BT-Drucksache 14/5416

Zahl, Ausmaß und Dauer von Einkesselungen von Demonstrationen gegen Rechtsextremismus in den letzen Jahren

Vom 1. März 2001


Deutscher Bundestag

Drucksache

14/

5416

14. Wahlperiode

01. 03. 2001

Kleine Anfrage

der Abgeordneten Ulla Jelpke und der Fraktion der PDS

Zahl, Ausmaß und Dauer von Einkesselungen von Demonstrationen
gegen Rechtsextremismus in den letzten Jahren

Im Zusammenhang mit Demonstrationen, Kundgebungen und anderen Protest-
aktionen gegen Rechtsextremisten kommt es immer wieder zur Einkesselung
der Teilnehmer an solchen Protestaktionen durch die Polizei und/oder Beamte
des Bundesgrenzschutzes. So wurden in Düsseldorf am 28. Oktober letzten
Jahres eine große Zahl von Kindern und Jugendlichen zum T eil stundenlang
eingekesselt und nachher zur Aufnahme ihrer Personalien und Einleitung von
Strafverfahren zur Polizei verbracht. Nach Berichten der Eltern dieser Kinder
wurde dabei eine große Zahl von Kindern und Jugendlichen zum T eil stunden-
lang gefesselt, selbst 12-jährige Kinder polizeilich vernommen und verhört.
Die Eltern sollen von der Polizei zu keiner Zeit über die Festnahme ihrer Kin-
der informiert worden sein. Gegen Kinder seien ohne jeden Anhaltspunkt wahl-
los Ermittlungsverfahren wegen Landfriedensbruch eingeleitet worden, min-
derjährige Mädchen bis auf die Unterwäsche ausgezogen und in Räumen mit
sexistischen Kalenderbildern vernommen worden, werfen die Eltern der Polizei
weiter vor.

Sechs Wochen später wurden bei einer weiteren Protestaktion gegen Rechts-
extremismus in Dortmund erneut etwa 200 Kinder und Jugendliche sowie wei-
tere 400 Erwachsene unter ähnlichen Bedingungen eingekesselt und später
vernommen.

Die Betroffenen bzw. die Eltern der betrof fenen Kinder und Jugendlichen ha-
ben sich in beiden Fällen bereits mit Dienstaufsichtsbeschwerden, Anzeigen
gegen die verantwortlichen Einsatzleiter und Beschwerden beim Landtag
gegen diese Übergriffe gewehrt, ein erstes Gespräch im Landtag mit Abgeord-
neten hat stattgefunden. Von der Polizei gibt es nach Angaben der Eltern und
Betroffenen keine ernsthafte Entschuldigung, geschweige denn eine W ieder-
gutmachung für die Übergriffe.

Immer wieder kommt es sogar vor , dass Demonstrationen und Kundgebungen
von antifaschistischen Bündnissen und/oder Or ganisationen von Anfang an
eingekesselt und zum T eil sogar am Demonstrieren selbst gehindert werden,
angeblich aus Gründen der Prävention, d. h. der V ermeidung von Straftaten.
Diese angeblich „präventive“ Einkesselung verstößt gegen das Grundrecht der
Versammlungsfreiheit und kommt praktisch einer Aufhebung des Demonstrati-
onsrechts gleich.
Drucksache

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– 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode
Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie viele solcher „Einkesselungen“ von Demonstrationen, Kundgebungen

oder anderen Protesten gegen Rechtsextremismus durch Polizei und/oder
Beamte des Bundesgrenzschutzes hat es nach Kenntnis der Bundesregie-
rung in den letzten drei Jahren gegeben (bitte die Einkesselungen einzeln
aufführen, nach Ort und Datum, Zahl der Eingekesselten, Dauer der Ein-
kesselung, Zahl der dabei eingesetzten Beamten, Zahl der festgestellten
Personalien sowie später eingeleiteten Strafverfahren gegen die Eingekes-
selten)?

2. Wie viele Ermittlungs- bzw. Strafverfahren wurden im Zusammenhang mit
solchen Einkesselungen gegen wie viele T eilnehmer solcher Protestaktio-
nen eingeleitet?

3. Mit welchem Ergebnis endeten diese Ermittlungs- und Strafverfahren (bitte
nach Einstellungen bzw . Art der verurteilten Straftaten und Ausmaß der
verhängten Strafen aufschlüsseln)?

4. Wie viele der dabei eingesetzten bzw . anwesenden Beamte haben im Zu-
sammenhang mit solchen Einkesselungen gegen dieses Vorgehen demonst-
riert?

5. Wie viele Beschwerden, Strafanzeigen oder ähnliche Proteste der Betroffe-
nen solcher Einkesselungen gegen die beteiligen Beamten und die Einsatz-
leitung von Polizei bzw. Bundesgrenzschutz hat es nach Kenntnis der Bun-
desregierung gegeben (bitte nach Art der Beschwerde, Strafanzeige usw .
und nach Ort und Datum der jeweiligen Einkesselung aufschlüsseln)?

6. Wie viele V orermittlungen, Verfahren oder disziplinarische Ermittlungen
gegen Beamte oder Einsatzleiter solcher Einkesselungen hat es nach
Kenntnis der Bundesregierung in diesem Zusammenhang gegeben und wie
endeten diese Vorermittlungen, Verfahren usw. (bitte nach Ort und Datum
der jeweiligen Einkesselung und nach Er gebnis der jeweiligen V orermitt-
lungen bzw. Ermittlungen und Verfahren aufschlüsseln)?

7. Waren die Einkesselungen in den oben genannten Fällen auch bei nach-
träglicher Prüfung das einzige Mittel, um den polizeilichen Erfolg zu errei-
chen?

8. Widersprechen Einkesselungen nicht dem Einsatzkonzept der Beweis- und
Festnahmeeinheiten und warum wurde nicht deren Einsatzkonzept ange-
wandt?

9. Hält die Bundesregierung die Einkesselung von Demonstrationen zur „Prä-
vention“, d. h. zur Vermeidung angeblich drohender Straftaten, für verein-
bar mit dem Grundrecht der Demonstrationsfreiheit?

10. Hält die Bundesregierung die Einkesselung von Demonstrationen und an-
deren Protesten gegen Rechtsextremismus für eine mit ihrer Forderung
nach einem „Aufstand der Anständigen“ zu vereinbarende und mit dem
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Einklang stehende V orgehensweise
von Polizei und Bundesgrenzschutz?
Wenn nein, was will sie ggf. im Benehmen mit den Ländern, auf jeden Fall
aber für die ihr unterstellten Beamten des Bundesgrenzschutzes unterneh-
men, um solche Übergriffe in Zukunft vermeiden?

Berlin, den 26. Februar 2001

Ulla Jelpke
Roland Claus und Fraktion

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