BT-Drucksache 14/6384

zu der Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Ulf Fink, Horst Seehofer, Wolfgang Lohmann (Lüdenscheid), weiterer Abg. und der Fraktion der CDU/CSU -14/3887, 14/5700- Zukunft des Gesundheitswesens

Vom 20. Juni 2001


Deutscher Bundestag Drucksache 14/6384
14. Wahlperiode 20. 06. 2001

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Dr. Dieter Thomae, Detlef Parr, Dr. Irmgard Schwaetzer,
Ina Albowitz, Hildebrecht Braun (Augsburg), Ernst Burgbacher, Klaus Haupt,
Ulrich Heinrich, Walter Hirche, Ulrich Irmer, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp,
Ina Lenke, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Dirk Niebel, Günther Friedrich
Nolting, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Cornelia Pieper, Dr. Edzard Schmidt-
Jortzig, Carl-Ludwig Thiele, Dr. Guido Westerwelle, Dr. Wolfgang Gerhardt und
der Fraktion der F.D.P.

zu der Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Ulf Fink, Horst Seehofer,
Wolfgang Lohmann (Lüdenscheid), weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der CDU/CSU
– Drucksachen 14/3887, 14/5700 –

Zukunft des Gesundheitswesens

Der Bundestag wolle beschließen:

Krankheit und ihre Folgewirkungen sind eines der großen Lebensrisiken, die
ohne kollektive Absicherung schnell zur Überforderung des Einzelnen führen.
Es ist ein Grundbedürfnis der Menschen, sich darauf verlassen zu können, im
Krankheitsfall die notwendige medizinische Betreuung und finanzielle Unter-
stützung zu erhalten. Der Staat muss deshalb Rahmenbedingungen schaffen,
die es den Menschen unabhängig von ihrem Einkommen oder einer eventuellen
Behinderung oder Vorerkrankung ermöglichen, das Krankheitsrisiko und seine
Folgen abzusichern. Er darf jedoch nicht alles bis ins Kleinste regeln und auf
diese Weise die Kreativität der im Gesundheitswesen Beteiligten strangulieren.

Bei der Gestaltung des Gesundheitswesens sind Rahmenbedingungen zu be-
rücksichtigen, die unter anderem durch die Volkswirtschaft vorgegeben sind:

– die Begrenztheit der Ressourcen, die nicht alles Wünschenswerte möglich
macht,

– die in den nächsten Jahren deutlich steigende Zahl älterer Menschen, die
mehr Gesundheitsleistungen brauchen,

– der medizinische Fortschritt, der meist kostenintensiv ist,

– die Lohn- und die Arbeitsmarktentwicklung, die Auswirkungen auf die Bei-
tragseinnahmen der GKV hat sowie

– die Globalisierung und der damit zunehmende Wettbewerbsdruck auf die in-
ländische Wirtschaft, der Beitragssatzsteigerung bei der heutigen Finanzie-
rungsform nicht zulässt.

Drucksache 14/6384 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Um dafür zu sorgen, dass die Menschen sich auch in Zukunft darauf verlassen
können, im Krankheitsfall versorgt zu sein, brauchen wir ein Gesundheitswe-
sen, das

– einen bezahlbaren Versicherungsschutz für alle garantiert,

– von gesamtgesellschaftlicher Verantwortung für finanziell und sozial
Schwache getragen ist,

– sich am tatsächlichen Bedarf der Patienten orientiert,

– eine gute medizinische Versorgung aller Bürgerinnen und Bürger gewähr-
leistet,

– den Menschen Gestaltungsmöglichkeiten für den Umfang ihres Versiche-
rungsschutzes gibt,

– die Marktkräfte nutzt, um bei der Gesundheitsversorgung möglichst große
Effizienz in Form niedriger Preise und hoher Qualität zu erreichen,

– Anreize für alle Beteiligten setzt, mit den vorhandenen Ressourcen sparsam
umzugehen,

– die Anreize zur Eigenverantwortung der Versicherten stärkt und ihnen dabei
hilft, ein gesundheitsbewusstes Leben zu führen,

– die freie Wahl der Leistungserbringer durch die Versicherten garantiert,

– auf Transparenz und Information aufbaut,

– auf Kostenerstattung anstelle des Sachleistungssystems setzt,

– Schluss macht mit gesetzlich vorgegebenen Budgets gleich welcher Art,

– feste Preise für ärztliche und zahnärztliche Leistungen vorsieht,

– im Krankenhausbereich ein echtes Preissystem statt staatlich festgesetzter
Ausgabenbegrenzung vorsieht,

