BT-Drucksache 14/568

Entwurf eines Gesetzes zur Aufhebung des Altschuldenhilfe-Gesetzes (Altschuldenhilfe-Aufhebungsgesetz)

Vom 17. März 1999


Deutscher Bundestag: Drucksache 14/568 vom 17.03.1999

Gesetzentwurf der Fraktion der PDS Entwurf eines Gesetzes zur
Aufhebung des Altschuldenhilfe-Gesetzes (Altschuldenhilfe-
Aufhebungsgesetz) =

17.03.1999 - 568

14/568

Gesetzentwurf
der Abgeordneten Christine Ostrowski, Dr. Christa Luft, Gerhard
Jüttemann,
Heidemarie Ehlert, Dr. Uwe-Jens Rössel, Dr. Gregor Gysi und der
Fraktion der PDS
Entwurf eines Gesetzes zur Aufhebung des Altschuldenhilfe-Gesetzes
(Altschuldenhilfe-Aufhebungsgesetz)

A. Problem
Seit Inkrafttreten des Altschuldenhilfe-Gesetzes ist die dem Gesetz
zugrundeliegende Konstruktion der sogenannten Altschulden im
Wohnungsbereich auf dem Gebiet der ehemaligen DDR rechtlich, politisch
und wirtschaftlich umstritten.
Prof. Dr. Rupert Scholz und Dr. Klaus Leciejewski kamen 1991 in ihrem
,Rechtsgutachten zur Problematik früherer "Kreditverträge" in der
ehemaligen DDR im Bereich des Wohnungsbaus' zu der Schlußfolgerung:
"Die zur Förderung des Wohnungsbaus in der ehemaligen DDR geschlossenen
Kreditverträge stellen in Wahrheit keine materiell-rechtlichen
Darlehens- oder Kreditverträge, sondern allein staatliche Mechanismen
zur Umverteilung und Kontrolle des Geldumlaufes dar."
Selbst wenn demgegenüber dennoch angenommen werden sollte, daß jenen
Kreditverträgen eine gültige vertragsrechtliche Qualität zuzumessen
sei, würde dies nicht zu Verpflichtungen der Wohnungsunternehmen
führen. (aus: Rechtsgutachten zur Problematik früherer "Kreditverträge"
in der ehemaligen DDR im Bereich des Wohnungsbaus, Ergebnisse, S. 132
ff., Prof. Dr. Rupert Scholz, Dr. Klaus Leciejewski, September 1991)
Der gleiche Tatbestand - die Bewertung der sich aus der staatlichen
Kreditwirtschaft der ehemaligen DDR ergebenden Verbindlichkeiten von
Wirtschaftseinheiten gegenüber dem Staat bzw. die Gegenrechnung von
sich ebenfalls aus der damaligen Organisationsform der Volkswirtschaft
erklärenden Abführungen an den Staat - wurde für verschiedene Teile der
Gesamtwirtschaft der ehemaligen DDR bei deren Abwicklung bzw.
Überführung in das marktwirtschaftliche System der Bundesrepublik
Deutschland unterschiedlich gehandhabt. So wurden bei den
Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften oder bei den Kommunen
andere Wege beschritten als bei der Wohnungswirtschaft.
Mit der Umsetzung des Altschuldenhilfe-Gesetzes im Bereich der
Wohnungswirtschaft wurden verschiedene Ziele bezweckt: Schnelle
Erreichung eines hohen Privatisierungsgrades, vorrangig an Mieter,

