BT-Drucksache 14/5475

1. zu dem Antr. der Abg. Günter Gloser, Hans-Werner Bertl, Hans Büttner (Ingolstadt), w. Abg. u. der Frak. der SPD sowie der Abg. Chr. Sterzing, Ulrike Höfken, Claudia Roth, w. Abg. u. der Frak. B90/GRÜNE -14/4886- Flankierung der Erweiterung der Europäischen Union als innenpolitische Aufgabe 2. zu dem Antr. der Abg. Klaus Hofbauer, Peter Hintze, Peter Altmaier, w. Abg. u. der Frak. der CDU/CSU -14/4643- Die deutschen Grenzregionen auf die EU-Erweiterung durch einen Grenzgürtel-Aktionsplan vorbereiten

Vom 7. März 2001


Deutscher Bundestag Drucksache 14/5475
14. Wahlperiode 07. 03. 2001

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union
(22. Ausschuss)

1. zu dem Antrag der Abgeordneten Günter Gloser, Hans-Werner Bertl, Hans
Büttner (Ingolstadt), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
sowie der Abgeordneten Christian Sterzing, Ulrike Höfken, Claudia Roth,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 14/4886 –

Flankierung der Erweiterung der Europäischen Union als innenpolitische
Aufgabe

2. zu dem Antrag der Abgeordneten Klaus Hofbauer, Peter Hintze, Peter Altmaier,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU
– Drucksache 14/4643 –

Die deutschen Grenzregionen auf die EU-Erweiterung durch einen Grenz-
gürtel-Aktionsplan vorbereiten

A. Problem

Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat in ihrem Strategie-
papier zur Erweiterung (Bericht über die Fortschritte jedes Bewerberlandes auf
dem Weg zum Beitritt) vom 8. November 2000 darauf hingewiesen, dass ein
Erweiterungsprojekt der Größenordnung, wie es mit dem Beitritt der mittel-
und osteuropäischen Staaten angestrebt wird, eine auf mehrere Jahre angelegte
Kommunikationsstrategie erfordere, „um die Bürger in der EU und in den bei-
trittswilligen Ländern fortlaufend zu informieren, sie in diesen Prozess einzu-
beziehen und letztendlich ihre Unterstützung dafür zu gewinnen. Dies geht weit
über das Recht der betroffenen Menschen hinaus, korrekt darüber informiert zu
werden, was die Erweiterung für sie bedeutet. Es ist die demokratische Legiti-
mierung des Prozesses selbst.“ Die Kommission sieht es als erforderlich an,
einen umfassenden Dialog einzuleiten, um den Menschen die Risiken und die
positiven Auswirkungen deutlich zu machen und ihnen zu vermitteln, dass ihre
Bedenken ernst genommen werden. Eine wirksame Kommunikationsstrategie
könne sich nicht darauf beschränken, die objektiven politischen und wirtschaft-
lichen Vorteile der Erweiterung hervorzuheben, sondern müsse vielmehr darauf
ausgerichtet sein, in einem interaktiven Prozess die Sorgen und Ängste der

Drucksache 14/5475 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Menschen abzubauen. Insbesondere müsse den Menschen in den Regionen, die
an die Bewerberländer angrenzen, Sicherheit vermittelt und deutlich gemacht
werden, dass die Erweiterung Vorteile bringen wird. Die Maßnahmen der Kom-
mission werden dabei nur als ein Mittel angesehen, das durch Maßnahmen der
Länder selbst ergänzt werden muss. Voraussetzung hierfür sei die fortlaufende
enge Koordinierung mit allen Maßnahmen der Regierungen, Parlamente und
gesellschaftlichen Gruppen im weitesten Sinne.

Die Staats- und Regierungschefs haben es beim Europäischen Rat Nizza vom
7. bis 9. Dezember 2000 als erforderlich angesehen, dass es nunmehr an der
Zeit sei, dem Erweiterungsprozess neuen Schwung zu verleihen. Sie haben den
„Fahrplan“ für die kommenden 18 Monate akzeptiert, der den Fortgang der
Verhandlungen erleichtern wird. Der Europäische Rat hat die Kommission aus-
drücklich ersucht, für die Grenzregionen ein Programm zur Festigung ihrer
wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit vorzuschlagen.

