BT-Drucksache 14/5421

Todesopfer unter Flüchtlingen in die Bundesrepublik Deutschland und die Europäische Union in den Jahren 1999 und 2000

Vom 27. Februar 2001


Deutscher Bundestag

Drucksache

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14. Wahlperiode

27. 02. 2001

Kleine Anfrage

der Abgeordneten Ulla Jelpke und der Fraktion der PDS

Todesopfer unter Flüchtlingen in die Bundesrepublik Deutschland und
die Europäische Union in den Jahren 1999 und 2000

Nach einer Dokumentation der Berliner „Antirassistischen Initiative“ über
„Bundesdeutsche Flüchtlingspolitik und ihre tödlichen Folgen“ (8. aktualisierte
Auflage, Januar 2001) starben im Zeitraum 1. Januar 1993 bis 31. Dezember
2000 mindestens 119 Menschen auf dem Weg in die Bundesrepublik Deutsch-
land oder an den Grenzen. Allein 89 Menschen starben in diesem Zeitraum an
den deutschen Ostgrenzen. 283 Flüchtlinge erlitten beim Grenzübertritt zum
Teil erhebliche Verletzungen, 114 davon an den deutschen Ostgrenzen.

Von den 61 Flüchtlingen, die nach dieser Dokumentation beim Grenzübertritt
in die Bundesrepublik Deutschland durch Maßnahmen von Beamten des Bun-
desgrenzschutzes verletzt wurden, geschah das bei 46 Personen durch Bisse
von Zoll- und Diensthunden.

92 Menschen töteten sich selbst angesichts ihrer drohenden Abschiebung oder
starben beim Versuch, vor der Abschiebung zu f iehen. Allein 45 Flüchtlinge
starben in Abschiebehaft.

Insgesamt starben nach Angaben dieser Dokumentation infolge der staatlichen
Abschottungspolitik im Zeitraum vom 1. Januar 1993 bis zum 31. Dezember
2000 239 Flüchtlinge. W eitere 64 kamen durch rassistische Über griffe ums
Leben.

Viele Menschen, deren Ziel Deutschland oder ein anderes Land der Europäi-
schen Union ist, scheitern auf ihrem W eg nach Europa bereits an den europäi-
schen Außengrenzen. Die Bundesrepublik Deutschland hat ein großes Interesse
daran, durch stark gesicherte Außengrenzen einen T eil der Flüchtlinge und
Migrantinnen bzw . Migranten nicht in die EU und schon gar nicht nach
Deutschland kommen zu lassen und investiert deshalb viel Zeit und Geld in
Absprachen, Kooperationen und Unterstützungsarbeit zur Abschottung dieser
Außengrenzen der EU. Insofern hat auch die deutsche Politik eine V erantwor-
tung für die Menschen, die bei ihrem V ersuch, in die EU einzureisen, schwer
verletzt werden oder sterben.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie viele Personen sind nach Kenntnis der Bundesregierung in den Jahren
1999 und 2000

a) an den Landgrenzen, Küsten, Seehäfen, Flughäfen bzw . im Grenzgebiet
der Bundesrepublik Deutschland,
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b) an den Grenzen der Europäischen Union insgesamt,

tot aufgefunden worden (bitte nach Datum und Ort des Auffindens, Nationa
lität des Opfers und Todesart bzw. Umständen des Todes aufschlüsseln)?

Wie viele Todesermittlungsverfahren wurden diesbezüglich eingeleitet und
mit welchem Ergebnis abgeschlossen (bitte aufschlüsseln)?

2. Wie viele Personen sind nach Kenntnis der Bundesregierung in den Jahren
1999 und 2000 mit körperlichen V erletzungen durch Erfrierungen, Unter -
kühlungen, Hunger/Durst aufgegrif fen worden, die sie sich im Zuge ihres
ggf. unerlaubten Grenzübertritts

a) in die Bundesrepublik Deutschland,

b) in die Europäische Union

zugezogen hatten (bitte nach Datum und Ort, Nationalität des Opfers, Kör-
perverletzungsart aufschlüsseln)?

3. Wie viele Personen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung in den Jah-
ren 1999 und 2000 im Zuge ihres ggf. unerlaubten Grenzübertritts

a) durch BGS- oder Zollbeamte in Deutschland,

b) durch Grenz- oder Zollbeamte in der Europäischen Union

durch die Anwendung unmittelbaren Zwanges bzw . im Zuge einer entspre-
chenden Nacheile körperlich verletzt?

Wie viele Ermittlungs- und Disziplinarverfahren wurden diesbezüglich ein-
geleitet und mit welchem Ergebnis abgeschlossen (bitte aufschlüsseln)?

4. Wie viele Personen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung in den Jah-
ren 1999 und 2000

a) in der Bundesrepublik Deutschland,

b) in der Europäischen Union

im Zuge ihres ggf. unerlaubten Grenzübertritts durch Privatpersonen (z. B.
Jäger, Angehörige so genannter Bür gerwehren) körperlich verletzt bzw. ge-
tötet (bitte nach Datum und Ort, Nationalität des Opfers und T odes- bzw.
Körperverletzungsart aufschlüsseln)?

Wie viele Ermittlungsverfahren wurden diesbezüglich eingeleitet und mit
welchem Ergebnis abgeschlossen (bitte aufschlüsseln)?

5. Wie viele Personen sind nach Kenntnis der Bundesregierung in den Jahren
1999 und 2000

a) in der Bundesrepublik Deutschland,

b) in der Europäischen Union

tot aufgefunden worden, nachdem sie im Zuge ihres Versuchs der ggf. uner-
laubten Einreise in die Bundesrepublik Deutschland bzw. EU in ihren Trans-
portmitteln Sauerstof fmangel, Hunger , Durst, Kälte, Überhitzung o. Ä.
ausgesetzt waren (bitte nach Datum und Ort, Nationalität des Opfers, Trans-
portmittel und Todesart aufschlüsseln)?

6. a) Wie viele Personen sind in den Jahren 1999 und 2000 in der Bundesrepu-
blik Deutschland bzw. EU verletzt aufgefunden worden, nachdem sie im
Zuge ihres Versuchs der (ggf. unerlaubten) Einreise in die Bundesrepu-
blik Deutschland bzw . EU in ihren T ransportmitteln Sauerstof fmangel,
Hunger, Durst, Kälte, Überhitzung o. Ä. ausgesetzt waren (bitte nach
Datum und Ort, Nationalität des Opfers, Transportmittel und Art der Kör-
perverletzung aufschlüsseln)?
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b) Wie viele Fälle sind in den Jahren 1999 und 2000 bekannt geworden, in
denen Personen, die sich auf einem ggf. unerlaubten T ransport in die
Bundesrepublik Deutschland bzw . EU befanden, im europäischen Aus-
land bzw. auf hoher See tot aufgefunden wurden (bitte nach Datum und
Ort, Nationalität des Opfers, T ransportmittel und T odesart aufschlüs-
seln)?

Berlin, den 20. Februar 2001

Ulla Jelpke
Roland Claus und Fraktion

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