BT-Drucksache 14/6631

Rechtsextreme Tendenzen bei der Burschenschaft Danubia und anderen Burschenschaften

Vom 29. Juni 2001


Deutscher Bundestag

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14. Wahlperiode

29. 06. 2001

Kleine Anfrage

der Abgeordneten Ulla Jelpke und der Fraktion der PDS

Rechtsextreme Tendenzen bei der Burschenschaft Danubia
und anderen Burschenschaften

Der mutmaßliche Haupttäter des brutalen Überfalls auf einen 31-jährigen Grie-
chen in München ist nach der Tat bei der Münchner Burschenschaft Danubia
versteckt worden. Der Grieche war in der Nacht zum 13. Januar 2001 von rund
20 Skinheads zusammengeschlagen und mit Springerstiefeln getreten worden
und musste daraufhin schwer verletzt in eine Klinik eingeliefert werden. Auch
eine Gruppe von Männern, die ihm helfen wollten, wurde brutal angegriffen.

Wie der leitende Oberstaatsanwalt am 18. Juni 2001 in München mitteilte,
brachte ein Mitglied der Regensburger Burschenschaft Teutonia den 19-Jähri-
gen mutmaßlichen Haupttäter mit einem Auto in das Haus der Münchner Stu-
dentenverbindung Danubia. Gegen den Regensburger Studenten werde wegen
Strafvereitelung ermittelt.

Ein Mitglied der Danubia sei ebenfalls an der Tat beteiligt gewesen, teilte der lei-
tende Oberstaatsanwalt zudem mit. Gegen ihn werde wegen schwerer Körper-
verletzung ermittelt. Gegen rund ein Dutzend rechtsextremer Skinheads erhob die
Staatsanwaltschaft Anklage wegen versuchten Mordes (ap, 18. Juni 2001).

Der mutmaßliche Haupttäter, der zunächst bei der Danubia Unterschlupf fand und
sich danach absetzte, war rund zwei Wochen nach dem brutalen Überfall in den
Niederlanden festgenommen und anschließend nach München ausgeliefert wor-
den. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm und zwei weiteren an der Tat Beteiligten
versuchten Mord vor. Sie sollen mit bedingtem Tötungsvorsatz auf das Opfer ein-
getreten haben. Der Prozess werde voraussichtlich im September stattfinden.

Im ersten einer Reihe von Prozessen waren zwei der beteiligten Skinheads vom
Münchner Jugendschöffengericht wegen schwerer Körperverletzung zu 14 und
18 Monaten Haft verurteilt worden. Am 20. Juni 2001 begann der Prozess ge-
gen drei weitere Tatbeteiligte. Auch sie müssen sich wegen gefährlicher Kör-
perverletzung vor Gericht verantworten (ap, 18. Juni 2001, und Süddeutsche
Zeitung (SZ) vom 20. Juni 2001).

Erst am 14. Juni 2001 hatte der bayerische Innenminister Dr. Günther Beck-
stein vor drei Burschenschaften, darunter Teutonia und Danubia, gewarnt (Pres-
semitteilung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, 268/01). Rechts-
extremisten pflegten Kontakte mit Burschenschaften oder versuchten sogar,
akademische Verbindungen zu unterwandern. Der bayerische Innenminister
Dr. Günther Beckstein wies darauf hin, dass die Münchner Burschenschaft
Danubia wiederholt Rechtsextremisten wie dem NPD-Funktionär Horst Mahler
ein Forum für verfassungsfeindliche Auftritte geboten habe.

Der Sprecher des bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz bestätigte
dieser Tage, dass Rechtsextremisten seit dem vergangenen Jahr verstärkt ver-
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suchten, Einfluss in akademischen Verbindungen und Universitäten zu gewin-
nen. Seitdem beobachte auch der Verfassungsschutz die Bemühungen von
Rechtsextremisten in Uni-Kreisen verstärkt. Über die Gründe gebe es laut
„Frankfurter Rundschau“ (FR) bislang nur Vermutungen. Die NPD, von einem
Parteiverbot bedroht, suche möglicherweise nach neuen Strukturen. Über die
Burschenschaften lasse sich auch Kontakt zu den „Alten Herren“, den früheren
Studenten, herstellen. Allein zur Danubia sollen 600 „Alte Herren“ gehören
(FR, 21. Juni 2001).

Verbindungen ins rechtsextremistische Spektrum bestünden jedoch nicht nur
zur NPD.

