BT-Drucksache 14/6084

Internationale Implikationen der globalen Problematik von Drogenanbau und Drogenhandel

Vom 15. Mai 2001


Deutscher Bundestag

Drucksache

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14. Wahlperiode

15. 05. 2001

Kleine Anfrage

der Abgeordneten Erika Reinhardt, Klaus-Jürgen Hedrich, Dr. Norbert Blüm,
Siegfried Helias, Joachim Hörster, Rudolf Kraus, Dr. Manfred Lischewski, Marlies
Pretzlaff, Hans-Peter Repnik, Dr. Christian Ruck, Peter Weiß (Emmendingen) und
der Fraktion der CDU/CSU

Internationale Implikationen der globalen Problematik von Drogenanbau
und Drogenhandel

In den vergangenen Jahren hat der Drogenkonsum weltweit erheblich zuge-
nommen. Die Zahl der Abhängigen ist kontinuierlich angestiegen. Dabei ist zu
beobachten, dass die Entwicklungsländer, in denen die Hauptanbaugebiete für
Heroin und Kokaprodukte zu suchen sind, zwischenzeitlich zu den größten
Nachfragern im weltweiten Rauschgifthandel geworden sind. Der illegale Han-
del mit Drogen, dessen weltweite Umsätze auf bis zu 500 Mrd. US-Dollar jähr-
lich geschätzt werden, hat sich globalisiert und bedroht die nationale Sicherheit
und Stabilität ganzer Regionen. Hierfür verantwortlich sind seine Begleiter-
scheinungen wie die mafiöse Unterwanderung von Politik und Wirtschaft, die
Schwächung der staatlichen Autorität durch Geldwäsche und Korruption, die
Finanzierung der Aktivitäten krimineller Organisationen, Terroristengruppen
sowie von Guerilla- oder Rebellengruppen und nicht zuletzt die Verbreitung
bestimmter mit Drogenmissbrauch zusammenhängender Infektionskrankhei-
ten.

Nach Angaben des jüngsten Weltdrogenberichts der UNO ist zwar die welt-
weite Produktion von Kokain und Heroin sowie die Zahl der drogenproduzie-
renden Länder zurückgegangen. Parallel dazu hat jedoch eine Regionalisierung
der Produktion in der Weise stattgefunden, dass nun Afghanistan und Myanmar
die Hauptlieferanten für ca. 90 % der Weltopiumproduktion sind, während aus
Kolumbien 80 % des weltweit hergestellten Kokains stammen. Die klassische
Einteilung in die Industrieländer als Drogenkonsumenten und die Entwick-
lungsländer als Drogenproduzenten gilt aber heute nicht mehr, da der Konsum
und der Missbrauch von Drogen zu einem weltweiten Phänomen geworden ist.

Die Ursachen der Drogenproduktion sind komplex und Drogen- und Entwick-
lungsprobleme hängen oft auf vielfältige Art miteinander zusammen, da z. B.
ein Zusammenhang zwischen geographischer Isolation, fehlenden Einkom-
mensmöglichkeiten, Armut und dem Anbau von Drogenpflanzen besteht.
Einerseits können sich zwar kurzfristig vermeintlich positive Effekte durch die
temporäre Schaffung von Einkommen mit Drogenanbau und -handel ergeben,
mittel- und langfristig dominieren aber die eindeutig negativen Auswirkungen,
da die Drogenprobleme häufig die schon bestehenden Entwicklungsprobleme
verschärfen. Während die labilen Demokratien Lateinamerikas durch das Dro-
genproblem vor der Gefährdung von Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten
mit dem Risiko eines Bürgerkrieges und außenpolitischer Eskalation stehen,
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sieht sich u. a. Europa neben wachsender Drogenkriminalität vor allem durch
Geldwäsche-Operationen bedroht. Daher muss die Überprüfung der konkreten
Handlungsoptionen gegen das weltweite Drogenproblem in eine globale Strate-
gie münden.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Inwiefern trägt die Entwicklungszusammenarbeit der Bundesregierung
der Feststellung der heutigen parlamentarischen Staatssekretärin bei der
Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung,
Dr. Uschi Eid, vom Juni 1998 Rechnung, dass die internationale Drogen-
politik gescheitert sei?

