäten der Zusammenarbeit von
EU und NATO, der Einbindung der Alliierten, die
nicht der EU angehören, sowie der EU-Beitritts-
kandidaten in die GESVP, der Entscheidungsab-
läufe und der Harmonisierung der zivilen und mi-
litärischen Aspekte der Krisenbewältigung, der
Rolle und Aufgabe des Hohen Repräsentanten und
der Frage, ob Änderungen des Vertrages erforder-
lich sind;

(iii) die Tatsache bedauernd, dass der Europäische Rat
sich als unfähig erwiesen hat, die vollständige In-
tegration der WEU in die EU zu vereinbaren, wo-
durch die Union, wie im Vertrag von Amsterdam
impliziert, eine ausgewachsene Verteidigungsdi-
mension erhalten hätte, sodass nun als Ergebnis
die Aufgaben der Krisenbewältigung und der kol-
lektiven Verteidigung separat, durch unterschiedli-
che Organisationen und auf der Grundlage unter-
schiedlicher Vertrage wahrgenommen werden;

(iv) die Bestätigung durch den Rat begrüßend, derzu-
folge das Engagement für eine kollektive Verteidi-
gung, so wie es in Artikel V des modifizierten
Brüsseler Vertrages vorgesehen ist, als gültig

Drucksache 14/6705 – 62 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

bestehen bleiben wird und nicht daran gedacht
wird, den genannten Vertrag durch die Signatar-
Staaten aufzukündigen;

(v) die Entschlossenheit der WEU-Mitglieder be-
grüßend, der Organisation die erforderlichen
Strukturen zu sichern, damit sie ihre Verpflichtun-
gen gemäß dem modifizierten Brüsseler Vertrag
erfüllen kann;

(vi) die Bedeutung einer sorgfältigen Prüfung sämtli-
cher Bereiche durch den Rat hervorhebend, in de-
nen die WEU weiterhin die Funktionen ausüben
sollte, die sich aus dem modifizierten Brüsseler
Vertrag ergeben;

(vii) die herausragende Bedeutung eines anhaltenden
Engagements seitens der assoziierten Mitglieder,
der assoziierten Partner und der Beobachterstaaten
in den zukünftigen Aktivitäten des Rats hervorhe-
bend;

(viii) überzeugt davon, dass jedwede Entscheidung, be-
stimmte Aktivitäten der WEU wie den Dialog und
die Zusammenarbeit mit Russland, der Ukraine
und den nicht zur WEU gehörenden Mittelmeer-
staaten auszusetzen oder einzustellen, sich als kon-
traproduktiv erweisen würde, da die genannten
Aktivitäten nach wie vor im Interesse der betroffe-
nen Gesprächspartner liegen und Bereiche erfas-
sen, die nicht auf angemessene Weise durch die
Europäische Union übernommen werden könnten;

(ix) dem wichtigen Beitrag Tribut zollend, den das
Transatlantische Forum dazu leistet, dass die ge-
genwärtig unternommenen Bemühungen, um Eu-
ropa eine Sicherheits- und Verteidigungsdimen-
sion zu verleihen, in den Vereinigten Staaten
verstärkt bewusst und wahrgenommen werden;

(x) die Bedeutung einer anhaltenden, regelmäßigen
Konsultation zwischen WEU und NATO sowohl
im Bereich der ESVI als auch der kollektiven Ver-
teidigung hervorhebend, wobei zu bedenken ist,
dass die NATO die militärische Verantwortung für
die Gewährleistung der Verteidigung Europas nicht
nur auf der Grundlage von Artikel 5 des Vertrags
von Washington trägt, sondern auch aufgrund von
Artikel V des modifizierten Brüsseler Vertrags,
dessen strengere Verpflichtungen nur für 10 der
19 Mitgliedstaaten der Allianz bindend sind;

(xi) daran erinnernd, dass es sich bei der ESVI nicht
um dasselbe Projekt handelt wie bei der ESVP, und
den Umstand bedauernd, dass weder im Jahresbe-
richt noch in der Erklärung von Marseille irgend-
ein Bezug auf die Zukunft der ESVI enthalten ist,
obwohl darüber momentan Unsicherheit besteht,
ob die Europäische Union in der Lage und willens
ist, in diesem Zusammenhang die Rolle und Auf-
gabe der WEU zu übernehmen;

(xii) ihre Überzeugung erneut bekräftigend, dass im
Falle der Ausweitung der vertieften Zusammen-

arbeit auf den zweiten Pfeiler der Europäischen
Union die Form einer derartigen Zusammenarbeit
nicht ausschließlich auf den institutionellen Rah-
men der EU beschränkt werden sollte;

(xiii) unter Hinweis auf Empfehlung 626, in der dafür
eingetreten wird, dass die interessierten assoziier-
ten Mitglieder und assoziierten Partner die Gele-
genheit erhalten sollten, in vollem Umfang an der
GASP teilzunehmen, ohne zunächst den vollstän-
digen Abschluss der Beitrittsverfahren zur Euro-
päischen Union abzuwarten;

(xiv) Kenntnis nehmend von der Entscheidung der Eu-
ropäischen Union, das Satellitenzentrum sowie
das Institut für Sicherheitsstudien der WEU zu
übernehmen;

(xv) daran erinnernd, dass es momentan unklar ist,
wie lang der mögliche Übergangszeitraum sein
müsste, bevor die Europäische Union vollständig
operationsbereit sein kann, und dass die WEU dies
daher in der Zwischenzeit bleiben muss – beson-
ders ihr Militärstab und sämtliche an der Vorberei-
tung von WEU/NATO-Manövern beteiligten Gre-
mien sowie diejenigen, die mit der Durchführung
der Aufgaben zu tun haben, die auf Ersuchen durch
die Europäische Union zu übernehmen sind;

(xvi) in Anbetracht der Tatsache, dass die Regierungen
der EU-Staaten nicht die Absicht verfolgen, die
Frage einer parlamentarischen Kontrolle der
GESVP anlässlich des Gipfels von Nizza zu
klären, und dass dies demzufolge ein Bereich ist,
der unter einem Fehlen an Rechenschaftslegung
(demokratisches Defizit) leiden dürfte;

(xvii) nichtsdestoweniger die Tatsache begrüßend, dass
die französische Präsidentschaft die einzigartige
Stellung der Versammlung als ein breiter gefasstes
Forum bestätigt hat, welches 28 Länder zu Kon-
sultationen, Beratungen und einem Meinungsaus-
tausch über Fragen von Sicherheit und Verteidi-
gung zusammenführt und dabei die Entwicklung
einer europäischen Verteidigungskultur in Kreisen
der breiten Öffentlichkeit fördert – eine treffende
und angemessene Beschreibung ihrer neuen Rolle
und Aufgabe als europäische Interimsversamm-
lung für Sicherheit und Verteidigung;

(xviii) es für außerordentlich enttäuschend erachtend,
dass der Rat sich nicht in der Lage gesehen hat, die
Arbeit der Versammlung in der Erklärung von
Marseille auf angemessene Weise zu erwähnen;

(xix) mit Interesse von der erneut aufgekommenen Dis-
kussion über die Möglichkeit einer zweiten parla-
mentarischen Kammer der Europäischen Union
Kenntnis nehmend, mithilfe derer die demokrati-
sche Dimension dieser Union abgerundet werden
könnte;

(xx) auch neuere Vorschläge seitens des Europäischen
Parlaments zur Kenntnis nehmend, denen zufolge

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 63 – Drucksache 14/6705

den Vertretern der nationalen Parlamente eine be-
grenzte Gelegenheit zur Einbindung in die parla-
mentarische Kontrolle der GESVP eingeräumt
werden soll;

(xxi) betonend, dass jede Diskussion mit dem Ziel einer
Entscheidung über die zukünftige parlamentari-
sche Kontrolle über die GESVP auf europäischer
Ebene auch die Versammlung der WEU einbinden
muss und Bestandteil der Tagesordnung einer
zukünftigen Regierungskonferenz sein könnte, die
sich mit der umfassenden Neugestaltung der par-
lamentarischen Dimension der EU beschäftigt;

(xxii) die absolute Notwendigkeit betonend, dass die
Versammlung vollumfänglich darüber auf dem
Laufenden gehalten wird, wie die Europäische
Union sich der Petersberg-Aufgaben entledigen
soll, besonders dann, wenn die Regierungen der
EU befinden sollten, dass angesichts der neuen
Vorkehrungen keine Änderungen an dem Vertrag
über die Europäische Union erforderlich werden,

empfiehlt dem Rat,
1. weiterhin seine sämtlichen Verpflichtungen gemäß

dem modifizierten Brüsseler Vertrag zu erfüllen,
deren Ausübung die WEU nicht rechtsverbindlich
auf andere Organisationen übertragen hat, und ins-
besondere diejenigen Verpflichtungen, die sich aus
den Artikeln IV, V, VIII, IX und X sowie den ein-
schlägigen Protokollen und Entschließungen erge-
ben, insbesondere denjenigen bezüglich der unter
NATO-Kommando gestellten Streitkräfte der
WEU-Staaten;

2. regelmäßige Konsultationen mit der NATO zu un-
terhalten, um diese auch weiterhin in der Über-
nahme ihrer Verantwortung zu beaufsichtigen,
sich der militärischen Seite der beiderseitigen Bei-
standsklausel gemäß Artikel V des modifizierten
Brüsseler Vertrages zu entledigen;

3. die Versammlung darüber zu informieren, was von
dem Konzept der ESVI noch übrig bleibt, und auf
welche Weise und durch wen dieses Konzept in der
Zukunft umgesetzt werden soll;

4. im Lichte der Tatsache, dass Javier Solana einge-
räumt hat, die EU könne nicht einfach die Vorkeh-
rungenderWEUnachvollziehen, sondern siemüsse
„etwas wesentlichAnspruchsvolleres ausarbeiten“,
die Versammlung darüber in Kenntnis zu setzen,
welche Komponenten der Rahmenvereinbarung
zwischen WEU und NATO bezüglich der Freiset-
zung, Beaufsichtigung und Rücküberstellung bzw.
Rückruf derNATO-Mittel und -Fähigkeiten und der
Konsultationsvorkehrungen zwischen NATO und
WEUdurch einschlägigeEU/NATO-Vorkehrungen
ersetztwerdenmüssen undwelche imGegenteil un-
verändert bleiben können;

5. die Versammlung darüber in Kenntnis zu setzen,
wie er das für den Zeitraum 2001 bis 2005 ausge-

arbeitete WEU-Manöverprogramm umzusetzen
plant;

6. weiterhin regelmäßig auf Botschafter- und Minis-
terebene mit der vollen Beteiligung sämtlicher
assoziierten Mitglieder, assoziierten Partnern und
Beobachterländern zu tagen und dabei die WEU
in vollem Umfange als erweitertes Forum für
allgemeine strategische Überlegungen in Sicher-
heits und Verteidigungsfragen in Europa sowie
möglicherweise als einen Rahmen für eine ver-
tiefte Zusammenarbeit gemäß Artikel 17.4 des
Vertrags über die Europäische Union zu nutzen;

7. im Kreise der 28 eine umfassende Abschätzung
der zukünftigen Risiken und Bedrohungen für
die Sicherheit Europas zu entwickeln und dabei
insbesondere auf die territoriale Integrität der Mit-
gliedstaaten abzuheben und diese Abschätzung in
ein neues gemeinsames Sicherheitskonzept für
sämtliche 28 WEU-Mitglieder umzusetzen, unter
Berücksichtigung unter anderem der vom Aus-
schuss für die Beziehungen zu den Parlamenten
und zur Öffentlichkeit verfassten Berichte zur Hal-
tung der Institutionen im Bereich der Sicherheits-
und Verteidigungsforschung in den assoziierten
Mitgliedstaaten und in den assoziierten Partner-
staaten der WEU;

8. die Bestimmungen von Artikel V auf dynamische
Weise zu nutzen, indem er den interessierten euro-
päischen NATO-Staaten, die gegenwärtig EU-
Kandidaten sind, die Möglichkeit gibt, gemäß Ar-
tikel XI zu dem modifizierten Brüsseler Vertrag
beizutreten, und damit den Weg dafür zu ebnen,
dass die Europäische Union zu einem späteren
Zeitpunkt gemeinsame Verteidigungsaufgaben
übernimmt;

9. das Ersuchen bestimmter assoziierter Mitglieder,
die EU-Kandidaten sind, in vollem Umfange zu
unterstützen, zu Vollmitgliedern der GASPund der
GESVPwerden zu können, ohne zunächst den Ab-
schluss der Beitrittsverfahren zur EU abzuwarten;

