BT-Drucksache 14/5588

zu dem Antrag der Abgeordneten Homburger, Sehn, Flach, weiterer Abg. und F.D.P. -14/4395- Börsenhandel mit Emissionszertifikaten in Deutschland konkret vorbereiten

Vom 15. März 2001


Deutscher Bundestag Drucksache 14/5588
14. Wahlperiode 15. 03. 2001

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (16. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Birgit Homburger, Marita Sehn, Ulrike Flach,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der F.D.P.
– Drucksache 14/4395 –

Börsenhandel mit Emissionszertifikaten in Deutschland konkret vorbereiten

A. Problem

Mit dem Antrag soll die Bundesregierung aufgefordert werden, den Börsenhan-
del mit Emissionszertifikaten für Treibhausgase in Deutschland unter Berück-
sichtigung einer Reihe näher bezeichneter Vorgaben konkret vorzubereiten.

B. Lösung

Der Ausschuss ist mehrheitlich der Auffassung, die Bundesregierung habe
rechtzeitig mit den notwendigen Vorbereitungen für den Handel von Emis-
sionszertifikaten für Treibhausgase in Deutschland begonnen. Einer zusätz-
lichen Aufforderung – zumal sie sich auf Feststellungen stütze, die man nicht
teile – bedürfe es daher nicht.

Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen SPD,
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und PDS gegen die Stimmen der Fraktion
der F.D.P. bei Stimmenthaltung der Fraktion der CDU/CSU

C. Alternativen

Annahme des Antrags.

D. Kosten

Wurden nicht erörtert.

Drucksache 14/5588 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag – Drucksache 14/4395 – abzulehnen.

Berlin, den 14. Februar 2001

Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

Christoph Matschie
Vorsitzender

Monika Ganseforth
Berichterstatterin

Marie-Luise Dött
Berichterstatterin

Dr. Reinhard Loske
Berichterstatter

Birgit Homburger
Berichterstatterin

Eva-Maria Bulling-Schröter
Berichterstatterin

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/5588

Bericht der Abgeordneten Monika Ganseforth, Marie-Luise Dött, Dr. Reinhard
Loske, Birgit Homburger und Eva-Maria Bulling-Schröter

I.
Der Antrag auf Bundestagsdrucksache 14/4395 wurde in
der 127. Sitzung des Deutschen Bundestages am 26. Okto-
ber 2000 zur federführenden Beratung an den Ausschuss für
Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit und zur Mitbe-
ratung an den Finanzausschuss, den Ausschuss für Wirt-
schaft und Technologie, den Ausschuss für Ernährung,
Landwirtschaft und Forsten und den Ausschuss für Verkehr,
Bau- und Wohnungswesen überwiesen.
Der Finanzausschuss, der Ausschuss für Wirtschaft und
Technologie und der Ausschuss für Verkehr, Bau- und
Wohnungswesen haben jeweils mit den Stimmen der
Mitglieder der Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN und PDS gegen die Stimmen der Mitglieder der
Fraktion der F.D.P. bei Stimmenthaltung der Mitglieder der
Fraktion der CDU/CSU empfohlen, den Antrag abzulehnen.
Der Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Forsten hat auf eine Mitberatung des Antrags verzichtet.

II.
In dem Antrag auf Bundestagsdrucksache 14/4395 wird
festgestellt, dass sowohl auf der europäischen Ebene als
auch weltweit der Handel mit Emissionszertifikaten zum In-
begriff einer modernen Klima- und Umweltpolitik gewor-
den sei. Mit den Vereinbarungen von Kyoto sei ein markto-
rientiertes Konzept für die internationale Klimaschutzpoli-
tik festgeschrieben und ein Meilenstein für die Anwendung
von Zertifikatsmodellen in der Umweltpolitik gesetzt wor-
den. In Deutschland fehlten dagegen bisher jede organisato-
rische Infrastruktur und professionelles Know-how für ei-
nen klimapolitischen Zertifikatehandel.
Mit dem Antrag soll die Bundesregierung deshalb aufgefor-
dert werden, den Börsenhandel mit Emissionszertifikaten
für Treibhausgase in Deutschland konkret vorzubereiten
und dabei eine Reihe näher bezeichneter Vorgaben wie die
Berücksichtigung der Interessen kleiner und mittlerer Un-
ternehmen einzuhalten.