Zu den Referenten der „Bogenhausener Gespräche“ (in München-Bogenhausen
verfügt die Danubia über ein Verbindungshaus) zählten laut dem bayerischen
Innenminister Dr. Günther Beckstein der Cheftheoretiker des rechtsextremisti-
schen Deutschen Kollegs, Reinhold Oberlercher, der verurteilte Südtirol-Terro-
rist Peter Kienesberger und der französische Theoretiker der „Neuen Rechten“,
Alain de Benoist. Im aktuellen Semesterprogramm der Danubia finde sich für
den 18. Juni 2001 ein Vortrag des Neonazis Alexander von Webenau über den
von den Nationalsozialisten verehrten Albert Leo Schlageter mit dem Titel:
„Leben und Sterben eines deutschen Helden“ (Pressemitteilung des Bayeri-
schen Staatsministeriums des Innern vom 14. Juni 2001 und SZ, 20. Juni 2001).

Im Rahmen der „Bogenhausener Gespräche“ referierten des Weiteren der
NPD-Funktionär Thor von Waldstein (Februar 1997), K. W., einer der führen-
den Strategen der „Neuen Rechten“ moderierte 1998 den Diskussionsabend
zum Thema „Facetten der Konservativen Revolution“.

Danubia-Mitglieder nehmen regelmäßig an der alljährlich stattfindenden Anna-
berg-Gedenkfeier teil, die anlässlich der Erstürmung des oberschlesischen An-
nabergs 1921 durch die terroristische „Kameradschaft Freikorps- und Bund
Oberland“ des „Freikorps Oberland“ abgehalten wird (Lexikon „Informations-
dienst gegen Rechtsextremismus“, www.idgr.de/lexikon/stich/b/burschenschaft/
danubia.html).

Akteure aus dem Bereich des organisierten Rechtsextremismus suchten und
fanden zuletzt auch Anschluss bei der Prager Burschenschaft Teutonia zu Re-
gensburg. Im Haus der Teutonia legte unter anderem der rechtsextremistische
Autor und Redakteur des NPD-Parteiorgans „Deutsche Stimme“ sowie Funkti-
onär der NPD, Jürgen Schwab, seine „Grundlagen nationaler Politik“ dar, wo-
bei er in traditioneller rechtsextremistischer Manier die Souveränität der Bun-
desrepublik Deutschland in Frage stellte und sie als Vasall der Siegermächte
des Zweiten Weltkrieges darstellte (Pressemitteilung des Bayerischen Staatsmi-
nisteriums des Innern vom 14. Juni 2001, 268/01).

In der Burschenschaft Frankonia Erlangen fänden zurzeit Richtungskämpfe
zwischen einem demokratischen und einem extremistischen Flügel statt.
Der rechtsextremistische Funktionär Harald Neubauer, Mitherausgeber von
„Nation & Europa“ und früherer REP-Generalsekretär, habe 1998 mit einem
Vortrag die antidemokratische Strömung motiviert (Pressemitteilung des Baye-
rischen Staatsministerium des Innern, 14. Juni 2001).

Überdies unterhielten die Burschenschaften eigene Homepages im Internet, auf
denen sich neben Diskussionsforen auch Links zu rechtsextremistischen Insti-
tutionen beziehungsweise Publikationen, etwa „Nation & Europa“ oder
„Staatsbriefe“ fanden (Pressemitteilung des Bayerischen Staatsministeriums
des Innern vom 14. Juni 2001). Auf der Website der Danubia heißt alles, was
anderswo als „Link“ bezeichnet wird, „Hot-Rechts“. Direkt von der Danubia-
Seite geht es zur Seite des NPD-Aktivisten Horst Mahler, zur rechtskonser-
vativen Zeitschrift „Jungen Freiheit“ und zu www.achtungpanzer.com, wo
unter anderem über die Leistungen der deutschen Panzertruppe im Zweiten
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Weltkrieg berichtet wird (SZ, 20. Juni 2001). Am 21. Juni 2001 heißt es der-
weil auf der Homepage der Danubia: „Wegen der hohen Zahl der Zugriffe, aus
aktuellem Anlass, ist unsere homepage derzeit überlastet und zeitweilig nicht
erreichbar. Damit das zz. Wichtigste, nämlich unsere Stellungnahmen, erreich-
bar ist, haben wir alle weiteren Seiten derzeit abgeschaltet.“

Zu den Mitgliedern der Danubia, die Mitglied im Dachverband „Deutsche Bur-
schenschaft“ ist und innerhalb der sie zum äußersten Rand, der „Burschen-
schaftlichen Gemeinschaft“, gehört, zählt auch M. P., verantwortlicher Redak-
teur des REP-Parteiorgans „Der Republikaner“ und Mitglied der „Jungen
Landsmannschaft Ostpreußen“.

Bis 1998 hatte die Danubia als Vorsitzenden ihres Altherrenverbandes einen in
Verfassungsschutzkreisen bundesweit bekannten Mann: den rechten Multifunk-
tionär H.-U. K. (SZ, 20. Juni 2001). Dieser gehörte gleichzeitig dem Bundes-
vorstand des Witikobundes an, welcher zum äußersten rechten Rand der Sude-
tendeutschen Landsmannschaft zählt. Darüber hinaus ist er regelmäßiger Autor
von „Nation & Europa“ und den „Staatsbriefen“.