10. seine Verpflichtungen gemäß Artikel VIII des mo-
difizierten Brüsseler Vertrages und insbesondere
den Absatz 3 dieses Artikels, wo es sowohl um die
Krisenbewältigung als auch um die kollektive Ver-
teidigung geht, in vollem Umfange zu erfüllen;

11. weiterhin der Versammlung einen Jahresbericht zu
überstellen, in dem auf sämtliche einschlägigen
Bereiche des Vertrages einschließlich der militäri-
schen und zivilen Aspekte der Krisenbewältigung
eingegangen wird, und die Rolle und Funktion der
Versammlung als ein breiteres Forum für Diskus-
sionen über Sicherheit und Verteidigung zu unter-
stützen;

12. zu gewährleisten, dass die Präsidentschaft des Ra-
tes die Versammlung auch weiterhin auf regel-
mäßiger Grundlage in Kenntnis setzt;

Drucksache 14/6705 – 64 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

13. die durch die Versammlung vorgetragenen Wün-
sche nach Informationssitzungen über Angelegen-
heiten der GESVP mit dem PSC und/oder dem
Vorsitz des EU-Rates für allgemeine Angelegen-
heiten nachdrücklich zu unterstützen;

14. seine Aktivitäten mit denjenigen der bevorstehen-
den Präsidentschaft der Europäischen Union abzu-
stimmen und sicherzustellen, dass jedwede durch
die EU-Präsidentschaft ins Auge gefasste Initiative
bezüglich der Erörterung der parlamentarischen
Dimension der GESVP in Zusammenarbeit mit der
WEU und ihrer Versammlung sowie unter Einbe-
ziehung dieser Gremien ergriffen wird;

15. sicherzustellen, dass die Übertragung des Satelli-
tenzentrums auf die Europäische Union auf eine
solche Art und Weise vollzogen wird, dass gleich-
zeitig sichergestellt werden kann, dass die Einbin-
dung der assoziierten Mitglieder der WEU in die
Aktivitäten des Zentrums in keiner Weise einge-
schränkt oder beeinträchtigt wird und dass das Sa-
tellitenzentrum der WEU weiterhin zur Verfügung
steht;

16. sicherzustellen, dass die Übertragung des Instituts
für Sicherheitsstudien der WEU auf die Europä-
ische Union nicht dessen enge Arbeitsbeziehungen
zur WEU und deren Versammlung beeinträchtigt;

17. sicherzustellen, dass zum Zeitpunkt einer Ent-
scheidung über die Zukunft des Transatlantischen
Forums auch jedwedes Nachfolgegremium die
Versammlung weiterhin in vollem Umfang in
seine Aktivitäten zur Festigung und Vertiefung des
transatlantischen Verständnisses und der Zusam-
menarbeit einbezieht;

18. sorgfältig diejenigen Komponenten seines Dialogs
und seiner Zusammenarbeit mit Drittstaaten wie
Russland, der Ukraine und den nicht zur WEU
gehörenden Mittelmeerstaaten zu prüfen, die vor-
zugsweise auch weiterhin im Rahmen der WEU
angesiedelt bleiben sollten, bevor er zu irgendwel-
chen Entscheidungen gelangt, das Ganze an die
Europäische Union weiterzugeben;

19. auch weiterhin die Aufsicht über die Zusammen-
arbeit zwischen den Mitgliedstaaten der WEU aus-
zuüben, die dem Open-Skies-Vertrag beigetreten
sind;

20. auch weiterhin die Aktivitäten der VN und der
OSZE sorgfältig zu verfolgen;

21. der WEAG und der WEAO den politischen Elan
zu verleihen, den diese benötigen, und auf positi-
vere Weise auf das Interesse von assoziierten Part-
nerstaaten wie Bulgarien zu reagieren, beiden Gre-
mien beizutreten;

22. sicherzustellen, dass das Generalsekretariat der
WEU eine ausreichende Stärke behält, um so wie
erforderlich die zukünftigen Aufgaben der WEU
und diejenigen von WEAG und WEAO erfüllen zu
können;

23. seine Bemühungen fortzusetzen und erheblich zu
verstärken, um angemessene Lösungen für dieje-
nigen Mitarbeiter des Generalsekretariats und der
Untergremien der WEU zu finden, welche durch
die Organisation nicht weiterbeschäftigt werden
können, und sicherstellen, dass der berufliche
Sachverstand und die legitimen Erwartungen die-
ser Mitarbeiter auf angemessene Weise berück-
sichtigt werden.

Tagesordnungspunkt
Ansprache von Lionel Jospin, Premierminister

von Frankreich (für die WEU- und
EU-Präsidentschaft)
Tagesordnungspunkt

Ansprache von Akis Tsohatzopoulos,
Verteidigungsminister Griechenlands (für die

Präsidentschaft des WEAG)
Klaus Bühler (Bruchsal) (CDU/CSU) – Ich weiß, das
ich mit Ihnen auf Deutsch reden kann, weil es – das habe
ich in Athen mit Freude zur Kenntnis genommen – prak-
tisch Ihre zweite Muttersprache ist. Deswegen möchte ich
Sie ganz herzlich auf Deutsch willkommen heißen und
damit auch meinen tief empfundenen Dank für den erfolg-
reichen Besuch in Athen zum Ausdruck bringen, der An-
fang November 2000 über die Bühne ging.
Es war eine Einladung, die Herr Kotsonis, unser Vizeprä-
sident aus Griechenland, ausgesprochen hat. Ich erinnere
mich nicht nur sehr gerne an die erfolgreichen politischen
Gespräche, sondern auch an die herzliche Atmosphäre,
die diesen Besuch ausgezeichnet hat. Ich habe damals mit
Ihrem Staatspräsidenten Stefanopulos und Ihrem Minis-
terkollegen Papandreou, dem Außenminister, Gespräche
geführt. Ich hatte die Gelegenheit, mit Ihnen zu konferie-
ren. Ich hatte außerdem Gelegenheit, mit dem Präsidenten
des griechischen Parlaments, Herrn Kaklamanis, zusam-
menzutreffen, und all die Dinge anzusprechen, die uns in
der WEU-Versammlung im Augenblick bewegen.
Es war der erste offizielle Besuch in einem Vollmitglied-
staat der Westeuropäischen Union. Ich hoffe und wün-
sche, dass die kommenden Besuche genau so erfolgreich
verlaufen, wie es dieser Besuch in der Tat gewesen ist.
Ich möchte kurz wiederholen, was Sie, Herr Minister, im
Zusammenhang mit der Zukunft der Westeuropäischen
Union in Athen zu mir gesagt haben. Ich glaube, das ist
auch für die Kolleginnen und Kollegen in unserer Ver-
sammlung von großem Interesse. Sie sagten damals,
welch ein Paradox es sei, wenn wir zu einem Zeitpunkt,
zu dem wir eine Struktur schaffen, um Europas Demokra-
tie zu schützen, gerade die Institution vernachlässigten,
die unsere Demokratie repräsentiert, nämlich die nationa-
len Parlamente.
Herr Minister, Sie wissen: In unserer Versammlung haben
Sie im Augenblick Vertreter aus 28 nationalen Parlamen-
ten, die sich regelmäßig hier in Paris treffen. Diese Ver-

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 65 – Drucksache 14/6705

sammlung dient als Dialogforum für alle Fragen der
Sicherheits- und Verteidigungspolitik in Europa. Wir hof-
fen und wünschen, dass wir diese gute Tradition auch in
der Zukunft mit den Vertreterinnen und Vertretern aus
28 europäischen Parlamenten entsprechend fortsetzen
können.
Beim Thema der parlamentarischen Begleitung habe ich
die sehr angenehme Erfahrung gemacht, dass mir Ihr Kol-
lege, der Außenminister Papandreou zugesagt hat, dass
die griechische Regierung versuchen wird, dieses Thema
– die parlamentarische Begleitung dieser neuen europä-
ischen Sicherheitspolitik – auf dem morgen in Nizza be-
ginnenden Gipfel anzusprechen. Es wäre für uns sehr hilf-
reich, wenn Ihr Ministerkollege die Gelegenheit hätte, in
Nizza dazu zu sprechen, um zumindest seine Kollegen aus
dem Ministerrat auf dieses wichtige Thema aufmerksam
zu machen.
Wir hatten bereits heute den niederländischen Außenmi-
nister und den französischen Premierminister zu Besuch
und den krönenden Abschluss stellen Sie dar, Herr Minis-
ter. Gerade weil Griechenland die Präsidentschaft bei der
WEAG hat, ist es für Sie sehr interessant, zu wissen, dass
wir heute Nachmittag einige Debatten über Rüstungszu-
sammenarbeit in Europa und die Technologielücke zwi-
schen den Vereinigten Staaten und Europa haben werden,
was ein Thema ist, das Sie, wie ich weiß, besonders inte-
ressiert. Sie haben in Athen mir gegenüber versichert,
dass hier für uns Europäer ein besonderer Nachholbedarf
besteht. Deswegen begrüßen wir es, dass die WEAG in
der jüngsten Vergangenheit sechs neue Mitglieder – ich
glaube, es war in Marseille – aufgenommen hat.
Wir hatten hier Diskussionen zu einem Konflikt, bei dem
wir hoffen und wünschen, dass die beteiligten Regierun-
gen eine konstruktive und gute Lösung finden werden,
nämlich die Zypernfrage. Wir wären sehr glücklich, wenn
der gute Wille der griechischen Regierung und der der
türkischen Regierung zusammen mit ihren Partnern zu
einer Lösung im Interesse aller führen würde.
Herr Minister, wir freuen uns sehr, dass Sie zu uns ge-
kommen sind. Ich darf Sie sehr herzlich bitten, zu uns zu
sprechen. Bitte sehr, Herr Minister.
Akis Tsohatzopoulos (Verteidigungsminister, Griechen-
land) – Ich möchte versuchen, auf Deutsch eine Antwort
zu geben. Nachdem wir, wie Sie sagten, unser Gespräch
in Athen beendet hatten, habe ich die Einladung mit sehr
großer Freude angenommen. Ich bedanke mich dafür. Ich
freue mich, dass ich heute direkt nach der Sitzung des
NATO-Ausschusses die Möglichkeit habe, zu Ihnen zu
sprechen, und zwar ein paar Wochen nach dem Beschluss
der Europäischen Union, die europäische Sicherheits- und
Verteidigungspolitik in die Realität umzusetzen. Morgen
auf der Konferenz in Nizza werden die Länder endgültig
über die europäische Sicherheits- und Verteidigungspoli-
tik entscheiden, und zwar mit allen notwendigen Instru-
menten, wie der Infrastruktur und der zu erreichenden mi-
litärischen Stärke.
Vor einem solch wichtigen Tag habe ich die Möglichkeit,
hier bei Ihnen zu sein. Ich bedanke mich dafür. Ihre Einla-

dung hat mir dazu die Möglichkeit gegeben, auch wenn
heute Nikolaustag ist. Meine besten Wünsche dazu.
Ich habe gehört, es gibt eine griechische Übersetzung.
Also werde ich auf Griechisch fortfahren.
Klaus Bühler (Bruchsal) (CDU/CSU) – Lieber Herr
Minister Tsohatzopoulos, ich möchte Ihnen im Namen der
Versammlung für Ihre Rede sehr herzlich danken. Sie
haben sehr klar aufgezeigt, welche Fortschritte beim Auf-
bau dieser neuen europäischen Sicherheitspolitik erzielt
worden sind. Sie wissen, dass diese Versammlung schon
lange den Wunsch gehabt hat, diesen zweiten Pfeiler
einer europäischen Sicherheitspolitik aufzubauen, um
Europa wieder auf eigene Füße zu stellen. Die Gründe
dafür sind bekannt, Sie haben sie genannt. Wir danken Ih-
nen auch für die Fortschritte, die unter der griechischen
Präsidentschaft in der WEAG erzielt worden sind. Wir
alle wissen – Sie haben es eben noch einmal betont –, wie
wichtig eine stärkere Zusammenarbeit der europäischen
Staaten in diesem Bereich ist. Besonders dankbar, Herr
Minister, sind wir für Ihre klaren Äußerungen über die
Notwendigkeit einer demokratischen Kontrolle. Es ist
nicht für alle Minister, die uns besuchen, ein Usus, dass
sie sich in dieser Klarheit zu diesem Thema bekennen.
Deswegen – das darf ich Ihnen versichern – sind wir be-
sonders dankbar, in Ihnen einen Anwalt für die Notwen-
digkeit einer parlamentarischen Begleitung zu haben.
Ebenso danken wir Ihnen für den Hinweis auf die wichti-
gen Erfahrungen, die hier in der WEU gesammelt worden
sind und die beim Aufbau der Sicherheitspolitik innerhalb
der Europäischen Union an sich noch mehr genützt wer-
den sollten. Noch einmal herzlichen Dank.