– auf Wettbewerb und Eigeninitiative setzt und nicht auf Bürokratie,

– nachhaltig Vorsorge für die Auswirkungen der demographischen Entwick-
lung trifft, indem den Versicherten mehr Geld in der Tasche verbleibt, um
Chancen für die rechtzeitige Bildung einer Vorsorge zu schaffen und

– der europäischen Entwicklung Rechnung trägt. Das bedeutet:

1. Der Staat setzt den Rahmen – die Bürger gestalten

Das System braucht eine grundlegende Umorientierung. Grundsätzlich ist
der Markt mit seiner Vielfalt der handelnden Personen und seiner Flexibili-
tät am besten geeignet, die Gesundheitsversorgung zu optimieren. Der Staat
hat nur dort das Recht, dann allerdings auch die Pflicht, steuernd einzugrei-
fen, wo der Markt versagt. Er hat den Rahmen für eine sozial verantwort-
liche Gesundheitspolitik zu setzen, nicht jedoch alles und jedes bis ins
kleinste Detail gesetzlich zu regeln, wie das heute weitgehend der Fall ist.

2. Mehr Wettbewerb für versicherten- und patientengerechte Lösungen

Der mit dem Gesundheitsstrukturgesetz begonnene Weg, über die Auswei-
tung der Wahlfreiheit den Wettbewerb der Krankenkassen zu beleben, hat
bereits viel in Bewegung gebracht. Der Druck auf die einzelne Kranken-
kasse, einen möglichst niedrigen Beitragssatz anzubieten, hat die Kreativität
der Beteiligten erheblich befördert. Diese Entwicklungen müssen intensi-
viert werden.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/6384

Die gesetzliche Vorgabe für einheitliche und gemeinsame Verhandlungen
der Krankenkassen muss fallen. Auf diese Weise konkurrieren die Kranken-
kassen um die besseren Ideen und um die besseren Verhandlungsergebnisse.
So lassen sich kassenindividuelle Effizienzreserven erzielen, die dem Bei-
tragszahler zugute kommen. Das Ausnutzen von staatlich vorgegebenen
Monopolstellungen muss ausgeschlossen sein.

Das Volumen des Risikostrukturausgleichs ist zu begrenzen. Ziel des Risi-
kostrukturausgleichs muss es sein, echte Risikodisparitäten der Kassen aus-
zugleichen. Eine Ausweitung des heutigen Ausgleichs mit dem alleinigen
Ziel einer Verkleinerung der Beitragsspreizung wird abgelehnt. Abgelehnt
wird auch eine Einschränkung der Wahlrechte der Versicherten z. B. durch
längerfristige Bindungsfristen.

An die Stelle staatlicher Vorgaben müssen Verhandlungslösungen treten,
weil die im Gesundheitswesen Tätigen über wesentlich fundiertere Informa-
tionen der örtlichen Notwendigkeiten verfügen als der Gesetzgeber. Staatli-
che Planwirtschaft führt zu Missmanagement und Fehlleitung knapper Res-
sourcen.

Auch auf Seiten der Leistungsanbieter ist Wettbewerb erforderlich, um eine
effiziente Gesundheitsversorgung der Bevölkerung zu erreichen. Dabei
muss der freie Zugang zur Berufsausübung stets erhalten bleiben. Budgetie-
rung und Bedarfsplanung hemmen die Entwicklung und passen nicht in ein
zusammenwachsendes Europa.

3. Wettbewerb braucht Information und Transparenz – Kostenerstattung
statt Sachleistung

Das Bedürfnis der Bürger über das, was mit ihnen im Krankheitsfall ge-
schieht, mitzubestimmen, wächst. Dafür brauchen sie Informationen, um ra-
tionale Entscheidungen treffen zu können.

Versicherte und Patienten haben ein Anrecht darauf, sich umfassend und
neutral informieren zu können. Das Werbeverbot muss so weit gelockert
werden, dass Ärzte und Zahnärzte über ihre Qualifikationen informieren
können. Krankenhäuser sollten z. B. ausweisen, welche Operationen in wel-
cher Anzahl sie pro Jahr erbringen und an welchen Qualitätssicherungsmaß-
nahmen sie teilnehmen, damit einweisender Arzt und Patient Anhaltspunkte
für die Qualität der Versorgung gewinnen können.