III.
Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktor-
sicherheit hat den Antrag auf Bundestagsdrucksache 14/
4395 in seiner Sitzung am 14. Februar 2001 beraten.
Von Seiten der Fraktion der F.D.P. wurde ausgeführt, Haupt-
anliegen des Antrags sei es, auf eine Verminderung der CO2-
Emissionen hinzuwirken und dabei das in Kyoto vereinbarte
Instrument der handelbaren Emissionszertifikate zu nutzen.
Man halte dieses Instrument gegenüber anderen für über-
legen, da die politische Zielvorgabe auf jeden Fall erreicht
werde, der Preis sich aber jeweils am Markt bilde. Bei der sog.
Ökosteuer werde dagegen beispielsweise der Versuch unter-
nommen, über den Preis zu steuern, ohne dass man wisse, ob
das gewünschte Ziel erreicht werde. Über die konkrete Aus-
gestaltung des Instruments Emissionszertifikatehandel gebe
es auf internationaler Ebene zwar noch Diskussionen. Die
Frage des „Ob“ sei aber in Kyoto – auch wenn dies hier anders
gesehen werde – entschieden worden. In anderen Ländern be-
reite man sich schon konkret – beispielsweise an der Londo-
ner Börse – auf die Nutzung dieses Instruments vor bzw.
sammle mit einem internen Zertifikatehandel bereits Erfah-

rungen. Ein solches Vorgehen halte man auch hierzulande für
dringend erforderlich, da sein Einsatz gründlich und langfris-
tig vorbereitet werden müsse. Es sei bekannt, dass sich zwei
Arbeitsgruppen beim Bundesministerium für Umwelt, Natur-
schutz und Reaktorsicherheit bzw. bei der Börse in Frankfurt
mit diesem Thema beschäftigten. Ergebnisse seien aber bis-
lang nicht bekannt geworden. Mit dem eigenen Antrag wolle
man deshalb darauf hinwirken, dass sich die Bundesregierung
intensiver als bisher dieser Aufgabe zuwende.
Von Seiten der Fraktion der SPD wurde festgestellt, der
Emissionszertifikatehandel sei ein Instrument, um zum Kli-
maschutz zu kommen. Ob man dort aber vorankomme, ent-
scheide sich an anderen Stellen. International gesehen sei
zudem festzuhalten, dass nur ganz wenige Länder – darun-
ter Deutschland – sich überhaupt in Richtung auf ihre Emis-
sionsziele hin bewegten, so dass es große Mengen von zu
verkaufenden Emissionsrechten weder auf dieser Ebene
noch unternehmensbezogen gebe, es sei denn, es handele
sich um „heiße Luft“. Der Emissionszertifikatehandel sei
ein neues Instrument, das Vorteile bieten könne, aber auch
Nachteile und Risiken berge, die es im Einzelnen zu unter-
suchen und zu prüfen gelte. Dieser Prozess sei derzeit unter
Beteiligung aller Akteure im Gange. Im Klimaschutzpro-
gramm der Bundesregierung sei dieses Instrument mit ent-
halten. Man gehe davon aus, dass dieses Instrument nach
sorgfältiger Prüfung auch in Deutschland genutzt werde.
Der vorliegende Antrag greife aber den Dingen viel zu weit
vor und störe den laufenden Diskussionsprozess, so dass
man ihn ablehnen werde.
Von Seiten der Fraktion der CDU/CSU wurde vorgetragen,
die Europäische Gemeinschaft habe sich durch das Klima-
schutzprotokoll von Kyoto verpflichtet, die Treibhausgas-
emissionen gegenüber dem Stand von 1990 um 8 % zu
senken. Um diese Absenkung wirtschaftlich verträglich zu
gestalten, erlaube das Kyoto-Protokoll den Staaten, Emis-
sionsrechte von anderen Ländern zu kaufen oder emissions-
mindernde Projekte außerhalb des eigenen Landes durch-
zuführen. Auf nationaler Ebene seien Unternehmen Emis-
sionskontingente zuzuteilen. Erreichten Betriebe ihre Emis-
sionskontingente nicht, könnten sie den Überhang an andere
Unternehmen verkaufen. Die Kommission der EG habe ein
Grünbuch erarbeitet, in dem die Einführung eines inner-
europäischen Emissionshandelssystems ab dem Jahre 2005
vorgeschlagen werde. Von daher sei es höchste Zeit, auch auf
nationaler Ebene konkrete Maßnahmen zu ergreifen. In
Deutschland sei bislang nichts unternommen worden, um
sich auf den klimapolitischen Zertifikatehandel vorzuberei-
ten, obwohl die Bundesregierung erklärt habe, dass sie die
flexiblen Mechanismen des Kyoto-Protokolls nutzen wolle.
Da der Emissionshandel ein zz. noch unbekanntes Instrument
des Umweltschutzes sei, müsse den Unternehmen auch die
Möglichkeit gegeben werden, sich mit diesem Instrument
vertraut zu machen. Dies betreffe insbesondere die kleineren
und mittelständischen Unternehmen. Von daher fordere man
die Bundesregierung auf, den Börsenhandel mit Emissions-
zertifikaten in Deutschland einzuführen. Der flexible Mecha-
nismus des Emissionszertifikatehandels trage dem globalen
Charakter der Klimaproblematik Rechnung, indem nationale
finanzielle Mittel global an den Ort mit den kostengünstigs-
ten Minderungsmöglichkeiten gelenkt würden. Das Gesamt-
ziel werde dadurch kostengünstig erreicht. Die Ansiedlung

