BT-Drucksache 14/5667

Potenziale im Wasserstraßentransport umwelt- und naturverträglich nutzen - Intermodalität stärken

Vom 27. März 2001


Deutscher Bundestag

Drucksache

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14. Wahlperiode

27. 03. 2001

Antrag

der Abgeordneten Annette Faße, Hans-Günter Bruckmann, Dr. Peter Danckert,
Norbert Formanski, Iris Gleicke, Angelika Graf (Rosenheim), Klaus Hasenfratz,
Gustav Herzog, Reinhold Hiller (Lübeck), Gabriele Iwersen, Dr. Uwe Jens,
Konrad Kunick, Dr. Christine Lucyga, Dieter Maaß (Herne), Lothar Mark, Heide
Mattischeck, Günter Oesinghaus, Karin Rehbock-Zureich, Gerhard Rübenkönig,
Dr. Hansjörg Schäfer, Siegfried Scheffle , Wilhelm Schmidt (Salzgitter),
Dr. Angelica Schwall-Düren, Wieland Sorge, Wolfgang Spanier, Reinhold Strobl,
Rita Streb-Hesse, Reinhard Weis (Stendal), Dr. Margrit Wetzel, Dr. Peter Struck
und der Fraktion der SPD
sowie der Abgeordneten Helmut Wilhelm (Amberg), Albert Schmidt, Kerstin Müller
(Köln), Rezzo Schlauch und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Potenziale im Wasserstraßentransport umwelt- und naturverträglich nutzen –
Intermodalität stärken

Der Bundestag wolle beschließen:

1. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der Wasserstraßentransport ist Bestandteil eines integrierten V erkehrssystems.
Jede Tonne, die statt auf der Straße umweltschonend und ökonomisch effizien
auf dem Wasserwege transportiert wird, ist ein Beitrag zur Engpassbeseitigung
auf unseren Straßen.

Der Deutsche Bundestag begrüßt, dass die Bundesregierung diesem Grundsatz
seit ihrem Amtsantritt im Herbst 1998 Rechnung trägt und im Sinne der Koali-
tionsvereinbarung eine effiziente und umweltgerechte erkehrspolitik gestaltet.
Der Deutsche Bundestag hält ein Verkehrssystem, das zum einen die Mobilität
flächendeckend und umweltverträglich gewährleistet und zum anderen de
Wirtschaftsstandort Deutschland gerecht wird, für notwendig.

Bei natur - und umweltverträglichem Ausbau ist das V erkehrssystem Schif f/
Wasserstraße in vielen Fällen besonders geeignet, die verkehrspolitischen Ziele
optimal miteinander zu verbinden. Die T ransportleistung der Wasserstraße ist
neben dem Schienen- und Straßentransport die dritte wichtige Säule des Güter-
transports in Deutschland. Im Jahr 1999 transportierte die Binnenschiff fahrt
228,9 Millionen T onnen (Verkehrsleistung: 62,6 Mrd. T onnenkilometer), die
Eisenbahnen brachten es auf 287,3 Millionen T onnen (71,4 Mrd. T onnenkilo-
meter). Etwa 55 % der in der EU erbrachten Verkehrsleistung der Binnenschiff-
fahrt wird auf dem deutschen Wasserstraßennetz abgewickelt.

Im Verkehrshaushalt 2001 stehen für W asserstraßeninvestitionen ca. 1,3 Mrd.
DM zur V erfügung. Bis zur Überarbeitung des Bundesverkehrswegeplans
(BVWP) hat die Bundesregierung zudem als ersten wichtigen Schritt im No-
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vember 1999 das „Investitionsprogramm für den Ausbau der Bundesverkehrs-
wege 1999 bis 2002“ (IP) verabschiedet. Das IP stellt im Zeitraum von 1999
bis 2002 insgesamt 4,05 Mrd. DM für Aus- und Neubaumaßnahmen sowie für
Ersatz und Erhaltung der Wasserstraßen zur Verfügung.

Als weitere konsequente Maßnahme zur „V ermeidung des V erkehrsinfarkts“
werden vom Bund zusätzliche 900 Mio. DM im so genannten Anti-Stau-
Programm für die Bundeswasserstraßen zur Verfügung gestellt. Mit dem Anti-
Stau-Programm werden Mittel mobilisiert, die ab 2003 zusätzlich zum norma-
len Investitionsprogramm in die Verkehrsinfrastruktur gesteckt werden können.

