BT-Drucksache 14/6630

Institutionelle Anleger, Pensionsfonds und Rentenreform

Vom 5. Juli 2001


Deutscher Bundestag Drucksache 14/6630
14. Wahlperiode 05. 07. 2001

Große Anfrage
der Abgeordneten Ursula Lötzer, Pia Maier, Rolf Kutzmutz, Gerhard Jüttemann und
der Fraktion der PDS

Institutionelle Anleger, Pensionsfonds und Rentenreform

I. Institutionelle Investoren

Eine zentrale Strukturveränderung auf den Finanzmärkten ist der Aufstieg in-
stitutioneller Anleger (Pensions- und Investmentfonds, Versicherungen, Ban-
ken). Sie beeinflussen zunehmend die Entscheidungen in Unternehmen (share-
holder value) und gegenüber Regierungen hinsichtlich wirtschaftspolitischer
Zielsetzungen. Beziffern lässt sich der Kapitalbestand von institutionellen An-
legern nur annähernd, da die Bewertung und die kontinuierlichen Zuflüsse kein
statisches Bild zulassen. Jüngste Zahlen beziffern den Anlagebestand bei In-
vestmentfonds auf 6 800 Mrd. $, bei Banken mit 5 900 Mrd. $ und bei Pen-
sionsfonds auf über 12 000 Mrd. $. Damit entspreche der Anlagebestand von
Pensionsgeldern ca. 43 % des globalen Bruttoinlandsprodukts. Zwar bestehen
strukturelle Unterschiede im Anlageverhalten zwischen Investment- und Pen-
sionsfonds sowie bei der gesetzlichen Regulierung. Trotzdem ergibt sich durch
den in den letzten Jahren zu beobachtenden Wertzuwachs von Aktien und die
Entwicklung einer „Investment Management Industrie“ um die Pensionsfonds
eine prinzipielle Annäherung der Anlagestrategie.

Mit wachsender Größe der institutionellen Anleger verschärft sich das Pro-
blem, dass in einem kurzen Zeitabschnitt ein größerer Anteil des Kapitals aus
dem jeweiligen Unternehmen oder Land abgezogen werden kann (exit option)
und zunehmend mehr Länder und Unternehmen um die Anlage konkurrieren.
Des Weiteren werden die Informationen standardisiert und letztlich die Bewer-
tung von Ländern, Branchen und Unternehmen nach einheitlichen Kriterien
klassifiziert. Hierbei spielen die internationalen Ratingagenturen eine wichtige
Rolle, die lediglich nach Renditekriterien ihre Einschätzungen vornehmen. Da
die Fonds üblicherweise durch relative Vergleiche untereinander bewertet wer-
den, ist ein „Herdenverhalten“ zu beobachten, was sich in Finanzmarktkrisen
prozyklisch auswirkt. Die Vereinheitlichung erhöht daneben die Konzentration
der Finanzanlage auf wenige Länder, bestimmte Unternehmen oder Branchen.

II. Finanzmärkte und Rentenreform

Nach Aussagen der Bundesregierung ist die Rentenreform die größte Sozial-
reform, die in der Nachkriegsgeschichte durchgeführt wird und stellt einen
ersten Schritt zum Übergang von der solidarischen, umlagefinanzierten Renten-
versicherung zur privaten, kapitalgedeckten Altersvorsorge dar. Die zwangs-
weise angesparten Mittel werden über die unterschiedlichsten Formen auf dem
Kapitalmarkt in Wertpapieren angelegt. Institutionelle Anleger (Banken, Versi-
cherungen und Fonds) werden einerseits mit „neuen“ Mitteln versorgt und der

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Finanzplatz Deutschland im internationalen Vergleich gestärkt. Andererseits
steht das Konzept der Kapitaldeckung in Verbindung mit den weltweiten Fu-
sionsprozessen bzw. den strukturellen Veränderungen im Unternehmenssektor.
Über den Finanzmarkt wird ein neues Verhältnis der Finanzmarktakteure zum
Produktionsbereich befördert: Über das wachsende anzulegende Kapital wird
das Entscheidungsverhalten bei Investitionen beeinflusst und über das politi-
sche Verhalten „abgestimmt“, da eine massive Umschichtung der angelegten
Gelder sehr schnell möglich ist. Dies gilt sowohl für Unternehmen, Branchen
und ganze Volkswirtschaften, die verstärkt den hohen Renditeerwartungen der
Anleger ausgesetzt werden.