Die schwedische Ratspräsidentschaft hat die Erweiterung als einen ihrer
Schwerpunkte bezeichnet, der höchste Priorität genieße und hat ihren Willen
geäußert, einen politischen Durchbruch bei den Beitrittsverhandlungen zu er-
zielen. Sie hat dabei darauf hingewiesen, wie wichtig es sei, dass die Erweite-
rung breite Unterstützung in der Union erhalte.

Mit beiden vorliegenden Anträgen wird auf diese Themen eingegangen.

B. Lösung
1. Annahme des Antrags der Fraktionen der SPD und von BÜNDNIS 90/DIE

GRÜNEN zur Flankierung der Erweiterung der Europäischen Union als
innenpolitische Aufgabe (Bundestagsdrucksache 14/4886).

Annahme mit den Stimmen der Fraktionen der SPD und von
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktion der F.D.P.
bei Enthaltung der Fraktionen der CDU/CSU und der PDS.

2. Ablehnung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU Die deutschen Grenz-
regionen auf die EU-Erweiterung durch einen Grenzgürtel-Aktionsplan vor-
bereiten (Bundestagsdrucksache 14/4643).

Ablehnung mit den Stimmen der Fraktionen der SPD und von
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU und der F.D.P. bei Enthaltung der Fraktion der PDS.

C. Alternativen

Keine

D. Kosten

Wurden nicht erörtert

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/5475

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

1. den Antrag der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Druck-
sache 14/4886 – anzunehmen,

2. den Antrag der Fraktion der CDU/CSU – Drucksache 14/4643 – abzulehnen.

Berlin, den 20. Februar 2001

Der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

Dr. Friedbert Pflüger
Vorsitzender

Winfried Mante
Berichterstatter

Markus Meckel
Berichterstatter

Peter Hintze
Berichterstatter

Michael Stübgen
Berichterstatter

Klaus Hofbauer
Berichterstatter

Christian Sterzing
Berichterstatter

Dr. Helmut Haussmann
Berichterstatter

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Berichterstatterin

Manfred Müller (Berlin)
Berichterstatter

Drucksache 14/5475 – 4 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Winfried Mante, Markus Meckel, Peter Hintze, Michael
Stübgen, Klaus Hofbauer, Christian Sterzing, Dr. Helmut Haussmann, Sabine
Leutheusser-Schnarrenberger und Manfred Müller (Berlin)

1. Beratungsverfahren

Der Antrag der Fraktionen der SPD und von BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN – Drucksache 14/4886 – wurde in der 140.
Sitzung des Deutschen Bundestages am 7. Dezember 2000
zur federführenden Beratung an den Ausschuss für die An-
gelegenheiten der Europäischen Union und zur Mitberatung
an den Finanzausschuss, Ausschuss für Wirtschaft und
Technologie, Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung, Aus-
schuss für Verkehr, Bau und Wohnungswesen, Ausschuss
für Angelegenheiten der neuen Länder und Ausschuss für
Tourismus überwiesen.

Der Antrag der Fraktion der CDU/CSU – Drucksache 14/
4643 – wurde in der 140. Sitzung des Deutschen Bundesta-
ges am 7. Dezember 2000 zur federführenden Beratung an
den Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union und zur Mitberatung an den Finanzausschuss, Aus-
schuss für Wirtschaft und Technologie, Ausschuss für Ver-
kehr, Bau und Wohnungswesen, Ausschuss für Angelegen-
heiten der neuen Länder, Ausschuss für Tourismus und
Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung überwiesen.

Mitberatungsvoten:

Der Antrag der Fraktion der SPD und von BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN – Drucksache 14/4886 – wurde in der 52. Sitzung
des Ausschusses für Angelegenheiten der neuen Länder am
17. Januar 2001 sowie am 7. März 2001 in der 89. Sitzung
des Finanzausschusses, in der 48. Sitzung des Wirtschafts-
ausschusses, in der 83. Sitzung des Ausschusses für Arbeit
und Sozialordnung und in der 53. Sitzung des Ausschusses
für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen angenommen. Der
Ausschuss für Tourismus hat in seiner 54. Sitzung am
14. Februar 2001 auf die Beratung verzichtet.

