BT-Drucksache 14/6254

Transporte und Lagerung von Uranhexafluorid in der Bundesrepublik Deutschland

Vom 7. Juni 2001


Deutscher Bundestag

Drucksache

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14. Wahlperiode

07. 06. 2001

Kleine Anfrage

der Abgeordneten Eva-Maria Bulling-Schröter und der Fraktion der PDS

Transporte und Lagerung von Uranhexaf uorid in der Bundesrepublik
Deutschland

Die Bundesregierung hat den Atomausstieg beschlossen, doch die so genannte
Konsensvereinbarung behandelt schwerpunktmäßig den Reaktorbetrieb und
die Atommüll-Entsorgung. Die Gefahren, die mit der V ersorgung von Reakto-
ren verbunden sind, werden ausgeklammert.

Bereits beim Abbau des Uranerzes, der häuf g in Gebieten indigener Völker
stattfindet, wird Radioaktivität freigesetzt und Luft, Boden und asser konta-
miniert. Strahlenerkrankungen in diesen Gebieten liegen teilweise um ein Viel-
faches über dem Landesdurchschnitt.

Das für die Urananreicherung benötigte Vorprodukt Uranhexafluorid (UF6) be
sitzt zusätzlich zur Radioaktivität und Giftigkeit des Urans ein hohes chemi-
sches Gefahrenpotential. Es handelt sich um eine chemisch hoch reaktive Sub-
stanz, die bei Freisetzung mit der Luftfeuchtigkeit einen Nebel aus ätzender
giftiger Flusssäure und radioaktiven Uranylf uorid-Partikeln bildet. Gutachten
(z. B. Gruppe Ökologie Hannover i. A. der Freien Hansestadt Hamburg, 1990)
befürchten bei einem Unfall eines UF6-T ransports, in dem UF6 freigesetzt
wird, das Auftreten lebensgefährlicher Konzentrationen bis zu 2 km Entfer -
nung von der Unfallstelle.

Die für den T ransport von natürlichem und abgereichertem UF6 verwendeten
48Y-Behälter erfüllen nicht die Richtlinien der International Atomic Ener gy
Agency (IAEA). In einem Feuertest („Institut de Protection et de Sûreté
Nucléaire“ (IPSN) Frankreich, Testprogramme Tenerife und Peecheur) konnte
nicht ausgeschlossen werden, dass die 48Y-Behälter bei einem Brand (800 °C,
30 min) bersten. Daher ist der T ransport von natürlichem und abgereichertem
UF6 als besonders bedenklich einzustufen.

Im beschlossenen Atomausstiegspapier der Bundesrepublik Deutschland f ndet
die Urananreicherungsanlage (UAA) in Gronau keine Erwähnung. Im Gegen-
teil – im November 1998 wurde der Ausbau der UAA von einer Kapazität von
1 100 t Urantrennarbeit pro Jahr (UT A/a) auf 1 800 t UTA/a beschlossen. Ein
weiterer Antrag seitens des Betreibers für eine Kapazitätserhöhung auf 4 000 t
UTA/a liegt dem nordrhein-westfälischen Ministerium für W irtschaft und Mit-
telstand, Energie und Verkehr vor. Dies reicht aus, um jährlich 32 Atomkraft-
werke (AKW) mit Kernbrennstoff zu versorgen.

Für jede Tonne angereichertes UF6 fallen während der Anreicherung ca. 7 Ton-
nen abgereichertes UF6 an. Derzeit wird abgereichertes UF6 in Länder der Eu-
ropäischen Union sowie in die Russische Föderation exportiert, um dort erneut
auf den natürlichen Isotopengehalt angereichert zu werden. Dieses neu angerei-
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cherte UF6 kann (nach weiterer Anreicherung) zur Kernbrennstoff-Herstellung
oder zur Herstellung von bombenfähigem Material eingesetzt werden. Daher
ist es von Interesse, ob dieses Material zurück in die Bundesrepublik Deutsch-
land importiert wird.

