BT-Drucksache 14/5418

Schutz vor Mobilfunk-Strahlung

Vom 1. März 2001


Deutscher Bundestag Drucksache 14/5418
14. Wahlperiode 01. 03. 2001

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Gerhard Jüttemann, Eva-Maria Bulling-Schröter, Rolf Kutzmutz,
Angela Marquardt, Kersten Naumann und der Fraktion der PDS

Schutz vor Mobilfunk-Strahlung

Die heutige BSE-Krise ist auch eine Folge dessen, dass bereits seit Mitte der
achtziger Jahre warnende Stimmen von Wissenschaftlern, Politikern und Fach-
leuten sowie Forderungen nach vorbeugendem Gesundheitsschutz nicht beach-
tet wurden, weil wissenschaftlich unanfechtbare Forschungsergebnisse für des-
sen Notwendigkeit angeblich nicht vorlagen. Eine ähnliche Situation lässt sich
heute in der Entwicklung des Mobilfunks konstatieren. Sendeanlagen schießen
zu Zehntausenden wie Pilze aus dem Boden, immer mehr Menschen, vor allem
auch immer mehr Kinder, telefonieren mobil. Über die damit verbundene
extreme Zunahme des Elektrosmogs gibt es eine Reihe wissenschaftlicher
Studien, die zu unterschiedlichsten Ergebnissen von „harmlos“ bis „gefährlich“
kommen. Nach der bislang weltweit umfangreichsten Studie zu diesem Thema,
durchgeführt vom schwedischen „Nationalen Institut für Arbeitsleben“, klagt
jeder zweite Handy-Benutzer über Auswirkungen auf das Herz-Kreislauf-
System, Müdigkeit oder Kopfschmerzen. Eine Ende 1998 veröffentlichte Stu-
die der Berliner Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit kommt
zu dem Ergebnis, dass gepulste Mikrowellen der Intensität eines üblichen
Mobilfunk-Telefonates die bioelektrische Gehirnaktivität beeinflussen. Das
ARD-Fernsehmagazin „Report“ berichtete bereits am 21. August 2000, dass
mehr als 40 internationale Forschungen Hinweise auf gesundheitliche Pro-
bleme durch Mobilfunkstrahlung geben, z. B. Hirnschäden bei Tieren, Erbgut-
veränderungen bei Menschen oder Krebs bei Mäusen. Die Bundesärztekammer
erwartet vom Bundesamt für Strahlenschutz eine drastische Senkung der der-
zeit gültigen Grenzwerte. Die englische Regierung empfiehlt inzwischen, dass
Kinder und Jugendliche nicht mobil telefonieren und hat das Aufstellen von
Mobilfunkmasten in der Nähe von Kindergärten und Schulen verboten.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass aus der BSE-Krise zu lernen
ist, dass vorbeugender Gesundheitsschutz gerade bei technologischen Ent-
wicklungen, deren Auswirkungen auf die Gesundheit unzureichend er-
forscht sind, besonders wichtig ist?

Wenn ja, was bedeutet das nach Ansicht der Bundesregierung für den Be-
reich Mobilfunk und Elektrosmog?

Wenn nein, warum nicht?

2. Worin bestehen nach Ansicht der Bundesregierung die wesentlichen Ergeb-
nisse der vom bayerischen Umweltministerium im Juli 1998 in Auftrag
gegebenen und inzwischen abgeschlossenen „Rinderstudie“, die die Risiken

Drucksache 14/5418 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

der Strahlung von Mobilfunkanlagen anhand einer Langzeitstudie an Rin-
dern untersucht hat?

3. Wie bewertet die Bundesregierung diese Ergebnisse und welche Schlussfol-
gerungen für die praktische Politik ergeben sich für die Bundesregierung
daraus?

4. Sind der Bundesregierung Differenzen in der Beurteilung der Ergebnisse der
„Rinderstudie“ zwischen dem Auftraggeber und an der Studie beteiligten
Wissenschaftlern bekannt?

Wenn ja, welche, und wie beurteilt die Bundesregierung diese Differenzen?