Tagesordnungspunkt
Folgen von Fusionen in der europäischen

wehrtechnischen Industrie – Antwort auf den
Jahresbericht des Rates

(Drucksache 1719)
Berichterstatter des Ausschusses für Technologie und

Raumfahrt:
Heinrich Kolb (Bundesrepublik Deutschland)

Dr. Heinrich L. Kolb (F.D.P.) – Sehr geehrter Herr Prä-
sident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist mir eine
besondere Freude, Ihnen heute diesen Bericht zu den
Konsequenzen der Zusammenschlüsse in der europä-
ischen Rüstungsindustrie vorlegen zu können. Ich bin mir
bewusst, dass dieser Bericht in einer Reihe mit anderen
Berichten steht, die diesem Gremium in der Vergangen-
heit bereits vorgelegt wurden. Ich erinnere an den Bericht
von Herrn O'Hara mit der Dokumentennummer 1671, in
dem dieses Thema bereits aufgegriffen wurde. Ich danke
Ihnen auch für Ihr Verständnis, dass dieser Bericht erst
heute hier vorgelegt wird. Sie wissen, ursprünglich war
geplant, diesen Bericht bereits während der Plenarsitzung
im Sommer zu beraten. Ich denke, es traf auf Ihr Einver-
ständnis, dass das Erscheinen des Berichtes noch etwas
verschoben wurde; so konnte auch auf aktuelle Entwick-

Drucksache 14/6705 – 66 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

lungen eingegangen werden. Nachdem ich jetzt die Äuße-
rungen des griechischen Ministers über das, was in Nizza
in den kommenden Tagen passieren wird, gehört habe,
hätte es, wenn ich sie richtig interpretiere, geboten sein
können, das Beraten des Berichts erneut zu verschieben.
Ich denke aber, dass es sinnvoller ist, dann vielleicht ei-
nen neuen Bericht anzufertigen und in dieser Form eine
Fortschreibung vorzunehmen.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt
schon seit Jahren vielfältige Ansätze zwischenstaatlicher
Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Beschaffung und
Produktion von Rüstungsgütern. Entsprechende Struktu-
ren bilden auf dem Gebiet der WEU die Western Euro-
pean Armaments Group und die Western European Arma-
ments Organisation. Auf der Ebene der EU POLARM und
COARM, auf Nicht-EU-Ebene, aber intraeuropäischer
Ebene die European Defence Industries Group und der
Letter of Intent, um nur einige zu nennen. Auch die NATO
verfügt über entsprechende Strukturen der Zusammen-
arbeit.
Das Fehlen einer gemeinsamen Verteidigungspolitik mit
gemeinsamen Zielen, das Fehlen einer synchronisierten
Beschaffung und, wie bereits erwähnt, auch zunehmende
Zwänge, in den nationalen Verteidigungshaushalten Ein-
sparungen vorzunehmen, schafft Rahmenbedingungen
für die europäische Rüstungsindustrie, die sich deutlich
von denen der Konkurrenz in den Vereinigten Staaten von
Amerika unterscheiden. Die grenzüberschreitende Ko-
operation von Unternehmen aus zwei oder mehreren eu-
ropäischen Staaten waren in der Vergangenheit wegen un-
terschiedlicher Anforderungen an die Rüstungsgüter oft
von schwierigen Abstimmungsprozessen und Problemen
wie Kosten- und/oder Terminüberschreitungen gekenn-
zeichnet. Insbesondere das Prinzip des „juste retour“, das
heißt, jedem einen gerechten Anteil an gemeinsam durch-
geführten Projekten bis in die Produktionsphase zu geben,
hat aus meiner Sicht zu Ineffizienzen geführt und eine
echte Arbeitsteilung und eine Konzentration auf die
jeweiligen nationalen Stärken erschwert. Die Frage der
Projektführerschaft, des „prime contractorship“, ist ein
weiterer Auslöser für die Schwierigkeiten bei der Be-
gründung von und bei der tagtäglichen Arbeit in interna-
tionalen Kooperationen gewesen. Versuche, „juste
retour“ weiterzuentwickeln in Form einer Spezialisie-
rung, wurden gerade in jüngerer Zeit mit OCCAR und
dem Letter of Intent gemacht. Danach soll „juste retour“
nicht mehr projektbezogen, sondern in Form einer „over-
all multi-programme/multi-year balance“ verstanden
werden. Aber nach wie vor sind nationale Regierungen
oftmals nicht bereit, ihren Einfluss aufzugeben und die
transnationalen Unternehmen selbst nach ökonomischen
Kriterien entscheiden zu lassen, an welchen Standorten in
den beteiligten Ländern die industrielle Kapazität genutzt
wird.
Der EU, liebe Kolleginnen und Kollegen, fehlt die Kom-
petenz. Nach Artikel 296 des EU-Vertrages bleiben Rüs-
tungsverträge eine Angelegenheit der nationalen Souve-
ränität. Zudem wird ein Zielkonflikt deutlich zwischen
dem Bestreben, durch Zusammenschlüsse die Position
der europäischen Unternehmen im globalen Maßstab zu
verbessern, was immer auch mit einer Reduzierung der

Zahl der Anbieter einhergehen muss, und dem Bestreben,
den Wettbewerb in Europa weiterhin aufrechtzuerhalten,
zumindest so lange, bis die der US-amerikanischen und
europäischen Märkte für Rüstungsgüter gegenseitig
geöffnet werden. Die Erfolge der US-Rüstungsindustrie
gerade in den letzten zehn Jahren haben im Übrigen aus
meiner Sicht den Handlungsdruck auf die Europäer eher
noch verstärkt.
In Europa sind durch Zusammenschlüsse in den letzten
zwei Jahren große Strukturen entstanden: British Aero-
space und die European Aeronautic Defence and Space
Company. British Aerospace ist das führende europäische
Rüstungsunternehmen und wurde sozusagen durch eine
Akquisitionsstrategie geformt. Sie zeichnet sich heute
dank einer vertikal integrierten Struktur durch hohe Wett-
bewerbsfähigkeit und hohe Rentabilität wie auch durch
gute Möglichkeiten transatlantischer Kooperation aus.
EADS hingegen ist ein noch sehr junger Partnership Mer-
ger mit einer komplexen Struktur. Er zeichnet sich zuge-
gebenermaßen durch bedeutende Finanzkraft aus und hat
ebenfalls eine bedeutende Marktstellung in verschiedenen
Bereichen, etwa bei Helikoptern, Missile Systems, Satel-
liten und Kampfflugzeugen, aber auch bei zivilen Flug-
zeugen. EADS steht – bei aktuell guter Ertragslage – vor
der Herausforderung, in den nächsten Jahren sehr unter-
schiedliche Unternehmenskulturen zusammenzuführen
und die Produktpalette zu überarbeiten und zu straffen.
Ich nenne hier als Beispiel die Kampfflugzeuge Raffale
und Eurofighter. Es wird auf Dauer nicht möglich sein,
zwei Flugzeuge parallel anzubieten, da der Markt nicht
groß genug ist, um zwei Flugzeuge der gleichen Katego-
rie zur selben Zeit und zu einem mehr oder weniger glei-
chen Preis aufzunehmen.
Ich will noch darauf hinweisen, dass es mir aufgrund der
beschriebenen Charakteristika klar erscheint, dass ein Zu-
sammenschluss zwischen British Aerospace und EADS,
also die Schaffung eines europäischen Rüstungsunterneh-
mens, zumindest auf absehbare Zeit ausgeschlossen ist,
während umgekehrt – auch diese Überlegung muss er-
laubt sein – eine vertiefte Partnerschaft zwischen British
Aerospace und Boeing beispielsweise gedanklich mög-
lich wäre. Für die Europäer wäre das mit desaströsen Fol-
gen verbunden. Es stellt sich also die Frage, welche wei-
tere Entwicklung zu erwarten ist und welche Rolle die
Regierungen der beteiligten Staaten spielen wollen und
können. Dabei ist schon bisher bei der Wahrnehmung
staatlicher Einwirkungsmöglichkeiten ein unterschiedli-
ches Verständnis erkennbar. Traditionell bestehen etwa
enge Beziehungen zwischen Regierung und Rüstungsun-
ternehmen in Frankreich, während die deutsche Regie-
rung weniger direkten Einfluss auf die Unternehmen
selbst nimmt, aber, wenn es geboten erscheint, durchaus
mit starkem politischem Druck die Unternehmen etwa
beim Rüstungsexport zur gewünschten Zurückhaltung
drängt.
Es ist an der Zeit, die Rolle des Staates in der europäischen
Rüstungsindustrie zu überdenken. Wir müssen den kultu-
rellen, ökonomischen und sozialen Protektionismus über-
winden, der bisher noch zu oft das Handeln bestimmt hat.
Die EU wird eine dezidiertere Rolle spielen und etwa ei-
nen Plan vorlegen müssen, wie die Rüstungsindustrie auf

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 67 – Drucksache 14/6705

europäischer Ebene vorangebracht werden soll. Eine eu-
ropäische Rüstungsagentur – wir haben es gerade eben in
der Diskussion mit dem griechischen Verteidigungsmi-
nister gehört – könnte künftig eine wichtige Rolle spielen,
ob sie nun aus der WEAG oder aus OCCAR heraus ent-
wickelt wird.
Der Ihnen vorliegende Bericht kommt daher zu dem Er-
gebnis, dass der bisherige gute Ansatz in Form der Wes-
tern European Armaments Group weitergeführt werden
muss und diese zunehmende Unterstützung erfahren
sollte. Ferner sollten auch die assoziierten Partner ver-
stärkt die Gelegenheit nutzen, sich an Rüstungskoopera-
tionen zu beteiligen. Die jüngste Erweiterung der WEAG
um sechs Partnerländer – nämlich um Finnland, Öster-
reich, Polen, Schweden, die Tschechische Republik und
Ungarn – ist daher ausdrücklich zu begrüßen. Die Länder
mit Rüstungsgütern müssen ihre Anstrengungen verstär-
ken, das Entstehen von transnationalen Rüstungsunter-
nehmen zu erleichtern und zu unterstützen.
Im Einzelnen geht es dabei insbesondere um folgende
Punkte: erstens um die Weiterentwicklung des Prinzips
des „juste retour“ hin zu einer echten Arbeitsteilung, die
auf Spezialisierung und Nutzung der in den einzelnen be-
teiligten Staaten vorhandenen Stärken setzt und bei der
auch die kleineren und kleinen Staaten angemessen
berücksichtigt werden; zweitens um eine Ergänzung und
Klarstellung des European Code of Conduct, um unter-
schiedliche Interpretationen, zum Beispiel was Exporte in
Krisenregionen anbelangt, auszuschließen; drittens um
den Abbau von Hemmnissen beim Transfer von Know-
how und der Weitergabe von klassifizierten Informatio-
nen – Minister Tsohatzopoulos hat ja zu Recht darauf hin-
gewiesen, dass die Großen wie die Kleinen vom
gemeinsam erarbeiteten Know-how profitieren müssen;
viertens darum, dass die EU in dem Maße zunehmend ihre
Verantwortung wahrnimmt, wie die Staaten ihren Einfluss
auf nationale Rüstungsindustrien zurücknehmen; fünftens
darum, Sorge für ausreichende Mittel im Bereich For-
schung und Entwicklung und für eine Verstetigung dieser
Mittel zu tragen; sechstens darum, insbesondere in den
Bereichen des Unternehmensrechts, der Gesetzes- und
Steuersysteme und des Technologietransfers die Harmo-
nisierung weiter entschieden voranzutreiben; siebtens da-
rum, innerhalb POLARM und COARM den Letter of In-
tent anzuwenden und weiterzuentwickeln, und achtens
darum, die Industrie zu ermutigen, die Anpassungspro-
zesse weiter voranzubringen, um mittelfristig eine Wett-
bewerbsposition erreichen zu können, die die gegensei-
tige Öffnung der Märkte für Rüstungsgüter in den
Vereinigten Staaten und der Europäischen Union erlaubt.
Die Einrichtung einer europäischen Rüstungsagentur
kann – ich sagte es bereits – dabei helfen, dass eine ge-
meinsame Beschaffung von Rüstungsgütern, basierend
auf harmonisierten Anforderungen an die Rüstungsgüter,
harmonisierten Regeln der Beschaffung und harmonisier-
ten Zeitplänen, in Europa möglich wird.
Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ich
möchte zum Schluss meiner Rede noch darauf hinweisen,
dass an drei Stellen im Memorandum gegenüber der ur-
sprünglichen Fassung kleinere Änderungen vorgenommen