Hingegen lässt sich kein ökonomisches und demographisches Problem, mit de-
nen das Umlageverfahren der Alterssicherung kritisiert wird, durch die Kapital-
deckung lösen. Beide Systeme sind an gleiche ökonomische Zusammenhänge
gebunden und funktionieren im Endeffekt ähnlich. Bestätigt wird dies durch die
Erfahrungen, Ergebnisse und zukünftigen Projektionen in den Nationen (USA,
Großbritanien, Niederlande), die bereits in den 70/80er Jahren verstärkt auf die
Kapitaldeckung gesetzt haben. Neben dem hohen Kapitalmarktrisiko besteht
ein immanentes Problem im kapitalgedeckten Modell: Notwendig sind relativ
hohe Löhne, um sich ausreichend privat abzusichern. Um die unterstellten ho-
hen Renditen überhaupt zu erzielen, dürfen die Löhne jedoch nicht stark stei-
gen, sondern müssen tendenziell sinken. Die Umverteilung von unten nach
oben nimmt zu. In allen vergleichbaren Ländern zeigt sich, dass die überwie-
gende Mehrzahl der Beschäftigten nicht am schnellen Reichtum über die Geld-
anlage beteiligt wird. Das wird auch nicht durch eine wie auch immer geartete
Subventionierung der unteren Einkommen zu erreichen sein.

III. Förderung der betrieblichen Altersvorsorge und Entstehung von Pen-
sionsfonds

Im Zuge der Rentenreform kommt es zum Umbau der betrieblichen Altersvor-
sorge hin zu Pensionsfonds. Dieses sind außerbetriebliche, rechtlich selbststän-
dige Versicherungseinrichtungen, die Einnahmen verwalten und anlegen. Nach
dem Altersvermögensgesetz, das der Deutsche Bundestag am 26. Januar 2001
verabschiedet hat, fördert der Staat von 2002 an Beträge, die in die Altersvor-
sorge fließen durch Zulagen oder Steuerermäßigungen. Die von den Arbeitge-
bern zu entrichtenden Beträge sind steuerfrei und sie brauchen hierauf keine
Sozialversicherungsbeiträge zu zahlen. Dagegen sind die Arbeitnehmerbeträge
ab 2009 beitragspflichtig. Anders als die herkömmlichen Pensionskassen sind
die Pensionsfonds frei in der Wahl ihrer Anlageformen. Das heißt, sie können
ihr gesamtes Kapital in Aktien anlegen. Der Fond kann eine bestimmte Leis-
tung (Pensionszahlung) garantieren. Er kann sich aber auch in seiner Zusage
darauf beschränken, dem künftigen Pensionär seine eingezahlten Beiträge zu-
rückzuzahlen. Diese „Null-Prozent-Rendite“ schreibt das neue Gesetz als Min-
destgarantie vor.

Der Pensionsfonds muss eine lebenslange Rente garantieren. Hinterbliebenen-
und Invalidenrenten können, müssen aber nicht mitversichert werden. Sind sie
enthalten, sinkt die Mindestrendite, d. h., der Fonds muss dann weniger als das
eingezahlte Geld garantieren. Außerhalb der betrieblichen Altersvorsorge sind
bei den privaten Anbietern gleich Tarife für Frauen und Männer (Unisex-
Tarife) üblicherweise nicht vorgesehen. Frauen erhalten in der Regel geringere
Leistungen bzw. müssen höhere Beträge einzahlen, um das Risiko der längeren
Lebenserwartung aus Sicht der Anbieter zu kompensieren. Im Rentenrefor-
mentwurf der Bundesregierung vom Oktober 2000 war zunächst nur ein indivi-
dueller Rechtsanspruch auf Entgeltumwandlung in eine Direktversicherung ge-
plant. Nun ist vorgesehen, dass ab 2008 bis zu 2 100 Euro Lohn jährlich
steuerfrei in betriebliche Pensionsfonds fließen können. Die bisherigen Formen

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der betrieblichen Altersvorsorge wie Direktzusagen oder Direktversicherungen
können in diese Pensionsfonds übertragen werden, so dass Pensionsfonds lang-
fristig die Hauptform der betrieblichen Altersvorsorge werden.

Trotzdem die deutschen Pensionfonds von den Pensionsfonds in den USA oder
Großbritannien zu unterscheiden sind und die gesetzliche Regulierung diffe-
riert, verspricht sich die Bundesregierung eine Stärkung des Finanzplatzes
Deutschlands durch die Pensionsfonds. Denn sie unterstellt eine eher langfris-
tige Anlage des angesammelten Kapitals in Substanzwerten wie Aktien, die
dem Kapitalmarkt und dadurch Wachstum und Beschäftigung neue Impulse ge-
ben könne.