Patient und Arzt müssen wissen, wie teuer eine Behandlung ist und zwar im
Vornherein und nicht erst Monate später. Das Sachleistungsprinzip hält den
Patienten künstlich uninformiert. Wie soll sich ein Patient kostenbewusst
verhalten, wenn er nicht einmal den Preis für seine Behandlung kennt?
Reine Korrekturen an dem bevormundenden Sachleistungsprinzip, wie z. B.
eine Rechnungslegung im Nachhinein helfen nicht weiter. Sie sind zu
unpraktikabel und verwaltungsaufwendig. Statt dessen muss grundsätzlich
die Kostenerstattung die Sachleistung ersetzen.

4. Leistungsgerechte Vergütungen anstelle rationierender Ausgaben-
deckelungen

Die bevormundende leistungsfeindliche Ausgabendeckelung, egal ob Glo-
bal- oder Sektoralbudget muss abgeschafft werden, denn sie führt zu Ratio-
nierung in Arztpraxen, Apotheken und Krankenhäusern gegen die sich der
Einzelne kaum wehren kann. Warteschlangen, wie in den skandinavischen
Ländern und Altersgrenzen, wie in England dürfen in Deutschland nicht Re-
alität werden. Die Budgetierung muss durch leistungsgerechte Vergütungen
und Anreize zu wirtschaftlichem Handeln auf allen Seiten ersetzt werden.

Drucksache 14/6384 – 4 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Jede Korrektur am heutigen Budgetierungssystems – so notwendig sie im
Einzelnen auch sein mag, wie z. B. die Berechnung der Kopfpauschalen ge-
mäss Wohnortprinzip – führt zu noch mehr Bürokratie, die niemand mehr
durchblickt. Dieses System muss deshalb abgeschafft werden. Für die Ärzte
und Zahnärzte bedeutet das feste Preise für die von ihnen zu erbringenden
Leistungen, damit sie Planungssicherheit gewinnen. Besonders wichtig ist
das für die Ärzte und Zahnärzte in den neuen Bundesländern.

Bei den Arzneimitteln und Heilmitteln müssen Richtgrößen mit Empfeh-
lungscharakter, die die medizinischen Notwendigkeiten wiederspiegeln, die
Budgets ersetzen. Auch diese Maßnahme ist von großer Bedeutung für die
neuen Bundesländer, um der ungünstigeren Morbiditätsstruktur Rechnung
tragen zu können.

Für die Krankenhäuser ist sorgfältig ein Preissystem auf der Grundlage von
Fallpauschalen zu entwickeln. Das bedeutet, dass für eine Budgetierung
kein Raum mehr ist, dass die Finanzierung aus einer Hand erfolgen muss
und dass sich die Planung der Länder auf eine Rahmenplanung zu beschrän-
ken hat.

Flankiert werden müssen die Umstellungen der Vergütungssysteme durch
Maßnahmen der Qualitätssicherung, um Über- und Unterversorgungen zu
verhindern. Praxisorientierte Leitlinien als Richtschnur für medizinisches
Handeln sind deshalb notwendig. Um die Therapiefreiheit nicht in Gefahr
zu bringen, müssen sie Empfehlungscharakter haben. Sie sollen Handlungs-
orientierung geben, nicht aber den Pfad zur Einheitsmedizin legen.

5. Boni und Selbstbeteiligungen als Anreize für wirtschaftliches Verhalten

Die Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen wird von den Versicherten
mitbestimmt. Sie können durch ein gesundheitsbewusstes Leben dazu bei-
tragen, Krankheiten zu vermeiden. Informationen darüber, wo Risiken lie-
gen und wie ihnen begegnet werden kann sowie Angebote zur Gesundheits-
erhaltung müssen deshalb frühzeitig in Kindergärten und Schulen erfolgen.
Bonussysteme, wie beim Zahnersatz, tragen dazu bei, die Motivation zu un-
terstützen.

Versicherungssysteme, bei denen mit der Prämienzahlung alle Ansprüche
abgedeckt sind, tragen dazu bei, dass Leistungen verstärkt in Anspruch ge-
nommen werden, weil die Auswirkungen des individuellen Verhaltens sich
in den Beiträgen nur indirekt und unmerklich niederschlagen. Eine Selbstbe-
teiligung, die neben dem – entsprechend niedrigeren Beitrag – zu zahlen ist,
ist deshalb sinnvoll und schützt die Gemeinschaft vor Überforderung. In
Kombination mit der Kostenerstattung bietet sich ein Selbstbehalt an, der er-
gänzt wird durch prozentuale Selbstbeteiligungsregelungen. Regelungen für
einkommensschwache Versicherte müssen dafür sorgen, dass niemand von
medizinisch notwendigen Gesundheitsleistungen ausgeschlossen wird.