Der Antrag der Fraktion der CDU/CSU – Drucksache 14/
4643 – wurde in der 52. Sitzung des Ausschusses für Angele-
genheiten der neuen Länder am 17. Januar 2001 sowie am
7. März 2001 in der 89. Sitzung des Finanzausschusses, in der
48. Sitzung des Wirtschaftsausschusses, in der 83. Sitzung
des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung und in der
53. Sitzung des Ausschusses für Verkehr, Bau- und Woh-
nungswesen abgelehnt. Der Ausschuss für Tourismus hat in
seiner 54. Sitzung am 14. Februar 2001 auf die Beratung
verzichtet.

2. Gegenstand der Anträge

a) Im Antrag der Fraktionen der SPD und von BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN wird die europäische Integration als
das wichtigste und erfolgreichste politische Projekt in
der jüngsten Geschichte unseres Kontinents angesehen.
Nach der Vollendung des europäischen Binnenmarktes
und der Wirtschafts- und Währungsunion gelte es nun-
mehr, mit der Erweiterung ein weiteres historisches Pro-
jekt zu bewältigen. Zur Erweiterung gebe es keine politi-
sche Alternative, denn nur sie garantiere Europa
langfristig Frieden, Demokratie und Stabilität. Zugleich

sei sie das wirksamste Instrument, um Osteuropa an das
Wohlstandsniveau Westeuropas heranzuführen. Politisch
und gesamtwirtschaftlich sei die Erweiterung nicht nur
für die Beitrittskandidaten, sondern auch für die heuti-
gen Mitgliedstaaten der Europäischen Union ein Ge-
winn. Sie stärke den Frieden in Europa und festige das
partnerschaftliche Miteinander. Sie mache die Europäi-
sche Union zum weltweit größten Binnenmarkt und
stärke ihre globale Wettbewerbsfähigkeit. Den unbe-
streitbaren Vorteilen der Erweiterung stehe die Skepsis
in der Bevölkerung vieler EU-Mitgliedstaaten gegenüber.
In den nächsten Jahren komme es deshalb darauf an,
die innenpolitischen Herausforderungen im Zusammen-
hang mit der Erweiterung aktiv aufzugreifen, um die
Zustimmung der Bürgerinnen und Bürger zu diesem his-
torischen Projekt zu stärken. Die innenpolitische Flan-
kierung der Erweiterung sei eine große Herausforderung
für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, die am ehesten
erfolgreich bewältigt werden könne, wenn alle Beteilig-
ten im parteiübergreifenden Konsens aktiv dazu beitra-
gen, die Akzeptanz der Erweiterung zu erhöhen.

Die Bundesregierung wird aufgefordert, im Rahmen ih-
rer Strategie zur innenpolitischen Flankierung der Er-
weiterung ihre Anstrengungen zur Information der Be-
völkerung über die Chancen und Herausforderungen der
Erweiterung weiter zu verstärken und sich weiterhin ak-
tiv in den Dialog mit allen wichtigen gesellschaftlichen
Gruppen über die Erweiterung einzubringen. Die Bun-
desregierung wird aufgefordert zu prüfen, ob und ggf.
inwieweit der Einsatz der bewährten strukturpolitischen
Instrumente verstärkt werden kann, insbesondere durch
eine Bündelung und Verzahnung der verschiedenen In-
strumente sowie den gezielten Einsatz moderner Instru-
mente zur Förderung der Regionalentwicklung, wie z. B.
Regionalmanagement oder Regionalkonferenzen. Die
Bundesregierung wird darüber hinaus aufgefordert zu
klären, inwieweit spezifische Probleme auf den regiona-
len Arbeitsmärkten eine Unterstützung durch die Ar-
beitsmarktpolitik erfordern und die Erweiterung auch im
Bündnis für Arbeit aufzugreifen. Die Bundesregierung
wird schließlich gebeten zu klären, wie die Möglichkei-
ten der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit verbes-
sert werden können, sie wird aufgefordert, den Jugend-
austausch und den kulturellen Austausch gezielt zu
fördern, insbesondere mit unseren Nachbarländern Polen
und Tschechien, sie wird gebeten zu prüfen, wie der be-
reits begonnene Ausbau der Infrastruktur in den Grenz-
regionen weiter verbessert werden kann, um eine be-
darfsgerechte Verkehrsanbindung der Grenzregionen zu
gewährleisten und wird schließlich aufgefordert, Kon-
zepte zu entwickeln, die die praktische Zusammenarbeit
der Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern mit den
Beitrittsstaaten auf dem Gebiet der inneren Sicherheit
gewährleisten. Die Öffentlichkeitsarbeit ist dahingehend
zu verstärken, dass Kriminalitätsängste in der Bevölke-
rung abgebaut werden.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 5 – Drucksache 14/5475