IV. Gesamtwirtschaftliche Wirkungen und Beitragsstabilität

Die Diskussion über die optimale Ausgestaltung der Alterssicherung missach-
tet den Zusammenhang zwischen den Merkmalen des Finanzsystems und des
Pensionssystems, was wiederum das Investitions- und Konsumverhalten und
damit das Wirtschaftswachstum beeinflusst. Für Deutschland lassen sich die
bisherigen Ergebnisse dahin gehend zusammenfassen, dass das Finanzsystem
durch die Dominanz von Banken und der über sie stattfindenden Finanzierung
geprägt ist. Organisierte Kapitalmärkte spielen nur eine untergeordnete Rolle.
Das umlagefinanzierte Pensionssystem und die betrieblichen Pensionsrückstel-
lungen als die vorherrschende Form der betrieblichen Alterssicherung stärkte
dabei die Funktionsweise des bankenzentrierten Finanzierungssystems. Eine
systemische Veränderung bedeutet in letzter Konsequenz nicht nur den Umbau
der Komponente Alterssicherung, sondern verändert auch, wie die Finanzie-
rung der Unternehmen in Zukunft organisiert werden wird und wie der Bedarf
nach z. B. regionalpolitisch oder sozial und ökologisch sinnvollen Investitionen
zu decken sein wird.

Unabhängig von den Finanzierungssystemen für die Alterssicherung gilt dabei,
dass im Prinzip jede Rente kapitalgedeckt ist. Sie ist gedeckt von dem Sach-
kapital, das genau zu dem Zeitpunkt Erträge abwirft, wo die Rente oder der
Zins auf eine Anlage gezahlt werden soll. Eine andere Kapitaldeckung gibt es
nicht. In dieser Hinsicht bedeutet jede zusätzliche Erhöhung des privaten Spa-
rens für die Alterssicherung einerseits den Abzug vom verfügbaren Einkom-
men in der Gegenwart und damit die Reduktion der gesamtwirtschaftlichen
Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen. Andererseits wirkt sich dieses
wiederum auf die Sachkapitalbildung, sprich die Investitionen, aus. Ob und wie
überhaupt in der Zukunft die Renten bezahlt werden können, ist und bleibt eine
Verteilungsfrage, die gesamtwirtschaftlich gelöst werden muss. Zusätzliches
privates Sparen kann und wird die gesellschaftlichen Probleme nicht lösen,
denn eine Gesellschaft kann kein Geldvermögen in die Zukunft transportieren,
sondern nur Realkapital.

V. Umverteilung und soziale Folgen

Unabhängig von den heute kaum zu erfassenden Folgen und Entwicklungen
hinsichtlich des Rentenniveaus, der Altersarmut, von institutionellen Anlegern
und auf den internationalen Finanzmärkten des unterliegenden Zeitraums bis
zum Jahr 2030, lässt sich anhand der vorliegenden Zahlen relativ deutlich fest-
stellen, wer die Hauptgewinner der Rentenform sind: Zum einen steigen bis
zum Jahr 2030 die so genannten Lohnnebenkosten mittels der vorgesehenen
Rentenkürzungen nur auf 22 % statt auf 23,6 %. Diese 1,6 Prozentpunkte
machen gegenwartsbezogen 24 Mrd. DM aus, wovon 12 Mrd. DM bei den
Arbeitgebern verbleiben. Zum anderen fließen den Finanzkonzernen (Banken,
Versicherungen und Fonds) unter Berücksichtigung der steuerlichen Förderung
für die private Altersvorsorge jährlich etwa 40 bis 50 Mrd. DM neu zu. Bis zum

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Jahr 2030 wäre dadurch ein Anlagevolumen von mindestens 1 000 Mrd. DM
aufgebaut. Im gezielten Aufbau und der Förderung der kapitalgedeckten indivi-
duellen und betrieblichen Altersvorsorge liegt für die Investmentbranche und
die Versicherungen dann auch der wesentliche Kern der Reform und nicht in
der Senkung der Lohnnebenkosten oder der Schaffung von mehr „Gerechtig-
keit zwischen den Generationen“.

Verlierer sind Rentnerinnen und Rentner, denn das Rentenniveau wird ab 2030
für alle um mindestens 6 % geringer ausfallen als heute. Weder die Reduzierung
des Beitragssatzes bzw. sein geringerer Anstieg, noch die staatliche Förderung
für untere Einkommen kann die ab 2008 zusätzlich anzusparenden Abzüge von
4 % vom Bruttolohn kompensieren. Real werden die Beschäftigten einen höhe-
ren Anteil vom Lohn zur Finanzierung der Rente als vor der Reform aufbringen
müssen, um das Versorgungsniveau zu halten. Die anfallenden ca. 30 bis 40
Mrd. DM der Förderung unterer Einkommen ist letztlich eine staatliche Subven-
tionierung des Marktes für Altersvorsorgeprodukte, die überwiegend indirekt in
Form von Lohnsteuerausfällen aufgebracht werden wird. Es ist bereits heute
davon auszugehen, dass die mit der Rentenreform direkt und indirekt verbunde-
nen Steuerausfälle und finanziellen Subventionen mit Kürzungen an anderer
Stelle (z. B. bei kommunaler Infrastruktur, Bildung, Sozialsystem) gegenfinan-
ziert werden.