Sicherung der Liquidität der Wohnungsunternehmen unter Annahme der
rechnerischen Verbindlichkeiten als Schulden im marktwirtschaftlichen
Sinne, Sicherung der erforderlichen Mittel für eine schnelle Sanierung
des Wohnungsbestandes durch Veräußerungs-
erlöse und Teilentlastung, Umstellung der betriebswirtschaftlichen
Kennwerte der Wohnungsunternehmen auf marktwirtschaftliche Prinzipien,
Bedienung des Erblastentilgungsfonds, Reduzierung des kommunalen
Wohnungsbestandes und Verkleinerung der Wohnungsunternehmen.
Vor allem der erklärte politische Hauptzweck des Altschuldenhilfe-
Gesetzes, die Wohneigentumsbildung in Mieterhand durch Privatisierung
aus dem Bestand der kommunalen und genossenschaftlichen
Wohnungsunternehmen, war von Beginn an zum Scheitern verurteilt und
scheiterte in der Praxis. Die ehemalige Bundesregierung reagierte
darauf, indem sie, ohne das Gesetz in wesentlichen Punkten zu ändern,
über den Lenkungssausschuß und die Merkblätter der Kreditanstalt für
Wiederaufbau dieses Ziel schrittweise aufweichte: Anerkennung von
Genossenschaftsneugründungen, bzw. -abspaltungen, Erfindung und
Anerkennung von Zwischenerwerbern, Neugründung kommunaler Pseudo-
Zwischenerwerber und letztlich durch die mögliche Befreiung von
Wohnungsunternehmen in strukturschwachen Regionen (Arbeitslosigkeit,
Bevölkerungsrückgang, Wohnungsleerstand) von der
Privatisierungspflicht.
Vor allem in städtischen Ballungsgebieten ist die
Privatisierungsauflage mehrheitlich durch Verkäufe an Zwischenerwerber
realisiert.
Mit dem Auslaufen des Fördergebietsgesetzes ist auch dieser Ausweg
zukünftig verschlossen.
In strukturschwachen Regionen und kleinen Wohnungsunternehmen wird auf
das Ende der Privatisierungspflicht und auf eine Entlastung der
betroffenen Unternehmen gewartet.
Die Mieterprivatisierung hat im vorgesehenen Umfang nirgendwo
stattgefunden. Die Bundesregierung konnte in der Antwort auf die Kleine
Anfrage vom 12. Januar 1999 "Zu den Ergebnissen und Wirkungen des
Altschuldenhilfe-Gesetzes" (Drucksache 14/271) noch keine Angaben dazu
machen, wie viele Wohnungen von Zwischenerwerbern entsprechend
vertraglicher Vereinbarungen an Mieterinnen und Mieter veräußert
wurden.
Gleichzeitig sind die realen Abführungen an den Erblastentilgungsfonds,
im Verhältnis zum Umfang der übernommenen Verpflichtungen und zum
Bundeshaushalt, auch in Anbetracht des langen Zeitraumes ihres
finanzpolitischen Wirksamwerdens quantitativ bescheiden.
In Anbetracht der zunehmenden Schwierigkeiten bei der weiteren
Umsetzung der Privatisierungsauflagen im verbliebenen Bestand und der
von den betroffenen Wohnungsunternehmen mit Sorge erwarteten Sanktionen
bei Nichterfüllung, ist es an der Zeit, das Altschuldenhilfe-Gesetz
aufzuheben.
B. Lösung
Das Altschuldenhilfe-Gesetz wird durch ein Gesetz über die Aufhebung
des Altschuldenhilfe-Gesetzes aufgehoben. Die abgegebenen