b) Im Antrag der Fraktion der CDU/CSU wird die Ost-
erweiterung als die wichtigste und zugleich schwierigste
Aufgabe der Europäischen Union angesehen. Durch die
Erweiterung der EU ließen sich Rechtsstaat, Demokratie
und soziale Marktwirtschaft auch in Mittel- und Osteu-
ropa dauerhaft verankern. Es liege im gesamten europäi-
schen Interesse, das Wohlstandsgefälle zwischen Ost
und West wesentlich zu verringern. Die großen politi-
schen und wirtschaftlichen Vorteile der Erweiterung für
Europa überwögen deutlich die Risiken, was auch für
die Grenzregionen gelte. Diese seien von der Osterwei-
terung naturgemäß besonders betroffen. Manche Pro-
bleme, aber auch viele der Vorteile, würden dort früher
oder stärker als in der übrigen EU auftreten. Dabei sei
festzustellen, dass die bevorstehende Erweiterung für die
heute auftretenden Probleme nicht ursächlich sei, son-
dern sie durch Angleichung der Wettbewerbsbedingun-
gen zur Lösung der Probleme beitragen würde.

Die Bundesregierung wird in dem Antrag aufgefordert,
parallel zu den laufenden EU-Beitrittsverhandlungen ei-
nen Grenzgürtel-Aktionsplan aufzustellen, der Maßnah-
men vorsieht, um den Anpassungsbedarf im Zusammen-
hang mit dem Beitritt abzufedern und die Grenzregionen
durch ein Maßnahmepaket aktiv auf den Beitritt vorzube-
reiten. Diese Maßnahmen müssten sowohl wirtschafts-,
arbeitsmarkt- und strukturpolitische als auch soziokultu-
relle Aspekte umfassen. Die Bundesregierung wird darü-
ber hinaus aufgefordert, in Brüssel die Verabschiedung
eines EU-Förderprogramms für die deutschen Grenzregi-
onen entlang der bisherigen Außengrenzen der EU zu er-
reichen, nach dem Vorbild des EU-Sonderprogramms für
Italien und Frankreich im Rahmen des Integrierten Mit-
telmeerprogramms aus Anlass des Beitritts süd- und süd-
osteuropäischer Länder zur EU. Die Bundesregierung
wird darüber hinaus aufgefordert, für eine konsequente
und vor allem zeitgerechte Umsetzung der Leitlinien für
die transeuropäischen Netze zu sorgen und die überregio-
nalen Straßen- und Schienenverbindungen in den Regio-
nen an den bisherigen Außengrenzen der EU (Verkehr-
sprojekt der EU-Osterweiterung) den Verkehrsprojekten
Deutsche Einheit gleich zu stellen. Besondere Bedeutung
komme dabei der raschen Verwirklichung der Ost-West-
Verbindungen zu. Die Bundesregierung wird aufgefor-
dert, unter Beibehaltung der Kriterien für europäische
Zielgebiete und bei Anerkennung des fortbestehenden
Förderungsbedarfs für diese Zielgebiete das Förderinstru-
ment der Gemeinschaftsaufgabe als bewährtes Mittel der
Strukturförderung nicht nur beizubehalten, sondern im
Hinblick auf mögliche regionale Risiken der EU-Ost-
erweiterung zu stärken und – nach Absprache mit den
Län-dern – mit einem jährlich ansteigenden Mitteleinsatz
auszustatten. Die Bundesregierung wird schließlich auf-
gefordert, eine Initiative im Ministerrat zu ergreifen mit
dem Ziel, einen hinreichenden Handlungsspielraum für
die Mitgliedstaaten bei der konkreten Umsetzung der EU-
Strukturförderung zu gewähren. Die Bundesregierung
müsse insbesondere darauf hinwirken, dass die Regionen
einen größeren Ermessensspielraum in der Beihilfepolitik
erhalten. Schließlich wird die Bundesregierung in dem
Antrag aufgefordert, bis zur Konferenz zur Überprüfung
des finanziellen Rahmens der EU im Jahr 2003 Strategien
zu entwickeln, wie nach dem Auslaufen des jetzigen För-

derzeitraums in der EU im Jahr 2006 für die Strukturpoli-
tik die positiven Ansätze der EU und der nationalen För-
dermaßnahmen weitergeführt werden können.