Das bei der Neu-Anreicherung in großen Mengen anfallende doppelt abgerei-
cherte Material verbleibt bisher beim Anreicherer , also z. B. in der Russischen
Förderation. Dieses Verfahren ist nur möglich, weil das doppelt abgereicherte
UF6 als „Wertstoff“ bezeichnet wird – und das, obwohl es gegenwärtig (außer
zur Herstellung von panzerbrechender Munition) keine V erwendungsmöglich-
keit für abgereichertes UF6 gibt. Durch diesen Trick wird die Praxis der weite-
ren Abreicherung lukrativ , denn eigentlich ist eine teure Entsor gung in der
Bundesrepublik Deutschland notwendig.

Der Betrieb der Urananreicherungsanlage (UAA) in Gronau birgt Gefahren für
die Arbeiter und die Anwohner . Das UF6 wird dort in Behältern unter freiem
Himmel gelagert, so dass es im Falle eines Lecks direkt in die Umwelt frei-
gesetzt wird. Die Brisanz dieses Themas belegen neue Erkenntnisse aus den
USA. Gemäß dem Department of Ener gy (DOE) sind bei der langjährigen
Lagerung von UF6 große sicherheitsrelevante Probleme aufgetreten. Die
Wände der Lagerbehälter sind teilweise so stark angegrif fen, dass die T rans-
portfähigkeit nicht mehr gegeben ist, und einzelne Behälter wiesen sogar Lecks
auf. Daher wurde in den USA beschlossen, die gelagerten Mengen abgereicher-
tes UF6 in Uranoxid zu überführen.

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Bundesregierung:

1. Wie hoch ist der Anteil der einzelnen Uranförderländer/Minen derzeit an der
Uranversorgung der Bundesrepublik Deutschland?

2. Wie viel U

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O

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und andere zur Kernbrennstof fversorgung dienende Zwi-
schenprodukte wurden, nach Jahr und Abbaugebieten/Ländern aufgeschlüs-
selt, seit 1998 in die Bundesrepublik Deutschland importiert?

3. Welche Transporte von UF6 wurden seit Beginn des Jahres 1999 durchge-
führt (bitte die Einzeltransporte auf isten nach Absender , Absendedatum,
Empfänger, Empfangsdatum, Spediteur , T ransportmittel [Bahn, LKW ,
Schiff, Flugzeug], Artikel [Uran mit natürlichem Anreicherungsgrad, auf
den natürlichen Isotopengehalt wiederangereichertes Uran, abgereichertes
Uran, angereichertes Uran], Menge, T ransportbehälter, Datum und Akten-
zeichen der Transportgenehmigung)?

4. Welche Behältertypen werden in der Bundesrepublik Deutschland an wel-
chem Ort für die Lagerung von UF6 eingesetzt?

5. Welche Konsequenzen hat der nicht bestandene Feuertest der IPSN (s. z. B.
RAMTRANS, Vol. 10, No. 4, pp. 221–230, 1999 ) für die V erwendung des
48Y-Behälters?

6. Wie lässt sich ein Ausbau der Urananreicherungsanlage in Gronau mit
einem Atomausstieg vereinbaren?

7. In welche Länder (Ort und Anlage) wurde seit 1998 abgereichertes UF6
exportiert, und um welche (quantitativen) Mengen handelt es sich?

8. Wie ist der genaue Streckenverlauf der Transporte von abgereichertem UF6,
und welche Behörden werden informiert?

9. Welche Mengen des aus abgereichertem UF6 wieder auf den natürlichen
U235-Gehalt angereicherten Materials wurden aus welchen Ländern in dem
genannten Zeitraum importiert?
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10. Verbleibt das bei der Verarbeitung anfallende weiter abgereicherte Material
in diesen Ländern (welche Mengen), und falls ja, besitzen diese eine V er-
wendungsmöglichkeit (welche), oder handelt es sich um einen zu entsor-
genden Reststoff (Atommüll)?

11. Welche Informationen hat die Bundesregierung über die Probleme, die in
den USA zurzeit mit rostenden UF6-Fässern bestehen (s. U.S. Department
of Energy)?

12. Welche Konsequenzen gedenkt die Bundesregierung vor dem Hintergrund
der problematischen Langzeitlagerung hinsichtlich der in der Bundes-
republik Deutschland existierenden UF6-Lager zu ziehen?

Berlin, den 31. Mai 2001

Eva-Maria Bulling-Schröter
Roland Claus und Fraktion

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