2. Welche konkreten Neuansätze hat die Bundesregierung im Rahmen der
internationalen Drogenpolitik ergriffen?

3. In welchen Bereichen kann die Entwicklungszusammenarbeit bei der
Drogenproblematik ansetzen und ihre Wirkung entfalten?

Was kann diese zu einem schlüssigen Konzept zur Entschärfung der Dro-
genproblematik beitragen, das sowohl die Bereiche Prävention, Repression
und alternative Entwicklung berücksichtigt?

4. Welche Rolle kann die technische, welche Rolle die finanzielle Zusammen-
arbeit hinsichtlich der Drogenproblematik spielen?

Wo können Nichtregierungsorganisationen, kirchliche Hilfswerke und
politische Stiftungen ansetzen?

5. Welchen Stellenwert und welchen finanziellen Spielraum räumt die Bun-
desregierung der Rauschgiftbekämpfung im Rahmen der deutschen Ent-
wicklungszusammenarbeit ein?

6. Welche Anstrengungen unternimmt die Bundesregierung, die Drogen-
bekämpfung durch Formulierung gemeinsamer Strategien und Ziele auf
nationaler, europäischer und internationaler Ebene weltweit zu vernetzen?

Welche Probleme treten dabei auf?

7. Welche Arbeitsteilung plant sie in diesem Kontext im Hinblick auf andere
bilaterale Geber und multilaterale Organisationen wie die Weltbank, die re-
gionalen Entwicklungsbanken und die UN-Organisationen sowie die EU?

8. Wie und in welchem Umfang unterstützt die Bundesregierung die Arbeit
der UN-Organisation für Drogenbekämpfung (UNDCP)?

Wie beurteilt sie deren Effizienz und die Erfüllung des ihr zugewiesenen
Mandats?

9. Welche Länder haben die drei Übereinkommen der UN (Einheitsprotokoll
von 1961 über Suchtstoffe in der 1972 geänderten Fassung/Übereinkom-
men von 1971 über psychotrope Stoffe/1988 verabschiedete Übereinkom-
men gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtstoffen und psychotropen
Stoffen), die die Grundlage für die weltweiten Kontrollmaßnahmen in der
Drogenbekämpfung bilden, unterzeichnet?

10. Mit welchen Ländern arbeitet die Bundesregierung bei der Drogenkon-
trolle zusammen und welche Maßnahmen werden dabei konkret ergriffen?

11. Wie beurteilt die Bundesregierung die Erfolgschancen der im UN-Drogen-
programm geforderten drastischen Reduzierung des Anbaus illegaler Dro-
gen bis zum Jahre 2008?
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12. In welchem Ausmaß werden die entwicklungspolitischen Implikationen
der Drogenproblematik im politischen Dialog bei Regierungsverhandlun-
gen explizit angesprochen?

13. Inwiefern findet eine Konditionierung zwischen Fortschritten bei der Dro-
genbekämpfung und dem Umfang der Entwicklungszusammenarbeit statt?

14. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über die Art, die geogra-
phische Konzentration, den Umfang und die Verteilungsrouten des illega-
len Drogenanbaus und Drogenhandels vor?

Welche Gefahren sieht die Bundesregierung für die nationale, regionale
und globale Stabilität?

15. Auf welche Schwerpunktregionen sollen sich die gegen Drogenanbau und
-handel gerichteten Maßnahmen der deutschen Entwicklungszusammen-
arbeit, insbesondere im Rahmen der alternativen Entwicklung, konzentrie-
ren?

Wer sind die Zielgruppen und welche Instrumente sollen zum Einsatz kom-
men?