Dabei muss auch zukünftig bei jeder Maßnahme berücksichtigt werden, dass
Flüsse sensibel auf Eingriffe reagieren und daher sorgfältige und ausgewogene
Planungen auch in ökologischer Hinsicht V oraussetzung für eine Realisierung
sind. Bei Maßnahmen zur Steigerung des T ransportanteils der Binnenschif f-
fahrt sind die ökologischen Funktionen der Fließgewässer zu erhalten bzw .
durch geeignete begleitende Maßnahmen wieder herzustellen. Bereits in der
näheren Zukunft ist zudem damit zu rechnen, dass sich die Auswirkungen des
globalen Klimawandels auch regional, z. B. durch höhere Hochwasser oder
niedrigere Niedrigwasser, bemerkbar machen und bei geplanten Eingrif fen in
Gewässersysteme eine Rolle spielen werden. Diesen Belangen war in der V er-
gangenheit nicht immer ausreichend Rechnung getragen. Die Bundesregierung
integriert daher Natur- und Umweltschutz verstärkt in ihre W asserstraßenpoli-
tik.

Die Wasserstraße dient keinesfalls nur dem Massenguttransport. Die Binnen-
schifffahrt ist unter anderem mit dem Containertransport im Seehafen-Hinter -
landverkehr in einem Marktsegment tätig, das aufgrund des stark wachsenden
Außenhandels und einer Güterstrukturentwicklung in Richtung containerisier-
barer Güter auch zukünftig außerordentlich hohe Zuwachsraten verspricht, aber
auch Investitionen in technisch angepasste Schif fe und Umschlagseinrichtun-
gen erfordert.

Der Deutsche Bundestag begrüßt, das der Kombinierte V erkehr (KV) im ver -
kehrspolitischen Konzept der Bundesregierung eine bedeutende Rolle spielt. Er
dient als Grundlage der intelligenten und zielführenden V ernetzung der V er-
kehrsträger Straße, Schiene und Wasserstraße. Durch die Optimierung der Rah-
menbedingungen und den zielgerichteten Einsatz kann er eine wichtige Ent-
lastungsfunktion übernehmen. Es wird befürwortet, dass die Bundesregierung
die KV-Fördermittel für Dritte seit Amtsantritt von 30 Mio. DM auf 120 Mio.
DM im Jahr 2001 aufgestockt hat. Die zusätzlichen Mittel kommen auch der
Binnenschifffahrt zu Gute.

Für eine erfolgreiche Umsetzung von V erlagerungskonzepten auf den Wasser-
weg ist die Rolle der Häfen als Schnittstellen von entscheidender W ichtigkeit.
Sie sind bedeutende Umschlagplätze des Kombinierten Verkehrs. Die fast
100 öf fentlichen Binnenhäfen in Deutschland sind schon längst keine reinen
„Wasserbahnhöfe“ mehr, sondern sind Wirtschaftsstandorte, an denen Logistik
für Europa geleistet wird.

Trotz der unbestreitbaren Vorteile des Wasserstraßentransports hat die Binnen-
schifffahrt in den letzten Jahren Marktanteile an die Straße verloren. Der Anteil
der deutschen Flotte am Binnenschif fsgüterverkehr ist von 44,4 % im Jahre
1990 auf ca. 37 % weiter gesunken. Nach den jüngsten BVWP-Prognosen wird
die deutsche Binnenschif ffahrt bis zum Jahre 2015 ohne verkehrspolitische
Korrekturmaßnahmen weitere Marktanteile im Güterverkehrsmarkt verlieren.

Zusätzliche ordnungs- und/oder f skalpolitische Maßnahmen zugunsten der
Binnenschifffahrt sind daher notwendig, da die intermodale T ransportkette mit
zusätzlichen Kosten belastet ist, die z. B. der durchgehende Straßengüterver -
kehr nicht zu tragen hat. V on derartigen Maßnahmen, die über die seit 1999
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eingerichtete Ausbildungsförderung in Höhe von 3 Mio. DM hinausgehen,
gehen auch positive Beschäftigungs- und Umweltauswirkungen aus, da die
Investitionen in Deutschland durchgeführt werden. V on Binnenschif fsver-
kehren gehen zudem deutlich geringere Emissionen (niedrigerer spezif scher
Energieverbrauch, niedrigere CO

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-Emissionen) ausgehen als von Straßentrans-
porten. Als V orbild für derartige Maßnahmen können die Niederlande und
Frankreich dienen.

Mit Blick auf die EU-Osterweiterung wird die entscheidende Frage sein, ob die
Öffnung des Binnenschif ffahrtsmarktes in Einklang mit der Harmonisierung
der Wettbewerbsbedingungen gelingen wird.

2. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, im Rahmen der
finanzpolitischen Leitlinien

für die Binnenschifffahrt:

1. konkrete Umsetzungsvorschläge zur V erlagerung von Gütertransporten auf
die Wasserstraße zu erarbeiten, wobei das Nachhaltigkeitsprinzip angewen-
det werden muss;

2. das straßenverkehrsrechtliche Genehmigungsverfahren im Schwergut- und
Großraumverkehr für die Binnenschif ffahrt zu ändern, um eine frühzeitige
Einbindung der Binnenschif ffahrt in die T ransportüberlegungen der ver -
ladenden Wirtschaft zu ermöglichen;

3. alle Möglichkeiten zu nutzen, den Ausf aggungstrend in der deutschen Bin-
nenschifffahrt zu stoppen, z. B. die Anwendung der T onnagesteuer analog
zur deutschen Seeschifffahrt in der deutschen Binnenschifffahrt zu prüfen;

4. die Aufrechterhaltung und f nanzielle Förderung von Schif ferkinderheimen
sicherzustellen und auf die Bundesländer zugunsten einer unbürokratischen,
einvernehmlichen Regelung hinsichtlich der Übernahme der Heimkosten
einzuwirken;

5. neue Forschungsmöglichkeiten an unseren Hochschulen weiterhin zu unter-
stützen und ein enges Forschungsnetzwerk zwischen W erften, Zulieferern,
Dienstleistungsunternehmen und der Wissenschaft zu knüpfen;

6. die Ausbildungsbeihilfen für die Ausbildung von Schiffsjungen in Höhe von
50 000 DM pro Ausbildungsplatz auch in den Folgejahren beizubehalten;

für die Wasserstraße:

7. eine integrierte BVWP-Planung, die Baumaßnahmen bei Straße, Schiene
und Wasserstraße unter Berücksichtigung des Nachhaltigkeitsprinzips auf-
einander abstimmt, zu forcieren;

8. für alle Ausbauvorhaben an W asserstraßen qualifizierte Umweltgutachte
zu erstellen und deren Er gebnisse bei den konkreten Ausbauplanungen zu
berücksichtigen; dabei sind die Kriterien der Umweltverträglichkeits-
prüfung (Gesetzentwurf zur Umsetzung der UVP-Änderungsrichtlinie, der
IVU-Richtlinie und weiterer EG-Richtlinien zum Umweltschutz) zu berück-
sichtigen, die den moderaten umweltverträglichen und naturnahen Ausbau
von Wasserstraßen garantieren;

bei Unterhaltungsmaßnahmen an Wasserstraßen sind die Belange des Natur-
und Umweltschutzes verstärkt zu integrieren;

9. die bestehende W asserstraßeninfrastruktur in Ost-W est-Relation zu ver -
bessern;
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10. die Wiederherstellung der Schiffbarkeit der Donau unter Aufsicht der Do-
naukommission und den W iederaufbau der zerstörten Donaubrücken in
Jugoslawien aktiv zu begleiten;

11. die Hinterlandanbindungen zu den Häfen attraktiver zu machen;

12. keine neue Abgabe für die Wasserstraßen einzuführen;

im Kombinierten Verkehr (KV):

13. die Richtlinien der Förderung für den Kombinierten V erkehr zu über -
prüfen;

14. die KV-Förderung für Dritte im Sinne eines integrierten V erkehrssystems
für die Verkehrsträger Straße, Schiene, Wasserstraße zu stärken;

15. in Zusammenarbeit mit den Ländern die logistischen Schnittstellenfunktio-
nen der Binnen- und Seehäfen – auch außerhalb der Rheinschiene – zu
optimieren und den Bau und Einsatz innovativer Umschlagtechnologien
weiter zu fördern;

16. in Häfen die Schnittstellensituation der Verkehrsträger zu verbessern sowie
die Bereitstellung moderner Kommunikationsinfrastruktur zu fördern;

auf EU-Ebene:

17. die geplante EU-Erweiterung stärker in den Blickpunkt verkehrspolitischer
Entscheidungen zu rücken, um den zu erwartenden weiteren Anstieg des
Warenaustauschs mit den neuen EU-Mitgliedstaaten auch durch die stär -
kere Einbeziehung des Binnenschiffs bewältigen zu können;

18. die rechtzeitige ausreichende Harmonisierung der W ettbewerbsbedingun-
gen anzustreben;

19. die Einhaltung der in den bilateralen Binnenschifffahrtsabkommen mit den
MOE-Staaten festgelegten Verkehrs- und Wettbewerbsbestimmungen ver-
stärkt zu überwachen;

20. die derzeit noch gültigen bilateralen Abkommen mit den Beitrittskandida-
ten so lange in Kraft zu lassen, bis ein stufenweiser Über gang bei der
Marktöffnung des Binnenschifffahrtssektors geregelt ist;

21. in Zweijahresabständen einen Binnenschifffahrtsbericht vorzulegen.

Berlin, den 28. März 2001

Dr. Peter Struck und Fraktion
Kerstin Müller (Köln), Rezzo Schlauch und Fraktion

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