worden sind. Dies betrifft die Ziffer 74 des Memoran-
dums, wo die Prozentzahl für den staatlichen Anteil an
British Aerospace herausgenommen wurde, die Ziffer 82,
wo die Vergleichszahl von 63 Prozent für EADS um den
Hinweis auf die Kooperation mit Finmeccanica ergänzt
wurde, sowie das Diagramm 2 in Ziffer 108, wo wegen
des deutsch klingenden Namens Herr Gut versehentlich
der deutschen und nicht, wie es richtig ist, der französi-
schen Seite zugerechnet wurde.
Ganz am Ende meiner Rede möchte ich allen danken, die
mich bei der Erstellung dieses Berichts unterstützt haben;
insbesondere möchte ich dem Sekretär des Ausschusses
für Wissenschaft und Technologie, Herrn Pedrigosa, und
seinen Mitarbeitern danken. Ich bedanke mich selbstver-
ständlich auch bei den Kolleginnen und Kollegen für die
Anregungen und weiterführenden Diskussionen während
unserer Arbeit im Ausschuss. Ich wünsche dem Rat und
den Staaten Europas, dass sie die aus den Änderungen
resultierenden Herausforderungen annehmen. Ich emp-
fehle Ihnen, dem Bericht zuzustimmen. – Vielen Dank für
Ihre Aufmerksamkeit.
Erich Maaß (Wilhelmshaven) (CDU/CSU) – Herr Prä-
sident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist der erste
Bericht, den Kollege Kolb vorgelegt hat. Ich glaube, es ist
ein gelungener Bericht. Dennoch sehe ich mich veran-
lasst, auf einige Aspekte noch einmal einzugehen. Es kön-
nen nur wenige Aspekte sein.
Ich merke bei dieser Diskussion im europäischen Rahmen
natürlich, dass eine gewisse Skepsis auch von der Indus-
trie ausgeht. Die Ermutigung und Ermunterung, die Herr
Kolb definiert hat, sollten wir durch unsere Beschlussfas-
sung unterstreichen. Man erkennt zwar, dass es notwen-
dig ist, im Bereich der Luftfahrtaktivitäten einen Zusam-
menschluss herbeizuführen, aber eine entsprechende
Skepsis über den Bereich EADS hinaus ist gerade bei dem
Bereich der Heeres- und Marinetechnik nach wie vor vor-
handen. Hier müssen wir mit sehr, sehr viel Gefühl he-
rangehen und auch den Rat auffordern, entsprechende
politische Weichenstellungen vorzunehmen.
Wer sich hinter Skepsis verbirgt, hat natürlich einen we-
sentlichen Grund, dies zu tun, weil dann gesagt wird: Lasst
uns doch bitte die ganzen Probleme beseitigen,
bevor ihr zu einer Konsolidierung eines Prozesses kommt,
und beginnt erst einmal auf der politischen Ebene und seht
erst einmal zu, ob es nicht erforderlich ist, eine Harmoni-
sierung der Rechtssysteme herbeizuführen oder beispiels-
weise einen entsprechenden Technologietransfer sicher-
zustellen oder eben entsprechende Ausfuhrgesetzgebungen
zu erreichen. Dies darf nicht der Fall sein. Das eine darf das
andere nicht ausschließen.
Ich kenne in einem weiteren Punkt die sehr, sehr schwie-
rige Diskussion, weil wir in den europäischen Mitglied-
staaten sehr unterschiedliche Strukturen haben, privat-
wirtschaftliche aber auch halbstaatliche oder staatliche
Strukturen. Ich kenne diese Schwierigkeiten gerade in der
deutschen Diskussion zurzeit, wo mit Argusaugen darauf
geachtet wird, dass starke Kräfte eine Privatisierung fa-
vorisieren, aber im gleichen Atemzug ein sehr starkes Ar-
gument gebracht wird: Wir können es nicht ausschließlich

Drucksache 14/6705 – 68 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

der Industrie überlassen, weil wir dann in eine Situation
der Monopolisierung hineingeraten, die letztlich ein ge-
wisses Preisdiktat und damit ein Leiden der Wettbe-
werbsfähigkeit mit sich bringt. Auch hier muss überlegt
werden, wie man weiter vorankommt.
Lassen Siemich einenweiteren Punkt ansprechen. Die an-
gestrebte Harmonisierung des Bedarfs ist die Grundlage
für ein sinnvolles Arbeiten einer europäischen Rüstungs-
agentur. Kann dies in Breite und Tiefe sehr unterschied-
lich ausgelegt werden? Müssen die Bedarfe bei allen mi-
litärischen Systemen harmonisiert werden, was ein höchst
unrealistischer Denkansatz wäre, oder ist es im Hinblick
auf gemeinsame Krisenreaktionseinsätze nicht völlig aus-
reichend, Kommunikations- und Führungsmittel zu har-
monisieren? Bedeutet die Harmonisierung in jedem Fall
die Beschaffung identischer Systeme, oder ist es nicht
sinnvoller, sich ausschließlich auf die Interoperabilität
von ansonsten differierenden Systemen zu beschränken?
Meine Damen und Herren, Sie merken, hier gibt es eine
Fülle von Problemen. Ich betrachte die Beschlussempfeh-
lung von Herrn Kolb als sehr wichtig, aber sie kann nur
eine Momentdarstellung bedeuten. Ich sehe sie in einem
fortlaufenden Kontext, wir müssen sie weiter entwickeln.
Ich glaube mit Sicherheit, dass wir in den nächsten Mona-
ten einen Folgebericht erarbeiten müssen, um hier
tatsächlich als Versammlung mit am Ball zu bleiben.–
Herzlichen Dank.
Dr. Heinrich L. Kolb (F.D.P.) – Sehr gern, Herr Präsident.
Ich möchte mich zunächst beim Kollegen Maaß für die
Punkte, die er in die Diskussion eingeführt hat, bedanken,
aber auch nicht versäumen, ihm für die persönlichen Ge-
spräche, die wir in den letzten Monaten hatten und die im-
mer zielführend waren, persönlich zu danken. Er ist ein aus-
gewiesener Experte in diesem Bereich. Es verwundert mich
im Übrigen nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass der
Kollege Maaß jetzt gerade auch Fragen der Marinetechnik
in die Debatte eingeführt hat, kommt er doch aus Wil-
helmshaven, einem wichtigen Küstenstandort. Er ist von
daher für diese Fragen in besonderer Weise sensibilisiert.
Ja, Herr Kollege Maaß, es ist richtig, dieser Bericht ver-
nachlässigt den Bereich Marinetechnik und setzt einen
Schwerpunkt auf die Bereiche der Flugzeuge, der Flug-
körper und andere Dinge. Ich unterstütze Sie, wenn Sie
sagen, dass die Marinetechnik ein Bereich ist, der im
nächsten Bericht sicherlich aufgegriffen werden muss.
Sie weisen zu Recht, Herr Kollege Maaß – im Bericht
wurde versucht, dies an verschiedenen Stellen zum Aus-
druck zu bringen – auf die verschiedenen Strukturen und
auf die verschiedenen Kulturen hin, die wir in Europa bis-
her konstatieren müssen und die es in einheitliche, neue
Strukturen zusammenzuführen gilt. Dabei ist es natürlich
wichtig, darauf zu achten, dass man die Balance zwischen
dem Schaffen größerer Einheiten zur Ausnutzung der
Economies of Scale, der Produktionsvorteile in größeren
Unternehmen, auf der einen Seite und der Gefahr des Ent-
stehens von faktischen Monopolen auf der anderen Seite
wahrt.
Was die Frage angelangt, ob es genügt, die Kommunikati-
ons- und Führungsmittel zu vereinheitlichen, oder ob Waf-

fensysteme angeglichen werden müssen, so muss ich ein-
räumen, dass dies im vorliegenden Bericht – aber das zeigt
die rasante Entwicklung auch dieser Debatte – noch nicht an-
gesprochen wurde. Aber auch hier würde ich dafür plädieren,
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, fortschrei-
bend beim nächsten Bericht vielleicht einen besonderen
Schwerpunkt auf diese Fragen zu legen. – Vielen Dank.
Dr. Heinrich L. Kolb (F.D.P.) – Herr Präsident, in der Tat
habe ich mit diesem Amendment eine Ergänzung vorge-
legt, um den Bruch in den Empfehlungen ausgehend von
dem Hinweis der guten Arbeit der Western European Ar-
maments Group, über die Aufforderung, sich noch stärker
zu beteiligen, bis hin zu den Einzelmaßnahmen auszuräu-
men. Die neue Ziffer 3 beinhaltet noch einmal einen Ge-
neralappell an die Regierungen der Rüstungsgüter produ-
zierenden Länder, ihre Anstrengungen zu beschleunigen
und die Unterstützung auch noch zu verstärken, bevor
dann im Nachfolgenden die Einzelmaßnahmen aufgeführt
werden. Ich denke, es entspricht dem besseren Verständ-
nis der Empfehlungen. Aber es ist mehr als eine reine re-
daktionelle Änderung. Deshalb empfehle ich diese Er-
gänzung Ihrer Zustimmung.

Empfehlung 679
betr. die Folgen von Fusionen in der

europäischen wehrtechnischen Industrie –
Antwort auf den Jahresbericht des Rates

Die Versammlung,
(i) unter Berücksichtigung der verschiedenen europä-

ischen wehrtechnischen Kooperationsstrukturen,
mit denen die Probleme gelöst werden sollen, die
sich aus der operativen Konvergenz, dem Gesell-
schaftsrecht, Exporten, Rechts- und Steuersyste-
men und der Koordinierung der Forschung und
Entwicklung sowie der Beschaffung ergeben;

(ii) mit Genugtuung über die auf diesem Gebiet von
den Gremien innerhalb der WEU, der EU und der
NATO geleistete Arbeit sowie die Anstrengungen
einer Reihe von Staaten außerhalb dieser Institu-
tionen, zum Beispiel im Rahmen von OCCAR und
der LoI;

(iii) jedoch in der Auffassung, dass die große Zahl sol-
cher Gremien auf das Fortbestehen einer Reihe
grundlegender Probleme verweist, die mit der Har-
monisierung der Politiken der Staaten mit ver-
schiedenen und zum Teil divergierenden Kulturen
und Interessen verbunden sind;

(iv) feststellend, dass die sensibelsten Fragen die ope-
rative Konvergenz, die Synchronisation der Be-
schaffung und die Haushaltsharmonisierung be-
treffen und dass diese Fragen seit beträchtlicher
Zeit geprüft werden, insbesondere innerhalb der
WEAG und von POLARM, ohne dass eine zufrie-
den stellende Lösung erreicht worden wäre;

(v) in der Erwägung, dass die operative Konvergenz
und die Beschaffungspolitik von der Militärkultur
eines Landes, seinen internationalen Interessen-
sphären und seinem Verteidigungshaushalt, in vie-

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 69 – Drucksache 14/6705

len Fällen auch durch rein industrielle Erwägun-
gen bestimmt werden;

(vi) betonend, dass wirkliche operative Konvergenz und
Harmonisierung der Beschaffung zur Realität wer-
den wird, wenn sich alle Staaten auf die Notwen-
digkeit einer gemeinsamen Verteidigungspolitik im
Hinblick auf gemeinsame Ziele verständigen;

(vii) in der Auffassung, dass auch bei einer allmähli-
chen Lösung der oben genannten Fragen Struktur-
probleme in Verbindung mit dem industriellen Er-
trag von Kooperationsprojekten und im Hinblick
auf die Harmonisierung der Ausfuhrgesetzgebung
bestehen bleiben werden;

(viii) in der Erwägung, dass die Aufgabe des Prinzips
des „juste retour“, wie sie von der LoI empfohlen
wird, Hand in Hand mit der zunehmenden Spezia-
lisierung der verschiedenen Unternehmen gehen
sollte, die an einer Fusion beteiligt sind – wie es
innerhalb von Airbus bereits der Fall ist – und das
einzelne Aufgaben nicht aufgeteilt werden sollten;