Wir fragen die Bundesregierung:

I. Institutionelle Investoren

1. Welche stabilisierenden und destabilisierenden Wirkungen von Investment-
und Pensionsfonds auf den Finanzmärkten erkennt die Bundesregierung?

2. Vergrößert sich nach Ansicht der Bundesregierung durch institutionelle An-
leger die Möglichkeit, große Geldvolumina kurzfristig umzuschichten und
Kurseinbrüche auszulösen?

a) Welche Schlüsse zieht die Bundesregierung daraus, dass die wachsende
Nachfrage nach international renditeträchtigen Anlagemöglichkeiten eine
wachsende Marktvolatilität auf den Wertpapiermärkten befördert und
dieses nach Aussagen der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich
(BIZ) eine zentrale Ursache der jüngsten Finanzmarktkrisen ist?

b) Falls die Bundesregierung hier keine negativen Effekte und daraus resul-
tierenden Handlungsbedarf erkennen kann, wie begründet sie dies?

3. Wie wirkt sich nach Ansicht der Bundesregierung die steigende Marktmacht
institutioneller Anleger und ihre zunehmende Einflussnahme auf Unterneh-
mensentscheidungen aus, in denen die Fonds investieren?

Wie begründet die Bundesregierung ihre Position, falls keine dieser interna-
tional üblichen Veränderungen konstatiert werden?

4. Wie bewertet die Bundesregierung die steigende Einflussnahme von institu-
tionellen Anlegern und Ratingagenturen, über die in den Unternehmen pri-
mär die Renditeorientierung zum Entscheidungskriterium wird?

Welche Maßnahmen wird die Bunderegierung ergreifen, um soziale und
ökologische Interessen gegenüber den dominanten Renditekriterien zu stär-
ken?

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5. Welche Position vertritt die Bundesregierung zum Rating von Pensions-
und Investmentfonds im Hinblick auf die Einhaltung sozialer und ökologi-
scher Anlagestandards?

a) Welche Haltung nimmt die Bunderegierung gegenüber den diesbezügli-
chen Forderungen und Diskussionen über die Kapitalanlage von inter-
nationalen Gewerkschaften (amerikanische AFL-CIO, niederländischer
FNV) und deutschen Gewerkschaften ein?

b) Sollten Kapitalanlagen generell Mindeststandards in ethischer, sozialer
und ökologischer Hinsicht erfüllen, und welche Maßnahmen wären zu
ergreifen, um auf diesem Weg eine demokratische Wirtschaftsgestaltung
zu flankieren?

c) Falls die Bundesregierung keinen diesbezüglichen Regulierungsbedarf
bei der Kapitalanlage erkennt, wie begründet sie, dass sie ansonsten da-
rauf hinweist, die Globalisierung bedarf der politischen Gestaltung
durch soziale und demokratische Kriterien?

6. Welche Änderungen hinsichtlich der Führung und Kontrolle von Unterneh-
men – Corporate Governance –, um die Möglichkeiten der Anteilseigner/
Shareholder und die Gewichtung der institutionellen Anleger zu erhöhen,
strebt die Bundesregierung an?

Welche Arbeitsergebnisse aus der von der Bundesregierung zum Thema
– Corporate Governance – eingesetzten Arbeitsgruppe liegen bisher vor,
und bis wann ist mit endgültigen Arbeitsergebnissen zu rechnen?

7. Wie bewertet die Bundesregierung die von Dr. Norbert Walter (Chefvolks-
wirt der Deutschen Bank) und anderen festgestellte „disziplinierende“
Funktion der Finanzanleger gegenüber Regierungen, und inwieweit wer-
den Möglichkeiten der politischen Regulation im Sinne von ökologischer
und sozialer Nachhaltigkeit dadurch eingeschränkt?

Mit welchen Maßnahmen will die Bundesregierung die Fähigkeit der Re-
gulation im Sinne von ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit demgegen-
über stärken?

II. Finanzmärkte und Rentenreform

8. Wie hoch wird der jährliche und kumulierte Anstieg des von Investment-
und Pensionsfonds verwalteten Geldvermögens durch die Einführung der
kapitalgedeckten privaten Komponente zur Rentenvorsorge beziffert?