Drucksache 14/5588 – 4 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

von Industrie in stärker belasteten Ländern werde dadurch
nicht behindert. Auch auf nationaler Ebene erlaube die über-
regionale Betrachtung der Emissionen, den Minderungsver-
pflichtungen nachzukommen, ohne einzelne Betriebe in ihrer
Existenz zu gefährden. Einem Unternehmen, welches über
den ihm zugeteilten Emissionsanteil Schadstoffe ausstoße,
werde es durch den Zukauf von Emissionsrechten anderer
Unternehmen ermöglicht, seine Verpflichtungen zu erfüllen.
Sowohl das erwerbende wie auch das veräußernde Unterneh-
men profitiere von der durch den Handel gegebenen Flexibi-
lität. Die Gesamt-Emissionsmenge bleibe gleich, so dass um-
weltpolitische Ziele nicht unterlaufen würden. Die Einfüh-
rung des Emissionshandels erfolge im Sinne des Nachhaltig-
keitsprinzips, denn sie berücksichtige ökonomische und
ökologische Belange gleichermaßen. Mindestanforderungen
könnten durch eine umfassende Betrachtung der Emissions-
werte gerechter und einfacher eingehalten werden. Der
Emissionshandel sei mit anderen Politiken und Maßnahmen,
insbesondere mit den Selbstverpflichtungen der Wirtschaft,
kompatibel. Aus diesem Grunde sei eine baldige Regelung
des nationalen Emissionshandels erforderlich, damit vor dem
Beginn des internationalen Handels im Jahre 2008 ausrei-
chend Erfahrung mit der Umsetzung gewonnen werden
könne. Insbesondere die Preise für Emissionskontingente
seien transparent zu machen. Auch den mittelständischen
Unternehmen, die nicht international agierten, müsse die
Möglichkeit gegeben werden, sich auf den Emissionshandel
vorzubereiten. Es gelte, verlässliche und langfristige Rah-
menbedingungen zu schaffen, auf deren Basis die Wirtschaft
handlungsfähig bleibe. Weiter müsse sichergestellt werden,
dass die Wettbewerbsbedingungen für nationale und interna-
tionale Unternehmen äquivalent seien. Deutschland dürfe
nicht hinter den anderen Ländern zurückbleiben, die bereits
Vorbereitungen für einen solchen Handel aufgenommen hät-
ten, und damit den Einfluss auf den internationalen Handel
verlieren. Daher halte man es für dringend erforderlich, dass
entsprechende Anstrengungen unternommen würden. Da
man aber noch in einigen kleineren Bereichen – vor allem im
mittelständischen Bereich – Klärungsbedarf habe, schlage
man vor, wie dies in klimapolitischen Fragen früher mehr-
fach geschehen sei, auf der Basis des vorliegenden Antrags
eine gemeinsame Entschließung zu erarbeiten. Anderenfalls
werde man sich bei der Abstimmung zu dem vorliegenden
Antrag der Stimme enthalten.