(ix) in der Erwägung, dass diese Form der Struktur für
die Industrien aller europäischer Staaten eine ent-
scheidende Rolle zugunsten der Präferenz für Eu-
ropa spielen sollte, da jeder Staat ein natürliches
Interesse an der Förderung der transeuropäischen
Gruppe haben wird;

(x) ferner feststellend, dass die WEAO und OCCAR
gegenüber früheren Gremien einen wichtigen
Schritt nach vorne bedeuten, da sie über eine
Rechtspersönlichkeit verfügen, die es ihnen ge-
stattet, Verträge zu vergeben und zu verwalten, die
Beschaffungspolitik der jeweiligen Teilnehmer-
staaten zu harmonisieren und ihre FuE zu koordi-
nieren sowie, im Falle von OCCAR, die
eigene Beschaffungspolitik zu organisieren;

(xi) in der Auffassung, dass auch infolge der LoI einige
Fortschritte erzielt werden konnten, da diese auf
eine Integration der wehrtechnischen Industrien ab-
zielt – wobei ihr Ziel darin besteht, Verfahren
für Fusionen zwischen grenzüberschreitenden Un-
ternehmen zu standardisieren – und somit für eine
Reihe von Regeln eintritt, die den Zugriff auf For-
schungsergebnisse, die Standardisierung des Tech-
nologietransfers, die Harmonisierung von Aus-
fuhrbestimmungen und die Interdependenz euro-
päischer Unternehmen bei der Beschaffung wehr-
technischer Ausrüstungen bestimmen;

(xii) in dem Bewusstsein, dass die Leistungen von
OCCAR und der LoI außer Frage stehen, die Re-
gierungen aber immer noch nicht bereit sind, auf
bestimmte Vorrechte zu verzichten;

(xiii) darüber hinaus in der Erwägung, dass bei Waffen-
exporten, gerade auch in gegenwärtige oder poten-
zielle Konfliktgebiete, größte Vorsicht geboten ist;

(xiv) feststellend, dass Europa im Hinblick auf Fusionen
seiner wehrtechnischen Industrie es mit Unterneh-

men unterschiedlicher Nationalitäten zu tun hatte,
für die verschiedene Regeln galten, deren Verbin-
dungen mit dem Staat je nach Land unterschiedlich
stark ausgeprägt waren und dass die Marktkräfte
deshalb nicht ausreichten, eine Konsolidierung
herbeizuführen, sodass der Staat eingreifen
musste;

(xv) betonend, dass für einen wirklichen Erfolg von Fu-
sionen zwei Grundvoraussetzungen erfüllt sein
müssen: Erstens müssen die Unternehmen die
rechtliche Möglichkeit haben, miteinander zu fu-
sionieren. Zweitens müssen ihre jeweiligen Regie-
rungen die Voraussetzungen schaffen, unter denen
solche Fusionen machbar sind, unter anderem
durch eine Harmonisierung der Standards, eine
Ausfuhrgesetzgebung und die Möglichkeit des
Technologietransfers;

(xvi) mit Genugtuung über die Gründung der EADS, die
durch die Zusammenlegung der Luftfahrtaktivitäten
von Aérospatiale Matra, CASAund Daimler Chrys-
ler Aerospace einen entscheidenden Schritt hin zur
Entwicklung einer Gemeinsamen Europäischen Si-
cherheits- und Verteidigungspolitik darstellt;

(xvii) in Anerkennung der Tatsache, dass die komplexe
Struktur des neuen Unternehmens in der Schwie-
rigkeit begründet liegt, eine transnationale Gruppe
aus Unternehmen zu bilden, denen ihre jeweiligen
Staaten strategische Bedeutung beimessen;

(xviii) in der Erwägung, dass EADS bis zur Einführung
eines uneingeschränkt praktikablen europäischen
Verfahrens zur Harmonisierung der Politiken der
verschiedenen wehrtechnischen Unternehmen der
Gruppe kurzfristig vor einer Reihe von Problemen
in Bezug auf Technologietransfer und Ausfuhrab-
gaben stehen wird, von den tagtäglichen rechtli-
chen Schwierigkeiten einer Fusion zwischen Un-
ternehmen verschiedener Nationalität ganz
abgesehen;

(xix) feststellend, dass zwar im Hinblick auf die Renta-
bilität und die Tätigkeiten des Unternehmens kein
unmittelbarer Anlass zu Besorgnis besteht, man
sich aber dennoch nach der längerfristigen Recht-
fertigung der Fusionen fragen muss, solange die
Verteidigungshaushalte begrenzt bleiben und für
die Probleme der operativen Konvergenz, des
„juste retour“ und der Harmonisierung der Vertei-
digungshaushalte keine befriedigendere Lösung
zur Verfügung steht;

(xx) darüber hinaus in der Auffassung, dass die Schaf-
fung von EADS keine Auswirkungen auf die Er-
haltung von Produktionsstätten und der entspre-
chenden Arbeitsplätze haben sollte;

(xxi) in der Erwägung, dass die Rolle des Staates in Eu-
ropa mehr im Sinne einer Kontrolle der Wirtschaft
als einer Unterstützung der Wirtschaft durch ein
dynamisches Vorgehen wie in den Vereinigten
Staaten gesehen wird, wo der Staat die Höhe der

Drucksache 14/6705 – 70 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

FuE-Investitionen auch dann aufrechterhält, wenn
die Militärhaushalte schrumpfen.

empfiehlt dem Rat,
1. die Tätigkeiten der WEAG und der WEAO stärker

zu unterstützen und ihnen den notwendigen politi-
schen Anschub zu geben;

2. die Teilnahme assoziierter Partnerstaaten zu för-
dern, die an einer wehrtechnischen Zusammenar-
beit innerhalb der WEAG und der WEAO interes-
siert sind;

3. den Waffen produzierenden Ländern nahe zu le-
gen, ihre Bemühungen zur Erleichterung und Un-
terstützung der Gründung transnationaler wehr-
technischer Unternehmen zu beschleunigen;

4. dafür zu sorgen, dass
(a) das Prinzip des „juste retour“ auf die Speziali-

sierung der vorhandenen Kapazitäten in be-
stimmten Staaten und nicht auf die Aufteilung
individueller Aufgaben zugeschnitten wird;

(b) der Europäische Verhaltenskodex geändert
wird, um unterschiedliche Interpretationen
auszuschließen, insbesondere im Hinblick auf
Exporte in Krisengebiete, in denen Menschen-
rechte gefährdet sind oder in vor einem Kon-
flikt stehende Gebiete;

(c) die Bestimmungen der LoI zum einen über die
Möglichkeit der Regierungen, transnationale
wehrtechnische Unternehmen dazu zu zwin-
gen, bestimmte nationale industrielle Kapa-
zitäten aufrechtzuerhalten, selbst wenn wirt-
schaftliche Argumente dagegen sprechen und
zum anderen über das System zur Weiterlei-
tung dem Geheimschutz unterliegender Infor-
mationen zu überarbeiten, um eine Behin-
derung der internen Aktivitäten dieser Unter-
nehmen zu vermeiden;

(d) wenn Staaten ihre wehrtechnischen Unterneh-
men abtreten, die Europäische Union allmäh-
lich die Verantwortung für die Festlegung
gemeinsamer Kriterien und Standards über-
nimmt, insbesondere zur Regelung öffentlicher
wehrtechnischer Beschaffungsaufträge;

(e) die Politik der staatlichen Kontrolle über die
wehrtechnische Industrie durch eine Politik der
Förderung dieser Industrie durch die erforder-
lichen FuE-Investitionen ersetzt wird;

(f) weitere Anstrengungen unternommen werden,
um Fragen zu regeln, die sich auf die operative
Konvergenz, die Synchronisierung der Be-
schaffung, das Gesellschaftsrecht, Rechts- und
Steuersysteme und den Technologietransfer
beziehen;

(g) die Gruppen POLARM und COARM gestärkt
werden, um die Anwendung der LoI-Vereinba-
rung zu fördern;

(h) die Wirtschaft dazu ermutigt wird, auf der
Ebene der Systemunternehmen wie der Zulie-
ferer den Umstrukturierungsprozess fortzuset-
zen, um das mittelfristige Ziel zu erreichen, die
Verteidigungsmärkte in den Vereinigten Staa-
ten und der Europäischen Union zu öffnen,
unter anderem durch die Förderung des multi-
lateralen Freihandels und die Vermeidung bila-
teraler Vorzugsbehandlung;

5. sich an die Gründung der Europäischen Rüstungs-
agentur zu machen und einen breit angelegten
Rahmen für alle WEAG-Mitglieder zu schaffen,
für den eine Reihe allgemeiner Regeln gelten wür-
den sowie einen engerer Rahmen für alle Staaten,
die untereinander eine Vereinbarung über spezifi-
sche Vorschriften zu erreichen gedenken. Die Auf-
gabe dieser Behörde wäre eine gemeinsame euro-
päische Beschaffung auf der Grundlage einer
Bedarfsharmonisierung, von Beschaffungsregeln
und entsprechenden Zeitplänen.

Tagesordnungspunkt
Transatlantische Zusammenarbeit bei der

Flugkörperabwehr
(Drucksache 1717)

Berichterstatter und Vorsitzender des Ausschusses für
Technologie und Raumfahrt:

David Atkinson (Vereinigtes Königreich)
Erich Maaß (Wilhelmshaven) (CDU/CSU) – Herr Präsi-
dent!LiebeKolleginnenundKollegen! Ichmöchteunserem
Kollegen David Atkinson Dank sagen, weil er über Jahre
hinweg dieses Thema mit erheblicher Hartnäckigkeit und
Zähigkeit bearbeitet. Wir wollen ihm auch für die Zukunft
unsere Unterstützung gewähren.Wir wissen, wie schwierig
diese Thematik imAugenblick auch innerhalb der jeweili-
gen Regierungen diskutiert wird. Ich teile voll und ganz
seineAuffassung, dass keine europäische Lösung herbeige-
führt werden kann, wenn sich damit nicht der Rat befasst.
Lassen Sie mich bitte auf einige wenige Punkte eingehen.
Die Europäer stehen bei dieser Frage, wenn ich es einmal
salopp formulieren darf, in mehrfacher Hinsicht im Spa-
gat. Um dieses Problem zu lösen, müssen wir es in den
nächsten Monaten und Jahren beherzt in Angriff nehmen.
Europa sollte die transatlantische Kooperation sicherstel-
len. Dies ist nur durch einen Eigenbeitrag möglich, den
wir im Rahmen des NATO-Systems zu leisten haben. Das
ist meine persönliche Auffassung. Mit anderen Worten:
Die Amerikaner müssen nach wie vor das Interesse an
einer strategischen Partnerschaft mit Europa behalten.
Das wird allerdings erhebliche Schwierigkeiten mit sich
bringen. Ich denke hierbei nur an sinkende Ausgaben für
Verteidigung in den nationalen Haushalten. Es wird
schwierig werden, in dieser Frage nationale Umstruktu-
rierungsprozesse durchzuführen.
Wir müssen uns davor hüten, falsche Signale auszusen-
den, zum Beispiel dass Europa oder einzelne Regierungen

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 71 – Drucksache 14/6705

in Europa vieles eigenständig oder sogar allein machen
können. Dies wäre ein fatales Signal und käme einer gren-
zenlosen Selbstüberschätzung gleich. Dies würden mei-
ner Meinung nach im amerikanischen Senat einige als ein
wesentliches Argument dafür sehen, sich entsprechend
zurückzuhalten.
Deshalb habe ich den etwas saloppen Begriff „Spagat“ ge-
wählt. Wir müssen natürlich – es ist sehr wichtig, dass wir
als WEU diesen Ball aufgreifen – die Botschaft, die vom
russischen Präsidenten Putin ausgesandt worden ist, auf-
nehmen und sagen: Wir wollen dieses Angebot von Russ-
land genau prüfen und analysieren. Vielleicht gelingt es
uns dabei, eine gewisse Scharnierfunktion zu überneh-
men, ohne überheblich zu sein oder uns selbst zu über-
schätzen.
Sie sehen, wie schwierig es ist, Kooperation zu stärken
und zu fördern, und gleichzeitig neue Wege zu gehen, um
ein Höchstmaß an Sicherheit für Europa zu erreichen,
ohne den einen oder anderen zu irritieren oder gar zu
brüskieren.
Der Mensch tendiert zur Verdrängung von Problemen und
Risiken, wenn diese erst auf lange Sicht akut zu werden
scheinen. Dies mag angesichts vieler wichtiger Fragen auf
der tagespolitischen Agenda in Verbindung mit der Hoff-
nung, dass schon alles nicht so schlimm sein werde, ver-
ständlich sein. Politisch klug ist das aber nicht. Zu den
Themen, die in unbekümmerter Gelassenheit weitestge-
hend unbeachtet bleiben, zählt die Proliferation ballisti-
scher Flugkörper, die sich auch für die Verbringung von
Massenvernichtungswaffen eignen.
Deshalb appelliere ich in diesem Augenblick von dieser
Stelle sehr eindringlich an Sie, dass wir uns als WEU mit
David Atkinson weiterhin mit diesem Thema beschäfti-
gen, weil wir wissen, dass es für unser aller Existenz
wichtig ist. Vielen Dank.