3. Beratungsverfahren – federführender
Ausschuss

Der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union hat sich kontinuierlich mit dem Stand der Beitritts-
verhandlungen befasst. Mit der Osterweiterung verbundene
Fragen haben darüber hinaus in der regelmäßigen Befas-
sung des Europaausschusses mit der Regierungskonferenz
zu den institutionellen Reformen eine große Rolle gespielt.

In einer gemeinsamen Anhörung mit dem Ausschuss für Er-
nährung, Landwirtschaft und Forsten hat sich der Europa-
ausschuss in seiner 59. Sitzung am 17. Januar 2001 mit dem
Thema der „Auswirkungen der EU-Erweiterung auf die ge-
meinsame Agrarpolitik und die Regionen“ befasst. An die-
ser Anhörung haben folgende Sachverständige mitgewirkt:
Prof. Dr. Hast (BVE Bonn), Dr. Born (DBV Bonn), Herr
Spahn (IG Bau Frankfurt/Main), Prof. Dr. Frohberg (AMO
Halle), Herr Hetzner (MIV Bonn), Prof. Dr. Dieter Dräger
(Institut für Ausländische Landwirtschaft Berlin), Prof. Dr.
Folkhard Isermeyer (FAL Braunschweig), Dr. Martin Banse
(Institut für Agrarökonomie, Universität Göttingen), MR
Dr. Friedemann Tetsch (BMWi), Dr. Lothar Blatt (Arbeits-
gemeinschaft Peripherer Regionen Deutschlands).

In seiner 60. Sitzung am 24. Januar 2001 hat sich der Aus-
schuss durch Staatsminister Dr. Christoph Zöpel (Auswärti-
ges Amt) und dem stellvertretenden Chef des Presse- und
Informationsamtes der Bundesregierung, Herrn MD Peter
Ruhenstroth-Bauer, über die Kommunikationsstrategie zur
EU-Erweiterung unterrichten lassen.

Der Ausschuss hat darüber hinaus in seiner 62. Sitzung am
14. Februar 2001 ein Hearing zu dem Thema „Wirtschaftli-
che Chancen und Herausforderungen der EU-Erweiterung“
mit folgenden Sachverständigen durchgeführt: Frau Karin
Alleweldt, Abt. für internationale und europäische Gewerk-
schaftspolitik beim DGB-Bundesvorstand, Herr Prof. Dr.
Kurt Schelter, Minister der Justiz und für Bundesangelegen-
heiten des Landes Brandenburg, Herr Dr. Ludolf-Georg von
Wartenberg, Hauptgeschäftsführer und Mitglied des Präsi-
diums des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Herr
Dr. Wolfgang Quaisser, Fachreferent des Osteuropainstituts
München, Herr John Hontelez, Generalsekretär des Europä-
ischen Umweltbüros in Brüssel und Herr Dr. Herbert
Brücker vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung.

Darüber hinaus hatte der Ausschuss in der Vergangenheit in
seiner Sitzung am 27. Oktober 1999 ein Fachgespräch mit
Vertretern internationaler und europäischer Finanzinstitutio-
nen und am 1. Dezember 1999 ein Fachgespräch mit allen
Botschaftern der mittel- und osteuropäischen Beitrittskandi-
datenländer sowie Maltas und Zyperns durchgeführt, um In-
formation über die finanzielle Unterstützung der Beitrittsbe-
werber und deren Selbsteinschätzung zu erhalten.

