BT-Drucksache 14/5457

Zukunftschancen des deutschen und europäischen Schiffbaus nachhaltig verbessern

Vom 7. März 2001


Deutscher Bundestag Drucksache 14/5457
14. Wahlperiode 07. 03. 2001

Antrag
der Abgeordneten Rolf Kutzmutz, Dr. Dietmar Bartsch, Dr. Heinrich Fink,
Uwe Hiksch, Sabine Jünger, Gerhard Jüttemann, Ursula Lötzer, Dr. Christa Luft,
Angela Marquardt und der Fraktion der PDS

Zukunftschancen des deutschen und europäischen Schiffbaus nachhaltig
verbessern

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

1. Die Lage im Weltschiffbau-Markt hat sich im vergangenen Jahr weiter ver-
schärft. Südkorea warb in 2000 Bestellungen für 313 Schiffe im Wert von
16,5 Mrd. Euro ein (1999: 227 Schiffe für 10,0 Mrd. Euro). Damit kontrol-
liert dieses Land inzwischen 40 % des gesamten Weltmarktes. Seine Werften
stoßen mittlerweile an technische Kapazitätsgrenzen – nur aus diesem
Grund konnte auch Japan ein Auftragswachstum von 66,7 % gegenüber dem
Vorjahr verzeichnen und so seinen Weltmarktanteil bei 30 % stabilisieren.
Die Werften des EU-Raumes – in den 70er und 80er Jahren noch Weltmarkt-
führer – konnten sich nur noch 18,7 % der vergebenen Aufträge sichern.
Die deutschen Werften kamen auf ein Auftragsvolumen von 5,9 Mrd. Euro,
allerdings ist darunter kein einziges großes Containerschiff. Nach Container-
schiffen sowie Tankern und anderen Massengut-Transportern geraten jetzt
zunehmend auch Spezialschiffe, insbesondere Fähren, ins Visier der süd-
koreanischen Auftragsaquisition. Südkorea erreichte diese dominierende
Position offensichtlich neben Wechselkursvorteilen vor allem durch Dum-
ping. Eine Untersuchung im Auftrag der EU-Kommission von 18 konkreten
nach Südkorea vergebenen Aufträgen ergab, dass in 17 Fällen davon die
Preise zwischen 15 und 40 % unter marktüblichen Gestehungskosten der
südkoreanischen Werften lagen. Ermöglicht wird diese Wettbewerbsverzer-
rung offenkundig durch staatliche Hilfen, deren Beendigung Südkorea aber
im vergangenen Jahr vertraglich zugesagt hatte.

2. Die EU-Kommission, zuletzt Kommissar Lamy Mitte Februar in Seoul, in-
terveniert zwar seit Jahren, aber erfolglos gegen diese Zustände. Aufgrund
des Widerstandes von keinen oder nur geringen Schiffbau betreibenden Mit-
gliedstaaten kam es seitens der EU bisher weder zu effektiven handelspoliti-
schen Schritten gegen Südkorea, noch einer Verlängerung des Ende 2000
ausgelaufenen Beihilfen-Regimes für Neubauten auf EU-Werften. Zum wie-
derholten Male wurde die Frist der Weiterleitung des Streites mit Südkorea
an die WTO verschoben, jetzt auf Mai 2001. Auch soll erst zu diesem Zeit-
punkt über eventuell modifizierte Wettbewerbshilfen innerhalb der EU ent-
schieden werden.

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3. Neben handels- und beihilfepolitischen Schritten können und müssen zur
Stabilisierung der Schiffbau-Industrie aber auch die Nutzung von Synergien
durch verstärkte Kooperation der betroffenen Unternehmen beitragen, wie
es derzeit wieder in Japan mit der Fusion von Hitachi Zosen und NKK vor-
geführt wird. Ferner müssen die Anstrengungen in den Bereichen For-
schung/Entwicklung sowie bei der Qualifizierung der Belegschaften, die
entsprechende Kooperation von Unternehmen und öffentlichen Einrichtun-
gen weiter verstärkt werden. Zur Erschließung neuer Arbeitsfelder für die
Werftindustrie und zur Schaffung zusätzlichen Absatzes moderner Schiffe
kann ebenfalls ein innerhalb der EU wie auch global umweltpolitisch rigide-
res Ordnungsrecht im Schiffsverkehr beitragen.

4. Die grundsätzlich bedenkenswerte Kritik der EU-Kommission an der Sub-
ventionshöhe im Schiffbau – 1998 EU-weit durchschnittlich rund 28 000
Euro pro Werft-Arbeitsplatz – wird jedoch durch die gleichzeitige Aufrecht-
erhaltung von Kapazitätsbeschränkungen für die Unternehmen in Mecklen-
burg-Vorpommern bis Ende 2005 auf jährlich 327 000 cgt (compensated
gross tonnage) konterkariert – zum Vergleich: 1990 lieferten die Werften auf
DDR-Territorium Schiffe mit 545 041 cgt ab. Die ursprünglich zum Nach-
teilsausgleich für andere EU-Wettbewerber eingeführte Beschränkung der
mit großzügigen öffentlichen Mitteln umgebauten ostdeutschen Werften
nützt mittlerweile nur noch der fernöstlichen Konkurrenz. Von 1992 bis
1999 sank in Mecklenburg-Vorpommern die Fertigungszeit je cgt auf
37,5 %, bis 2004 wird sie sich aufgrund des technologischen Fortschritts
weiter auf rund 30 % des Ausgangswertes reduzieren. Der derzeitige Perso-
nalbestand unterschreitet mit ca. 4 900 Beschäftigten die von der EU-Kom-
mission 1995 gemachte Vorgabe von maximal 7 000 Arbeitsplätzen deutlich
und wird im laufenden Jahr – anders als in Westdeutschland – voraussicht-
lich um weitere 2 % reduziert. Schon heute liegt die mit Schiffsneubauten
technologisch mögliche Auslastung der ostdeutschen Werften aufgrund der
Kapazitätsbeschränkungen nur bei ca. 75 % – das bedeutet aber steigende
Fixkosten und damit sinkende Wettbewerbsfähigkeit, die wiederum durch
öffentliche Subvention der laufenden Aufträge zu kompensieren versucht
wird. Denn ein weiterer Personalabbau wäre nicht nur regionalpolitisch
fatal, er ist wegen der bereits erfolgten rigorosen Rationalisierung auch
technologisch unmöglich, es sei denn, ganze – erst mit Milliardenaufwand
modernisierte – Fertigungsstandorte würden komplett aufgegeben. Insofern
wäre der Wegfall oder zumindest die Modifizierung der Kapazitätsbeschrän-
kungen nicht nur ein Beitrag zur Verbesserung der internationalen Wett-
bewerbsfähigkeit, es würde auch den Druck nach öffentlichen Zuschüssen
zur laufenden Produktion mindern.

