BT-Drucksache 14/5554

Bürger über nukleare Entsorgung umgehend und kontinuierlich informieren

Vom 13. März 2001


Deutscher Bundestag

Drucksache

14/

5554

14. Wahlperiode

13. 03. 2001

Antrag

der Abgeordneten Kurt-Dieter Grill, Dr. Peter Paziorek, Dr. Klaus W. Lippold
(Offenbach), Reinhard Freiherr von Schorlemer, Cajus Caesar, Marie-Luise Dött,
Georg Girisch, Helmut Lamp, Dr. Paul Laufs, Vera Lengsfeld, Bernward Müller
(Jena), Franz Obermeier, Christa Reichard (Dresden), Hans-Peter Repnik,
Siegfried Hornung, Dr. Christian Ruck, Hans Peter Schmitz (Baesweiler), Werner
Wittlich, Sylvia Bonitz, Manfred Carstens (Emstek), Dr. Hans Georg Faust,
Jochen-Konrad Fromme, Carl-Detlev Freiherr von Hammerstein, Klaus-Jürgen
Hedrich, Dr. Karl-Heinz Hornhues, Dr.-Ing. Dietmar Kansy, Eckart von Klaeden,
Eva-Maria Kors, Thomas Kossendey, Dr. Martina Krogmann, Dr. Hermann Kues,
Walter Link (Diepholz), Erich Maaß (Wilhelmshaven), Bernd Neumann (Bremen),
Dr. Friedbert Pflüge , Marlies Pretzlaff, Heinrich-Wilhelm Ronsöhr, Anita Schäfer,
Heinz Schemken, Dr. Erika Schuchardt, Dr. Rudolf Seiters, Werner Siemann,
Dr. Rita Süssmuth und der Fraktion der CDU/CSU

Bürger über nukleare Entsorgung umgehend und kontinuierlich informieren

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Bis zur Bundestagswahl im Herbst 1998 haben führende Vertreter der Bundes-
regierung und der sie tragenden Parteien den Eindruck erweckt, mit einem Re-
gierungswechsel würden die Anlagen zur nuklearen Entsorgung in Niedersach-
sen und insbesondere in Gorleben nicht mehr genutzt. Noch im Herbst 1998
und Frühjahr 1999 hatte der Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und
Reaktorsicherheit eine völkerrechtlich verbindliche V ereinbarung über die
Rücknahme der Abfälle aus der Wiederaufbereitung in England und Frankreich
bestritten. Er hat damals die Praxis als „kriminelle“ Abfallverschiebung kriti-
siert. Diese Praxis wird jetzt allerdings fortgesetzt bis 2005. Die Rücknahme-
pflicht ist nunmehr unbestritten

Die Bundesrepublik Deutschland hat Ende Januar 2001 mit Frankreich eine
Vereinbarung unterschrieben, mit der die Zahl der T ransporte von Frankreich
nach Deutschland verbindlich geregelt wird. Die Bundesregierung hat damit die
völkerrechtliche Verpflichtung zur Rücknahme der Abfälle im Gegensatz z
Äußerungen im Herbst 1998 und Frühjahr 1999 in vollem Umfang anerkannt.
Sie erkennt die Nutzung der W iederaufarbeitung in Frankreich noch bis zum
Jahr 2005 an und verursacht damit weitere Rücknahmepf ichten bis ca. 2010.

Nimmt man die Rücknahmepf icht gegenüber England hinzu, könnten jährlich
zwei bis drei Transporte in das Zwischenlager Gorleben für die nächsten zehn
Jahre anstehen. Diesen Sinneswandel und die damit verbundenen Fragen an die
bisherige Politik der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sind allenfalls in
Drucksache

14/

5554

– 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode
schriftlicher Form erläutert worden. Der Bundesminister für Umwelt, Natur-
schutz und Reaktorsicherheit hat die Ein ladungen, z. B. der Standortgemein-
den, im Gegensatz zu seinem Kollegen aus Niedersachsen nicht nur nicht ange-
nommen, er hat sie nicht einmal beantwortet.

Unabhängig davon, dass die Anlagen in Gorleben im Gegensatz zu früheren
Aussagen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nun doch zur Entsorgung genutzt
werden sollen, gibt es darüber hinaus die Tatsache einer völlig veränderten Dar-
stellung zu Sicherheitsfragen. So sind z. B. die Bahnanlagen zur Umladung auf
die Straße in Dannenberg komplett erneuert worden, der Umladekran wird auf
Weisung des Innenministers von Niedersachsen durch eine massive Betonhülle
gegen Gewalttäter geschützt.

Wo SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der V ergangenheit polemisch
gegen die Sicherheit der Transporte und den Castorbehälter agitiert haben, wird
heute zugestanden, der Castor sei sicher , die T ransporte seien notwendig und
damit Widerstand gegen die Transporte nunmehr unzulässig.

Der Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit vermeidet
jede Diskussion mit Kernkraftgegnern vor Ort. Die, die gestern noch hilfreich
waren auf dem W eg zur Regierungsumbildung, sind heute hinderlich und
unerwünscht und müssen diszipliniert werden. Entgegen der Praxis früherer
Bundesregierungen findet in den letzten zwei Jahren ein gezielter Dialog de
politisch Verantwortlichen mit der Bevölkerung vor Ort nicht statt.

Gerade in schwierigen Lagen muss sich der demokratische Staat der Diskus-
sion mit seinen Bür gern stellen. Die 180°-W ende in der Sicherheitsfrage ist
zynisch und unglaubwürdig, wenn sie ohne jede Entschuldigung oder Erläu-
terung gegenüber Betroffenen als gegeben hingestellt wird.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf:

1. unverzüglich einen Dialog mit der Bevölkerung in der betrof fenen Region
aufzunehmen und ihre Politik zu erläutern.

2. die 1978 zur Information der Bür gerinnen und Bürger eingerichtete „Infor-
mationsstelle des Bundes“ wieder zu aktivieren, um einen dauerhaften Dia-
log zwischen Betroffenen und Bundesregierung zu garantieren.

Berlin, den 8. März 2001

Kurt-Dieter Grill Dr. Christian Ruck Dr. Martina Krogmann
Dr. Peter Paziorek Hans Peter Schmitz (Baesweiler) Dr. Hermann Kues
Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach) Werner Wittlich Walter Link (Diepholz)
Reinhard Freiherr von Schorlemer Sylvia Bonitz Erich Maaß (Wilhelmshaven)
Cajus Caesar Manfred Carstens (Emstek) Bernd Neumann (Bremen)
Marie-Luise Dött Dr. Hans Georg Faust Dr. Friedbert Pflüge
Georg Girisch Jochen-Konrad Fromme Marlies Pretzlaff
Helmut Lamp Carl-Detlev Freiherr Heinrich-Wilhelm Ronsöhr
Dr. Paul Laufs von Hammerstein Anita Schäfer
Vera Lengsfeld Klaus-Jürgen Hedrich Heinz Schemken
Bernward Müller (Jena) Dr. Karl-Heinz Hornhues Dr. Erika Schuchardt
Franz Obermeier Dr.-Ing. Dietmar Kansy Dr. Rudolf Seiters
Christa Reichard (Dresden) Eckart von Klaeden Werner Siemann
Hans-Peter Repnik Eva-Maria Kors Dr. Rita Süssmuth
Siegfried Hornung Thomas Kossendey Friedrich Merz,

Michael Glos und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.