BT-Drucksache 14/6636

Arbeitsmarktpolitische Maßnahmen effektiv und transparent gestalten - Aus den Hamburger Vorfällen Lehren für eine Reform des SGB III ziehen

Vom 3. Juli 2001


Deutscher Bundestag Drucksache 14/6636
14. Wahlperiode 03. 07. 2001

Antrag
der Abgeordneten Birgit Schnieber-Jastram, Dirk Fischer (Hamburg), Volker Rühe,
Gunnar Uldall, Karl-Josef Laumann, Brigitte Baumeister, Rainer Eppelmann,
Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof), Julius Louven, Wolfgang Meckelburg,
Claudia Nolte, Hans-Peter Repnik, Franz-Xaver Romer, Heinz Schemken,
Johannes Singhammer, Dorothea Störr-Ritter, Andreas Storm, Matthäus Strebl,
Peter Weiß (Emmendingen), Gerald Weiß (Groß-Gerau) und der Fraktion
der CDU/CSU

Arbeitsmarktpolitische Maßnahmen effektiv und transparent gestalten –
Aus den Hamburger Vorfällen Lehren für eine Reform des SGB III ziehen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

In diesem Sommer wurde in Zusammenhang mit den Vorgängen um den Ham-
burger „Verein zur Betreuung von Arbeitslosen- und Selbsthilfegruppen“ deut-
lich, dass bei einer anstehenden Reform des Arbeitsförderungsrechtes eine
dringende Notwendigkeit besteht, die Mittelvergabe für arbeitsmarktpolitische
Maßnahmen zu überprüfen und – wie von der Fraktion der CDU/CSU bereits
seit längerem gefordert – die Vergabe nach objektiven Kriterien zu organisie-
ren, die Verbands- und Parteiinteressen ausschließen.

Zwar sind die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zum Zeitpunkt der An-
tragstellung noch nicht abgeschlossen, dennoch lässt sich bereits heute feststel-
len, dass der oben genannte Verein Teilnehmer von Arbeitsbeschaffungsmaß-
nahmen völlig zweckentfremdet und unverantwortlich eingesetzt hat. Obwohl
bereits seit 1998 Hinweise darauf vorlagen, hat die Bundesanstalt für Arbeit
den oben genannten Verein im Zeitraum von 1998 bis zu diesem Jahr mit insge-
samt 2,95 Mio. DM aus Steuergeldern und Arbeitslosenversicherungsbeiträgen
gefördert – zusätzlich zu den Mitteln, die dem Verein über die Hamburger Be-
hörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales zuflossen. Zudem hat der Verein
nach Angaben des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) ABM-Kräfte für
nicht förderungsfähige Beschäftigung eingesetzt, er hat Umzüge und Renovie-
rungen im Auftrag des DGB unter unklaren Umständen mit ABM-Kräften
durchgeführt und zweifelhafte Abrechnungspraktiken angewandt. Ebenso ha-
ben sich ABM-Kräfte des Vereins nach Aussage der Vereinsführung mehrfach
während der Arbeitszeit an Demonstrationen „gegen Arbeitslosigkeit“ betei-
ligt, was das Hamburger Arbeitsamt veranlasste, wegen des Verstoßes gegen
den Förderauftrag 31 000 DM der überwiesenen Mittel zurückzufordern.

Fahrlässigkeiten muss sich aber auch die Hamburger Behörde für Arbeit, Ge-
sundheit und Soziales vorwerfen lassen: Obwohl ihr bereits seit 1998 Informa-
tionen über einen Verdacht von Unregelmäßigkeiten bei dem „Verein zur Be-
treuung von Arbeitslosen- und Selbsthilfegruppen“ vorlagen, hat sie diese zu

Drucksache 14/6636 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

spät wahrgenommen und sich in der Folge mit einer schriftlichen Stellung-
nahme des Geschäftsführers zufrieden gegeben. Ausführliche Informationen
einer ehemaligen ABM-Kraft des Vereins im Herbst 1999 hat sie nicht berück-
sichtigt und hat auch in der Folgezeit bis in das Jahr 2001 hinein keine eigenen
Ermittlungen aufgenommen.

Dies ist umso unverständlicher, als es in der Vergangenheit in Hamburg bereits
ähnliche Vorfälle gab, etwa bei dem Beschäftigungsträger Ökologische Tech-
nik e. V. und der Altonaer Jugendarbeit/Altonaer Arbeitsförderungsgesellschaft
(vgl. u. a. Bericht des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses „Vergabe
und Kontrolle von Aufträgen und Zuwendungen durch die Freie und Hanse-
stadt Hamburg“, Bürgerschafts-Drucksache 16/5000).

Schließlich treffen Versäumnisse auch das Bundesministerium für Arbeit und
Sozialordnung: Wenn, wie vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung
in der Fragestunde am 20. Juni angegeben, bereits 1998 Verdachtsmomente ge-
gen den Verein vorlagen und sofort Ermittlungen durch die Bundesanstalt für
Arbeit bzw. das regionale Arbeitsamt aufgenommen worden seien, so stellt sich
die Frage, warum sich diese über drei Jahre ohne konkretes Ergebnis hinzogen.

Weiterhin kann es nicht angehen, dass die Bundesregierung – wie in der Frage-
stunde vom 20. Juni d. J. vom Parlamentarischen Staatssekretär Gerd Andres
erklärt – keine Veranlassung sieht, angesichts der Vorfälle in Hamburg Maß-
nahmen zu ergreifen, um die sachgemäße Verwendung, Transparenz und Effizi-
enz der über die Arbeitsämter für Arbeitsmarktpolitik bereitgestellten Gelder
sicherzustellen bzw. zu verbessern.