6. Arbeitgeberbeitrag als Lohnbestandteil – Grundlage für Transparenz
und individuelle Gestaltungsspielräume

Die Übernahme des Arbeitgeberanteils als echten Bestandteil des Lohnes,
die einkommenssteuerneutral erfolgen muss, macht dem Einzelnen deutlich,
was sein Krankenversicherungsschutz tatsächlich kostet. Das erhöht den
Anreiz, stärker auf das Preis-Leistungsverhältnis der Krankenkassen zu ach-
ten und verschärft damit den Wettbewerb um versichertengerechte Lösun-
gen.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 5 – Drucksache 14/6384

Die Abkopplung der Krankenversicherungsbeiträge von den Lohnzusatz-
kosten erleichtert die Schaffung von individuellen Spielräumen zur Gestal-
tung der Tarife.

Ferner wird der Automatismus zwischen steigenden Gesundheitsausgaben
und steigenden Lohnkosten durchbrochen und damit die Wettbewerbsfähig-
keit der deutschen Wirtschaft im Zuge der Globalisierung gestärkt.

7. Begrenzung der Zwangsbeiträge auf Kernleistungen – Wahlmöglich-
keiten und Gestaltungsspielräume für individuelles Handeln eröffnen

Das heutige System widerspricht dem Wunsch vieler Menschen, ihre Be-
lange möglichst umfassend in eigener Verantwortung zu regeln. Die Tarifge-
staltung in der GKV muss deshalb flexibler werden. Versicherte müssen im
Rahmen des Solidaritätsprinzip die Möglichkeit haben, Tarife mit unter-
schiedlichen Optionen abzuschließen. Wettbewerbsparameter sollen nicht
allein Beitragssatz und Service sein. Auch die Struktur des Versorgungsan-
gebotes in Form von Disease Managementprojekten oder Hausarztmodellen
oder Integrationsmodellen soll über die Wahl der Krankenkasse mitbestim-
men.

Um Spielräume für einen individuelleren Versicherungsschutz zu schaffen,
wird zudem der Leistungskatalog der überwiegend über Zwangsabgaben fi-
nanzierten gesetzlichen Krankenversicherung auf das medizinisch Notwen-
dige begrenzt.

Leistungen, die vom Einzelnen durch Wahrnehmung der Verantwortung für
die eigene Gesundheit vermieden werden können, gehören nicht in den
Kernkatalog der GKV. Um den Menschen zu ermöglichen, diese Verantwor-
tung wahrzunehmen, brauchen sie Unterstützung durch geeignete, evaluierte
Präventionsangebote. Genauso wichtig sind Früherkennungsuntersuchun-
gen, die hohen qualitativen Ansprüchen genügen. Selbstverständlich besteht
die Möglichkeit, nicht im Kernkatalog enthaltene Leistungen privat abzusi-
chern.

Zusammen mit einer Reduzierung des Mehrwertsteuersatzes für Arzneimit-
tel sowie der Rückgängigmachung der erheblichen Finanztransfers in andere
Sozialversicherungszweige, die die rot-grüne Regierungskoalition in den
letzten zwei Jahren vorgenommen hat, wird der Beitragssatz für alle Bei-
tragszahler deutlich reduziert. Ergänzt durch eine mutige Steuerreform, wie
die F.D.P. sie mit ihrem Stufenmodell vorschlägt, verbleibt den Bürgern er-
heblich mehr Geld in ihrer Tasche, das sie nach eigenem Belieben verwen-
den können.

8. Chancen in Europa nutzen

Die grenzüberschreitende Mobilität der Erwerbstätigen nimmt in Folge des
Binnenmarktes immer weiter zu und damit auch die grenzüberschreitende
Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen. Waren und Dienstleistungen
im Gesundheitswesen lassen sich nicht abschotten. Dafür wird schon die eu-
ropäische Rechtsprechung sorgen. Das bundesdeutsche Gesundheitssystem
muss deshalb so umgestaltet werden, dass die Chancen im europäischen
Raum genutzt werden können.

Die Grenzen der Leistungsinanspruchnahmen dürfen nicht an den nationa-
len Grenzen enden. Es müssen die Voraussetzungen für einen europaweiten
Wettbewerb für Leistungen im Gesundheitswesen geschaffen werden.