Seit dem 8. Februar 2001 hat der Ausschuss das Verfahren
installiert, dass die Obleute und zuständigen Berichterstatter
vom Staatsminister im Auswärtigen Amt, Dr. Christoph
Zöpel, regelmäßig – in monatlichen Abständen – über den
Stand der Beitrittsverhandlungen unterrichtet werden.

Drucksache 14/5475 – 6 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Vor diesem Hintergrund wurde seitens der SPD-Fraktion in
den Beratungen darauf verwiesen, dass es beim Prozess der
Osterweiterung grundsätzlich keinen Grund zu Skeptizis-
mus und Pessimismus gäbe. Es komme darauf an, aus dem
Bekenntnis zur Erweiterung der EU die notwendigen
Schlussfolgerungen zu ziehen und plausible Konzepte und
Strategien zu entwickeln. Die Bundesregierung habe bei-
spielsweise schon dafür gesorgt, dass mehr Mittel aus den
EU-Strukturfonds für Ziel-1-Gebiete und Ziel-2-Gebiete,
die Grenzregionen, sowohl in den neuen als auch in den al-
ten Ländern bereitgestellt würden. Bereits am 28. Juni 2000
habe die SPD-Bundestagsfraktion ein Positionspapier für
eine Strategie zur Flankierung der Osterweiterung veröf-
fentlicht. Insbesondere in den grenznahen Regionen von
Mecklenburg-Vorpommern bis Bayern verstärke sich mit
dem heranrückenden Beitritt von Polen und Tschechien na-
turgemäß die Diskussion über die Chancen und Probleme
der Erweiterung. Bei der Suche nach der richtigen Strategie
zur Flankierung des Erweiterungsprozesses seien aber
Sachlichkeit und Nüchternheit gefragt. Nach Auffassung
der SPD-Fraktion gelinge die Abfederung des Anpassungs-
druckes dann am besten, wenn sich die Verhältnisse beider-
seits der jetzt noch bestehenden EU-Außengrenze in der
Vor-Beitrittsphase auf einem hohen Niveau weitgehend an-
gleichen ließen. Deswegen sei die grenzüberschreitende Zu-
sammenarbeit beispielsweise in den Euroregionen Neisse,
Pro-Europa-Viadrina und Egrensis von ganz zentraler Be-
deutung. Schon seit Jahren würden Kontakte und Initiativen
durch gemeinsame Wirtschaftsfördergesellschaften, Kam-
merzusammenschlüsse wie die unter dem Namen Elbe-
Oder, kommunale Partnerschaften sowie grenzüberschrei-
tende Projekte im kulturellen, sportlichen und sozialen Be-
reich bestehen. Natürlich gebe es Konflikte und offene Fra-
gen etwa im Bereich des Arbeitsmarktes, im Bau- und
Transportbereich, bei der Wettbewerbsfähigkeit der kleinen
und mittelständischen Betriebe des Handwerks und des
Dienstleistungsgewerbes sowie im Bereich der organisier-
ten Kriminalität und bei der Sicherung der Grenzen sowie
Defizite im Bereich der grenzüberschreitenden Infrastruk-
tur. Es gebe andererseits aber bereits eine Vielzahl von Pro-
grammen, Projekten und Initiativen, um den Anpassungs-
druck abzubauen. Die Herausforderungen könnten nur
gemeinsam in Zusammenarbeit zwischen EU, Bund und
Ländern und den betroffenen Regionen gemeistert werden.
Das bedeute aber auch, dass die vorhandenen Handlungs-
spielräume auf jeder Ebene bis hin zu den Regionen eigen-
ständig ausgeschöpft werden müssten. Alle diese Maßnah-
men müssten in eine dringend erforderliche und umfassende
Informations- und Kommunikationsstrategie eingebunden
werden, weil es richtig sei, die Bürger in einen sachlichen
Dialog über die Chancen und Risiken der Erweiterung um-
fassend einzubeziehen.