16. Mit welchen Nichtregierungsorganisationen, kirchlichen Einrichtungen
und Stiftungen arbeitet die Bundesregierung bei der Suchtprävention in
Entwicklungsländern zusammen und welche Erfahrungen wurden mit die-
ser Art der Zusammenarbeit gemacht?

17. Welche konkreten Maßnahmen hat die Bundesregierung ergriffen oder
wird sie ergreifen, um dem im Drogenaktionsplan der Europäischen Union
formulierten Ziel der erheblichen Verringerung der Anzahl der Einsteiger
insbesondere bei Jugendlichen unter 18 Jahren bis zum Jahre 2004 gerecht
zu werden?

18. Mit welchen konkreten Maßnahmen wird die Bundesregierung die im Dro-
genaktionsplan der EU geforderte Verstärkung der Bekämpfung der orga-
nisierten Kriminalität, des illegalen Drogenhandels sowie die geforderte
Verstärkung der polizeilichen, zollbehördlichen und justitiellen Zusam-
menarbeit zwischen den Mitgliedstaaten der EU umsetzen?

19. Ist es bislang zur Einsetzung gemeinsamer Ermittlungsgruppen aus Polizei,
Zoll und anderen Strafverfolgungsbehörden einzelner Mitgliedstaaten der
EU gekommen, die in ihrem Hoheitsgebiet speziell für Drogenhandel zu-
ständig sind, wie im Drogenaktionsplan der EU gefordert?

Sind daran deutsche Behörden beteiligt?

Wenn ja, welche?

20. Wie beurteilt die Bundesregierung die politische Umsetzung der internatio-
nalen Kooperations- und Hilfsprogramme zur Bekämpfung des internatio-
nalen Drogenhandels vor allem in den armen Produktions- und Transit-
ländern?

21. Beabsichtigt die Bundesregierung, im Rahmen der Entwicklungszusam-
menarbeit mit Kuba, die wachsende Bedeutung des Landes als Transitland
für den Kokainschmuggel nach Europa zu berücksichtigen?

Wenn ja, welche konkreten Maßnahmen sollen ergriffen werden?

22. Welche Bedeutung misst die Bundesregierung der Drogenproblematik im
Rahmen der Osterweiterung der EU bei?

Spielen Aspekte der Kontrolle des Drogenhandels in den Beitrittsverhand-
lungen eine Rolle?
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23. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über Art, Umfang und
Methode der Beschaffung kontrollierter Chemikalien durch Rauschgift-
händler weltweit vor

– durch Abzweigung der Chemikalien von legalen Importen,

– durch Schmuggel der Chemikalien aus Staaten, die sowohl Produktions-
als auch Importland dieser chemischen Stoffe sein können, und

– durch Abzweigung der Chemikalien von der einheimischen Produk-
tion?

24. Wie beurteilt die Bundesregierung in diesem Kontext die vorhandenen
Kontrollmechanismen in Deutschland und anderen Herstellungsländern für
chemische Stoffe, die für die Produktion von illegalen Drogen geeignet
sind, und welche Maßnahmen zur Verstärkung dieser Kontrollmechanis-
men wird die Bundesregierung national und international ergreifen?

25. Was gedenkt die Bundesregierung hinsichtlich ausgewählter Chemikalien
zur Herstellung von Amphetamin und seinen Derivaten zur Überwachung
des internationalen Handels, vergleichbar der Operationen „Purple“ und
„Topaz“, zu tun?

26. Wie will die Bundesregierung im Rahmen des Konzepts der Alternativen
Entwicklung auf Erscheinungen wie die veränderte Anbaustrategie in
Kolumbien (steilere Hänge, kleinere verteilte Anbauflächen), die Verdrei-
fachung der Kokaanbauflächen seit 1992 und den zwischenzeitlichen
Preisanstieg, der den Anbau noch attraktiver macht, reagieren?

27. Wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, dass die Erfolge in der
Drogenbekämpfung in Ländern wie Thailand oder Pakistan lediglich zu
einer Verlagerung des Anbaus und der Kartelle aus dieser Region nach
Lateinamerika, in die Karibik und benachbarte Regionen geführt haben?