Schuldanerkenntnisse sowie die hierüber abgeschlossenen Kreditverträge
werden unwirksam.
Weitere Verpflichtungen zur Kredittilgung und Zinszahlung entfallen.
Bereits abgeführte Erlösanteile werden mit der Maßgabe zurückerstattet,
sie für die Sanierung der Wohnungsbestände und die Gestaltung des
Wohnumfeldes zu verwenden; noch nicht abgeführte Erlösanteile sind
ebenfalls für diesen Zweck einzusetzen.
C. Alternativen
Punktuelle Novellierung einzelner Bestimmungen des Altschuldenhilfe-
Gesetzes.
D. Kosten der öffentlichen Haushalte
Die geschätzte Erlösabfuhr bei hundertprozentiger Erfüllung der
Privatisierungspflicht beträgt ca. 1,2 Mrd. DM. Bisher sind per 31.
Dezember 1998 anteilige Veräußerungserlöse in Höhe von 696 Mio. DM an
den Erblastentilgungsfonds abgeführt worden. Da die ursprüngliche stark
progressive Abfuhr weitgehend gedämpft wurde, ist mit einer
wesentlichen Steigerung durch weitere Verkäufe in nennenswertem Umfang
nicht zu rechnen. Mithin ergibt sich eine geschätzte Mindereinnahme des
Bundes von insgesamt etwa 500 Mio. DM, verteilt bis zum Jahre 2003.
Durch die Rückerstattung der abgeführten Erlöse zum Zwecke der
Sanierung des Bestandes und der Gestaltung des Wohnumfeldes sowie die
Verwendung noch nicht abgeführter Erlösanteile mit derselben Maßgabe
können im Gegenzug Fördermittel, Zuschüsse und Zulagen eingespart
werden. Die damit angestoßenen Investitionen führen außerdem zu
positiven Beschäftigungseffekten und in der Folge zu steuerlichen
Mehreinnahmen.

Entwurf eines Gesetzes zur Aufhebung des Altschuldenhilfe-Gesetzes
(Altschuldenhilfe - Aufhebungsgesetz)

Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz
beschlossen:
§ 1
Das in Artikel 39 des Gesetzes zur Umsetzung des Föderalen
Konsolidierungsprogramms - FKPG - vom 23. Juni 1993 (BGBl. I S. 944),
in der geänderten Fassung vom 21. November 1996 (BGBl. I S. 1780)
geregelte Gesetz über Altschuldenhilfen für Kommunale
Wohnungsunternehmen, Wohnungsgenossenschaften und private Vermieter in
dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet
(Altschuldenhilfe-Gesetz) wird aufgehoben.
§ 2
(1) Die durch die Wohnungsunternehmen gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2
Altschuldenhilfe-Gesetz abgegebenen Schuldanerkenntnisse sowie die
hierüber abgeschlossenen Kreditverträge sind unwirksam.
(2) Verpflichtungen zu weiterer Kredittilgung und Zinszahlung
entfallen.
§ 3
(1) Gesetzliche Verpflichtungen der Wohnungsunternehmen zur
Privatisierung des Wohnungsbestandes entfallen.
(2) Gemäß § 5 Abs. 2 Altschuldenhilfe-Gesetz an den
Erblastentilgungsfonds abgeführte Erlösanteile werden den
Wohnungsunternehmen zurückerstattet und sind mit der Maßgabe des
zweckgebundenen Einsatzes für die Sanierung der Wohnungsbestände und
die Gestaltung des Wohnumfeldes zu verwenden.
(3) Bisher gemäß § 5 Abs. 2 Altschuldenhilfe-Gesetz von den
Wohnungsunternehmen an den Erblastentilgungsfonds nicht abgeführte
Erlösanteile sind entsprechend Absatz 2 zu verwenden.
Dieses Gesetz tritt am Tag der Verkündung in Kraft.

Bonn, den 17. März 1999
Christine Ostrowski
Dr. Christa Luft
Gerhard Jüttemann
Heidemarie Ehlert
Dr. Uwe-Jens Rössel
Dr. Gregor Gysi und Fraktion