Empfehlung 680
betr. die transatlantische Zusammenarbeit bei

der Flugkörperabwehr
Die Versammlung,
(i) sich dessen bewusst, dass die Verbreitung von bal-

listischen Flugkörpern und Massenvernichtungs-
waffen eine wachsende Bedrohung für die interna-
tionale Sicherheit darstellt;

(ii) mit Genugtuung über die Anstrengungen zur
Bekämpfung der Verbreitung von Flugkörpern, ins-
besondere im Rahmen des Trägertechnologie-Kon-
trollregimes und der Vereinbarung von Wassenaar;

(iii) dennoch die Auffassung vertretend, dass diese An-
strengungen noch immer nicht ausreichen, um der
Verbreitung und den mit ihr verbundenen Gefah-
ren für die internationale Sicherheit wirksam Ein-
halt zu gebieten;

(iv) in diesem Zusammenhang auf die jüngsten ge-
meinsamen Erklärungen von Präsident Putin und
Präsident Clinton hinweisend, in denen beide ihre
Entschlossenheit bekräftigten, die internationalen

Rechtsinstrumente für die Rüstungskontrolle und
insbesondere das Trägertechnologie-Kontrollre-
gime (MTCR) zu stärken, einen Verhaltenskodex
in Bezug auf Flugkörper zu erstellen und ein glo-
bales Kontrollsystem für die Nichtverbreitung von
Flugkörpern und damit verbundenen Technolo-
gien zu schaffen;

(v) in der Auffassung, dass der ABM-Vertrag von
1972 zwischen den Vereinigten Staaten und Russ-
land der Eckstein für den Rüstungskontrollprozess
ist, insbesondere, was Massenvernichtungswaffen
betrifft;

(vi) in Anbetracht dessen, dass das Nationale Raketen-
abwehrsystem (NMD) mit der Gefahr eines Ver-
stoßes gegen den ABM-Vertrag verbunden sein
könnte;

(vii) angesichts der Vorteile, die eine transatlantische
Zusammenarbeit auf allen Ebenen auf der Grund-
lage einer gleichen Partnerschaft für alle kooperie-
renden Parteien auf dem Gebiet der Flugkörperab-
wehr bieten könnte;

(viii) in Anbetracht des Fehlens institutionalisierter Dis-
kussionen innerhalb der NATO über das Nationale
Raketenabwehrsystem;

(ix) im Hinblick auf die kollektiven Diskussionen in-
nerhalb der NATO über die Gefechtsfeldflug-
körperabwehr sowie in Anbetracht der Zusam-
menarbeit zwischen den Vereinigten Staaten,
Deutschland und Italien im Rahmen des MEADS-
Programms (Mittelstrecken-Luftverteidigungs-
system);

(x) in Anbetracht des Interesses, das Russland an einer
Teilnahme an einem europäischen Flugkörperab-
wehrsystem geäußert hat, und angesichts der Poli-
tik der WEU, eine bessere Zusammenarbeit mit
Russland zu fördern;

(xi) sich der schwerwiegenden Folgen bewusst, die der
einseitige Rückzug der Vereinigten Staaten aus
dem ABM-Vertrag für die internationale Stabilität
und insbesondere für die Beziehungen zwischen
den Vereinigten Staaten und Russland haben
könnte;

(xii) die Ansicht vertretend, dass Europa dringend eine
gemeinsame Haltung im Hinblick auf die Flugkör-
perabwehr annehmen muss, bevor eine Verständi-
gung mit den Vereinigten Staaten im Rahmen des
Bündnisses herbeigeführt wird;

(xiii) die Auffassung vertretend, dass Präsident Clintons
Beschluss, die Entscheidung über die Stationie-
rung von NMD seinem Nachfolger zu überlassen,
Europa die Möglichkeit gibt, diese Angelegenheit
sorgfältig zu überdenken;

(xiv) in diesem Zusammenhang auf die Empfehlung
103 der Versammlung vom Juni 2000 verweisend,
in der die Regierungen der WEU-Mitgliedstaaten,
die dem Atlantischen Bündnis angehören,
aufgefordert werden, eine gemeinsame Stellun-

Drucksache 14/6705 – 72 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

gnahme vorzulegen, die von allen der WEU an-
gehörenden Staaten (28) und der Europäischen
Union ausge-arbeitet werden soll;

(xv) mit Bedauern über die negative Antwort des WEU-
Rates auf diese Entschließung, der, obgleich er die
Bedeutung dieser Frage anerkannte, feststellte,
dass sie bei keiner seiner künftigen Sitzungen auf
der Tagesordnung stehe;

(xvi) in diesem Zusammenhang darauf hinweisend, dass
alle Fragen der Flugkörperabwehr in den Gel-
tungsbereich von Artikel V des geänderten Brüs-
seler Vertrages fallen;

(xvii) in der Auffassung, dass für die Entwicklung und
Stationierung eines Raketenabwehrsystems meh-
rere Jahre erforderlich sein werden;

empfiehlt dem Rat,
1. seine Besorgnis über die Gefahr eines neues Rüs-

tungswettrennens zum Ausdruck zu bringen, das
durch ein einseitiges Programm von derartigem
Ausmaß und solch weit reichenden Auswirkungen
wie NMD hervorgerufen würde;

2. die Sonderarbeitsgruppe zu beauftragen, den
Überlegungsprozess über die Flugkörperabwehr
unverzüglich wieder aufzunehmen und hierzu
– eine ausführliche Studie über die Gefahren an-

zustellen, die die Verbreitung von Kernwaffen
für die europäische Sicherheit darstellt;

– eine Studie über das amerikanische Nationale
Raketenabwehrprogramm (NMD) durchzu-
führen;

– Sitzungen zu diesem Thema mit der Organisa-
tion für die Abwehr ballistischer Flugkörper
abzuhalten;

– mit Russland über sein Interesse zu diskutieren,
an einer europäischen Flugkörperabwehr betei-
ligt zu werden, und insbesondere Präsident Pu-
tins Angebot genauer zu klären, gemeinsam mit
der NATO ein Raketenabwehrsystem zur Ver-
teidigung Europas zu entwickeln;

– über das Konzept eines globalen Raketenab-
wehrsystems auf der Grundlage des aktuellen
Stands der amerikanischen und der russischen
Forschung nachzudenken;

– eine gemeinsame Haltung zu bestimmen, die
von allen 28 WEU-Nationen und allen EU-
Mitgliedstaaten gebilligt werden muss;

– Wege und Mittel zur Stärkung der Instrumente
zur Bekämpfung der Verbreitung von Atom-
waffen zu prüfen;

– ein europäisches FuE-Programm einzurichten,
um die Fähigkeiten der europäischen Technik
und Industrie auf diesem Gebiet zu demon-
strieren;

3. obgleich in Anerkennung ihres Rechts, derartige
Verteidigungsmaßnahmen im Hinblick auf kon-
ventionelle Waffen in dem Maße zu ergreifen, wie
sie es für erforderlich halten, die Vereinigten Staa-
ten aufzufordern, ihre Verpflichtung gegenüber
den NATO-Bündnispartnern anzuerkennen, um-
fassende Beratungen mit ihnen über die Entschei-
dung zu führen, mit einem NMD-Programm fort-
zufahren und sie aufzufordern, die Last eines
solchen Programms gemeinsam zu tragen;

4. die Versammlung über die Fortschritte bei den Stu-
dien zur Entwicklung eines europäischen welt-
raumgestützten Beobachtungssystems auf dem
Laufenden zu halten;

5. die Versammlung darüber zu informieren, ob im
Einklang mit Absatz 38 der Erklärung von Nord-
wijk die Möglichkeiten für ein unabhängiges
Frühwarnpotenzial untersucht wurden und sie,
falls dies geschehen ist, über die Schlussfolgerun-
gen in Kenntnis zu setzen.

Tagesordnungspunkt
Die Lücke in der Wehrforschung und
Wehrtechnik zwischen Europa und

den Vereinigten Staaten
(Drucksache 1718)

Berichterstatter des Ausschusses für Technologie und
Raumfahrt:

Abg. Francisco Arnau Navarro (Spanien)
Erich Maaß (Wilhelmshaven) (CDU/CSU) – Herr Prä-
sident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte dem
Kollegen Navarro recht herzlich danken, dass er hier dazu
aufruft, dass wir eine Zukunftsstrategie entwickeln. Die-
ses Thema zeigt, wie unheimlich komplex die Fragestel-
lungen sind und wie schwierig es ist, hier entsprechende
Antworten zu bekommen. Dennoch kann man infolge der
Kürze der Zeit nicht auf alle Dinge eingehen.
Lassen Sie mich bitte ausschließlich auf Punkt 9 der Emp-
fehlung an den Rat eingehen. Punkt 9 lautet, die Errich-
tung eines gemeinsamen europäischen Fonds für wehr-
technische Forschung in einem geeigneten Rahmen zu
beschließen. Ich möchte einige Aspekte dazu erwähnen.
Ich habe mich zu Beginn der 80er-Jahre im deutschen Par-
lament mit der Thematik beschäftigt: Wieso ist es schon
damals zu einem solch enormen technologischen Vor-
sprung der USA vor Europa und der Bundesrepublik
Deutschland gekommen? Damals mussten wir feststellen,
dass kein Mensch quantifizieren konnte, was zivile For-
schung ist, was militärische Forschung ist, was in öffent-
lichen Haushalten abläuft und was in Schattenhaushalten
abläuft. In dieser Zeit vor nunmehr fast 20 Jahren habe ich
gelernt, dass die Amerikaner in der Lage waren, ein na-
tionales Ziel zu definieren. Dieses nationale Ziel bedeu-
tete: Wir wollen als Erste auf den Mond kommen. Bei der
Erreichung dieses Zieles hat es eine derartige Mobilisie-
rung des amerikanischen Volkes und der Industrie der
USA gegeben, dass sie gerade im Bereich der Informati-

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 73 – Drucksache 14/6705

ons- und Kommunikationstechniken einen unerhörten
Vorsprung gewonnen haben, der es uns Europäern in den
darauf folgenden Jahren irrsinnig schwer gemacht hat,
überhaupt wieder den Anschluss zu finden.
Ein weiterer Punkt: Es geht um die Handhabung in unse-
ren nationalen Parlamenten. Ich stimme Herrn Navarro
hier ausdrücklich zu. Wir haben – ich kann dies nur für die
Bundesrepublik Deutschland sagen – nie den Vergleich
gescheut, was in den zivilen Forschungsbereichen ausge-
geben wird. Der militärische Forschungsbereich aber war
immer eine Tabuzone. Erst in den letzten zehn Jahren hat
man langsam erkannt, dass beide Bereiche zusammen ge-
sehen werden müssen.
Wenn wir uns über die Lücke noch nicht voll im Klaren
sind und ihren Umfang noch nicht quantifizieren können,
dann fällt es uns extrem schwer, zu sagen, wie wir diese
Lücke auch nur annähernd oder insgesamt schließen kön-
nen. Dann stellt sich automatisch die Frage, in welchem
Zeitraum das erreicht werden soll. Jetzt kommt die Gret-
chenfrage: Wie können wir so etwas überhaupt bezahlen?
An dieser Stelle fordern wir den Rat dringend auf, weiter-
zuarbeiten. Wir müssen zu einer Quantifizierung kom-
men, wir müssen zu einer europäischen Vereinheitlichung
kommen. Danach müssen wir die Kernfrage beantworten:
Was sind wir für die Schließung dieser Lücke zu zahlen
bereit? Hierüber muss ein Konsens herbeigeführt werden.
Dies ist nur ein Miniaspekt, aber es ist ein strategisch sehr
wichtiger Aspekt, der uns auf diesem Gebiet ein wenig
weiterhelfen kann. – Vielen Dank.