Seitens der Fraktion der CDU/CSU wurde hervorgehoben,
dass die Osterweiterung in den nächsten Jahren die wich-
tigste und zugleich schwierigste Aufgabe der Europäischen
Union sein werde. Der Bundesrepublik Deutschland komme
dabei eine vorrangige Verantwortung zu, da Deutschland
mit den Beitrittsländern Polen und Tschechien eine gemein-
same Grenze habe. Richtig sei, dass die Grenzregionen bei-
derseits dieser Grenze eine Klammerfunktion für die Ost-
erweiterung übernehmen könnten. Dabei seien aber einige
wesentliche Fragen noch offen, die den Menschen Sorgen

bereiten würden. So bliebe bezüglich der Arbeitnehmerfrei-
zügigkeit die Billiglohnsituation auch nach dem Beitritt
dieser Länder bestehen. Es gebe Probleme im Bereich des
Mittelstands, des Handwerks, der Landwirtschaft, im Dienst-
leistungsbereich, im Umweltschutzbereich und bei der
inneren Sicherheit. Trotz dieser Probleme gehe es darum,
die Chancen der Osterweiterung verständlich herauszuar-
beiten und den Menschen konkret zu vermitteln. Darüber
hinaus müssten die Sorgen der Menschen offen und ohne
Vorbehalte aufgenommen und in die politischen Entschei-
dungsprozesse eingebracht werden. Schließlich müssten die
bereits jetzt vorhandenen grenzüberschreitenden Projekte
gestärkt werden.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betonte zu-
nächst, dass gerade die vor dem Beitritt stehenden Länder
einen ganz schwierigen Transformationsprozess durchlau-
fen würden, der ihnen enorme Lasten abverlange. Die EU
unterstütze diesen Strukturanpassungsprozess mit erhebli-
chen Mitteln. Diese finanzielle Unterstützung bedeute für
uns kein Opfer, sondern sei historische Pflicht und Investi-
tion in die Zukunft zugleich. Der Erweiterungsprozess führe
zu einem gewaltigen Strukturwandel nicht nur in den Bei-
trittsländern, sondern auch in den Mitgliedsländern der EU.
Schon jetzt habe sich beispielsweise der Handel mit den
mittel- und osteuropäischen Ländern erheblich gewandelt.
Man könne sagen, dass von der Erweiterung wirtschaftlich
gerade Deutschland profitieren würde. Der Erweiterungs-
prozess würde schon heute entgegen vielen Vorurteilen und
Befürchtungen keinen Verlust an Arbeitsplätzen bedeuten,
sondern im Gegenteil Arbeitsplätze bei uns sichern. Inso-
fern bringe die Erweiterung nicht nur mittel- und langfristig,
sondern schon heute erhebliche wirtschaftliche Vorteile.
Große Chancen biete dieser Prozess gerade auch den Grenz-
regionen, die von ihrer bisherigen Randlage nun in eine
Mittellage rücken würden. Dies eröffne neue wirtschaft-
liche, politische und kulturelle Chancen. Im Zuge der Wie-
dervereinigung sei in den letzten Jahren bereits Erhebliches
in die Infrastruktur der Grenzregionen investiert worden.
Der Veränderungsprozess sei also längst im Gange. Natür-
lich gebe es bei diesem Prozess aber nicht nur Gewinner,
sondern auch Menschen, die von dem Strukturwandel in be-
sonderer Weise betroffen seien und unserer Hilfe und Unter-
stützung bedürften. Dieser Verantwortung müssten sich so-
wohl die Bundesländer als auch der Bund und die EU
stellen. Die regionale Wirtschafts- und Strukturförderung,
die eine Reihe von Instrumenten bereithalte, sei primär eine
Aufgabe der Bundesländer. Aber auch bezüglich der Ge-
meinschaftsaufgaben, für die der Bund zuständig sei, ver-
füge man über ein Instrumentarium, mit dem man seit Jah-
ren regionale Struktur- und Wirtschaftsförderung betreiben
und Anpassungsprozesse gestalten würde. Diese Instru-
mente gelte es in besonderer Weise auf die Bedürfnisse der
Regionen zuzuschneiden.