Erwartet die Bundesregierung eine Veränderung der Aktionärsstruktur und
eine zunehmende Konzentration des Wertpapiervermögens bei institutio-
nellen Investoren?

9. Welche Effekte erwartet die Bundesregierung bei Angebot und Nachfrage
auf dem Kapitalmarkt und damit auf das langfristige Wachstumspotential
eines kapitalgedeckten Altersvermögens bei einem etablierten kapitalge-
deckten Alterssicherungssystem durch die demographische Entwicklung
und die steigende Lebenserwartung?

10. Hat die Bundesregierung bei ihren Plänen zur Einführung der kapitalge-
deckten Komponente in der Rentenreform die hierauf zurückzuführenden
nominellen und relativen Auswirkungen auf die Preise an den Wertpapier-
märkten für die nächsten Jahrzehnte berücksichtigt, und wenn ja, wie?

a) Wurde dabei zwischen der Aufbauphase einer kapitalgedeckten Alters-
sicherung und einem etablierten System unterschieden?

b) Falls hier nicht unterschieden wurde, wie erklärt die Bundesregierung,
dass die ökonomische Funktionslogik der kapitalgedeckten Alterssiche-

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rung bei der Auflösung von Vermögenswerten zum Zeitpunkt des
Eintritts von Alterskohorten in den Ruhestand ab dem Jahr 2010 laut
jüngsten Studien der Investmentbanken Merryl Lynch (Demographics
and the Funded Pension System) und Goldman Sachs (Global Aging-
Capital Market Implication) zu einer Umkehr der Kapitalzuflüsse auf
dem Wertpapiermärkten führen wird?

11. Wie begründet die Bundesregierung, die in der Informationsbroschüre des
Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung (BMA) „Die neue
Rente: Solidarität mit Gewinn“ unterstellte Nominalverzinsung des ange-
legten Kapitals von 6 % für die nächsten 30 Jahre?

a) Welche Realverzinsung erwartet die Bundesregierung für die nächsten
30 Jahre?

b) Hat die Bundesregierung bei der prognostizierten Nominalverzinsung
von 6 % auch die Kursentwicklung des in Wertpapieren angelegten
Kapitals berücksichtigt, und hält sie diese langfristigen Prognosen für
empirisch und theoretisch fundiert?

12. Wie hoch wäre die nominale durchschnittliche Rendite eines Finanzpro-
duktes zur kapitalgedeckten Altersversorgung ex post in den letzten 30 Jah-
ren gewesen, das die Anforderungen der staatlichen Förderung hinsichtlich
einer Portfoliostruktur von 35 % Aktien und 65 % festverzinslichen Wert-
papieren erfüllt hätte?

13. Inwieweit hat die Bundesregierung die gesamtwirtschaftliche Tatsache
berücksichtigt, dass eine Zunahme des angebotenen Kapitals nur zu sin-
kenden Renditen rentabel angelegt werden kann, und unterlagen die daraus
sich ergebenden Effekte der prognostizierten Nominalverzinsung von
durchschnittlich 6 % in den nächsten 30 Jahren?

14. Unterliegt den Analysen der Bundesregierung der grundsätzliche Zusam-
menhang, dass die Renditen des angelegten Kapitals mittel- und langfristig
durch entsprechend rentable Realinvestitionen finanziert werden?

a) Erwartet die Bundesregierung, dass die Probleme eines steigenden Ka-
pitalangebotes und der relativ begrenzten Anlagemöglichkeit durch die
internationale Kapitalanlage umgangen werden kann und die ausländi-
sche Wertschöpfung in den Dienst der nationalen Pensionszahlungen
gestellt wird?

b) In welchen Volkswirtschaften außerhalb der OECD (Organisation für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) und der „emergin
markets“ mit faktisch vergleichbarer demographischen Entwicklung wie
in der Bundesrepublik Deutschland werden die Gelder angelegt, um die
unterstellte Rendite zu garantieren?

15. Falls die Bundesregierung der Annahme nicht zustimmt, es lasse sich mit-
tels internationaler Diversifizierung des Portfolios nicht gleichzeitig das
Kapitalangebot (Menge) erhöhen ohne die Verzinsung (Preis) zu senken,
wie begründet sie dies?

III. Förderung der betrieblichen Altersvorsorge und Entstehung von Pensi-
onsfonds

16. Wie bewertet die Bundesregierung die stattfindende Ausgliederung der be-
trieblichen Altersvorsorge in Pensionsfonds, und hält sie dieses für förde-
rungswürdig?