Empfehlung 681
betr. die Lücke in der Wehrforschung und
Wehrtechnik zwischen Europa und den

Vereinigten Staaten
Die Versammlung,
(i) in Anerkennung der grundlegenden Bedeutung der

auf gemeinsamen Werten beruhenden transatlanti-
schen Partnerschaft für die europäische Sicherheit
und betonend, dass die Interoperabilität der euro-
päischen Mittel mit denen der Vereinigten Staaten
für gemeinsame Operationen der Alliierten zwin-
gend erforderlich ist;

(ii) unter Berücksichtigung der Ungewissheit über die
amerikanische Politik in Bezug auf ein Engage-
ment auf ausländischen Gefechtsfeldern;

(iii) mit Genugtuung über die politische Entschlossen-
heit der Europäischen Union, sich eine Fähigkeit
zu eigenständigem Handeln mit Unterstützung
durch glaubwürdige Streitkräfte zuzulegen, um
auf internationale Krisen zu reagieren, in die die
NATO als ganze nicht involviert ist;

(iv) in dem Bewusstsein, dass eigenständige europä-
ische Krisenbewältigungsoperationen nur mach-
bar sind, wenn es den Europäern gelingt, die tech-
nologische Lücke zwischen Europa und den
Vereinigten Staaten zu verkleinern;

(v) in der Auffassung, dass diese Lücke von den euro-
päischen Staaten jetzt mit aller Dringlichkeit eine

engere Koordinierung ihrer wehrtechnischen For-
schungsprioritäten verlangt;

(vi) feststellend,dassdie technologischeLückezwischen
EuropaunddenVereinigtenStaatendieEntwicklung
und Produktion von Militärgerät weitaus mehr be-
einflusst als die technologischen Fähigkeiten;

(vii) in Anbetracht des Zusammenhangs zwischen tech-
nologischer Innovation und allgemeinem Wirt-
schaftswachstum;

(viii) unter Betonung der entscheidenden Bedeutung,
die die Schaffung einer starken und wettbewerbs-
fähigen wehrtechnischen Industrie für Europa be-
sitzt, bei der es sich um eine logische Folge der
Entwicklung der Gemeinsamen Europäischen Si-
cherheits- und Verteidigungspolitik (GESVP) han-
delt;

(ix) daran erinnernd, dass die von den WEU-Staaten
anlässlich des Gipfels von Maastricht am 10. De-
zember 1991 verabschiedete Erklärung bereits auf
eine „verstärkte Rüstungskooperation mit dem
Ziel der Schaffung einer Europäischen Rüstungs-
agentur“ Bezug nahm;

(x) in dem Bewusstsein, dass es Europa trotz seiner
diesbezüglichen Bemühungen noch nicht gelun-
gen ist, sich die für eine gemeinsame Rüstungspo-
litik erforderlichen Instrumente anzueignen;

(xi) außerdem daran erinnernd, dass die WEAO als
Vorläufer einer künftigen Europäischen Rüstungs-
agentur geschaffen wurde und dass es in der Charta
der WEAO ausdrücklich heißt, dass diese Be-
hörde, wenn die WEAG-Minister entscheiden,
dass die Voraussetzungen für den Übergang zu ei-
ner vollen Europäischen Rüstungsagentur erfüllt
sind, zu dem Exekutivorgan der WEAO werden
und die Forschungszelle in sich aufnehmen wird;

(xii) feststellend, dass es unbeschadet der unterschied-
lichen Strategien und Interessen der europäischen
Staaten und ihres ungleichen technologischen Ent-
wicklungsstandes darauf ankommt, dass alle daran
einen angemessenen Anteil haben und angesichts
der Notwendigkeit, mit den Vereinigten Staaten zu
kooperieren, ihre Differenzen beilegen;

(xiii) in der Auffassung, dass die wehrtechnische For-
schung für die Entwicklung des künftigen techno-
logischen Sachverstands von wesentlicher Bedeu-
tung ist, damit Europa wirksam daran arbeiten
kann, die Friedenserhaltung in seiner unmittelba-
ren Umgebung zu fördern und seine Sicherheit ge-
genüber allen eventuellen Bedrohungen zu ge-
währleisten;

(xiv) in Anbetracht dessen, dass europaweite Technolo-
gieanstrengungen auf einer gemeinsamen Wahr-
nehmung neuer Gefährdungen und operativen mi-
litärischen Erfordernissen beruhen müssen;

(xv) unter Betonung der beträchtlichen Unterschiede
bei den Haushaltsmitteln, die zwischen den ameri-
kanischen wehrtechnischen Forschungsaktivitäten

Drucksache 14/6705 – 74 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

und denen in Europa bestehen und der unzulängli-
chen Synergieeffekte zwischen den europäischen
Staaten, deren Haushalte zersplittert sind;

(xvi) feststellend, dass es jetzt angesichts der jüngsten
Bemühungen um eine Umstrukturierung der euro-
päischen wehrtechnischen Industrie unverzichtbar
ist, in Europa die institutionellen Voraussetzungen
zu schaffen, die es allen europäischen Unterneh-
men erlauben, unter den gleichen Bedingungen
wie ihre wichtigsten Mitbewerber, insbesondere
den in den Vereinigten Staaten, zu arbeiten;

(xvii) unter Betonung der entscheidenden Rolle, die die
Europäische Union übernehmen muss, um die Ge-
setzes- und Steuerreformen herbeizuführen, die
für die Schaffung eines einheitlichen europäischen
Marktes für wehrtechnische Ausrüstungen erfor-
derlich sind;

(xviii) feststellend, dass die Europäer zwar nicht die glei-
chen Möglichkeiten oder Fähigkeiten auf dem
Konstruktions- und Entwicklungssektor haben,
wie es sie in den Vereinigten Staaten auf dem Welt-
raumsektor gibt, die Anstrengungen einiger euro-
päischer Staaten während drei Jahrzehnten es die-
sen aber dennoch ermöglicht haben, die fort-
geschrittensten Weltraumtechnologien für zivile
und militärische Anwendungen zu meistern;

(xix) in Anbetracht der Bedeutung der Informations-
technologie für die Deckung des militärischen Be-
darfs, der Möglichkeiten, die sie für zivil-militäri-
sche Synergieeffekte bietet und der von Europäern
wie Amerikanern dafür unternommenen Anstren-
gungen,

empfiehlt dem Rat,
1. in seinem Jahresbericht an die Versammlung der

Tätigkeit der Westeuropäischen Rüstungsgruppe
(WEAG) und der Forschungszelle der Westeu-
ropäischen Rüstungsorganisation (WEAO)
größere Beachtung zu schenken;

2. einen Bericht über zukünftige Gefährdungen, de-
nen sich Europa gegenübersehen dürfte und ein
Diskussionspapier über eine gemeinsame opera-
tive Doktrin auszuarbeiten;

3. sicherzustellen, dass die europäischen Staaten den
langfristigen operativen Bedarf der europäischen
Streitkräfte ständig überprüfen, um die Konver-
genz ihrer Rüstungspolitik zu gewährleisten und
dabei insbesondere den Rahmen von Eurolong-
term nutzen, dessen Strukturen weiter gestärkt
werden sollten;

4. zu versuchen, für Europa eine gemeinsame Vision
der Zukunftsorientierung in der wehrtechnischen
Forschung zu definieren;

5. hierzu gemeinsame Technologieziele festzulegen,
indem er die 1998 unter den Auspizien der WEAG
durchgeführte SCITEC-Studie zur Wissenschafts-

und Technologiestrategie aktualisiert und klar die
Technologiefelder umreißt, auf denen Europa hin-
ter den Vereinigten Staaten zurückliegt;

6. die Strukturen der WEAG und der WEAO zu fes-
tigen und ihre Aktivitäten voranzutreiben;

7. die Rolle der künftigen Europäischen Rüstungs-
agentur genau anzugeben und die derzeitigen
Überlegungen in dieser Hinsicht vorzutragen, um
die Agentur zu dem Exekutivorgan der WEAO
werden und die Forschungsstelle in sich aufneh-
men zu lassen;

8. die wehrtechnischen Forschungshaushalte der eu-
ropäischen Staaten zu erhöhen und ihre Nutzung
effektiver zu koordinieren;

9. die Errichtung eines gemeinsamen europäischen
Fonds für wehrtechnische Forschung in einem ge-
eigneten Rahmen zu beschließen;

10. ebenfalls in dem geeigneten Rahmen eine Diskus-
sion unter den betroffenen Ministern einzuleiten,
um Dual-Technology-Forschungsprogramme auf-
zulegen, bei denen den als strategisch eingestuften
Bereichen der Vorrang zu geben ist;

11. die erfolgreichen Erfahrungen an dem deutsch-
französischen Saint Louis-Forschungsinstitut als
Modell für eine befriedigende Organisation der
wehrtechnischen Forschung in den verschiedenen
europäischen Staaten zu nutzen;

12. ein Gremium einzusetzen, dass dafür zu sorgen
hat, dass der militärische Sektor die schnellen
Fortschritte des zivilen Sektors auf dem Gebiet der
Informationstechnologie voll und ganz nutzt und
eine strategische Überprüfung der entscheidenden
Technologiefelder vornimmt;

13. systematischer auf die gemeinsame Entwicklung
technologischer Demonstrationsvorhaben zurück-
zugreifen;

14. zu gewährleisten, dass alle europäischen Staaten
angemessenen an multilateralen europäischen Ein-
richtungen für die Rüstungskooperation beteiligt
sind, was insbesondere für die assoziierten Partner
der WEU innerhalb der WEAG und der WEAO
gilt und dass die „kleineren Staaten“ gleichberech-
tigt an der Entwicklung und Produktion von wehr-
technischem Gerät teilhaben und die industrielle
Umstrukturierung in Europa gefördert wird;

15. den Dialog mit den amerikanischen Stellen aktiv
fortzusetzen, um zwischen dem wehrtechnischen
Forschungsinstituten in den Vereinigten Staaten
und denen in den Ländern der Europäischen
Union, die als „Centres of Excellence“ zusam-
menarbeiten, eine umfassende, ständige und aus-
gewogene transatlantische Beziehung zu schmie-
den, die über einen bloßen Informationsaustausch
hinausreicht und zu gemeinsamen Projekten führt;

16. die Vereinigten Staaten zu bitten, sich eindeutig für
eine faire Zusammenarbeit auf beiden Seiten des

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 75 – Drucksache 14/6705

Atlantiks auszusprechen und praktische Schritte
zu ergreifen, um im Wege stehende politische,
rechtliche und administrative Hindernisse zu be-
seitigen;

17. die Mitgliedstaaten der EU nachdrücklich aufzu-
fordern, die Schlussfolgerungen des WEU-Audits
der Potenziale und Fähigkeiten für europäische
Krisenbewältigungsoperationen zu aktualisieren
und – im Rahmen der GESVP – eine detaillierte
Bewertung der Voraussetzungen vorzunehmen,
die die Europäer bei den Fähigkeiten noch erfüllen
müssen, wenn sie gegebenenfalls eigenständig
tätig werden und im Falle einer gemeinsamen
Operation eine optimale Interoperabilität mit den
Amerikanern erreichen sollen;

18. die Staaten der WEU dazu aufzufordern, im
Rahmen einer Kooperation Beobachtungs-, Über-
wachungs- und Kommunikationssysteme zu ent-
wickeln, die bei von europäischen Staaten durch-
geführten Militäroperationen gemeinsam genutzt
werden könnten;

19. die EU-Mitgliedstaaten dringend aufzufordern,
auf die Schaffung des Rechtsstatus eines euro-
päischen Unternehmens hinzuarbeiten und die
Harmonisierung der Ausfuhrbestimmungen und
Ausfuhrgarantien, Beschaffungsvorschriften und
rechtlichen Standards für wehrtechnisches Gerät
fortzusetzen, um auf diesem Sektor einen europä-
ischen Binnenmarkt zu schaffen.

