BT-Drucksache 14/6050

EU-Richtlinienvorschlag zu Mindeststandards in Asylverfahren ist ein wichtiger Schritt für einen wirksamen Flüchtlingsschutz in Europa

Vom 16. Mai 2001


Deutscher Bundestag

Drucksache

14/

6050

14. Wahlperiode

16. 05. 2001

Antrag

der Abgeordneten Ulla Jelpke, Carsten Hübner, Uwe Hiksch, Petra Pau
und der Fraktion der PDS

EU-Richtlinienvorschlag zu Mindeststandards in Asylverfahren ist ein
wichtiger Schritt für einen wirksamen Flüchtlingsschutz in Europa

Der Bundestag wolle beschließen:

1. Der Deutsche Bundestag begrüßt, dass die Europäische Kommission am
21. September 2000 den Entwurf einer Richtlinie über Mindestnormen für
Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung oder Aberkennung der
Flüchtlingseigenschaft vorgelegt hat.

Der Entwurf ist im Wesentlichen ein wichtiger Versuch, den bisher durch die
Ministerialbürokratie geprägten und die Öffentlichkeit ausschließenden Ent-
scheidungsprozess im Bereich des Ausländer- und Asylrechts auf der Ebene
der Europäischen Union nunmehr transparent werden zu lassen.

2. Der Deutsche Bundestag erinnert daran, dass der Europäische Rat auf seiner
Sitzung in Tampere am 15. und 16. Oktober 1999 die Bedeutung bekräftigt
hat, „die die Union und die Mitgliedstaaten der unbedingten Achtung des
Rechts auf Asyl beimessen“, und ausdrücklich seine Absicht betont hat, „auf
ein gemeinsames Asylsystem hinzuwirken, das sich auf die uneingeschränkte
und allumfassende Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention stützt“.

3. Der Deutsche Bundestag bekennt sich zum Menschenrechts- und Asyl-
schutz in Europa. Er betont, dass gemeinsame Mindeststandards für Asyl-
verfahren innerhalb der Europäischen Union in dieser Tradition stehen und
einen wirksamen Schutz der Grundrechte sicherstellen müssen. Hierfür
stellt der Richtlinienentwurf der Europäischen Kommission einen guten An-
satz dar. Insoweit steht er auch nicht in Konkurrenz zum Grundgesetz für die
Bundesrepublik Deutschland.

4. Der Deutsche Bundestag begrüßt die von der Kommission vorgeschlagenen
Regelungen zu einem besonderen Schutz für unbegleitete minderjährige
Flüchtlinge, die für jede Person unter 18 Jahren gelten müssen.

5. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, in den Beratun-
gen über den Richtlinienentwurf insbesondere darauf hinzuwirken, dass

a) zur inhaltlichen völkerrechtlichen Grundlage für gemeinsame Mindest-
standards entsprechend der Rechtsprechung des Europäischen Gerichts-
hofes für Menschenrechte neben der Genfer Flüchtlingskonvention auch
die Europäische Menschenrechtskonvention, namentlich ihr Artikel 3
(Schutz vor Folter und anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedri-
gender Behandlung oder Strafe), sowie Artikel 3 des Übereinkommens
der Vereinten Nationen gegen Folter und andere grausame, unmenschli-
che oder erniedrigende Behandlung oder Strafe gemacht werden;

b) die Richtlinie verfahrensrechtliche Regelungen unmöglich macht, die die
Zulässigkeit eines Asylantrages davon abhängig machen, dass der Antrag
innerhalb einer bestimmten Frist nach der Einreise gestellt wird;
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c) die Mitgliedstaaten sicherstellen müssen, dass über Asylanträge einzeln,
objektiv, unparteiisch und wohlwollend entschieden wird sowie in Zwei-
felsfällen zugunsten des Antragstellers zu entscheiden ist;

d) Asylsuchende zu ihrem Schutzbegehren persönlich durch Bedienstete der
für die Entscheidung über den Asylantrag zuständigen Behörde und nicht
durch Angestellte anderer Behörden angehört werden;

e) auch in Zulässigkeits- und beschleunigten Verfahren Asylsuchende die
Gelegenheit erhalten, das Protokoll über die mündliche Anhörung einzu-
sehen und dazu Stellung zu nehmen;

f) in allen Verfahren und in jedem Verfahrensstadium sichergestellt ist, dass
die Asylsuchenden einen Rechtsanspruch darauf haben, dass für sie
kostenfrei eine Dolmetscherin oder ein Dolmetscher in der jeweiligen
Muttersprache hinzugezogen wird;

g) Verfahrensbevollmächtigte oder Beistände zu allen Verfahren und in
jedem Verfahrensstadium – auch wenn sich die Asylsuchenden in „abge-
schlossenen Bereichen“ befinden – effektiven Zugang erhalten sowie die
kostenlose Rechtsberatung schon zu Beginn des Verfahrens und in jeder
weiteren Verfahrensphase sichergestellt ist;

h) nur für solche Fälle ein „beschleunigtes“ Überprüfungsverfahren vorgesehen
wird, in denen eine eindeutige Gewissheit darüber besteht, dass der Asylan-
trag „jeglicher Grundlage entbehrt“, weil er „keinerlei Hinweise auf eine
dem Asylbewerber drohende Verfolgung“ enthält (Zitate aus der Begrün-
dung für den Richtlinienentwurf), und dass keine anderen Faktoren zur Ab-
lehnung des Asylbegehrens als offensichtlich unbegründet führen dürfen;

i) das Konzept der „sicheren Herkunftsstaaten“ nicht in die Richtlinie über-
nommen wird;

j) in jedem Verfahren sichergestellt ist, dass die Asylbegehrenden bis zum
rechtskräftigen negativen Abschluss der Überprüfung ihres Schutzbegeh-
rens von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen verschont bleiben.

6. Der Deutsche Bundestag begrüßt, dass der Richtlinienentwurf Asylsuchen-
den die Möglichkeit einräumt, die pauschale Vermutung, ein Drittstaat, über
den sie eingereist sind, sei für sie sicher, bezogen auf die jeweilige Person zu
widerlegen. Der Deutsche Bundestag verweist in diesem Zusammenhang
auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschen-
rechte, wonach auch dann, wenn in einem Mitgliedstaat generalisierende
Bestimmungen über die Sicherheit in einem Drittstaat bestehen, stets eine
konkrete Einzelfallprüfung erforderlich ist (Entscheidung vom 7. März 2000
– T. I. gegen Vereinigtes Königreich – Nr. 43844/98, Informationsbrief Aus-
länderrecht 2000, S. 321).

7. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, darauf hinzuwir-
ken, dass das Recht von Asylsuchenden auf Asylverfahren innerhalb des
Gemeinschaftsgebietes ausdrücklich sichergestellt wird.

8. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, ihn zeitnah über
den Fortgang der Beratungen zu diesem Richtlinienentwurf zu informieren.

Berlin, den 16. Mai 2001

Ulla Jelpke
Carsten Hübner
Uwe Hiksch
Petra Pau
Roland Claus und Fraktion

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