Wenn – wie im Hamburger Fall – über Jahre hinweg fast 3 Mio. DM Steuergel-
der und Versicherungsbeiträge aus dem Etat der Bundesanstalt für Arbeit an ei-
nen Verein fließen, der sowohl bei der Durchführung der arbeitsmarktpoliti-
schen Maßnahmen als auch in seiner Abrechnungspraxis höchst dubios gehan-
delt hat, so ist dies weder im Interesse der zu fördernden Erwerbslosen, noch
steigert es die öffentliche Akzeptanz der Verwendung von 43 Mrd. DM für ar-
beitsmarktpolitische Maßnahmen im Jahre 2001.

Möglich wurden die Vorgänge um die missbräuchliche Verwendung von öf-
fentlichen Geldern durch den Hamburger „Verein zur Betreuung von Arbeits-
losen- und Selbsthilfegruppen“ jedoch nicht zuletzt deshalb, weil der Ge-
schäftsführer des Vereins gleichzeitig auch Mitglied im Unterausschuss
„Arbeitsmarktinstrumente“ (AMI) beim Hamburger Arbeitsamt und somit ent-
scheidend an der Vergabe für Mittel an den Träger zuständig war, dessen Ge-
schäfte er führte. Gleichzeitig war der Vorsitzende des Vereins in seiner Eigen-
schaft als regionaler DGB-Vorsitzender (neben seiner Mitgliedschaft im AMI-
Ausschuss) Vorsitzender des Verwaltungsausschusses beim Hamburger Ar-
beitsamt, der maßgeblichen Einfluss auf die Vergabe von ABM-Mitteln an die
Trägervereine besitzt.

Diese persönliche Verquickung zwischen Bewilligungs- und Empfängerinstanz
bei der Vergabe öffentlicher Mittel muss bei einer Novellierung des Arbeitsför-
derungsrechtes unterbunden werden.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf:

1. Bei der Novellierung des SGB III muss sichergestellt werden, dass Perso-
nen, die wichtige Ämter oder Posten bei Trägern von arbeitsmarktpoliti-
schen Maßnahmen bekleiden, nicht gleichzeitig in den Instanzen der Ar-
beitsverwaltung über die Vergabe der Mittel für arbeitsmarktpolitische
Maßnahmen entscheiden und sich somit selbst öffentliche Gelder bewilli-
gen.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/6636

2. Die zuständigen Landesbehörden müssen in Zusammenarbeit mit den regio-
nalen Arbeitsämtern in stärkerem Maße als bisher angehalten werden, Miss-
brauch von Geldern aus dem Etat der Bundesanstalt für Arbeit für arbeits-
marktpolitische Maßnahmen zu unterbinden bzw. Anzeichen für einen
solchen Missbrauch sofort und konsequent nachzugehen.

3. Bei den arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen im Besonderen, aber auch bei
der Vermittlung Erwerbsloser auf den ersten Arbeitsmarkt ist es nötig, mehr
Effizienz durch Wettbewerb zu schaffen. So befanden sich beispielsweise
bei dem Hamburger „Verein zur Betreuung von Arbeitslosen- und Selbsthil-
fegruppen“ einzelne Personen über so lange Zeit als ABM-Kräfte (7 bis 12
Jahre), dass von der Absicht einer Vermittlung auf den ersten Arbeitsmarkt
nicht mehr gesprochen werden kann. Deshalb hat die Bundesregierung als
Mitglied des Verwaltungsrates der Bundesanstalt für Arbeit sowie als Ge-
nehmigungsinstanz für deren Haushalt darauf hinzuwirken, dass zukünftig
keine so genannte freihändige Vergabe arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen
an Träger erfolgt. Im Gegenteil sollen alle arbeitsmarktpolitischen und qua-
lifizierenden Maßnahmen unter genereller Einbeziehung privatwirtschaftli-
cher Träger ohne Einschränkung nach dem Prinzip der Wirtschaftlichkeit
und Effizienz ausgeschrieben werden.

4. Um die Arbeitsförderung generell effektiver, transparenter und nach den
Grundsätzen der Subsidiarität zu gestalten, sind die Vorschläge der Fraktion
der CDU/CSU des Deutschen Bundestages zu einer Reform des SGB III auf
der Bundestagsdrucksache 14/6162 zu übernehmen, speziell bezüglich der
verbindlichen Leistungsvereinbarungen, der Erfolgskontrolle der arbeits-
marktpolitischen Instrumente und des Erfolgskriteriums einer Maßnahme
nach Vermittlung auf den ersten Arbeitsmarkt, nicht nach Teilnehmerzahlen.

Berlin, den 3. Juli 2001

Birgit Schnieber-Jastram
Dirk Fischer (Hamburg)
Volker Rühe
Gunnar Uldall
Karl-Josef Laumann
Brigitte Baumeister
Rainer Eppelmann
Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof)
Julius Louven
Wolfgang Meckelburg
Claudia Nolte
Hans-Peter Repnik
Franz-Xaver Romer
Heinz Schemken
Johannes Singhammer
Dorothea Störr-Ritter
Andreas Storm
Matthäus Strebl
Peter Weiß (Emmendingen)
Gerald Weiß (Groß-Gerau)
Friedrich Merz, Michael Glos und Fraktion

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