Welche bilanzrechtlichen und steuerrechtlichen Wirkungen ergeben sich
aus der Ausgliederung der betrieblichen Altersvorsorge?

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 7 – Drucksache 14/6630

17. Welchen generellen Unterschied zwischen den etablierten angelsächsi-
schen Pensionsfondssystemen, sowie den bestehenden und zukünftigen
deutschen Modellen sieht die Bundesregierung?

Lassen sich nach Ansicht der Bundesregierung diese Unterschiede ange-
sichts der von ihr unterstützten europäischen Harmonisierung, Deregulie-
rung der Finanzmärkte und Positionierung deutscher Anbieter als „Global
Player“ aufrecht erhalten?

18. Wie bewertet die Bundesregierung die Vorschläge der EU-Kommission zur
Neuregelung der betrieblichen Altersvorsorge (Pensionsfondsrichtlinie)?

a) Welche Vorschläge hat sie in diesen Diskussionsprozess eingebracht
und mit welchen Positionen wird sie künftig agieren?

b) Wo sieht die Bundesregierung die Konflikte zu anderen EU-Partnern bei
der Gestaltung des einheitlichen Regelwerkes?

19. Bleibt die Bundesregierung bei ihrer Position, die Pensionsfonds der Ver-
sicherungsaufsicht zu unterstellen?

Wie bewertet sie den diesbezüglichen Konflikt zwischen den Versiche-
rungskonzernen sowie den Banken und der Investmentbranche?

20. Welche aufsichtsrechtlichen Mindestvorschriften hinsichtlich der Aktien-
oder Risikokapitalanlage des Investitionsportfolio und der Risikostreuung
sollten nach Ansicht der Bundesregierung für Pensionsfonds in der Bun-
desrepublik Deutschland unabhängig von europäischen Regelungen und
der jeweiligen Aufsichtsbehörde bestehen?

21. Wie schätzt die Bundesregierung generell die Möglichkeit ein, dass die be-
trieblichen Pensionsfonds zur Kurspflege des Aktienwertes des eigenen
Unternehmens eingesetzt werden, um den Eigenkapitalanteil zu erhöhen
und so Fusionen zu finanzieren oder feindliche Übernahmen abzuwehren?

22. Ist von der Bundesregierung beabsichtigt, neben dem Mindeststandard des
guten treuhänderischenden Verhaltens (prudent-man-rule), eine prozentu-
ale Begrenzung der Hereinnahme von Aktien aus dem eigenen Konzern-
umfeld in das Portfolio der betrieblichen Fonds festzusetzen?

a) Bei wie viel Prozent soll diese Begrenzung liegen?

b) Wenn hier keine gesetzlichen Regeln vorgesehen sind, um den Anbie-
tern in Deutschland keine Nachteile zu verschaffen, wie bewertet die
Bundesregierung die Erfahrungen mit Querfinanzierungen zwischen
Pensionsfonds und Unternehmen, Bankrotten und dem Verlust der Pen-
sionsgelder in den USA und Großbritanien, die den Gesetzgeber perma-
nent zum Handeln veranlasst?

c) Wie bewertet die Bundesregierung prinzipiell die in den angelsächsi-
schen Systemen seit Einführung zu beobachtenden negativen Folgen
von Pensionsfonds und den daraus resultierenden politischen Regulie-
rungen zum Schutz der Anleger und potenziellen Pensionäre durch den
Gesetzgeber?

23. Welche Verpflichtungen sollen nach Ansicht der Bundesregierung die be-
trieblichen Pensionsfonds zur Garantie des eingezahlten Betrags und Aus-
zahlung einer lebenslangen und fixen monatlichen Rate auf der Basis des
akkumulierten Vermögens beim Eintritt in die Rente übernehmen, um das
Armutsrisiko im Alter und die damit verbundene Inanspruchnahme der so-
zialen Sicherungssysteme zu minimieren?

Drucksache 14/6630 – 8 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

24. Welche Mitbestimmungsmöglichkeiten haben die Beschäftigten bei der
Anlagestrategie ihrer Gelder in den ausgegliederten Pensionsfonds?

Ist es für die Bundesregierung nachvollziehbar, dass es nicht im Interesse
der Beschäftigten ist, wenn die betrieblichen Pensionsfonds ihr Kapital bei
Unternehmen anlegen, die soziale und arbeitsrechtliche Standards unter-
laufen, und welche Schritte zum Ausbau der Mitbestimmung resultieren
hieraus?

IV. Gesamtwirtschaftliche Wirkungen und Beitragsstabilität

25. Erwartet die Bundesregierung eine Erhöhung der Sparquote der Arbeitneh-
mer durch die staatliche Förderung der Eigenvorsorge von bis zu 4 % des
Bruttogehalts?