5. Wie beurteilt die Bundesregierung folgende Äußerungen des an der Studie
beteiligten Fachtierarztes für Verhaltenskunde, Dr. Christoph Wenzel vom
Institut für Tierhygiene, Verhaltenskunde und Tierschutz an der Universität
München, in „Leben auf dem Land“ (im Landleben Verlag in Hannover bzw.
München erscheinenden Monatsbeilagen verschiedener deutscher agrari-
scher Fachzeitungen), Ausgabe 1/2001 S. 20/21, über die Bewertung der
Studienergebnisse seitens des bayerischen Umweltministeriums: „Die Be-
wertung und die Interpretation müssen kritisiert werden. Der Auftraggeber
ist offensichtlich überfordert, die Dringlichkeit der Forschungsergebnisse zu
werten … In einer achtstündigen Expertenrunde haben wir uns auf den ge-
meinsamen Nenner geeinigt: Es darf keine Entwarnung geben. Genau dies
ist aber im Abschlusskommuniqué gestrichen worden … Die Darstellungen
in der Öffentlichkeit sind jedenfalls nicht korrekt. Das Verhalten von Tieren
ist ein sehr sensibler Parameter, daher zeigen die Ergebnisse der Studie ei-
nen deutlichen Zusammenhang zwischen elektromagnetischen Feldern und
dem Organismus … Wir gehen mit einer gefährlichen Geschichte um. Un-
sere Ergebnisse sollten daher die Verantwortlichen in Politik und Industrie
zu einer entschiedenen Reaktion veranlassen.“?

6. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die „Rinderstudie“ hinrei-
chende Anhaltspunkte liefert, um bis zum Vorliegen weiterer Forschungser-
gebnisse schon heute Maßnahmen vorbeugenden Gesundheitsschutzes zu
veranlassen?

Wenn nein, warum nicht?

Wenn ja, welche Maßnahmen könnten das sein?

7. Wie bewertet die Bundesregierung folgende Äußerung des Präsidenten der
bayerischen Ärztekammer, Dr. H. Hellmut Koch, in der Fernsehsendung
„Unkraut“, Bayern 3 vom 2. Februar 2001, 21.35 Uhr: „Die heutigen Grenz-
werte schützen nicht ausreichend vor Elektrosmog. Wir wissen, dass ge-
pulste Strahlen im Niederfrequenzbereich und Hochfrequenzbereich
biologisch aktiv sind. Wir wissen aber nicht, ob dies etwas Ernstes bedeutet.
Wir fordern deshalb, dass aus Vorsorge für die Bevölkerung die Grenzwerte
niedriger angesetzt werden als sie derzeit sind, bis geklärt ist, ob Handys ein
Gesundheitsrisiko darstellen oder nicht.“?

8. Hält die Bundesregierung die Grenzwerte für gepulste Strahlung für aus-
reichend, obwohl eine Reihe von Studien das Gegenteil ausweist?

Wenn ja, warum?

9. Erwägt die Bundesregierung, ähnliche Maßnahmen wie die englische
Regierung zum vorbeugenden Schutz von Kindern und Jugendlichen vor
Mobilfunkstrahlung zu ergreifen?

Wenn nein, warum nicht?

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10. Welche Veränderungen von Grenzwerten und welche sonstigen Vorsorge-
maßnahmen im Mobilfunkbereich plant die Bundesregierung im Rahmen
der Novellierung der 26. Bundesimmissionsschutzverordnung?

11. Bieten die gesetzlich festgelegten Grenzwerte außer dem Schutz vor ther-
mischen Wirkungen auch Schutz vor anderen gesundheitlichen Risiken
(Krebsgefahr, biologische Effekte wie falsches Reagieren von Nerven-
zellen usw.)?

Wenn ja, vor welchen, und vor welchen möglichen Gefahren schützen
diese Grenzwerte nicht?

12. Wie bewertet die Bundesregierung folgenden Hinweis der Weltgesund-
heitsorganisation (WHO) in ihrer Broschüre vom Oktober 1999: „Keine
Normungsbehörde hat Expositionsrichtlinien mit dem Ziel erlassen, vor
langfristigen gesundheitlichen Auswirkungen wie einem möglichen Krebs-
risiko zu schützen.“?

Gibt es solche Richtlinien in Deutschland, wenn nein, warum nicht?

13. Wie bewertet die Bundesregierung die Studienergebnisse des Wissen-
schaftlers Prof. Dr. Peter Semm, der im Auftrag der Deutschen Telekom
AG jahrelang die gesundheitlichen Auswirkungen von Mobilfunkstrahlung
erforschte und dabei feststellte, dass bei Bestrahlung mit gepulster Hoch-
frequenz von 900 MHz, also weit unterhalb der Grenzwerte, 60 Prozent der
Nervenzellen falsch reagieren, und welche politischen Schlussfolgerungen
sind aus diesen Forschungen zu ziehen?

Berlin, den 1. März 2001

Gerhard Jüttemann
Eva-Maria Bulling-Schröter
Rolf Kutzmutz
Angela Marquardt
Kersten Naumann
Roland Claus und Fraktion

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