BT-Drucksache 14/6382

zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung -14/5741, 14/6352- Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVerfG-Reformgesetz)

Vom 21. Juni 2001


Deutscher Bundestag Drucksache 14/6382
14. Wahlperiode 21. 06. 2001

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Dr. Ruth Fuchs, Dr. Klaus Grehn, Uwe Hiksch,
Dr. Heidi Knake-Werner, Pia Maier und der Fraktion der PDS

zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung
– Drucksachen 14/5741, 14/6352 –

Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Betriebsverfassungsgesetzes
(BetrVerfG-Reformgesetz)

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Reform des Betriebsverfassungsgesetzes von 1972 ist eine der wichtigsten
Aufgaben im Zusammenhang mit der Anpassung des Arbeitsrechts an die Ver-
änderungen der Betriebs- und Beschäftigtenstruktur sowie der neuen Wettbe-
werbsbedingungen. Angesichts der weit reichenden Umbrüche der vergange-
nen zwei Jahrzehnte ist die Reform des Betriebsverfassungsgesetzes lange
überfällig und erfolgt zu einem Zeitpunkt, wo wesentliche Teile des Gesetzes
schon seit Jahren nicht mehr der Realität gerecht werden. Die Notwendigkeit
des Reformgesetzes ergibt sich in erster Linie aus der nachlassenden Wirkung
des Gesetzes für eine demokratische und sozialverträgliche Gestaltung der
betrieblichen Beziehungen zwischen Arbeit und Kapital. Um die 1972 vom
Gesetzgeber beabsichtigten Ziele des Betriebsverfassungsgesetzes wieder
erreichbar zu machen, wäre eine völlige Überarbeitung des Gesetzes notwendig
gewesen. Der Antrag der Bundesregierung hat sich dieser Aufgabe weitgehend
entzogen.

Die vorgenommenen Änderungen werden dem erdrückenden Reformbedarf der
betrieblichen Praxis nicht gerecht und erschöpfen sich in unausweichlichen
Präzisierungen der Aufgabenkataloge für Arbeitgeber und Betriebsrat. Dies gilt
zum Beispiel für die Unterrichtung des Betriebsrates in Sachen Umweltschutz,
für die anteilige Beteiligung von Frauen in den Betriebsräten und die Integra-
tion ausländischer Beschäftigter sowie der Bekämpfung von Rassismus und
Fremdenfeindlichkeit. Hier holt der Gesetzentwurf nur nach, was bereits Praxis
der meisten Betriebsräte ist. Auch wo gegenüber dem geltenden Gesetz neue
Rechte und Ansprüche des Betriebsrates aufgenommen wurden, entsprechen
sie weitgehend der schon geltenden Rechtsprechung.

Das vereinfachte Wahlverfahrens, wie auch die verbesserten Freistellungsmög-
lichkeiten für Betriebsräte sind zu begrüßen, werden aber den eigentlichen
Problemen nicht gerecht. Der bedenklichen Abnahme von Betrieben mit
betrieblicher Interessenvertretung ist allein mit einem vereinfachten Wahlver-

Drucksache 14/6382 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

fahren nicht zu begegnen. Solange die Wahl von Betriebsräten nicht gesetzlich
vorgeschrieben ist, werden der steigende Konkurrenzdruck in den Betrieben,
die Ausdifferenzierung der Betriebsstruktur und vor allem die Repressalien der
Arbeitgeber weiter verhindern, dass mindestens in der Mehrheit der Betriebe
betriebliche Interessenvertretungen gewählt werden. Mit der verbesserten Frei-
stellungsregelung und der Erhöhung der Zahl zu wählender Betriebsratsmit-
glieder kommt das Reformgesetz der Bundesregierung den betrieblichen Ver-
änderungen nur sehr beschränkt entgegen. Angesichts der wachsenden Auf-
gaben des Betriebsrates und der bei gleich bleibendem Betriebsergebnis abneh-
menden Beschäftigtenzahl, müssten die Arbeitsmöglichkeiten der Betriebsräte
wesentlich deutlicher verbessert werden, um zu dem Standard zurückzukehren,
den das Gesetz von 1972 entsprechend dem damaligen Entwicklungstand von
Wirtschaft und Technik ermöglichte.