Hat die Bundesregierung die Effekte auf die Konsumnachfrage quantifi-
ziert oder zumindest berücksichtigt?

26. Ist die Erhöhung der Sparquote des Arbeitnehmers eine notwendige An-
nahme der Bundesregierung, um beim Renteneintritt ein höheres Vermö-
gen und damit einen Ausgleich für das abnehmende umlagefinanzierte
Rentenniveau zu gewährleisten?

27. Wie bewertet die Bundesregierung die quantitativen und qualitativen Fol-
gen der kapitalgedeckten Altersvorsorge auf das gesamtwirtschaftliche In-
vestitionsvolumen?

a) Teilt die Bundesregierung die Ansicht, dass die Absatzerwartungen der
Unternehmen u. a. ihr Investitionsverhalten beeinflusst?

b) Welche anderen Faktoren beeinflussen statt der Absatzerwartungen das
Investitionsverhalten der Unternehmen?

28. Welche Reaktionen auf die Außenhandelsbilanz erwartet die Bundesregie-
rung durch die private Altersvorsorge induzierte Reduzierung der so ge-
nannten Lohnnebenkosten?

a) Hält es die Bundesregierung trotz Rekordzahlen beim Export und über
Jahrzehnten kumulierten Handelsbilanzüberschüssen für einen wichti-
gen Effekt der Rentenreform, dass die internationale Wettbewerbsfähig-
keit durch eine Senkung der Lohnnebenkosten weiter erhöht wird?

b) Stellt der damit verbundene „Export von Arbeitslosigkeit“ eine solidari-
sche Politik gegenüber den Handelspartnern dar?

29. Welche Wirkungen für das gesamtwirtschaftliche Wachstum prognostiziert
die Bundesregierung durch die Teilkapitaldeckung der Altersvorsorge?

a) Wie bewertet die Bundesregierung nationale und internationale For-
schungsergebnisse, die negative Effekte hinsichtlich des Wirtschafts-
wachstums durch Einführung und den Aufbau einer kapitalgedeckten
Altersvorsorge erwarten?

b) Hat die Bundesregierung die Rückwirkungen eines geringeren Wirt-
schaftswachstums mit der Folge von geringeren Erwerbstätigenzahlen
und einer niedrigeren Lohnsumme bei ihrer Prognose des Beitragssatzes
für die gesetzliche Rentenversicherung der nächsten 30 Jahre berück-
sichtigt?

30. Nimmt die Bundesregierung an, dass ein Kapitaldeckungsverfahren immun
gegen Veränderungen der Lebenserwartung oder der Bevölkerungs- und
Erwerbstätigenstruktur ist und wie begründet sie dies?

31. Welche Konsequenzen ergeben sich für die Bundesregierung aus der öko-
nomischen Funktionslogik, dass die Finanzierung einer Rente/Pension nie

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 9 – Drucksache 14/6630

von der Finanzierungstechnik abhängt, sondern immer vom realen Kon-
sumverzicht der erwerbstätigen Bevölkerung?

32. Prognostiziert die Bundesregierung wirklich, dass sich ohne die vorgelegte
Rentenreform für das Jahr 2030 ein paritätisch finanzierter Beitragssatz
von bis zu 52 % ergebe, da die Beschäftigten des Jahres 2030 laut BMA
(„Die neue Rente: Solidarität mit Gewinn“, S. 17) bereits alleine einen Bei-
trag bis zu 26 % zahlen müssten?

33. Wie begründet die Bundesregierung, dass im Gegensatz zur unsicheren
Entwicklung der Beitragsbelastung des Arbeitnehmers aus gesetzlichen
und privaten Beiträgen durch die Rentenreform, die Arbeitgeber durch die
Reform mit Sicherheit von der Senkung der Lohnnebenkosten (3,35 % im
Jahr 2030) profitieren?

34. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass die Finanzinstitutionen, die
durch den Kauf und Verkauf von Wertpapieren für die kapitalgedeckte
Altersvorsorge ihre Provisionseinnahmen erhöhen, neben den Arbeitgebern
die zweite Gruppe sind, die auf jeden Fall von der Rentenreform profitieren
werden?

V. Umverteilung und soziale Folgen

35. Wenn die kapitalgedeckte Altersversorgung ein so effektiver Baustein ist,
der durch seine Integration in das Rentensystem „die Sicherung des im
Erwerbsleben erreichten Lebensstandards im Alter“ (Gesetzentwurf, Bun-
destagsdrucksache 14/4595) gewährleistet, warum werden dann an die pri-
vaten Finanzprodukte hinsichtlich der Zertifizierung der staatlichen Förde-
rungswürdigkeit geringere Anforderungen (Garantie des eingezahlten
Kapitals ohne Ausgleich von Lohn- und Preissteigerungen) gestellt als die
umlagefinanzierte Rente bietet?