Begründung

A. Allgemeine Begründung
Viele Wohnungsunternehmen haben trotz erreichter Ergebnisse - von den
insgesamt 359 000 zu privatisierenden Wohnungen wurden bis Ende 1997
bereits 245 000 Wohnungen verkauft - nach wie vor erhebliche Probleme,
die 15prozentige Privatisierungsauflage bis zum Jahr 2003 vollständig
zu erfüllen. Der vorgebliche Zweck der Privatisierung, die
Wohneigentumsbildung in Mieterhand durch Privatisierung aus dem Bestand
der kommunalen und genossenschaftlichen Wohnungsunternehmen, wurde
nicht erreicht. Problematisch war von Anfang an, daß es sich bei der
Privatisierungsverpflichtung um eine pauschale Auflage handelt. Je
länger das Altschuldenhilfe-Gesetz gilt, desto stärker wirkt auch
dieser Geburtsfehler nach. Abgesehen davon, daß viele
Wohnungsunternehmen Bestände haben, die nicht privatisierungsfähig
sind, gibt es immer mehr Teilmärkte, wo die Privatisierung aufgrund
objektiver Hemmnisse zunehmend problematisch bzw. unmöglich ist.
Die Zahl der an die Mieter veräußerten Wohnungen ist bereits seit
längerem rückläufig. Mit Blick auf die stagnierenden Realeinkommen und
eine Mieterklientel, von der 20 bis 40 Prozent Transfer-
Einkommensbezieher, Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger sind, ist es
nicht zu verantworten, wenn die Wohnungen den Mietern nicht nur einmal,
sondern mehrmals zum Kauf angeboten werden müssen. Unsicherheit, Frust
und Ärger sind vorprogrammiert und werden nicht nur bei den
Wohnungsunternehmen abgeladen, sondern immer häufiger wird hierfür auch
das politische System verantwortlich gemacht.
Die ebenfalls rückläufige Veräußerung im Rahmen der sogenannten
mieternahen Privatisierungsformen stößt zunehmend an Grenzen, die vor
allem am Markt liegen. Hinzu kommt, daß mit dem Wegfall der
Sonderabschreibungen ab 1999 das Zwischenerwerbermodell nur noch sehr
eingeschränkt in der Praxis Anwendung finden wird. Auch die Aus- bzw.
Neugründung eigentumsorien-
tierter Genossenschaften, die sehr aufwendig ist und nicht ohne
Mitwirkung der Mieterinnen und Mieter funktioniert, ist nur begrenzt
durchsetzbar.
Die Unternehmen angesichts der bestehenden, sich zum Teil
verschärfenden, objektiven Hemmnisse, weiter zu

verpflichten, Personal, Know how und Geld für die Erfüllung der
Privatisierungsauflage zu binden, obwohl heute schon feststeht, daß sie
diese bis zum Jahr 2003 nicht erfüllen können, ist nicht zu
verantworten. Auch brauchen die Unternehmen möglichst frühzeitig, also
vor dem Jahr 2003, Rechtssicherheit, ohne die sie nur noch sehr
eingeschränkt oder gar nicht mehr kreditwürdig und damit
investitionsfähig sind.
Die Aufhebung des Altschuldenhilfe-Gesetzes sollte verbunden werden mit
der Entbindung von der Verpflichtung zu weiteren Kredittilgungen und
Zinszahlungen. Erlösanteile sollen zurückerstattet und ungeschmälert
für Investitionen zur Wohnwertverbesserung eingesetzt werden. Noch
nicht abgeführte Erlösanteile sollen dem gleichen Zweck zugeführt
werden. Damit werden positive Effekte für die Investitionstätigkeit in
der Wohnungswirtschaft und damit für den Arbeitsmarkt ausgelöst.
Die Rückerstattung der Erlöse und die bei den Unternehmen verbleibenden
Beträge aus den Verkaufserlösen können Bestandteil der künftigen
Wohnungsförderung für die neuen Bundesländer sein.
B. Begründung einzelner Vorschriften
1. Zu § 1
Das Altschuldenhilfe-Gesetz wird aufgehoben.
2. Zu § 2
Die abgegebenen Schuldanerkenntnisse sowie die hierüber abgeschlossenen
Kreditverträge sind unwirksam. Weitere Verpflichtungen zu
Kredittilgungen und Zinszahlungen entfallen.
3. Zu § 3
Die gesetzlichen Verpflichtungen zur Privatisierung des
Wohnungsbestandes entfallen; bereits abgeführte Erlösanteile werden
zurückerstattet und sind für die Sanierung des Bestandes sowie die
Gestaltung des Wohnumfeldes zu verwenden; noch nicht abgeführte
Erlösanteile sind für denselben Zweck einzusetzen.

17.03.1999 nnnn

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