Welche Konsequenzen haben diese Erkenntnisse für die Drogenpolitik der
Bundesregierung?

28. Wie kann der Attraktivität von Drogenanbaugebieten als Zuwanderungs-
regionen mit überdurchschnittlichen Verdienstmöglichkeiten bzw. etwaigen
Migrationsbewegungen von Arbeitskräften in Drogenanbaugebiete vorge-
beugt werden?

29. Wie beurteilt die Bundesregierung die Perspektiven, über Landreformen in
einigen Drogenanbauländern zu durchschlagenden Erfolgen in der Anti-
drogenpolitik zu gelangen?

30. Welche konkreten Maßnahmen will die Bundesregierung besonders im
Rahmen der EU ergreifen, um im Kontext der alternativen Entwicklung zu
einer Beseitigung der Krise der lateinamerikanischen Landwirtschaft bei-
zutragen?

31. Wie beurteilt die Bundesregierung die sozialen und wirtschaftlichen Ursa-
chen des Drogenpflanzenanbaus, und welchen Zusammenhang sieht sie
zwischen der Armuts- und der Drogenproblematik?

32. Welche Kenntnisse bzw. Ergebnisse besitzt die Bundesregierung über die
Wirkung von Projekten bzw. Programmen, die eine Strategie der alternati-
ven Entwicklung mit dem Ziel der Schaffung von legalen Einkommens-
quellen verfolgen?

Welche Bedingungen müssen dafür gegeben sein und welche Maßnahmen
sind am ehesten geeignet, in diesem Kontext Erfolge zu erzielen?
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33. In welchen Ländern werden und wurden bilaterale Projekte der alternati-
ven Entwicklung tatsächlich durchgeführt, welche Projekte sind dies kon-
kret und wie hoch sind die dafür aufgebrachten Mittel?

34. Welche Anstrengungen unternehmen die Regierungen der jeweiligen Part-
nerländer, um das Konzept der alternativen Entwicklung zu unterstützen?

35. Welche Erfolge konnten durch das Konzept der alternativen Entwicklung
erzielt werden?

36. Welche Probleme ergeben sich in Regionen, in denen es keine anerkannte
Regierung gibt, für die Entwicklungszusammenarbeit und damit auch für
den Ansatz der alternativen Entwicklung?

Welche alternativen Möglichkeiten bzw. Förderinstrumente gibt es, wenn
keine staatliche Zusammenarbeit möglich ist?

37. Welche möglichen Konflikte mit entwicklungspolitischen Zielsetzungen
kann es durch die Beteiligung an Maßnahmen des „law enforcement“, d. h.
an polizeilichen und militärischen Maßnahmen bei der Drogenbekämp-
fung, geben?

38. Wie unterstützen die USA die kolumbianische Regierung im kolumbiani-
schen Drogenkrieg?

39. Was ist die Position der Bundesregierung zur Drogenbekämpfungspolitik
der USA in Lateinamerika, insbesondere hinsichtlich der amerikanischen
Strategie in Kolumbien („Plan Colombia“)?

40. Wie beurteilt die Bundesregierung die Erfolge der restriktiven internationa-
len Drogenbekämpfungspolitik der USA?

41. Wie beurteilt die Bundesregierung die Erfolge der kolumbianischen Regie-
rung im Kampf gegen die Drogenkartelle in Kolumbien?

42. Welche konkreten Maßnahmen hat die Bundesregierung eingeleitet, um
nationale und internationale Regelungen zur Unterbindung der Geld-
wäsche durchzusetzen?

Berlin, den 15. Mai 2001

Erika Reinhardt
Klaus-Jürgen Hedrich
Dr. Norbert Blüm
Siegfried Helias
Joachim Hörster
Rudolf Kraus
Dr. Manfred Lischewski
Marlies Pretzlaff
Hans-Peter Repnik
Dr. Christian Ruck
Peter Weiß (Emmendingen)
Friedrich Merz, Michael Glos und Fraktion

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