36. Wie begründet die Bundesregierung, dass nach den Informationen des
BMA („Die neue Rente: Solidarität mit Gewinn) ein allein stehender Ar-
beitnehmer mit einem Jahresbruttogehalt von 60 000 DM damit rechnen
muss, dass er nach den Kosten für die gesetzliche und private Rentenversi-
cherung im Jahre 2008 im Durchschnitt 2,1 % weniger für seine sonstigen
Ausgaben und zum Sparen zur Verfügung hat?

Ist es richtig, dass selbst dem verheirateten Facharbeiter mit einem Jahres-
bruttoeinkommen von 60 000 DM und zwei Kindern trotz staatlicher För-
derungen im Jahre 2008 nach den Kosten für die gesetzliche und private
Rentenversicherung weniger Geld frei zur Verfügung steht?

37. Wie kann die Bundesregierung eine Entwicklung, in welcher der Arbeit-
nehmer für die gesetzliche und private Rentenversicherung kontinuierlich
einen größeren Anteil seines Bruttoeinkommens aufwenden muss, als Bei-
tragsstabilität bezeichnen?

38. Wie rechtfertigt die Bundesregierung den Umstand, dass die Arbeitneh-
merhaushalte den größten Anteil der staatlichen Förderung für ihre private
zusätzliche Altersversorgung durch direkte und indirekte Steuerzahlungen
selbst finanzieren?

39. Welchen Handlungsbedarf sieht die Bundesregierung dadurch gegeben,
dass Haushalte mit geringem Einkommen und hoher Konsumquote den
notwendigen 4 %igen Eigenbeitrag zur Alterssicherung nicht aufbringen
können und somit keine staatliche Förderung erhalten?

a) Wie hoch schätzt die Bundesregierung, basierend auf den jüngsten Zah-
len des Armuts- und Reichtumsberichts, nach dem jeder dritte Privat-
haushalt verschuldet ist, diese Gruppe ein?

Drucksache 14/6630 – 10 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

b) Resultiert daraus eine Zunahme der Einkommensunterschiede innerhalb
einer Rentnergeneration?

c) Wie hoch veranschlagt die Bundesregierung die Zunahme der Personen,
die im Ruhestand wegen mangelnder Rente aus der gesetzlichen Ren-
tenversicherung auf Sozialleistungen angewiesen sind?

d) Wenn die Bundesregierung hier keine Probleme erkennen kann, wie be-
gründet sie dies?

40. Wie begründet die Bundesregierung, dass die Beträge der Arbeitgeber für
die betrieblichen Pensionsfonds in voller Höhe sozialversicherungs- und
steuerfrei gestellt werden und die bisherige Pauschalversteuerung von
20 % abgeschafft wird?

a) Wie hoch bezifferte die Bundesregierung diesbezügliche Einnahmeaus-
fälle beim Steueraufkommen und den Sozialversicherungssystemen,
und wie werden diese kompensiert?

b) Erhofft sich die Bundesregierung über die Steuerfreistellung der Arbeit-
geberbeträge eine stärkere Förderung der unteren Einkommen, als über
die staatliche Subvention möglich ist?

41. Wie begründet die Bundesregierung, dass mit der Rentenreform seit dem
1. Januar 2001 die Teilrente bei Berufsunfähigkeit bei Beschäftigten unter
40 Jahren entfällt?

a) Wie hoch veranschlagt sie die seit dem Zeitpunkt anfallenden durch-
schnittlichen monatlichen Kosten für eine private Berufsunfähigkeits-
versicherung bei unterschiedlichem Risiko?

b) Wie schätzt die Bundesregierung das Problem ein, dass sich zukünftig
nicht alle Beschäftigten gegen eine Berufsunfähigkeit privat versichern
werden bzw. können und sich das soziale Risiko dieser Personen er-
höht?

c) Resultiert daraus ein höherer Finanzbedarf an anderer Stelle des Sozial-
systems und wie hoch wird der zusätzliche Bedarf eingeschätzt?

d) Wenn hieraus keine zusätzlichen Kosten z. B. bei der Sozialhilfe entste-
hen, wie begründet die Bundesregierung dieses?

Berlin, den 4. Juli 2001

Ursula Lötzer
Pia Maier
Rolf Kutzmutz
Gerhard Jüttemann
Roland Claus und Fraktion

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