BT-Drucksache 14/545

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches - Rauschtaten - Strafschärfungsgesetz -

Vom 16. März 1999


Deutscher Bundestag: Drucksache 14/545 vom 16.03.1999

Gesetzentwurf der Fraktion der CDU/CSU Entwurf eines Gesetzes zur
Änderung des Strafgesetzbuches - Rauschtaten-Strafschärfungsgesetz - =

16.03.1999 - 545

14/545

Gesetzentwurf
der Abgeordneten Norbert Geis, Ronald Pofalla, Dr. Jürgen Rüttgers,
Dr. Wolfgang Götzer, Manfred Kanther, Volker Kauder, Eckart von
Klaeden,
Norbert Röttgen, Dr. Rupert Scholz, Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten,
Dr. Susanne Tiemann, Andrea Astrid Voßhoff und der Fraktion der CDU/CSU
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches
- Rauschtaten-Strafschärfungsgesetz -

A. Problem
Mit dem Tatbestand des Vollrauschs (§ 323a StGB) können Fälle nicht
angemessen geahndet werden, in denen besonders schwere Rauschtaten
begangen werden. Es ist nicht länger hinnehmbar, daß etwa dem
Amokläufer, der im Vollrausch andere Menschen lebensgefährlich verletzt
oder gar tötet, allenfalls fünf Jahre Freiheitsstrafe drohen.
B. Lösung
Der Entwurf schlägt vor, den Strafrahmen des § 323a StGB aus dem im
Rausch erfüllten Tatbestand zu entnehmen. Dem Gebot des gerechten
Strafens und namentlich auch dem Gedanken der positiven
Generalprävention wird so Rechnung getragen. Den Besonderheiten des
Vollrauschs wird durch eine obligatorische Strafrahmenverschiebung
entsprochen.
C. Alternativen
Keine
D. Kosten der öffentlichen Haushalte
Aufgrund der Vollstreckung längerer Freiheitsstrafen werden den
Haushalten der Länder in gewissem Umfang höhere Kosten ent-
stehen. Sie sind derzeit nicht zu beziffern.
E. Sonstige Kosten
Keine

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches
- Rauschtaten-Strafschärfungsgesetz -
Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:
Artikel 1
Änderung des Strafgesetzbuches
§ 323a des Strafgesetzbuches in der Fassung der
Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), das zuletzt
geändert worden ist durch ..., wird wie folgt geändert:
1. Absatz 1 wird wie folgt gefaßt:
"(1) Wer sich vorsätzlich oder fahrlässig durch alkoholische
Getränke oder andere berauschende Mittel in einen Rausch versetzt,
wird, wenn er in
diesem Zustand eine rechtswidrige Tat begeht und
ihretwegen nicht bestraft werden kann, weil er infolge des Rausches
schuldunfähig war oder weil dies nicht auszuschließen ist, mit der
Strafe bestraft, die für die im Rausch begangene Tat angedroht ist. Die
Strafe ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern."
2. Absatz 2 wird aufgehoben.
Artikel 2
Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes
Nach § 74 Abs. 2 Satz 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes in der Fassung
der Bekanntmachung vom 9. Mai 1975 (BGBl. I S. 1077), das zuletzt
geändert worden ist durch ..., wird folgender neuer Satz 2 einge-
fügt:
"Das gilt auch für das Vergehen des Vollrausches (§ 323a des
Strafgesetzbuches), wenn die im Rausch begangene Tat ein in Satz 1
genanntes Verbrechen
wäre."
Artikel 3
Inkrafttreten
Dieses Gesetz tritt am Tage nach seiner Verkündung in Kraft.
Bonn, den 16. März 1999
Norbert Geis
Ronald Pofalla
Dr. Jürgen Rüttgers
Dr. Wolfgang Götzer
Manfred Kanther
Volker Kauder
Eckart von Klaeden
Norbert Röttgen
Dr. Rupert Scholz
Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten
Dr. Susanne Tiemann
Andrea Astrid Voßhoff
Dr. Wolfgang Schäuble, Michael Glos und Fraktion