Donnerstag, den 7. Dezember 2000
Tagesordnungspunkt

Institutionen im Bereich der Sicherheits- und
Verteidigungsforschung –

Teil II: die Haltung in den assoziierten Partner-
staaten

(Drucksache 1723)
Berichterstatter des Ausschusses für die Beziehungen zu

den Parlamenten und zur Öffentlichkeit,
Frau Danièle Pourtaud (Frankreich)

Koberichterstatter:
Herr Ivan Todorov (Bulgarien, assoziierter Partner)

Empfehlung 682
betr. Institutionen im Bereich der Sicherheits-

und Verteidigungsforschung –
Teil II: die Haltung in den assoziierten

Partnerstaaten
Die Versammlung,
(i) unter Hinweis auf ihre Empfehlung 671 vom

6. Juni 2000, in der sie den Rat aufruft, „mit der

Unterstützung des WEU-Instituts für Sicherheits-
studien die Schaffung effizienterer Kanäle der
Kommunikation zu den Institutionen in den asso-
ziierten Mitgliedstaaten, die sich auf internationale
Politik spezialisiert haben, zu unterstützen mit
dem Ziel einer größeren Verbreitung der Informa-
tionen über die Vorstellungen der WEU hinsicht-
lich der Zukunft der europäischen Sicherheit und
Verteidigung in Europa in der breiten Öffentlich-
keit“;

(ii) die Auffassung vertretend, dass die Antwort des
Rates auf diese Empfehlung die Entschlossenheit
des WEU-Instituts für Sicherheitsstudien zur Ein-
beziehung der Institutionen der 28 WEU-Nationen
bestätigt, dass jedoch einige dieser Institutionen
weiterhin isoliert sind und ihr Ansatz etwas über-
holt ist;

(iii) in Anbetracht dessen, dass die Beschlüsse von
Marseille zur Übertragung des WEU-Instituts für
Sicherheitsstudien auf die Europäische Union eine
neue Situation schaffen, in der die Versammlung
wünscht, dass das Institut weiterhin Informationen
zu Sicherheits- und Verteidigungsfragen im Hin-
blick auf das erweiterte Europa verbreitet;

(iv) erneut das wachsende Interesse der Öffentlichkeit
an europäischen Sicherheits- und Verteidigungs-
fragen feststellend;

(v) überzeugt von der Notwendigkeit, eine gemein-
same europäische Sicherheitskultur zu schaffen
und Bildungsprogramme für die breite Öffentlich-
keit sowie für die politischen Behörden derjenigen
Länder einzurichten, die nach Beendigung ihres
politischen, wirtschaftlichen und sozialen Wand-
lungsprozesses den europäischen Institutionen
beitreten werden;

empfiehlt dem Rat,
in den Staaten der WEU eine Politik zur Förderung und
Unterstützung von Institutionen im Bereich der Sicher-
heits- und Verteidigungsforschung zu entwickeln, durch
die diese Zugang zu Studien- und Bildungsprogrammen
für die breite Öffentlichkeit und für politische Behörden
erhalten, und gleichzeitig sicherzustellen, dass

a) die Programme gemeinsam mit ähnlichen In-
stitutionen in den assoziierten Mitgliedstaaten
und in den assoziierten Partnerstaaten der
WEU durchgeführt werden;

b) die Studien die im Laufe von humanitären
Operationen (Petersberg-Operationen) erwor-
benen Erfahrungen analysieren;

c) sich die Forschung auch auf die neuen Bedro-
hungen für die kollektive Sicherheit, wie
insbesondere Terrorismus, rassistische Intole-
ranz, internationales Verbrechen und Korrup-
tion sowie auf Hindernisse konzentriert, die
dem Erwerb grundlegender Ressourcen wie

Drucksache 14/6705 – 76 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Wasser- oder Stromversorgung im Wege ste-
hen, mit dem Ziel, als Teil einer umfassenden
Studie ein neues gemeinsames Sicherheits-
konzept für die 28 Staaten der WEU zu ent-
wickeln.

Tagesordnungspunkt
Subregionale Organisationen in Europa und

ihre parlamentarische Dimension –
Teil I: Mittel- und Südeuropa

(Drucksache 1724)
Berichterstatter des Ausschusses für die Beziehungen zu

den Parlamenten und zur Öffentlichkeit,
Frau Agudo Cadarso (Spanien)

Koberichterstatterin Frau Oya Akgönenç (Türkei, asso-
ziiertes Mitglied)
Entschließung 104

betr. Subregionale Organisationen in Europa
und ihre parlamentarische Dimension –

Teil I: Mittel- und Südeuropa
Die Versammlung,
(i) die bedeutende gegenwärtige Ausweitung der sub-

regionalen Zusammenarbeit zwischen Ländern
mit gemeinsamen Interessen oder einer gemeinsa-
men Geschichte oder Geographie unterstreichend;

(ii) in Anbetracht dessen, dass in Mittel- und Südeu-
ropa, in den Teilen der Region, die an das Mittel-
meer und das Schwarze Meer angrenzen, und auf
dem Balkan, wo eine Reihe von Konflikten zwi-
schen mehreren Ländern entflammt sind, der Frie-
den weiterhin instabil und die wirtschaftliche Ent-
wicklung sehr ungleich ist;

(iii) auf die Tatsache hinweisend, dass Formen der sub-
regionalen Zusammenarbeit einen Rahmen für den
Dialog bilden, durch den die Gefahr neuer, in Eu-
ropa entstehender Konflikte reduziert werden
kann, und dass sie einen wichtigen Beitrag für die
Stabilität Mittel- und Südeuropas leisten;

(iv) mit Befriedigung das Ergebnis der Konferenz von
Barcelona im Jahre 1995 – die von erheblicher Be-
deutung war als Beitrag zur Lösung der Probleme
der an das Mittelmeer angrenzenden Länder –, die
Einrichtung eines parlamentarischen Forums für
das Mittelmeer, die bedeutenden Entwicklungen
bei der Schwarzmeer-Wirtschaftskooperation und
innerhalb ihrer Versammlung, sowie die Fort-
schritte der Demokratie in Jugoslawien und auf
dem Balkan begrüßend;

(v) im Bewusstsein der Schwierigkeiten, auf die diese
Organisationen bei der Suche nach schnellen,
praktischen Lösungen stoßen;

(vi) überzeugt von der Bedeutung der Rolle der parla-
mentarischen Diplomatie bei der Schaffung eines

Bewusstseins unter den nationalen Parlamenten
über den Nutzen des interparlamentarischen Dia-
logs für die Lösung gemeinsamer Probleme;

fordert die nationalen Parlamente der Mitgliedstaaten
auf,
1. die interparlamentarische Zusammenarbeit zu An-

gelegenheiten von gemeinsamem Interesse und
vordringlich in den krisenanfälligeren Regionen
Mittel- und Südeuropas zu vertiefen;

2. die bestehenden Organisationen und Versammlun-
gen zu ermutigen, eine aktive Rolle zu spielen;

3. alle betroffenen Regierungen zu ersuchen, ge-
genseitige Informationsaktionen und Kooperati-
onsbemühungen einzuleiten, um effektiver auf
eine wirtschaftliche Entwicklung und auf die
Konsolidierung des Friedens und der nationalen
Sicherheit in den betreffenden Regionen hinzuar-
beiten;

4. die nationalen Parlamente dazu anzuregen, eine
Kampagne für eine breitere Information und Bil-
dung der Öffentlichkeit über Fragen der subregio-
nalen Zusammenarbeit einzuleiten;

5. die Schaffung parlamentarischer Kooperations-
netze zu unterstützen, die die nationalen parla-
mentarischen, subregionalen und internationalen
Versammlungen einschließen sollen;

6. die Vertreter der nationalen Versammlungen zu er-
mutigen, an den Sitzungen subregionaler Organi-
sationen teilzunehmen;

7. an Sitzungen teilzunehmen, die auf die Förderung
von Austauschen zwischen Parlamentariern aus
den Ländern Europas ausgerichtet sind, die an ge-
meinsamen Projekten beteiligt sind;

8. die erforderlichen Ressourcen für einen regel-
mäßigen, effektiven Austausch zwischen den na-
tionalen und subregionalen parlamentarischen
Versammlungen bereitzustellen;

9. Austausche zwischen parlamentarischen Aus-
schüssen und Kontakte zwischen Parlamentariern
zu gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kultu-
rellen Angelegenheiten und Fragen im Hinblick
auf Einwanderung, Sicherheit, Frauen, Gesund-
heit, Beschäftigung, Umwelt, Menschenrechte
usw. zu fördern;

10. Austausche zwischen ihren Ausschüssen für
Auswärtige Angelegenheiten, Verteidigung, Zu-
sammenarbeit und Wirtschaft sowie zwischen
Letzteren und ihren Gegenstücken bei den interna-
tionalen Versammlungen, insbesondere der Ver-
sammlung der WEU, zu fördern, um zur Lösung
von Problemen im Zusammenhang mit Sicherheit,
Friedenserhaltung, Verteidigung und wirtschaftli-
cher Entwicklung beizutragen.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 77 – Drucksache 14/6705

Ansprache des Hon. Art Eggleton,
Verteidigungsminister von Kanada

Tagesordnungspunkt
Internationale Polizeimaßnahmen in

Südosteuropa
(Drucksache 1721)

Berichterstatter des Politischen Ausschusses:
Lord Ponsonby (Vereinigtes Königreich)

Empfehlung 683
betr. Internationale Polizeimaßnahmen in

Südosteuropa
Die Versammlung,
(i) in Anerkennung der entscheidenden Bedeutung

der Balkan-Halbinsel für die Stabilität und Sicher-
heit in ganz Europa;

(ii) im Bewusstsein des erwiesenen Wertes der
MAPEXT-Mission in Albanien;

(iii) mit Genugtuung über den jüngsten Erfolg bei den
Präsidentschaftswahlen in Jugoslawien, die das
gesamte politische Klima in der Region positiv be-
einflussen könnten;

(iv) zufrieden über die Demokratisierungsfortschritte
in Kroatien, die ebenfalls positive Auswirkungen
auf Bosnien-Herzegowina hatten;

(v) die erfolgreiche Veranstaltung von Kommunal-
wahlen im Kosovo begrüßend, jedoch überaus be-
dauernd, dass die serbische Gemeinschaft nicht an
ihnen teilgenommen hat;

(vi) mit Genugtuung über die erfolgreiche Veranstal-
tung von Kommunalwahlen in Albanien, jedoch
besorgt über vereinzelte Unregelmäßigkeiten bei
den Wahlen in den von einer griechischen ethni-
schen Minderheit bewohnten Teilen des Landes,
insbesondere in der Region Himara;

(vii) dennoch bedauernd, dass der Rat der Europäischen
Union seinen finanziellen Beitrag zur Einsamm-
lung und Vernichtung von Waffen in Albanien
zurückziehen und folglich seinen Beschluss vom
10. Mai 1999 aufheben musste;

(viii) die Tatsache beklagend, dass vor allem in der Re-
publika Srpska Kriegsverbrecher weiterhin straf-
los ausgehen und in vielen Fällen hohe Positionen
bekleiden, was den gesamten Normalisierungspro-
zess und die Stabilisierung der Region behindert;

(ix) in der Erkenntnis, dass Polizeikräfte im Kosovo, in
Bosnien-Herzegowina und in Albanien noch im-
mer anhaltende Schwierigkeiten bei der Durchset-
zung von Polizeimaßnahmen haben, was sowohl
auf die gegenwärtigen ethnischen Spannungen als
auch auf kriminelle Aktivitäten zurückzuführen
ist;

(x) sich dessen bewusst, dass eine vollständige Rück-
kehr zur Normalität auf dem Balkan Zeit und sys-
tematische Bemühungen seitens der örtlichen
Kräfte und der internationalen Gemeinschaft er-
fordern wird;

empfiehlt dem Rat,
1. die Mission von MAPEXT in Albanien, die von

der Europäischen Union übernommen werden
soll, beizubehalten und zu verstärken;

2. eine mögliche Ausweitung des Mandats von
MAPEXT zu prüfen, um es ihm zu ermöglichen,
zur Durchsetzung des Rechts beizutragen;

3. die Entwicklungen im Kosovo und in Bosnien-
Herzegowina weiterhin genau zu beobachten und
bereit zu sein, an der völligen Herstellung des
Rechtsstaates mitzuarbeiten, möglicherweise durch
eine Beteiligung an internationalen Polizeimaß-
nahmen in diesem Bereich;

4. im Einklang mit den Schlussfolgerungen des Ra-
tes auf dem Gipfel von Feira die nötigen Schritte
für die Einrichtung einer ständigen europäischen
Polizei zu ergreifen, insbesondere über die Be-
stimmung einer ausreichenden Zahl von Polizei-
beamten, die kurzfristig zur Verfügung stehen kön-
nen;

5. eine vereinheitlichte Schulung dieser Polizeikon-
tingente aus verschiedenen Ländern auf systemati-
scher Basis zu veranstalten;

6. eng mit der EU bei den oben genannten Aufgaben
zusammenzuarbeiten.

Prof. Dr. Karl-Heinz Hornhues, MdB Dieter Schloten, MdB
Leiter der Delegation Stellvertreteder Leiter der Delegation

Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin
esellschaft mbH, Postfach 13 20, 53003 Bonn, Telefon: 02 28 / 3 82 08 40, Telefax: 02 28 / 3 82 08 44

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