BT-Drucksache 14/6317

RUGMARK bei geplanter Fusion mit Care&Fair unterstützen und gleichzeitig Vorsorge für ein mögliches Scheitern der Verhadlungen treffen

Vom 19. Juni 2001


Deutscher Bundestag Drucksache 14/6317
14. Wahlperiode 19. 06. 2001

Antrag
der Abgeordneten Dr. Norbert Blüm, Klaus-Jürgen Hedrich, Ingrid Fischbach,
Siegfried Helias, Joachim Hörster, Rudolf Kraus, Dr. Manfred Lischewski, Marlies
Pretzlaff, Erika Reinhardt, Hans-Peter Repnik, Dr. Christian Ruck, Heinz
Schemken, Margarete Späte, Dorothea Störr-Ritter, Peter Weiß (Emmendingen)
und der Fraktion der CDU/CSU

RUGMARK bei geplanter Fusion mit Care&Fair unterstützen und gleichzeitig
Vorsorge für ein mögliches Scheitern der Verhandlungen treffen

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die internationale Initiative gegen illegale Kinderarbeit in der Teppichindustrie
„RUGMARK“ leistet wertvolle Arbeit.

RUGMARK wurde 1995 gemeinsam von indischen Nichtregierungsorganisati-
onen, deutschen und internationalen Hilfswerken und der Gesellschaft für
Technische Zusammenarbeit (GTZ) initiiert. Das Ziel war die Bekämpfung der
illegalen Kinderarbeit in Indien.

1996 wurde die RUGMARK-Stiftung in Nepal eröffnet. 1998 wurde Pakistan
mit einbezogen. Dort werden derzeit die Strukturen für die Kontrolle der Pro-
duktion und die Organisation von Sozialprogrammen aufgebaut.

Die RUGMARK-Initiative vergibt ein international registriertes Siegel für Tep-
piche, die nach den RUGMARK-Kriterien geknüpft wurden.

Das RUGMARK-Konzept verfolgt dabei zwei Strategien:

 Kontrolle und Zertifizierung der Produktion vor Ort und

 Sozialprogramme für (ehemalige) Kinderarbeiter und deren Familien.

Die RUGMARK-Initiative arbeitet sowohl in den Produktions- als auch in den
Absatzländern.

In den Produktionsländern Indien, Nepal und Pakistan kontrolliert sie die Ein-
haltung der RUGMARK-Kriterien bei Herstellern und Exporteuren:

 Keine Beschäftigung von Kindern unter 14 Jahren; in traditionellen Fami-
lienbetrieben dürfen Söhne, Töchter und Geschwister des Knüpfstuhlbesit-
zers mitarbeiten, wenn sie RUGMARK gegenüber den regelmäßigen Schul-
besuch nachweisen; außerdem:

 Zahlung wenigstens der gesetzlichen Mindestlöhne an die erwachsenen
Knüpfer,

 Offenlegung der Aufträge und Bestellungen gegenüber dem RUGMARK-
Büro,

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 Akzeptieren von unangekündigten Kontrollen zu jeder Zeit sowie

 Zahlung von 0,25 Prozent des Exportwertes der Ware an RUGMARK zur
Deckung der laufenden Kosten des Kontroll- und Siegelsystems.

Die Importeure in den Konsumentenländern, die Teppiche mit dem
RUGMARK-Siegel in den Handel bringen, müssen eine Abgabe in Höhe
von mindestens einem Prozent des Importwertes der jeweiligen Ware an
RUGMARK abführen. Dieses Geld ist zweckgebunden und fließt zu 75 Pro-
zent zurück in die Knüpfländer. Dort werden aus den Erlösen Sozialprogramme
finanziert, die unmittelbar Kindern aus Knüpferfamilien beziehungsweise ehe-
maligen Kinderarbeitern und ihren Familien zugute kommen. So wird sicher-
gestellt, dass die Betroffenen nicht in neue soziale Notlagen geraten.

Die hier verbleibenden 25 Prozent sind für die Bildungs- und Öffentlichkeits-
arbeit in den Absatzländern Deutschland, den Niederlanden, Belgien, Luxem-
burg, Großbritannien und Italien bestimmt. Käuferinnen und Käufer müssen
über die Notwendigkeit eines sozialverträglichen Teppichhandels informiert
und möglichst viele Handelsfirmen davon überzeugt werden, verstärkt Teppi-
che mit dem RUGMARK-Siegel anzubieten.