Begründung
A. Allgemeines
Die absolute Strafrahmenobergrenze des Vollrauschtatbestandes (§ 323a
StGB) von fünf Jahren Freiheitsstrafe wird dem Gebot des gerechten
Strafens sowie dem Gedanken der positiven Generalprävention vielfach
nicht gerecht. Sie führt dazu, daß selbst dann, wenn es sich bei den
Rauschtaten objektiv um schwerste Verbrechen handelt (s. dazu die
Auflistung bei LK-Spendel, § 323a StGB, Rn. 18, 19, 287), die Strafe
einem Strafrahmen zu entnehmen ist, mit dem sonst auf Straftaten
allenfalls der mittleren Kriminalität reagiert wird. Überdies muß nach
der höchstrichterlichen Rechtsprechung bei drogenabhängigen Tätern in
der Regel erheblich verminderte Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) angenommen
werden (etwa BGH vom 12. November 1996 - 4 StR 519/96; BGH NStZ 1996,
334, jeweils m.w.N.), womit sich die Höchststrafe auf drei Jahre neun
Monate Freiheitsstrafe reduziert (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 StGB). Im Hinblick
darauf, daß der Strafrahmen nur selten ausgeschöpft wird, muß etwa der
drogenabhängige Amokläufer, der im Rausch mehrere Menschen
lebensgefährlich verletzt (Beispielsfall bei LK-Spendel, a.a.O., Rn.
19) oder gar tötet, faktisch lediglich eine Freiheitsstrafe im Bereich
von drei Jahren gewärtigen. Zudem beruht wohl die Mehrzahl der
abgeurteilten Fälle des Vollrauschs nicht auf einer zur Tatzeit
gemessenen Alkoholisierung, sondern auf einem rein rechnerischen Wert
unter Zugrundelegung von für den Täter günstigsten Abbauwerten und
Sicherheitszuschlägen. Auch vor diesem Hintergrund erscheinen
einschlägige Urteile weder den Opfern noch der Rechtsgemeinschaft
vermittelbar. Das Vertrauen der Allgemeinheit in die Unverbrüchlichkeit
der Rechtsordnung wird so erschüttert.
Der Entwurf hält die geltende Rechtslage für nicht länger hinnehmbar.
Er schlägt vor, § 323a StGB in seiner Ausformung durch die
höchstrichterliche Rechtsprechung weiter zu entwickeln. Bereits im
Gesetz soll der Schwere der Rauschtat stärkeres Gewicht verliehen
werden. Nachhaltige Forderungen der Praxis (s. etwa Nack, schriftliche
Stellungnahmen zur Sachverständigenanhörung des Rechtsausschusses des
Deutschen Bundestages zum Entwurf eines 6. Strafrechtsreformgesetzes
vom 4. Juni 1997, S. 28) werden damit aufgegriffen, der
Kritik eines Teils der Wissenschaft (LK-Spendel, a.a.O., Rn. 287)
entsprochen.
B. Zu den einzelnen Vorschriften
Zu Artikel 1
Nach ständiger Rechtsprechung können Art, Umfang und Gefährlichkeit der
Rauschtat ohne Verstoß gegen den Schuldgrundsatz bei der Bemessung der
Strafe grundsätzlich zu Lasten des Täters gewertet werden. Dies trägt
dem Umstand Rechnung, daß die Rauschtat nicht nur als Beweis für das
Bestehen, sondern auch als Anzeichen für den Grad der Rauschgefahr
aufzufassen ist (LK-Spendel, a.a.O., Rn. 289, mit zahlreichen
Nachweisen). § 323a Abs. 1 Satz 1 StGB-E entwickelt diesen Gedanken in
der Weise fort, daß er selbst keinen eigenständigen Strafrahmen mehr
anordnet, sondern den Strafrahmen der Vorschrift entnimmt, die die
Rauschtat objektiv erfüllt. Dies wird verbunden mit einer
obligatorischen Strafrahmenverschiebung zugunsten des Täters nach § 49
Abs. 1 StGB (§ 323a Abs. 1 Satz 2 StGB-E). Die Vorschläge ermöglichen
gerechte Ergebnisse im Einzelfall. Die krassen Ungereimtheiten des
geltenden Rechts (dazu oben A. sowie LK-Spendel, a.a.O., Rn. 287)
werden dadurch beseitigt.
In seinem materiellen Gehalt bleibt § 323a StGB unverändert. Die
Aufhebung des Absatzes 2 stellt eine Folgeänderung dar.
Zu Artikel 2
§ 74 Abs. 2 Satz 2 GVG-E schreibt die Zuständigkeit des Schwurgerichts
vor, wenn die Rauschtat eines der in Absatz 2 Satz 1 genannten
Verbrechen wäre. Dies erscheint wegen des engen Zusammenhangs
sachgerecht. Zudem werden unökonomische Verweisungen (§§ 209, 270 StPO)
vermieden.
Zu Artikel 3
Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten.

16.03.1999 nnnn

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