BT-Drucksache 14/6285

Vorwürfe gegen BGS-Beamte im Zusammenhang mit einer "verdachtsunabhängigen Kontrolle"

Vom 15. Juni 2001


Deutscher Bundestag Drucksache 14/6285
14. Wahlperiode 15. 06. 2001

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke und der Fraktion der PDS

Vorwürfe gegen BGS-Beamte im Zusammenhang mit einer „verdachts-
unabhängigen Kontrolle“

Mitglieder eines „Komitees für die Verteidigung der Rechte der Flüchtlinge“,
der „African Refugees Organisation (ARA)“, des Flüchtlingsrats Hamburg und
dessen Vertreterin bei „Pro Asyl“ haben in den letzten Tagen öffentlich schwere
Beschuldigungen gegen Beamte des Bundesgrenzschutzes (BGS) erhoben.

Drei Tage nach der Demonstration von Flüchtlingen und deren Unterstützerin-
nen und Unterstützer in Berlin gegen die Residenzpflicht für Flüchtlinge seien
sie auf der Fahrt zu einer Veranstaltung an der Universität Bonn, wo sie über
„Die deutsche Abschiebepolitik und die Praxis der Botschaftsvorführungen“
referieren sollten, am 22. Mai 2001 im EC/IC 801 von Hamburg nach Bonn ge-
gen Mittag Opfer einer diskriminierenden, rassistischen Personenkontrolle ge-
worden.

Die BGS-Beamten seien in Zivilkleidung von vorne und hinten durch den ge-
samten Großraumwagen gezielt auf ihre Reisegruppe zugegangen und hätten
einzig und allein von der indischen Frau und den drei Afrikanern in der Reise-
gruppe die Ausweise verlangt. Zur Begründung hätten sie zuerst angegeben,
„illegale Ausländer“ zu suchen, danach hieß es, sie führten eine „verdachtslose
Kontrolle“ durch.

Als die Betroffenen sich weigerten und verlangten, wenn hier eine „verdachts-
lose Kontrolle“ stattfinde, solle der gesamte Großraumwaggon kontrolliert wer-
den, dann würden sie auch ihren Ausweis zeigen, seien dann bei der Ankunft in
Münster vier uniformierte BGS-Beamte in voller Ausrüstung in den Waggon
gekommen und hätten die drei afrikanischen Mitglieder der Reisegruppe mit
brutaler Gewalt aus dem Waggon gezerrt, zwei davon in Handschellen. Ande-
ren Mitgliedern der Reisegruppe, die gegen die Festnahme protestierten, sei mit
Strafanzeigen wegen versuchter Gefangenenbefreiung gedroht worden.

Anschließend sei die gesamte Reisegruppe, die mit einer Gruppenfahrkarte
fuhr, zwei Stunden lang auf der BGS-Wache in Münster festgehalten worden,
ein von der Gruppe zu ihrem Schutz herbeigerufener Anwalt sei mit der Andro-
hung von Anzeigen wegen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Belei-
digung aus der Polizeiwache vertrieben worden.

Die „taz Hamburg“ berichtete am 23. Mai 2001, ein BGS-Sprecher habe zur
Begründung der Kontrolle u. a. erklärt, „der Verdacht lag nahe, dass Schleuser
dabei waren, die Kollegen haben dafür ein Gespür“.

Drucksache 14/6285 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode
Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie beurteilt die Bundesregierung die hier aus der Sicht der Betroffenen
geschilderte Kontrolle?

2. Handelt es sich dabei nach Ansicht der Bundesregierung um einen rassisti-
schen Übergriff oder um eine angemessene, begründete, die Verhältnis-
mäßigkeit und die Grundrechte und Menschenwürde der Betroffenen wah-
rende Personenkontrolle?

3. Welche Gesetze des Bundes und Vorschriften des BGS erlauben Beamten
des BGS nach Ansicht der Bundesregierung, aus einer großen Personen-
gruppe gezielt einzelne Personen aufgrund ihrer Hautfarbe herauszugreifen
und einer Ausweiskontrolle zu unterziehen?

4. Wenn es nach Ansicht der Bundesregierung Gesetze bzw. Vorschriften gibt,
die solche Kontrollen rechtfertigen, wie vereinbart die Bundesregierung
solche Gesetze bzw. Vorschriften mit den auch von der Bundesrepublik
Deutschland ratifizierten UNO-Konventionen, EU-Vereinbarungen und
anderen internationalen Normen zur Verhinderung und Bekämpfung von
Rassismus und rassistischer Diskriminierung?

5. Sind der Bundesregierung vergleichbare Übergriffe von Beamten des BGS
bei Zugkontrollen oder anderen „verdachtsunabhängigen“ Kontrollen in den
letzten Jahren bekannt?

Wenn ja, welche?

Wenn nein, warum nicht?

6. Sind der Bundesregierung in den letzten Jahren irgendwelche Beschwerden
wegen vergleichbarer Übergriffe bekannt?

Wie werden solche Beschwerden erfasst und weiter verfolgt?

7. Welche Schritte will die Bundesregierung ergreifen, um eine Wiederholung
solcher Übergriffe zu verhindern?

Berlin, den 7. Juni 2001

Ulla Jelpke
Roland Claus und Fraktion

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