BT-Drucksache 14/5422

Umfang der derzeitigen Telekommunikationsüberwachung durch den Bundesnachrichtendienst und deren geplante Ausweitung

Vom 1. März 2001


Deutscher Bundestag Drucksache 14/5422
14. Wahlperiode 01. 03. 2001

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke und der Fraktion der PDS

Umfang der derzeitigen Telekommunikationsüberwachung durch den
Bundesnachrichtendienst und deren geplante Ausweitung

In seinem Bericht vom 23. Dezember 1996 teilte der Präsident des Bundesnach-
richtendienstes (BND) dem Bundesverfassungsgericht mit, dass „der Bundes-
nachrichtendienst kapazitätsbedingt täglich nur circa 15 000 Vorgänge erfassen“
könne. 1996 seien darunter täglich etwa 600 Telefongespräche enthalten gewe-
sen, an denen Teilnehmer beteiligt waren, die unter den Anwendungsbereich des
Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz (G10) fielen. Nach der automatischen Aus-
wahl mit genehmigten Suchbegriffen blieben täglich 45 Vorgänge übrig, die
rechtlich überprüft und einer weiteren inhaltlichen Auswahl unterzogen würden.
Davon würden an die zuständige Fachauswertung 5 Meldungen weitergegeben.

In seinem Bericht an das Bundesverfassungsgericht vom 5. August 1998 gibt
der Präsident des BND an, dass von den „8 Millionen Fernmeldeverkehren,
die zwischen Deutschland und anderen Staaten geführt werden (...) weniger als
0,1 Promille in den maschinellen Selektionsprozess“ gerieten. Das wären
800 Fernmeldeverkehre. Unter „Fernmeldeverkehren“ verstand der BND 1998
lediglich den Telefax-, Telex- und Fernsprechverkehr.

In der Begründung zum jetzt vorliegenden Gesetzentwurf zur Neuregelung der
G10-Einschränkungen vom 15. Januar 2001 gibt die Bundesregierung an, dass
die Empfangsanlagen des BND täglich 100 000 Telekommunikationen erfas-
sen und in die Wortbank leiten könnten. Darunter befänden sich 750 Tele-
kommunikationen, die von Teilnehmern, die unter den Anwendungsbereich
des G10-Gesetzes fielen, von oder nach Deutschland geführt würden. 40 dieser
750 Telekommunikationen enthielten Suchbegriffe aus einer Anordnung. Als
Ergebnis des Auswahlprozesses würden täglich drei Telekommunikationen
einer weiteren Auswertung zugeführt.

Die Bundesregierung behauptet in der Gesetzesbegründung weiter, dass auf-
grund der Paketvermittlung von Internetkommunikation in Zukunft mehr Tele-
kommunikation erfasst werden müsse, um am Ende alle Pakete überhaupt zu-
sammen führen zu können. Aus diesem Grund soll der Anteil der vom BND
abgehörten Telekommunikation von jetzt 10 auf künftig 20 Prozent verdoppelt
werden.

Beim Faxverkehr handelt es sich zunächst um technisch kodierten Text. Der
Faxverkehr muss deshalb aus technischen Gründen im Grunde zuerst komplett
gespeichert und dekodiert werden, um Suchbegriffe überhaupt identifizieren zu
können. Laut Bericht des BND vom 5. August 1998 sollten die Entwicklungs-
arbeiten für eine maschinelle Texterkennung beim Inhalt von Telefaxen sowie
von grafischen Darstellungen und Signaturen „frühestens Mitte 1999 abge-
schlossen“ sein.

Drucksache 14/5422 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode
Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie begründet die Bundesregierung die Befugniserweiterung des BND,
nun auch den leitungsgebundenen Telekommunikationsverkehr abhören zu
müssen, wenn der absolute Ertrag seit 1996 trotz Kapazitätssteigerung um
fast 700 Prozent annähernd konstant blieb?

2. Was versteht der BND heute unter dem Begriff Telekommunikation?

Sind das alle Telefongespräche, Faxnachrichten, Telexverbindungen, SMS-
Nachrichten, Ende-zu-Ende-Datenübertragungen, E-Mails, Postings im
WWW und im Newsnet sowie Internet-Verbindungen?

3. Wie erfasst der BND den Faxverkehr, um ihn zu analysieren?

Wird der gesamte erfasste Faxverkehr temporär gespeichert?

Welche Instanz dekodiert den verschlüsselten Faxtext?

4. Welche Instanz erkennt, in welchem Datenformat die Telekommunikatio-
nen erfolgt sind und macht sie für den BND verstehbar?

5. Wer und was erkennt, in welcher Sprache die Kommunikationen durchge-
führt wurden?

6. Welchen Anteil hatte der BND bei den Entwicklungsarbeiten in dem durch
die EU-Kommission geförderten Forschungsprojekt SENSUS?

Konnte SENSUS erfolgreich abgeschlossen werden?

7. Wie erklärt der BND die Diskrepanz, dass jetzt 750 Nachrichten von
100 000 ausgewertet werden können, während 1996 von 15 000 immerhin
600 ausgewertet wurden?

8. Werden um den Kontext eines Suchbegriffes zu erkennen, die Nachrichten
temporär auf Datenträgern gespeichert?

Wie sind diese Datenspeicher beschaffen?

Handelt es sich bei diesem Datenspeicher um eine Festplatte oder um einen
Arbeitsspeicher?

9. Wie kann bei einer geplanten Obergrenze von 20 Prozent des zur Erfassung
freigegebenen internationalen Telekommunikationsverkehrs in Zukunft
100 Prozent der zur erfassenden Internetkommunikation erfasst werden?

10. Muss der BND nicht deshalb gezielt an den Auslandsknoten der nationalen
Provider ansetzen?

11. Wie will der BND die Auslandskommunikation im Internetverkehr erfas-
sen?

12. Wie trägt der BND dem Umstand Rechnung, dass manche deutsche Nutzer
ihre Daten über ausländische Server routen?

13. Wie trägt der BND dem Umstand Rechnung, dass bei Kapazitätsproblemen
Teile des innerdeutschen Datenverkehrs über ausländische Rechner geleitet
werden?

Berlin, den 26. Februar 2001

Ulla Jelpke
Roland Claus und Fraktion

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