Das größte Defizit der Novellierung wird durch den Verzicht auf strukturelle
Reformen der betrieblichen Mitbestimmung verursacht. Weil der Kern des
Gesetzes im Wesentlichen unverändert bleibt, verfehlt das Reformgesetz sein
wichtigstes Ziel, nämlich die Anpassung der Mitwirkungs- und Mitbestim-
mungsrechte an die neuen technischen und wirtschaftlichen Bedingungen.

Es bleibt weiterer Reformbedarf, der insbesondere folgende Probleme betrifft:

1. Durch das vereinfachte Wahlverfahren wird lediglich der Zeitraum verkürzt,
in dem der Arbeitgeber die Wahl eines Betriebsrates durch Versprechungen
oder Repressionen verhindern kann. Die Möglichkeit an sich wird nicht ein-
geschränkt. Die Straf- und Bußgeldvorschriften des § 119 BetrVG sind zu
verschärfen. Um die Repressionsmöglichkeiten des Arbeitgebers weiter zu
begrenzen, ist eine zeitliche und sachliche Ausweitung des Kündigungs-
schutzes für alle Beschäftigten notwendig, die an der Wahlvorbereitung
beteiligt sind.

2. Die Wahl von Konzernbetriebsräten und Wirtschaftsausschüssen muss
obligatorisch werden.

3. Die Möglichkeit zur Teilfreistellung von Betriebsräten muss zeitlich gestaf-
felt auch in Betrieben mit weniger als 200 Beschäftigten eingeräumt wer-
den.

4. Auszubildende in über- und außerbetrieblichen Ausbildungsstätten müssen
als Arbeitnehmer im Sinne des § 5 BetrVG einbezogen werden.

5. Das Mandat der Betriebsräte muss auf die gesamte Randbelegschaft ausge-
dehnt werden. Einzubeziehen sind insbesondere arbeitnehmerähnliche Selb-
ständige und Werkvertragsarbeiter.

6. Die Möglichkeit des Betriebsrates zur Unterstützung seiner Aufgaben Sach-
verständige heranzuziehen ist auszuweiten. Erstens ist die dafür notwendige
Betriebsgröße auf 50 zu senken und zweitens muss die Möglichkeit zur He-
ranziehung von Beraterinnen und Beratern auf sämtliche Mitwirkungs- und
Mitbestimmungstatbestände ausgeweitet werden.

7. Die Mitbestimmung des Betriebsrates ist auf die Einführung technischer und
organisatorischer Systeme auszudehnen, die zu einer ganzheitlichen Vernet-
zung und Veränderung der Arbeitsabläufe führen.

8. Der kontinuierliche Veränderungs- und Optimierungsprozess der modernen
Betriebsstruktur verlangt, dass das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates
sich auch auf Prozesse bezieht, für die nicht von vorn herein abschließende
Regelungen getroffen werden können.

9. Das Mitbestimmungsrecht über Grundsätze der Gruppenarbeit muss auch
auf die Einführung von Gruppenarbeit ausgedehnt werden.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/6382

10. Der Betriebsrat muss ein generelles Mitwirkungsrecht bei befristeten Ein-
stellungen sowie ein Widerspruchsrecht bei Auslaufen der befristeten Be-
schäftigung erhalten.

11. Im Falle von Betriebsänderungen muss der Betriebsrat einen Unterlas-
sungsanspruch erhalten, solange der Interessenausgleich nicht abgeschlos-
sen ist. Gleichzeitig muss gesichert werden, dass zum Beispiel sein Bera-
tungs- und Verhandlungsrecht bei Massenentlassungen nicht durch den
Beginn der Kündigungen unterlaufen werden kann.

12. Der Tendenzschutz ist auf den Bereich der religiösen Verkündigung und
der unmittelbaren politischen Tätigkeit zu beschränken.

Berlin, den 20. Juni 2001

Dr. Ruth Fuchs
Dr. Klaus Grehn
Uwe Hiksch
Dr. Heidi Knake-Werner
Pia Maier
Roland Claus und Fraktion

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