Seitens der F.D.P.-Fraktion wurde vor allem darauf hinge-
wiesen, dass man bei dem Prozess der Osterweiterung nicht
den Fehler wiederholen dürfe, der bei der Einführung des
Euro erfolgt sei, dass die Bevölkerung nicht ausreichend in
den Prozess mit eingebunden werde. Es sei somit dringend
erforderlich, eine breite Debatte und Informationskampagne
zu führen und die Menschen von den Vorteilen der Erweite-
rung zu überzeugen. Gerade die Grenzregionen würden in
ganz besonderer Weise von der europäischen Erweiterung

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 7 – Drucksache 14/5475

profitieren. Allerdings würden in einer Übergangszeit auf
die Menschen dort auch erhebliche Probleme zukommen.
Vor allem die mittelständische Wirtschaft und die Hand-
werksbetriebe würden einem verstärkten Konkurrenzdruck
ausgesetzt, weswegen diesen Betrieben dabei auch geholfen
werden müsse. Aus der Zeit des Beitritts von Spanien und
Portugal gebe es etwa mit dem Integrierten Mittelmeerpro-
gramm Erfahrungen, von denen man jetzt lernen könne.
Insbesondere gelte es auch die PHARE- und Interreg-
Programme von beiden Seiten der Grenze aufeinander ab-
zustimmen. Insofern sei eine enge Zusammenarbeit von
Bundesregierung und Landesregierungen erforderlich.
Wichtig sei, dass sich die Betroffenen in den entsprechen-
den Gebieten auch selbst vorbereiten würden. In dieser Hin-
sicht sei die Initiative der Wirtschaftskammern entlang der
Grenze vorbildlich, Zusammenschlüsse von Industrie und
Handelskammern aus Deutschland, Polen und der tschechi-
schen Republik zu gestalten.

Die Fraktion der PDS wies darauf hin, dass gerade die heuti-
gen EU-Außengrenzen häufig strukturschwache Regionen
seien. Die Osterweiterung der Europäischen Union biete für
die Menschen und die Regionen in den heutigen EU-Grenz-
regionen aber durchaus auch große Chancen. Trotzdem wür-
den viele Menschen gerade auch in den Grenzregionen Skep-
sis und Angst empfinden. Man trete deshalb dafür ein, dass
die, die bayerischen und ostdeutschen Grenzregionen betref-
fenden, Fragen in einem interregionalen und gesamteuropäi-
schen Zusammenhang diskutiert würden. Es gehe darum,
dass alle Grenzregionen, die an mittel- und osteuropäischen
Staaten liegen, gemeinsam in ein Aktionsprogramm einge-

führt würden. Mit einem solchen gesamteuropäischen Ansatz
würde nicht nur ein Förderprogramm geschaffen, sondern
es würden Entwicklungschancen genutzt. Erforderlich sei
eine Regionalpolitik, die eine vorwärtsstrebende Infrastruktur
und Weiterentwicklung ermöglichen solle. Es gehe um die
Entwicklung einer Strukturpolitik, die die interregionale Zu-
sammenarbeit zwischen den deutschen oder österreichischen
Grenzregionen auf der einen Seite und den slowakischen,
tschechischen oder polnischen Grenzregionen auf der ande-
ren Seite fördere, wie beispielsweise die Zusammenarbeit
von kleinen und mittelständischen Unternehmen auf beiden
Seiten der Grenze und die sich dafür einsetze, dass die Zu-
sammenarbeit innerhalb der Grenzregionen neben den wirt-
schaftlichen Fragen auch die kulturellen, sportlichen, grenz-
überschreitenden, zivilgesellschaftlichen und bildungspoli-
tischen Ansätze erfassen müsse.

Der Antrag der Fraktionen der SPD und von BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN auf Bundestagsdrucksache 14/4886 wird in
der 63. Sitzung des Ausschusses am 7. März 2001 mit den
Stimmen der Fraktionen der SPD und von BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktion der F.D.P.
bei Enthaltung der Fraktionen der CDU/CSU und der PDS
angenommen.

Der Antrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 14/
4643 wird in der 63. Sitzung des Ausschusses am 7. März
2001 mit den Stimmen der Fraktionen der SPD und von
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Frak-
tionen der CDU/CSU und der F.D.P. bei Enthaltung der
Fraktion der PDS abgelehnt.

Berlin, den 7. März 2001

Winfried Mante
Berichterstatter

Markus Meckel
Berichterstatter

Peter Hintze
Berichterstatter

Michael Stübgen
Berichterstatter

Klaus Hofbauer
Berichterstatter

Christian Sterzing
Berichterstatter

Dr. Helmut Haussmann
Berichterstatter

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Berichterstatterin

Manfred Müller (Berlin)
Berichterstatter

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