Von Seiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
wurde festgestellt, der Emissionszertifikatehandel sei ein –
bei richtiger Ausgestaltung auch wichtiges – Instrument, um
das Ziel Klimaschutz zu erreichen. Der Antrag der Fraktion
der F.D.P. enthalte hierzu allerdings eine Reihe nicht ganz zu-
treffender Feststellungen. Wenn z. B. das Problem der Sen-
ken nicht zufrieden stellend gelöst werde, stelle sich die
Frage, ob es überhaupt zu einem Handel mit Emissionszerti-
fikaten komme und nicht, wie dies im Antrag behauptet
werde, welche der unterschiedlichen Varianten zum Zuge
komme. Unzutreffend sei auch die Feststellung, in Deutsch-
land fehle bisher jede organisatorische Infrastruktur und das

professionelle Know-how für einen klimapolitischen Zertifi-
katehandel. Abgesehen davon, dass sich die Bundesregie-
rung im Rahmen der internationalen Verhandlungen intensiv
an der Ausgestaltung der flexiblen Instrumente beteilige,
gebe es hierzulande, wie sonst nur noch in zwei weiteren
Ländern, speziell dafür eingerichtete Arbeitsgruppen unter
Beteiligung von Industrievertretern, deren alleiniges Ziel es
sei, möglichst früh ein Pilotprojekt für ein nationales Emissi-
onshandelssystem zu entwickeln. Wenn auf internationaler
Ebene im Jahre 2008, auf europäischer Ebene voraussichtlich
im Jahre 2005, solche Systeme eingeführt werden sollten, sei
Deutschland also mit seinen jetzigen Vorbereitungen durch-
aus auf der Höhe der Zeit. Nicht zu vergessen sei schließlich,
dass es von namhafter industrieller Seite große Vorbehalte
gegen einen Emissionszertifikatehandel gebe. Zu widerspre-
chen sei auch der Aussage, dass Standorte für Klimabörsen
statt in Deutschland im Ausland eingerichtet und die Spielre-
geln für internationale Klima-Transaktionen ohne Einfluss-
nahme Deutschlands ausgehandelt würden. Zum einen sei
auf die Arbeitsgruppe bei der Deutschen Börse in Frankfurt
hinzuweisen. Dass es dort sehr langsam vorangehe, habe da-
mit zu tun, dass einige der Industrievertreter nicht über das
Wie, sondern über die Sinnhaftigkeit dieses Instruments
überhaupt verhandeln wollten. Gleichwohl habe die Deut-
sche Börse größtes Interesse daran, diesen Emissionshandel
abzuwickeln. Innerhalb von Deutschland gebe es aber bereits
Konkurrenz in Form von Leipzig, das von sich aus großes
Interesse habe, in diesem Bereich tätig zu sein.

Obwohl man also der Grundintention des Antrags zu-
stimme, lehne man den Antrag wegen der nicht zutreffen-
den Feststellungen also ab. Man sei sich auch mit der Frak-
tion der SPD einig, dass er keine geeignete Grundlage für
eine gemeinsame Entschließung darstelle.

Von Seiten der Fraktion der PDS wurde festgestellt, der
neue Bericht des Intergovernmental Panel on Climate
Change (IPCC) mache deutlich, dass beim Klimaschutz ge-
handelt werden müsse. Wie aus dem Grünbuch zum Handel
mit Treibhausgasemissionen in der Europäischen Union
(KOM (2000) 87 endg.), das man im Ausschuss bereits be-
raten habe, hervorgehe, seien viele Fragen im Zusammen-
hang mit dem Zertifikatehandel noch unklar. So sei offen,
wie und zu welchem Preis die Emissionsmengen verteilt
würden, wie das Verhältnis zwischen den am Handel teil-
nehmenden und nichtteilnehmenden Nationen oder Staaten
unter Wettbewerbsbedingungen geregelt werde und wie ein
solches System mit vertretbarem Aufwand tatsächlich kon-
trolliert werden könne. Man selbst lehne wegen dieser offe-
nen Punkte den Handel mit Emissionszertifikaten und damit
auch den vorliegenden Antrag der Fraktion der F.D.P. ab.

Der Ausschuss beschloss mit den Stimmen der Fraktionen
SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und PDS gegen die
Stimmen der Fraktion der F.D.P. bei Stimmenthaltung der
Fraktion der CDU/CSU dem Deutschen Bundestag zu
empfehlen, den Antrag auf Bundestagsdrucksache 14/4395
abzulehnen.

Berlin, den 15. März 2001

Monika Ganseforth
Berichterstatterin

Marie-Luise Dött
Berichterstatterin

Dr. Reinhard Loske
Berichterstatter

Birgit Homburger
Berichterstatterin

Eva-Maria Bulling-Schröter
Berichterstatterin

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