Seit Januar 1999 befindet sich RUGMARK Deutschland unter dem Dach von
„TRANSFAIR e. V.“, dem Verein zur Förderung des fairen Handels mit der
„Dritten Welt“.

RUGMARK erhält derzeit noch Fördermittel durch das Bundesministerium für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Ohne diese Finanzmittel
wäre derzeit und auch in absehbarer Zukunft eine erfolgreiche Arbeit – trotz
der beschriebenen, aber vergleichsweise geringen Einnahmen für RUGMARK
selbst – nicht möglich.

Die Bundesregierung plant, diese Unterstützung zum Ende der ersten Jahres-
hälfte 2001 auslaufen zu lassen. Die dadurch zu erwartenden finanziellen Nöte
soll RUGMARK nach Vorstellung des BMZ durch Zusammengehen mit der In-
itiative „Care&Fair – Teppichhandel gegen Kinderarbeit e. V.“ kompensieren.
Ein weiterer Effekt einer solchen Fusion wäre das realistische Ziel, danach
mehr als die Hälfte des deutschen Teppichhandels und -imports strengen Krite-
rien gegen ausbeuterische Kinderarbeit unterwerfen zu können.

Seit Ende Januar laufen dazu Gespräche zwischen RUGMARK und Care&Fair
mit dem klaren Ziel, bis Juni eine für beide tragfähige Fusionsvereinbarung
auszuarbeiten. Nur im Falle eines erfolgreichen Zusammengehens ist weitere
finanzielle Unterstützung durch die Bundesregierung zu erwarten.

RUGMARK sieht sich dabei aktuell zwei nicht zu unterschätzenden Problemen
gegenüber, die mit dem ungewissen Ausgang der Fusionsverhandlungen ver-
knüpft sind:

 Eine Fusion birgt immer die Gefahr zu vieler oder falscher Kompromisse.
Um der Sache willen darf eine inhaltliche Aufweichung der strengen Krite-
rien, die RUGMARK in ein neues System mit einbringen müsste, nicht zur
Disposition stehen. Darüber hat man sich zwar schon im Januar mit
Care&Fair grundsätzlich geeinigt. Vor dem endgültigen Abschluss der Fusi-
onsverhandlungen ist die Gefahr von erzwungenen Kompromissen in die-
sem wesentlichen Punkt aber noch nicht völlig gebannt. Schlimmstenfalls
könnte eine Fusion in letzter Minute an der fehlenden Unterstützung durch
die Mitglieder von Care&Fair scheitern, die u. U. nicht bereit sein könnten,
zukünftig nach deutlich strengeren Kriterien auf dem Niveau der heutigen
RUGMARK-Regeln arbeiten zu müssen.

 Für den Fall eines solchen möglichen Scheiterns der Fusion ist bislang noch
keinerlei Krisenszenario seitens der Bundesregierung entworfen worden.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/6317

Selbst wenn RUGMARK keinerlei Anteil daran haben sollte, dass die Fu-
sion letztlich fehlschlägt, so stünde man dann dort ab Mitte des Jahres den-
noch ohne Geld und ohne jegliche Perspektive da. Was in einem solchen
Fall werden soll, hat die Bundesregierung bislang nicht deutlich genug ge-
macht.

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. schnellstmöglich ein Krisenszenario für den zu vermeidenden, aber nicht
auszuschließenden Fall zu entwickeln, dass die angelaufenen Fusionsver-
handlungen zwischen RUGMARK und Care&Fair bis Mitte des Jahres nicht
erfolgreich zum Abschluss gebracht werden können. Heute nicht absehbare
Verzögerungen oder gar ein Scheitern der Fusion darf nicht unmittelbar zur
Folge haben, dass RUGMARK mangels finanzieller Unterstützung seitens
der Bundesregierung gezwungen sein wird, seinen wertvollen Beitrag im
Kampf gegen ausbeuterische Kinderarbeit Mitte des Jahres ad hoc einstellen
zu müssen;

2. entgegen aktueller Planungen im Haushalt der Bundesministerin für wirt-
schaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ein nachhaltiges Finanzie-
rungskonzept zu entwickeln, um mittel- und langfristig die erfolgreiche
Arbeit von RUGMARK und Care&Fair – ob fusioniert unter einem gemein-
samen Dach, aber auch im Falle eines Scheiterns der Verhandlungen – er-
möglichen und seitens der Bundesregierung effizient unterstützen zu kön-
nen;