Im November 1999 sprach der Schriftleiter des Witikobundes, Dr. H. B., bei
der Danubia zum Thema „Die Deutschen in Oberschlesien – Vergangenheit und
Chancen für die Zukunft“.

Der bayerische Innenminister Dr. Günther Beckstein kündigte an, dass der Ver-
fassungsschutz die weitere Entwicklung an den Hochschulen sorgfältig beob-
achten werde. Der Münchner SPD-Bundestagsabgeordnete Christoph Moos-
bauer forderte inzwischen das Bayerische Staatsministerium des Innern auf, ein
Verbot der Danubia und der ebenfalls rechts orientierten Regensburger Bur-
schenschaft Teutonia ernsthaft zu prüfen (SZ, 20. Juni 2001).

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wird die Münchner Burschenschaft Danubia von der Bundesregierung als
rechtsextrem eingestuft?

a) Wenn ja, seit wann und aufgrund welcher Erkenntnisse?

b) Wenn nein, warum nicht?

2. Wird die Regensburger Burschenschaft Teutonia von der Bundesregierung
als rechtsextrem eingestuft?

a) Wenn ja, seit wann und aufgrund welcher Erkenntnisse?

b) Wenn nein, warum nicht?

3. Werden oder wurden weitere Burschenschaften in den letzten 10 Jahren
von der Bundesregierung als rechtsextrem eingestuft?

a) Wenn ja, in welchen Jahren und aufgrund welcher Erkenntnisse (bitte
für jede einzeln begründen)?

b) Wenn nein, warum nicht?

4. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die „Bogenhausener
Gespräche“ und welche Rechtsextremisten haben dort seit ihrer Gründung
Mitte der achtziger Jahre zu welchen Themen referiert?

5. Wurden oder werden die „Bogenhausener Gespräche“ aus Bundesmitteln
bezuschusst?

Wenn ja, seit wann und in welcher Höhe?

6. Hat die Bundesregierung Erkenntnisse über Verbindungen der Burschen-
schaft Danubia zur NPD in den letzten 10 Jahren und wenn ja, welcher Art
sind diese?
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7. Hat die Bundesregierung Erkenntnisse über Verbindungen anderer Bur-
schenschaften zur NPD in den letzten 10 Jahren und wenn ja, welcher Art
sind diese?

8. Hat die Bundesregierung Erkenntnisse über Verbindungen der Burschen-
schaft Danubia zu weiteren Organisationen aus dem bundesdeutschen und
internationalen Rechtsextremismus und wenn ja, welcher Art sind diese?

9. Welche verfassungsschutzrelevanten Kenntnisse hat die Bundesregierung
über eine rechtsextreme Durchsetzung der „Deutschen Burschenschaft“
(DB)?

10. Wurde die rechtsextreme Durchsetzung der DB oder eines Teils der DB
schon einmal im Bericht des Bundesamtes für Verfassungsschutz erwähnt
und wenn ja:

a) Wann?

b) Wie lange?

c) Wann und mit welcher Begründung wurde die Erwähnung der DB oder
eines Teils der DB aus dem Bundesverfassungsschutzbericht herausge-
nommen?

11. Erhielt die DB in den letzten 10 Jahren Fördermittel aus dem Bundeshaus-
halt?

Wenn ja, in welcher Höhe und für welchen Verwendungszweck (bitte für
jedes Jahr darstellen)?

12. Erhielten Burschenschaften in den letzten 10 Jahren finanzielle Förderung
aus Bundesmitteln?

Wenn ja, welche und in welcher Höhe und für welchen Verwendungszweck
(bitte für jedes Jahr darstellen)?

13. Welche verfassungsschutzrelevanten Kenntnisse hat die Bundesregierung
über die „Burschenschaftlichen Blätter“?

14. Warum wird die Burschenschaft Danubia bisher nicht im Bericht des Bun-
desamtes für Verfassungsschutz erwähnt?

15. Warum wird die Burschenschaft Teutonia bisher nicht im Bericht des Bun-
desamtes für Verfassungsschutz erwähnt?

16. Werden oder wurden andere Burschenschaften in den letzten 10 Jahren
vom Verfassungsschutz beobachtet?

Wenn ja, in welchen Jahren und mit welchen Erkenntnissen (bitte für jede
einzeln darstellen)?

17. Wird die Bundesregierung die neuesten Erkenntnisse des Bayerischen
Staatsministeriums des Innern über die Burschenschaft Danubia und die
Burschenschaft Teutonia zum Anlass nehmen, die Danubia und die Teuto-
nia in Zukunft vom Verfassungsschutz beobachten zu lassen?

Wenn nein, warum nicht?

Berlin, den 26. Juni 2001

Ulla Jelpke
Roland Claus und Fraktion

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