BT-Drucksache 14/6010

zu der Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung -14/5655- Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung von Beschränkungen des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses

Vom 10. Mai 2001


Deutscher Bundestag

Drucksache

14/

6010

14. Wahlperiode

10. 05. 2001

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Ulla Jelpke, Petra Pau und der Fraktion der PDS

zu der Beratung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung
– Drucksache 14/5655 –

Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung von Beschränkungen des Brief-,
Post- und Fernmeldegeheimnisses

Der Bundestag wolle beschließen:

Das Bundesverfassungsgericht hatte mit seinem Urteil vom 14. Juni 1999 die
Bundesregierung aufgefordert, das G 10-Gesetz zu novellieren. Die Bundes-
regierung hätte dies nutzen können, um das Gesetz zu liberalisieren, den in der
Vergangenheit immer wieder kritisierten und außerordentlich stark gestiegenen
Umfang der Eingriffe in das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis zu korrigie-
ren und die Bür gerrechte zu stärken. Diese Gelegenheit hat die Bundesregie-
rung nicht wahr genommen. Im Gegenteil hat sie die Regelungen weiter ver -
schärft.

Nach dem vorliegenden Entwurf soll es u. a. für die Geheimdienste möglich
sein, in das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis einzugreifen, bei





Verdacht auf Vorbereitungen für Leib und Leben bedrohende Geiselnahme
im Ausland,





Verdacht auf Volksverhetzung,





Verdacht auf Straftaten gewaltbereiter extremistischer Einzeltäter oder loser
Gruppierungen etc.

Dabei soll nach dem W illen der Bundesregierung künftig nicht nur die Kom-
munikation über Satelliten, sondern auch die über Glasfaserkabel belauscht
werden dürfen.

Die Gesetzesnovelle ist sowohl von den Landesbeauftragten für Datenschutz,
dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz sowie von Bürgerrechtsor gani-
sationen wie der Humanistischen Union, dem Deutschen Anwaltsverein und
anderen kritisiert worden. Diese Kritik muss aufgegrif fen und im Gesetz-
gebungsverfahren umgesetzt werden.

Der Deutsche Bundestag beauftragt die Bundesregierung, den Gesetzentwurf
nach folgenden Maßgaben umzuarbeiten:

1. Die im Grundgesetz vor geschriebene strikte T rennung zwischen Geheim-
diensten und Polizei ist wieder herzustellen. Dieses T rennungsgebot zieht
unverzichtbare institutionelle und befugnisrechtliche Konsequenzen aus den
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Erfahrungen der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft und ist we-
sentlicher Bestandteil des Gründungskonsenses dieser Republik.

2. Auch die Landesbeauftragten und der Bundesbeauftragte für den Daten-
schutz haben in ihrer Presseerklärung vom 8. März 2001 zur 61. Konferenz
der Datenschutzbeauftragten kritisiert, dass durch die Novelle dieses grund-
gesetzlich festgelegte Gebot „weiter ausgehöhlt“ wird, indem die Regierung
den Nachrichtendiensten weitere Befugnisse im Bereich der V erhütung und
Verfolgung von Straftaten zuweist. Diese Kritik gilt es umzusetzen. In einer
demokratischen Gesellschaft ist und bleibt V erbrechensbekämpfung Auf-
gabe der Polizei. Die Einschaltung der Nachrichtendienste in dieses Aufga-
bengebiet führt zu einem die Bürgerrechte gefährdenden und missachtenden
Überwachungsstaat.

3. Die Befugnisse der Nachrichtendienste sind zu beschneiden, auch soweit sie
sich auf die Beschränkung leitungsgebundener T elekommunikation bezie-
hen. Die Möglichkeiten der strategischen Kontrolle sollen überprüft und
drastisch eingeschränkt werden. Dafür sprechen auch die bisherigen Ergeb-
nisse dieser strategischen Kontrolle. So hat der BND 1998 die strategische
Kontrolle zur Bekämpfung des T errorismus und zur Bekämpfung des Be-
täubungsmittelhandels selbst eingestellt. Ein großer T eil der jetzigen stra-
tegischen Kontrolle beruft sich damit nur noch auf die Notwendigkeit der
Bekämpfung der „or ganisierten Kriminalität“, d. h. im Grunde der profit
orientierten, gewöhnlichen Kriminalität.

4. Die geplante Ausdehnung der Befugnisse der Nachrichtendienste und vor
allem des BND wird zusammen mit einer verbesserten technischen Ausstat-
tung zu einem absehbar höheren Datenaufkommen aus der strategischen
Überwachung führen. Mit dieser Entwicklung setzt sich eine bereits lange
eingeleitete weitere Unterhöhlung des T elekommunikationsgeheimnisses
fort, ohne dass der Deutsche Bundestag oder die Öf fentlichkeit die Folgen
abschätzen können. Ohne eine intensive quantitative und qualitative Evalua-
tion aller in Betracht kommenden Auswirkungen sind sowohl die Fortschrei-
bung der schon bestehenden wie die geplante Ausdehnung dieser Befugnisse
nicht zu verantworten. Durch die Ausdehnung der Tätigkeit des Bundes-
nachrichtendienstes entstehen zudem, wie auch von Bür gerrechtsgruppen
richtig kritisiert wird, neue außenpolitische und völkerrechtliche Probleme.

5. Die Evaluation und Kontrolle aller G 10-Maßnahmen soll jährlich erfolgen
und dem Deutschen Bundestag und der Öf fentlichkeit Auskunft über An-
lass, Art, Dauer, Zahl der Betrof fenen, Zahl der insgesamt erfassten Perso-
nen, Ergebnis und Kosten dieser Maßnahmen geben. Die Zweckbindung der
durch G 10-Maßnahmen gewonnen Daten soll verbessert werden.

6. In der G 10-Kommission müssen Mitglieder aller Fraktionen repräsentiert
sein.

7. Die Zweckbindung der durch G 10-Maßnahmen gewonnenen Daten soll ver-
bessert und Kettenübermittlungen sollen verhindert werden. Damit soll – wie
auch von den Datenschutzbeauftragten angemahnt – der Gefahr einer schlei-
chenden Zweckentfremdung durch Übermittlung begegnet werden.

8. Alle erhobenen personenbezogenen Daten sollen unverzüglich und sodann
in Abständen von höchstens sechs Monaten auf der Grundlage aller vorhan-
denen entscheidungserheblichen Informationen durch einen Bediensteten,
der die Befähigung zum Richteramt hat, geprüft werden, ob sie für den
Zweck, zu dem sie erhoben worden sind, noch erforderlich sind. Daten müs-
sen spätestens 10 Jahre nach ihrer Erhebung gelöscht werden.
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9. Betroffene und Beeinträchtigte der Überwachung müssen umgehend infor-
miert werden, wenn dies ohne Gefährdung des Zwecks der Beschränkung
geschehen kann.

Berlin, den 8. Mai 2001

Ulla Jelpke
Petra Pau
Roland Claus und Fraktion

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