BT-Drucksache 14/5419

DNA-Identifizierung und Speicherung so erhobener Daten wegen Verdachts auf politisch motivierte Straftaten

Vom 27. Februar 2001


Deutscher Bundestag

Drucksache

14/

5419

14. Wahlperiode

27. 02. 2001

Kleine Anfrage

der Abgeordneten Ulla Jelpke und der Fraktion der PDS

DNA-Identifizierung und Speicherung so erhobener Daten wegen erdachts
auf politisch motivierte Straftaten

Der Verabschiedung des DNA-Identitätsfeststellungsgesetzes im Jahre 1998
auf Betreiben des damaligen Bundesministers des Innern, Manfred Kanther ,
ging eine breite Diskussion über die Verfolgung insbesondere von Sexualstraf-
tätern voraus. Inzwischen mehren sich aber die Anzeichen, dass die tatsäch-
liche Handhabung dieses Gesetzes zu ganz anderen Folgen führt als der
ursprünglich bezweckten Erfassung von gefährlichen Wiederholungstätern.

So gibt es inzwischen Berichte, wonach bei fast allen ir gendwo in Strafregis-
tern noch erfassten früheren Straftätern – selbst wenn sie seit Jahren keine wei-
tere Straftat mehr begangen haben und keine einzige W iederholungstat vor -
liegt, noch nicht einmal ein V erdacht darauf – eine DNA-Überprüfung
angeordnet wird und so riesige DNA-Dateien aufgebaut werden (W iesbadener
Tagblatt, 6. Februar 2001).

Auf der anderen Seite mehren sich die Berichte, dass vermehrt Linke, insbe-
sondere Mitglieder antirassistischer und antifaschistischer Initiativen und von
Flüchtlingsgruppen, u. a. von Polizei und Staatsanwaltschaften zur Hinnahme
von DNA-Analysen gezwungen werden.

So wurde kürzlich in Berlin eine in der Flüchtlingspolitik aktive Anwaltsgehil-
fin, gegen die seit über drei Jahren ein bis heute e gebnisloses Ermittlungs-
verfahren wegen Verdachts der Beihilfe zu Sachbeschädigungen am Fuhrpark
einer Handelsgesellschaft läuft, auf Beschluss des Bundesgerichtshofs zur Ab-
gabe einer Speichelprobe zwecks DNA-Analyse gezwungen (taz, 16. Februar
2001).

Ein ehemaliges Mitglied der RAF musste kürzlich auf Anweisung des Er-
mittlungsrichters beim Bundesgerichtshof eine Blutabnahme zwecks DNA-
Analyse machen, obwohl überhaupt kein Ermittlungsverfahren gegen diese
Person läuft.

Anfang Dezember letzten Jahres wurde gegen mehrere Personen aus der Leip-
ziger Antifa, gegen die seit April 2000 ermittelt wird, weil sie drei Neonazis in
Leipzig verletzt haben sollen, ebenfalls eine DNA-Analyse angeordnet und ge-
gen ihren Willen auch vollstreckt, obwohl sie einen T ag vorher gegen die an-
gedrohte Maßnahme Klage vor dem Landesverfassungsgericht Sachsen einge-
reicht hatten (Quelle: Flugblatt der Roten Hilfe OG Leipzig, 14. Februar 2001).

Nach einem Bericht der Initiative „Libertad“ wurden bereits im Frühjahr 2000
gegen vier Personen aus der Antifa Schwerin DNA-Analysen angeordnet. Vor-
wurf: Die vier Personen seien möglicherweise im Mai 1998 bei einem Überfall
auf Naziskins in Schwerin beteiligt gewesen (Quelle: www.libertad.de, dort: So
oder so Nr. 6, März 2000).
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– 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie viele DNA-Analysen sind nach Kenntnis der Bundesregierung seit
Inkrafttreten des DNA-Identitätsfeststellungsgesetzes von der Bundes-
anwaltschaft bzw . vom Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof ange-
ordnet worden (bitte nach Jahren aufschlüsseln)?

2. Wie viele dieser Anordnungen ergingen

– wegen des Verdachts des Verstoßes gegen § 129a Strafgesetzbuch (StGB),

– wegen des Verdachts des Verstoßes gegen § 129 Strafgesetzbuch (StGB),

– wegen des Verdachts anderer Straftaten

(bitte nach Jahren aufschlüsseln)?

3. Wie viele der unter Frage 2 genannten Anordnungen erfolgten

– gegen nachweisliche Wiederholungstäter/Wiederholungstäterinnen,

– wegen Verdachts auf eine Wiederholungstat,

– ohne einen solchen Verdacht

(bitte nach Jahren aufschlüsseln)?

4. a) Wie viele der unter Frage 2 genannten Anordnungen erfolgten im Zu-
sammenhang mit Ermittlungen, bei denen von der Bundesanwaltschaft
ein linkssextremistischer politischer Hintergrund vermutet wird?

b) Wie viele er gingen im Zusammenhang mit Ermittlungen, bei denen ein
rechtsextremistischer Hintergrund vermutet wird?

c) Wie viele ergingen im Zusammenhang mit Ermittlungen, bei denen kein
politischer Hintergrund vermutet wird?

(Bitte nach Jahren aufschlüsseln)

5. Wie viele der unter den Fragen 4a) bis 4c) genannten Anordnungen erfolgten

– gegen nachweisliche Wiederholungstäter/Wiederholungstäterinnen,

– wegen Verdachts auf eine Wiederholungstat,

– ohne einen solchen Verdacht

(bitte nach Jahren aufschlüsseln)?

6. a) Wie viele weitere Anordnungen zur Erstellung einer DNA-Analyse er -
gingen nach Kenntnis der Bundesregierung seit 1998 durch andere
Staatsanwaltschaften bzw . Gerichte im Zusammenhang mit Ermittlun-
gen, bei denen ein linksextremistischer Hintergrund der Straftat vermutet
wird?

b) Wie viele dieser Anordnungen durch andere Staatsanwaltschaften etc. er-
gingen nach Kenntnis der Bundesregierung im Zusammenhang mit Er -
mittlungen, bei denen ein rechtsextremistischer politischer Hinter grund
vermutet wird?

c) Wie viele dieser Anordnungen ergingen nach Kenntnis der Bundesregie-
rung im Zusammenhang mit Ermittlungen wegen einer Sexualstraftat?

d) Wie viele dieser Anordnungen ergingen nach Kenntnis der Bundesregie-
rung im Zusammenhang mit anderen Ermittlungen ohne einen politi-
schen Hintergrund der vermuteten Straftat?
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 –

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7. Wie viele der unter den Fragen 6a) bis 6d) genannten Anordnungen ergingen

– gegen nachweisliche Wiederholungstäter,

– wegen Verdachts auf eine Wiederholungstat,

– ohne einen solchen Verdacht?

8. Wie beurteilt die Bundesregierung diese Entwicklungen vor dem Hinter -
grund der Debatten von 1998 und den damaligen Erklärungen, die DNA-
Identitätsfeststellung richte sich vor allem gegen Sexualstraftäter und die
Gefahr von Wiederholungstaten in diesem Bereich?

Berlin, den 20. Februar 2001

Ulla Jelpke
Roland Claus und Fraktion

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