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9. Chancen moderner Informationstechnologie im Gesundheitswesen
nutzen

Der Einsatz moderner Informationstechnologie im Gesundheitswesen kann
zu einer deutlich gesteigerten Qualität der Patientenversorgung, zu Effi-
zienzsteigerungen und Kostensenkungen führen. Die Strukturen des Gesund-
heitswesens, die gegenüber den Möglichkeiten der modernen Telemedizin
innovationshemmend sind, müssen neuen Versorgungskonzepten angepasst
werden. Die moderne Telemedizin wird die grenzüberschreitende Inan-
spruchnahme von Gesundheitsleistungen beträchtlich ausweiten. Diese Ent-
wicklung darf nicht durch nationale Grenzziehungen behindert werden.

Berlin, den 20. Juni 2001

Dr. Dieter Thomae
Detlef Parr
Dr. Irmgard Schwaetzer
Ina Albowitz
Hildebrecht Braun (Augsburg)
Ernst Burgbacher
Klaus Haupt
Ulrich Heinrich
Walter Hirche
Ulrich Irmer
Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp
Ina Lenke
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Dirk Niebel
Günther Friedrich Nolting
Hans-Joachim Otto (Frankfurt)
Cornelia Pieper
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
Carl-Ludwig Thiele
Dr. Guido Westerwelle
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

Begründung

Das deutsche Gesundheitswesen ist in den letzten Jahren zunehmend in die
Mühlen der Bürokratie und der Reglementierung geraten. Ein Kostendämp-
fungsgesetz nach dem anderen hat die Spielräume für effizientes Handeln durch
starre gesetzliche Vorgaben stark eingeschränkt. Die Reform der Koalition aus
CDU/CSU und F.D.P. aus der letzten Legislaturperiode, die eine Umsteuerung
in Richtung Wettbewerb, Wahlfreiheiten, Eigenverantwortlichkeit und Transpa-
renz vorsah, ist von der Koalition aus SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
bedauerlicherweise umgehend nach der Wahl zurückgenommen worden, mit
fatalen Konsequenzen für die Versorgung der Patienten, die unter der Ratio-
nierung zu leiden haben. Marktwirtschaftliche Kräfte, die zu echter Kosten-
dämpfung führen, sind hingegen nicht zum Zuge gekommen. Dirigismus aber
führt zwangsläufig zu mehr Bürokratie und weiteren Kostensteigerungen.

Um die Chancen des Gesundheitssektors als Wachstumsmarkt zu nutzen und
den Menschen Gestaltungsspielräume zu geben, ist ein grundlegendes Umden-

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 7 – Drucksache 14/6384

ken erforderlich. Ein Teil der höheren Ausgaben im Gesundheitswesen ist
nichts anderes als der Ausdruck einer höheren Präferenz der Bürger für Ge-
sundheitsleistungen und damit einer steigenden Nachfrage. In anderen Wirt-
schaftsbereichen ist gerade dies ausdrücklich erwünscht. Im Gesundheitswesen
hingegen wird immer wieder der Versuch unternommen, diese Entwicklung
durch Festschreibung des Betrages zu unterbinden, der maximal für die Versor-
gung im Rahmen der GKV ausgegeben werden darf, mit entsprechenden Kon-
sequenzen der Rationierung bei der Leistungsgewährung. Diese Entmündigung
wird mit der Anbindung an die Lohnkosten gerechtfertigt, die wegen der Wett-
bewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft in einer globalisierten Weltwirt-
schaft tatsächlich nicht weiter steigen dürfen. Die Antwort muss jedoch anders
lauten: Abkoppelung der Gesundheitsausgaben von den Lohnkosten durch
Auszahlung oder Festschreibung des Arbeitgeberbeitrages und nicht staatsge-
steuerte Ausgabenbegrenzung ohne Rücksicht auf die Bedürfnisse der Versi-
cherten. Die Versicherten- und Patientenautonomie muss Vorrang haben vor ei-
ner auch noch so gut gemeinten Bevormundung durch den Staat. Dabei müssen
Marktmechanismen als Instrumente zur Erreichung einer möglichst hohen Effi-
zienz genutzt werden. Das setzt Eigenverantwortung und Wahlfreiheit, Infor-
mation und Transparenz, echte Preissysteme und Anreize zu sparsamem Ver-
halten voraus.

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