3. sicherzustellen, dass eine Fusion nicht um jeden Preis und auf Kosten der
strengen und erfolgreichen RUGMARK-Kriterien erzwungen werden soll.
Das bei den Fusionsverhandlungen noch auszuarbeitende gemeinsame Sys-
tem von RUGMARK und Care&Fair darf im Ergebnis inhaltlich keinen
Rückschritt gegenüber dem heutigen Stand darstellen. Das neue System
kann nur funktionieren, wenn strenge und transparente Kriterien ähnlich zu
denen von RUGMARK ohne Abstriche Geltung haben und ständiger Kon-
trolle unterliegen werden. Hersteller, Zwischenhändler, Vermarkter, Kunden
und auch RUGMARK und Care&Fair selbst müssen auf die Güte des ge-
meinsamen Teppichsiegels vertrauen dürfen. Auch weiterhin sind Kontrol-
len vor Ort hinsichtlich der Einhaltung sozialer Mindeststandards an den
Produktionsstätten unabdingbar für die Akzeptanz und den Wert des Siegels.
Eine Einführung weniger strenger Kriterien kann und darf nicht zur Diskus-
sion stehen, wenn man an die in den vergangenen Jahren gerade von
RUGMARK erfolgreich geleistete Arbeit anknüpfen will;

4. durch das zu entwickelnde Konzept einer mittel- und langfristig fortgeführ-
ten finanziellen Unterstützung von RUGMARK und Care&Fair seitens des
BMZ ein deutliches Signal an alle Verantwortlichen und Beteiligten zu set-
zen und damit klarzustellen, dass sich die Bundesregierung auch weiterhin
uneingeschränkt hinter erfolgreiche Ideen im Kampf gegen ausbeuterische
Kinderarbeit stellt und an einer langfristigen und berechenbaren Zusammen-
arbeit zwischen Staat, Wirtschaft und innovativen Initiativen auf diesem
Sektor interessiert ist;

5. RUGMARK bzw. die zusammen mit Care&Fair zu bildende neue Initiative
langfristig in ihrer Vorbildfunktion in Hinblick auf andere inländische Bran-
chen und Unternehmen zu stärken. Es ist selbsterklärtes Ziel der Bundes-
regierung, mehr als bislang deutsche Unternehmen auch anderer Branchen
für die Kontrolle der Einhaltung sozialer Mindeststandards vor Ort in den
Produktionsländern zu gewinnen. RUGMARK wird in diesem Zusammen-
hang schon seit langem allseits als bestes Beispiel dafür angeführt, wie man
ein solches Kontrollsystem in seine Produktions- und Vertriebsstrukturen

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integrieren kann. Eine Kürzung der Mittel des BMZ für RUGMARK und
Care&Fair wäre das falsche Signal an die großen Unternehmen in Deutsch-
land, die gerade intensiv darüber nachdenken, künftig ähnlich wie
RUGMARK und Care&Fair zu operieren. Die Bundesregierung darf beste-
hende Vorzeigebeispiele dafür, wie sich wirtschaftliche Interessen mit
nachhaltigem und sozial verantwortlichem Handeln auch in den Produk-
tionsländern ergänzen lassen, nicht leichtfertig und durch rein finanzielle
Erwägungen entwerten;

6. zu prüfen, welche neuen Instrumente sich die Bundesregierung zukünftig
vorstellen könnte, um noch direkter und effizienter als bisher Initiativen im
Kampf gegen ausbeuterische Kinderarbeit nach dem Beispiel von
RUGMARK in Deutschland selbst fördern zu können. Neben einer Bilan-
zierung der bisherigen Bewilligungspraxis bei der Vergabe von Unterstüt-
zungsmitteln sollte hierbei insbesondere angedacht werden, ob die in jahre-
langer Übung gefundenen Kriterien noch den aktuellen Bedürfnissen der
Praxis entsprechen und ggf. sogar nach einer gesetzgeberischen Initiative
verlangen.

Berlin, den 19. Juni 2001

Dr. Norbert Blüm
Klaus-Jürgen Hedrich
Ingrid Fischbach
Siegfried Helias
Joachim Hörster
Rudolf Kraus
Dr. Manfred Lischewski
Marlies Pretzlaff
Erika Reinhardt
Hans-Peter Repnik
Dr. Christian Ruck
Heinz Schemken
Margarete Späte
Dorothea Störr-Ritter
Peter Weiß (Emmendingen)
Friedrich Merz, Michael Glos und Fraktion

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