5. Bei der Kostenverteilung nationaler Schiffbau-Beihilfen sollte künftig be-
rücksichtigt werden, dass davon regionalpolitisch nicht in erster Linie die
Werftenstandorte profitieren. Selbst bei einem Neubau sind die Werften nur
zu einem Drittel an der Wertschöpfung beteiligt. Deren Großteil – und damit
auch der über Schiffbau-Förderung letztlich gesicherten Arbeitsplätze – ent-
fällt auf die Zulieferindustrie. Von deren Gesamtumsatz wurden 1999 aber
rund 24 % in Baden-Württemberg, 14 % in Bayern und 12 % in Nordrhein-
Westfalen erwirtschaftet, während umgekehrt auf Bremen 5 %, auf Nieder-
sachsen 3 % und auf Mecklenburg-Vorpommern nur 2 % entfielen. Darüber
hinaus profitiert die deutsche Zulieferindustrie auch davon, dass zwar Auf-
träge für Schiffsrümpfe zunehmend nach Fernost gehen, die Reeder jedoch
nach wie vor auf vertraute Ausstattung Wert legen: 1999 realisierte sie be-
reits 11 % ihres Umsatzes durch Exporte nach Südkorea (zum Vergleich:
37 % in Deutschland).

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II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. im Rahmen der EU

– sich für die umgehende Androhung effektiver Handelssanktionen gegen
Südkorea einzusetzen, sofern dessen Regierung weiterhin nicht die mit
der EU im Sommer 2000 vereinbarte Anwendung marktwirtschaftlicher
Grundsätze im Schiffbau („Agreed minutes“) durchsetzt,

– sich weiter nachdrücklich für den umgehenden Wegfall der Kapazitätsbe-
schränkungen der ostdeutschen Werften bzw. zumindest deren Modifika-
tion hinsichtlich Abrechnungszeitraum und Berechnungsmodus im Zuge
der seinerzeit für 2001 zugestandenen Revision der Bestimmungen durch
die Kommission zu verwenden,

– die Vorbereitung eines ab Mai 2001 geltenden, den Wegfall bzw. die Mo-
difikation der Kapazitätsbeschränkungen für die ostdeutschen Werften
berücksichtigendes neuen Beihilfe-Regimes zumindest für jene Schiff-
bau-Bereiche mit wettbewerbsverzerrender südkoreanischer Konkurrenz
vorantreiben zu helfen,

– sich für die verschärfte Kontrolle in EU-Häfen insbesondere von Groß-
schiffen über 10 Meter Tiefgang hinsichtlich technischem Zustand und
nautischer Ausrüstung einzusetzen und auf die Durchsetzung des EU-
Verkehrsminister-Ratsbeschlusses vom 20. Dezember 2000 zu bestehen,
wonach Schiffen, die innerhalb von zwei Jahren mehr als zweimal wegen
Mängeln festgehalten wurden, die Einfahrt in EU-Gewässer künftig zu
verwehren ist;

2. sich in der Internationalen Schifffahrt-Organisation (IMO) für die verbind-
liche Umsetzung der Vereinbarung über die Ausmusterung einwandiger
Tanker ab 2003 einzusetzen;

3. gemeinsam mit den interessierten Bundesländern und Unternehmen die be-
triebliche und akademische Aus- und Fortbildung, insbesondere im inge-
nieurtechnischen Bereich, weiter zu verbessern;

4. die unternehmensübergreifende und dabei projektbezogene Kooperation in
den Bereichen Forschung und Entwicklung, Konstruktion sowie Mate-
rialeinkauf und die damit einhergehende Entstehung von regionalen Netz-
werken, wie z. B. die „Maritime Allianz Ostseeregion“ in Mecklenburg-Vor-
pommern, zu unterstützen;

5. zur Finanzierung des Länder-Anteiles von Zinszuschüssen, Wettbewerbshil-
fen oder anderen öffentlichen Beihilfen für Schiffsbauten künftig die Länder
mit maritimer Zulieferindustrie entsprechend des dortigen Wertschöpfungs-
anteiles mit heranzuziehen.

Berlin, den 7. März 2001

Rolf Kutzmutz
Dr. Dietmar Bartsch
Dr. Heinrich Fink
Uwe Hiksch
Sabine Jünger
Gerhard Jüttemann
Ursula Lötzer
Dr. Christa Luft
Angela Marquardt
Roland Claus und Fraktion

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